JudikaturJustiz6Ob645/88

6Ob645/88 – OGH Entscheidung

Entscheidung
06. September 1988

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schobel, Dr. Melber, Dr. Schlosser und Dr. Redl als weitere Richter in den verbundenen Rechtssachen der klagenden Partei Franz P***, Besitzer, 9772 Dellach im Drautal 5, vertreten durch Dr. Dieter Poßnig, Rechtsanwalt in Villach, wider die beklagten Parteien 1) Paul P***, Tischler, 9772 Dellach im Drautal 113, und 2) Siegfried S***, Bauarbeiter, 9771 Berg im Drautal 77, beide vertreten durch Dr. Anton Gradischnig, Dr. Peter Gradischnig und Dr. Gerhard Gradischnig, Rechtsanwälte in Villach, wegen Unterlassung (Streitwert S 30.000,-- s.A.) infolge Rekurses der beklagten Parteien gegen den Beschluß des Landesgerichtes Klagenfurt als Berufungsgerichtes vom 13. April 1988, GZ 3 R 165, 166/88-22, womit das Urteil des Bezirksgerichtes Spittal an der Drau vom 30. Dezember 1987, GZ 4 C 31/87-16, unter Rechtskraftvorbehalt aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Der Kläger ist Eigentümer der Liegenschaft EZ 31 KG Draßnitz unter anderem mit den Grundstücken 760 und 800 im Draßnitztal nördlich von Dellach im Drautal.

Die Kärntner Elektrizitäts-Aktiengesellschaft (im folgenden kurz K***) plante im Zusammenhang mit der Errichtung des Kraftwerkes Wölla eine Beileitung durch das obere Draßnitztal sowie die Anlegung einer Baustraße. Zufolge des das Vorhaben genehmigenden Bescheides sollte diese Baustraße im wesentlichen über das Grundstück 807 (öffentlicher Weg) verlaufen. Da die Verlegung der Rohrleitung im Bereich dieser Trasse mit arbeitstechnischen und geologischen Schwierigkeiten verbunden gewesen wäre, kam es zu einer (Detail )Projektänderung, welcher der Landeshauptmann von Kärnten namens des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft mit Bescheid vom 6. Juli 1983 die wasserrechtliche Bewilligung erteilte. Danach wurden die schon von dem genannten Bundesministerium mit Bescheid vom 31. August 1982 angeordneten Bedingungen und Auflagen weiterhin für voll verbindlich erklärt.

Angesichts der schon erwähnten Schwierigkeiten strebte die K*** ein Übereinkommen mit dem Kläger dahin an, daß sie die Rohrleitung und die sie begleitende Baustraße etwa 30 m hangaufwärts der bescheidmäßig bestimmten Trasse führen durfte. Mit Entschädigungsübereinkommen vom 5. und 12. August 1983 räumte ihr der Kläger tatsächlich diese Befugnis gegen eine entsprechende Entschädigung ein.

In der Folge legte die K*** die Baustraße an. Diese beginnt im Bereich des öffentlichen Weges Grundstück 810 (beim "Augenwasserle" unterhalb der Gursgenbachbrücke) am rechten Ufer des Gursgenbaches, führt über die Abzweigung des Weges in das untere Draßnitztal bis zur Klopbrücke als neue Trasse und folgt im oberen Draßnitztal im wesentlichen der bis dahin bestandenen Wegtrasse. Die Baustraße verläuft über eine Länge von 560 m über das Grundstück 760 und weitere 80 m über das Grundstück 800. Infolge der Bauarbeiten wurde der alte Weg unbenützbar, sodaß die Baustraße die einzige Wegverbindung ins obere Draßnitztal darstellt.

Anfang 1986 errichtete der Kläger etwa 40 bis 50 m oberhalb der Gursgenbachbrücke einen versperrbaren Schranken, dessen Kosten ihm die K*** zufolge des schon erwähnten Übereinkommens erstattete. Vertretern von "Nachbarschaften" (Agrargemeinschaft Saak-Schwand-Oberdraßnitz und Ortschaft Oberdraßnitz) folgte er einige Schlüssel aus. Der Schranken wurde so aufgestellt, daß zwischen ihm und der anschließenden Böschung ein den Viehtrieb, den Fußgängerverkehr sowie den Verkehr mit nicht mehr als 1,1 bis 1,2 m breiten Motorfahrzeugen ermöglichender Zwischenraum freiblieb. Dagegen kann der Schranken mit PKW oder Geländewagen nicht passiert werden, wenn er geschlossen ist.

Der Kläger begehrte - mit getrennten, zu gemeinsamer Verhandlung und Entscheidung verbundenen Klagen - die Verurteilung beider Beklagten zur Unterlassung des Befahrens des über das Grundstück 760 führenden Forstweges mit Fahrzeugen, den Zweitbeklagten auch, soweit der Forstweg über das Grundstück 800 führt. Er führte aus, der Forstweg, der bis vor etwa drei Jahren ins obere Draßnitztal geführt habe, sei ein Privatweg gewesen, der öffentliche Weg (Grundstück 807) sei mit diesem Forstweg nicht identisch gewesen. Der Forstweg sei den Beklagten nicht zur Verfügung gestanden, sie hätten an ihm kein Recht. In den Vereinbarungen zwischen dem Kläger und der K*** sei die Inanspruchnahme des Weges durch Dritte ausgeschlossen worden. Der Erstbeklagte, der im oberen Draßnitztal nicht einmal Grundbesitz habe, sei lediglich Mitglied der Nachbarschaft Saak-Schwand-Oberdraßnitz. Zu jagdlichen Zwecken dürften beide Beklagte den Weg überhaupt nicht benützen. Der Erstbeklagte habe den Weg am 7. oder 8. August 1986, der Zweitbeklagte habe ihn am 21. September 1986 befahren. Die Beklagten wendeten übereinstimmend ein, bis etwa 1984 habe der öffentliche Weg (Grundstück 807), bis dahin die einzige Zufahrtsmöglichkeit ins obere Draßnitztal, dorthin geführt; dieser sei für jedermann benützbar gewesen. Das Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft habe mit Bescheid vom 31. August 1982 verfügt, daß vorhandene Wegeverbindungen aufrecht zu erhalten bzw. wiederherzustellen seien. Demgemäß habe sich die K*** dem Kläger gegenüber ausbedungen, daß jene Personen, die schon bisher den öffentlichen Weg benützt hätten, die Baustraße weiterhin befahren dürften. Schon deshalb sei das Unterlassungsbegehren nicht berechtigt. Darüberhinaus werde das Recht der Beklagten zur Befahrung des Weges auch auf "Ersitzung durch die Öffentlichkeit" gestützt.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren gegen beide Beklagte - auch gegen den Zweitbeklagten jedoch ohne Anführung des Grundstückes 800 - ab und stellte zu dem eingangs wiedergegebenen Sachverhalt noch fest:

Der öffentliche Weg (Grundstück 807) führt im Gemeindegebiet von Dellach im Drautal von der Ritschachertratte bis zur Gabelung des Draßnitztales und sodann im oberen Draßnitztal weiter. Dieses Wegegrundstück besteht zumindest schon seit der Jahrhundertwende. Etwa 1946 oder 1947 wurde oberhalb der Kirschenbachfassung das zunächst von Einheimischen und in der Folge auch von Touristen frequentierte Gasthaus Hubertushof erneuert, das stets von Mai bis September betrieben wird. Zur Versorgung dieses Gasthauses wurden die Lebensmittel und Getränke zunächst mit einem einachsigen Pferdewagen und seit etwa 20 bis 25 Jahren mit einem Motorschlepper über den damals nur etwa 1,10 bis 1,20 m breiten Weg befördert. In diesem Bereich befinden sich zwei Jagdgebiete, deren Pächter die schon seit 1945 bestehende Jagdgesellschaft, Dellach im Drautal ist, deren Mitglied auch die beiden Beklagten sind. Der Erstbeklagte ist außerdem Mitglied der Nachbarschaft Saak-Schwand-Oberdraßnitz, deren im Bereich der Kirschenbachfassung gelegene Weide (Grundstück 799) seit etwa 20 bis 25 Jahren durch Naturanflug "verwaldet" ist. Außerdem ist er Mitglied der Ortschaft Oberdraßnitz, die im Bereich des Tonele, an dem der Weg vorbeiführt, Almgrundstücke besitzt. Seit Menschengedenken wurde über den alten Weg Vieh getrieben und Heu - früher mit Pferdefuhrwerken, später mit Motorfahrzeugen - abgeführt. Die Jäger befuhren den Weg schon seit 1957 mit Motorrädern und beförderten erlegtes Wild mit Schleppfahrzeugen. Schon seit 1981 fuhren die Jäger teilweise mit allradgetriebenen PKW über den alten Weg.

Am 21. September 1986 fuhr der Zweitbeklagte bei geöffnetem Schranken mit seinem PKW über den Weg, um die Almhütte der Nachbarschaft Rietschach mit Lebensmitteln und Medikamenten zu versorgen, Brennholz zu machen und nach dem die Almhütte mit Strom versorgenden Kleinkraftwerk zu sehen.

Der alte Weg wies teilweise Felsstufen auf und war daher mit gewÄhnlichen PKW nur schwer befahrbar. Vor 1965/66 wurde der alte Weg von der Agrargemeinschaft Rietschach, der Agrargemeinschaft Oberdraßnitz-Koflachalpe und dem Kläger erhalten. Besondere Erhaltungsaufwände waren - auch nach Hochwassern - nicht erforderlich. Der alte Weg diente auch der Erschließung der wenigen privaten Almgrundstücke. Die Waldgrundstücke im oberen Draßnitztal gehörten früher der Republik Österreich und wurden 1929 und 1930 von Rechtsvorgängern des Klägers erworben.

1972 wurde der Weg vom Kläger und von der Nachbarschaft Oberdraßnitz-Koflachalpe-Rietschach von der Gursgenbachbrücke bis zum Hubertushof verbreitert und eingeebnet, sodaß er seither besser befahrbar ist. Im Laufe der Zeit wurde der in der Mappe festgehaltene Verlauf des alten Weges auf die dem Kläger gehörigen Grundstücke 760 und 800 verlagert. Die von der K*** hergestellte Wegtrasse liegt größtenteils bergwärts des alten Wegverlaufes. Mit Beschluß vom 10. März 1956 widmete der Gemeinderat der Gemeinde Dellach im Drautal den alten Weg ("Alpenweg") unter anderem im Bereich des Grundstückes 807 gemäß § 3 Z 5 Kärntner StraßenG 1955 als Ortschaftsweg. 1974 erlangte der Kläger infolge einer von seinem Schwiegersohn Dipl.Ing. Hans H*** durchgeführten Vermessung davon Kenntnis, daß der in der Natur vorhandene Weg an mehreren Stellen vom mappenmäßigen Verlauf des Grundstückes 807 abwich. Bei Abschluß des Entschädigungsübereinkommens mit der K*** war dem Kläger schon bekannt, daß nach dem Bescheid des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft die alten Wegeverbindungen aufrecht erhalten werden müßten.

Im Entschädigungsübereinkommen zwischen der K*** und dem Kläger wurden Dritten Benützungsrechte an der Baustraße, soweit sie Grundstücke des Klägers "berührt", nicht eingeräumt. In rechtlicher Hinsicht meinte das Erstgericht, der über das Grundstück "807 und 810" verlaufene alte Weg sei von der Gemeinde Dellach im Drautal als öffentlicher Weg gewidmet worden. Soweit sich der Wegverlauf später auf die Grundstücke des Klägers verlagert habe, sei er durch Ersitzung infolge Gemeingebrauches durch mehr als 30 Jahre öffentlicher Weg geworden. Durch das schon mehrfach erwähnte Entschädigungsübereinkommen sei diese auf öffentlichem Recht beruhende Benützungsbefugns schon nach den Grundsätzen der vertraglichen Schutzwirkung zugunsten Dritter nicht beseitigt worden. Dem Entschädigungsübereinkommen sei als Parteiwille die Absicht, den alten Weg durch die Baustraße zu ersetzen, unterstellt worden. Die Vertragsteile hätten damit jene Personen, die den alten Weg benützt hätten, im Rahmen des Gemeingebrauches schützen wollen, ohne daß es erforderlich gewesen wäre, diesen Personenkreis bei Vertragsabschluß zu identifizieren. Außerdem könne man in Analogie zu den §§ 495 und 525 ABGB auch den Standpunkt vertreten, daß die Legalservitut des Gemeingebrauches nach Vernichtung des alten Weges auf den neuen übergegangen sei.

Das Berufungsgericht hob das erstinstanzliche Urteil zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung durch das Erstgericht auf, sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes in beiden Rechtssachen jeweils zwar S 15.000,--, nicht aber S 300.000,--

übersteige, und ordnete einen Rechtskraftvorbehalt an. Es führte aus, das Erstgericht habe zwar im Verfahren gegen den Beklagten Siegfried S*** nicht auch über das Begehren in Ansehung des Grundstückes 800 abgesprochen, doch sei es dem Berufungsgericht mangels Anfechtung gemäß § 496 Abs 1 Z 1 ZPO verwehrt, auf diese Unterlassung einzugehen. Die Beklagten stützten ihre Einwendung, zum Befahren des neuen Weges berechtigt zu sein, einerseits darauf, daß sie den alten Weg stets befahren hätten, dieses Recht sei im Entschädigungsübereinkommen ausdrücklich auf die neue Baustraße "überbunden" worden, andererseits auf "Ersitzung durch die Öffentlichkeit". Verfehlt sei die Berufung des Erstgerichtes auf die Schutzwirkungen zugunsten Dritter, weil diese nur unselbständige vertragliche Schutzpflichten gegenüber der Vertragserfüllung nahestehender Dritter zum Gegenstand hätten und daher bei den vorliegenden Eigentumsfreiheitsklagen nicht zum Tragen kommen könnten. Aber auch die Deutung des Entschädigungsübereinkommens als Vertrag zugunsten Dritter komme nicht in Betracht, weil durch dieses Übereinkommen Dritten keine Rechte zur Inanspruchnahme der Baustraße eingeräumt worden seien. Die K*** habe den diesbezüglichen Vorbehalt des Klägers ausdrücklich akzeptiert. Angesichts der Ersitzungseinwendung sei zunächst die Widmung des alten Weges im Bereich des Grundstückes 807 als öffentlicher Weg durch den Gemeinderatsbeschluß hervorzuheben. § 2 Abs 1 lit a Kärntner StraßenG 1955 - gleichen Inhaltes wie § 2 Abs 1 lit a Kärntner StraßenG 1978 - bestimmte, daß öffentliche Straßen alle dem Verkehr von Menschen und Fahrzeugen gewidmeten Grundflächen seien, die dem allgemeinen Verkehr nach § 3 dieses Gesetzes ausdrücklich gewidmet seien (ausdrückliche Widmung durch Erklärung). Nach § 3 Z 5 Kärntner StraßenG 1955 seien öffentliche Straßen im Sinne des § 2 Abs 1 lit a dieses Gesetzes mit Beschluß des Gemeinderates zu solchen erklärte Ortschaftswege. Die Widmung im Gemeinderatsbeschluß vom 10. März 1956 betreffe - soweit hier von Bedeutung - das Grundstück 807; das habe das Erstgericht auch festgestellt. Auch die Feststellung des Erstgerichtes über das unmerkliche Abweichen des Wegverlaufes sei unbedenklich. Der tatsächliche Verlauf des alten Weges habe insoweit mit der Widmung des Grundstückes 807 als öffentlicher Weg nichts zu tun. Soweit der alte Weg später über die Grundstücke 760 und 800 verlaufen sei, könne die Benützungsbefugnis der Beklagten nicht auf die Widmung durch den Gemeinderatsbeschluß gestützt werden, weil sich diese auf das Grundstück 807 beschränke.

Insoweit könne diese Befugnis nur auf stillschweigende Widmung zum Gemeingebrauch (auf § 2 Abs 1 lit b Kärntner StraßenG 1955 und 1978) oder auf Ersitzung eines Wegerechtes gestützt werden. Beides sei möglich; dabei müsse sich die unregelmäßige Dienstbarkeit der Gemeinde nach privatem Recht mit der öffentlich-rechtlichen Beschränkung einer Grundfläche durch einen bestimmten Gemeingebrauch nicht decken. Dem Vorbringen der Beklagten, sie stützten sich auf Ersitzung durch die Öffentlichkeit, könne nicht verläßlich entnommen werden, auf welchen der beiden Rechtsgründe sie sich dabei beriefen. Insoweit werde das Erstgericht gemäß § 182 ZPO vorzugehen haben. Die Ersitzung eines Wegerechtes durch die Gemeinde sei grundsätzlich möglich. Einer bestimmten Absicht, dieses Recht für die Gemeinde zu ersitzen, bedürfe es nicht. Erforderlich sei indessen, daß der Weg für die Gemeindeangehörigen oder das Touristenpublikum notwendig sei, ohne daß es eines besonderen Grades dieser Notwendigkeit bedürfe. Die Ausübung erfolge durch die Allgemeinheit, der Besitzwille müsse hingegen von der Gemeinde ausgehen. Diese erwerbe die Servitut durch Ausübung seitens ihrer Angehörigen bzw. des Touristenpublikums, ihr Besitzwille, der auf Genehmigung der Besitzerwerbshandlungen gerichtet sei, könne auch noch nach Ablauf der Ersitzungszeit gefaßt werden; dann komme ihm allerdings lediglich deklarative Bedeutung zu. Nach einem Teil der Lehre könne der Besitzwille auch schlüssig im Sinne des § 863 ABGB geäußert werden, so daß es einer förmlichen Beschlußfassung durch das zuständige Organ der Gemeinde gar nicht bedürfe. Für den Umfang des ersessenen Rechtes sei die Ausübung zu Beginn der Ersitzungszeit entscheidend, sodaß die Dienstbarkeit stets nach Maßgabe ihrer schon vor 30 Jahren erfolgten Ausübung erworben werde. Sollten sich die Beklagten auf die Ersitzung einer entsprechenden Dienstbarkeit durch die Gemeinde Dellach im Drautal berufen, so werde zu prüfen sein, wo sich der alte Weg seinem tatsächlichen Verlauf nach vom Grundstück 807 weg auf den Grund des Klägers verlagert habe und wann dies erfolgt sei, um beurteilen zu können, ob die Ersitzungszeit (§ 1470 ABGB) bei Errichtung des neuen Weges bereits abgelaufen gewesen sei. Die Ersitzung setze voraus, daß sich während der Ersitzungszeit die Identität des zu ersitzenden Rechtsobjektes nicht ändere; andernfalls beginne eine neue Ersitzungszeit zu laufen. Daher werde auch festzustellen sein, ob der Verlauf der Wegtrasse auf dem Grundstück 760 während der Ersitzungszeit im wesentlichen unverändert geblieben sei. Eine mäßige, in zumutbaren Grenzen gehaltene Änderung des Verlaufes des Servitutsweges lasse jedoch die Identität des Rechtsobjektes unberührt; andernfalls wäre die Ersitzung in unübersichtlichem Terrain gar nicht möglich. Da sich der Kläger lediglich gegen das Befahren des Weges durch die Beklagten wende, werde es auch auf den Zweck des Befahrens während der Ersitzungszeit und darauf, in welchem Umfang der Weg befahren worden sei, ankommen. In der Umstellung von Pferdefuhrwerken auf Kraftfahrzeuge sei allerdings keine Erweiterung der Dienstbarkeit zu erblicken. Schließlich sei auch festzustellen, ob der Weg im Sinne der dargelegten Grundsätze notwendig sei und in welcher Form die Gemeinde Dellach im Drautal ihren Besitzwillen geäußert habe. Lägen die Voraussetzungen für die Ersitzung einer Dienstbarkeit im behaupeten Umfang vor, wäre es rechtlich ohne Bedeutung, daß der alte Weg durch die neue Baustraße unbenützbar geworden sei. Da diese im wesentlichen der alten Trasse folge, hätte die Dienstbarkeit bloß geruht und sodann wieder aufgelebt (§ 525 ABGB).

Zur öffentlichen Straße hingegen werde ein Weg bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen bereits durch Ablauf der im Gesetz vorgesehenen 30-jährigen Frist. Das behördliche Verfahren diene ebenso wie bei der Ersitzung lediglich der Feststellung, ob der Weg nun als öffentliche Straße gewidmet sei. Eine Entscheidung der zuständigen Straßenbehörde sei bisher nicht ergangen. Daher müßten die Gerichte diese Frage als Vorfrage lösen. Was die 30-jährige Benützung anlange, so gälten, soweit die alte Trasse auf dem Grundstück 760 verlaufen sei, die gleichen Grundsätze wie bei der Ersitzung; ein Gemeingebrauch während dieser Zeit müsse hingegen nicht vorgelegen sein. Maßgeblich seien jedoch Art und Umfang des bisherigen Verkehres innerhalb der Frist, jede andere Nutzung stehe nämlich nur dem Eigentümer zu. Voraussetzung auch für die stillschweigende Widmung sei das allgemeine dringende Vekehrsbedürfnis, welche Frage bisher ebenfalls noch nicht geprüft worden sei. Alle diese Fragen werde das Erstgericht mit den Parteien zu erörtern haben (§ 182 ZPO). Wäre die Öffentlichkeit der alten Trasse bei Errichtung der neuen Baustraße bereits eingetreten gewesen, so müsse in analoger Anwendung des § 525 ABGB vom Wiederaufleben des Gemeingebrauches ausgegangen werden, zumal dieser eine Art öffentlich-rechtlicher Dienstbarkeit sei.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen den berufungsgerichtlichen Aufhebungsbeschluß erhobene Rekurs ist nicht berechtigt.

Nach wie vor beharren die Beklagten auf dem Standpunkt, das Entschädigungsübereinkommen zwischen der K*** und dem Kläger habe die im öffentlichen Recht verankerte Benützungsbefugnis am alten Weg - vor allem im Hinblick auf die Grundsätze der vertraglichen Schutzwirkungen zugunsten Dritter - nicht beseitigen können. Den Beklagten ist zwar zuzugestehen, daß der einmal wirksam begründete Gemeingebrauch an (selbst im Privateigentum stehenden) Sachen durch Vereinbarungen des Eigentümers mit Dritten über eine bestimmte Nutzung durch diese nicht abgeändert oder gar aufgehoben werden kann. Eine solche Rechtsauffassung hat das Berufungsgericht jedoch nicht vertreten, sondern - worauf noch zurückzukommen sein wird - das Verfahren in dieser Hinsicht noch nicht für spruchreif gehalten.

Schon das Erstgericht hat festgestellt, daß der Kläger Dritten im Entschädigungsübereinkommen - in Form einer Vereinbarung zugunsten Dritter - Benützungsrechte an der neuen Straße nicht eingeräumt hat (ON 16, Blatt 5 = AS 83). Der Kläger hat sich, wie das Berufungsgericht zutreffend hervorgehoben hat, in seinem Begleitschreiben zu dem von ihm unterfertigten Entschädigungsübereinkommen (Beilage B) ausdrücklich ausbedungen, daß Dritte von der Benützung der neu angelegten Baustraße, soweit sie jedenfalls über seinen Grund verläuft, ausgeschlossen bleiben (Punkt 4.), was von der K*** mit Schreiben vom 12. August 1983 (Beilage C) akzeptiert wurde. Das durch diesen Schriftenwechsel modifizierte Entschädigungsübereinkommen (Beilage A) ist demnach gerade kein Vertrag zugunsten Dritter.

Die Beklagten deuten dieses Übereinkommen jedoch auch noch im Verfahren dritter Instanz als Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter, verkennen dabei aber das Wesen eines solchen Vertrages. Bei einem solchen Vertrag werden nämlich die Hauptleistungen - im vorliegenden Fall die Grundstücksnutzung gegen Entschädigung - den Geschäftspartnern und nicht Dritten erbracht, lediglich die aufgrund solcher Geschäfte entstehenden unselbständigen Schutzpflichten treffen den Schuldner auch dritten Personen über, die durch die Vertragserfüllung in erhöhtem Maße gefährdet werden und der Interessensphäre eines Partners zuzurechnen sind (SZ 54/65 u.v.a.;

Bydlinski in JBl. 1960, 362; Koziol, Haftpflichtrecht2 II 89;

vergleiche auch Rummel in Rummel, ABGB § 881 Rz 13; Mayrhofer in Ehrenzweig, Schuldrecht, Allgemeiner Teil3, 190 f). Der Dritte wird unter diesen Voraussetzungen gegen die schadensstiftende Erbringung der vertraglichen Leistungen nach den Grundsätzen des Vertragsrechtes (vor allem der §§ 1298 und 1313 a ABGB) geschützt. Demnach wären wohl zur Benützung des Weges gegenüber dem Kläger berechtigte Personen gegen die mangelhafte Herstellung der Baustraße durch die K*** dieser gegenüber nach den erwähnten Grundsätzen geschützt, nicht aber könnten Dritte aus dem Vertrag unmittelbar Ansprüche auf (Haupt )Leistungen ableiten, die darin sogar ausdrücklich abbedungen worden sind. Dem Berufungsgericht ist bei der Verneinung von Ansprüchen der Beklagten aus dem erwähnten Entschädigungsübereinkommen somit kein Rechtsirrtum unterlaufen. Aber auch den Ausführungen des Gerichtes zweiter Instanz zu der in der Verhandlungstagsatzung am 21. Dezember 1987 (ON 15, S. 1 = AS

61) erhobenen Einwendung der "Ersitzung durch die Öffentlichkeit" halten die Beklagten keine stichhältigen Argumente entgegen. Es kann keine Frage sein, daß diese Einwendung ebenso als Ersitzung einer Wegedienstbarkeit durch die Gemeinde (arg. "Öffentlichkeit") wie die stillschweigende Widmung des alten Weges als öffentliche Straße gemäß § 2 Abs 1 lit. b Kärntner StraßenG. LGBl. Nr. 24/1955 (bzw. des wortlautgleichen § 2 Abs 1 lit. b Kärntner StraßenG. LGBl. Nr. 33/1978) verstanden werden kann, umso mehr als die Verwandtschaft der stillschweigenden Widmung mit der Ersitzung nach bürgerlichem Recht nicht zu verkennen ist (Krzizek, Das öffentliche Wegerecht, 106). Es werden demnach die Beklagten im fortgesetzten Verfahren vom Erstgericht gemäß § 182 ZPO zu einem entsprechend deutlichen Vorbringen und Beweisanbot zu veranlassen sein.

Gerade wegen der Verwandtschaft der beiden verschiedenen Rechtsbereichen angehörigen Rechtsinstitute kann aber, wie das Berufungsgericht zutreffend dargelegt hat, auf Grund der erstinstanzlichen Feststellungen weder in der einen noch in der anderen Richtung verläßlich beurteilt werden, ob den Beklagten die in Anspruch genommene Befugnis zur Benützung der neuen Baustraße mit PKW zuzubilligen ist. Auf die ausdrückliche Widmung des alten Weges als Ortschaftsweg durch Beschluß des Gemeinderates der Gemeinde Dellach im Drautal vom 10. März 1956 (Beilage G) können sich die Beklagten, wie sie selbst zu erkennen scheinen, schon deshalb nicht berufen, weil sich diese Widmung ausdrücklich auf Grundstücke im öffentlichen Gut (im fraglichen Bereich Grundstück 807) beschränkt, der alte Weg aber - ebenso wie die neue Baustraße, die ihm, abgesehen von den taleinwärts ersten 150 m, im wesentlichen folgt (ON 16, Blatt 4 verso = AS 82) im Laufe der Zeit teilweise auf die (angrenzenden) Grundstücke des Klägers (760 und 800) verlagert wurde. Daß die ausdrückliche Widmung des "Alpenweges" nicht auch auf die von der Verlagerung betroffene Grundfläche des Klägers erstreckt werden kann, ist schon angesichts des eindeutig geäußerten Organwillens nicht zweifelhaft und wird letztlich von den Beklagten nicht bestritten.

Sie berufen sich insoweit auf "Ersitzung infolge Gemeingebrauches durch mehr als 30-jährige Benützung", übersehen dabei jedoch, daß vom Erstgericht gerade nicht festgestellt wurde, ob auch die von der Abweichung des Wegverlaufes betroffenen Teile der Grundstücke des Klägers bereits zumindest 30 Jahre durch Befahren mit PKW (auch) zu den von den Beklagten behaupteten Zwecken benützt wurden. Auf die Dauer, den Umfang und Zweck der Benützung kommt es aber bei der Ersitzung - wie schon das Berufungsgericht unter Zitierung von Lehre und Rechtsprechung richtig dargestellt hat - in gleicher Weise an, wie bei stillschweigender Widmung durch langjährige Übung (vgl. Krzizek aaO 105).

Da das Erstgericht zu diesen für den Streitausgang wesentlichen Fragen keine oder keine ausreichenden Feststellungen getroffen hat, hat das Berufungsgericht, das die Voraussetzungen für die Ersitzung eines Wegerechtes durch die Gemeinde Dellach im Drautal und die als Vorfrage zu lösende stillschweigende Widmung des Weges als öffentliche Straße der Lehre und Rechtsprechung folgend und über die voranstehend widerlegten Argumente im Rekurs der Beklagten hinaus auch unbekämpft zutreffend dargelegt hat, das erstinstanzliche Urteil zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung durch das Erstgericht zu Recht aufgehoben.

Dem Berufungsgericht kann im übrigen auch darin beigepflichtet werden, daß eine einmal ersessene Dienstbarkeit durch die Errichtung der neuen Baustraße, die im wesentlichen dem alten Wegverlauf folgt, nicht infolge Unterganges der dienenden Sache erloschen, sondern bloß während der Bauzeit zum Ruhen gekommen wäre und nach Eröffnen des Verkehrs auf der Baustraße wieder aufgelebt hätte (vgl. SZ 50/61, SZ 49/33 u.a.; Petrasch in Rummel aaO § 525 Rz 1). Ebenso ist dem Gericht zweiter Instanz darin beizustimmen, daß eine mäßige und in zumutbaren Grenzen gehaltene Veränderung des Wegverlaufes die Identität des Rechtsobjektes und damit auch die einmal begonnene Ersitzung einer Wegedienstbarkeit nicht berührt (JBl 1986, 644; MietSlg 34.056; SZ 49/33 ua).

Fraglich könnte es noch sein, ob der allenfalls schon vorher durch stillschweigende Widmung "ersessene Gemeingebrauch" (vgl. Spielbüchler in Rummel aaO § 287 Rz 4) durch die Verschüttung der alten Trasse und die Errichtung einer neuen Baustraße mit teilweise geänderter Trassenführung dahingefallen wäre. Schon im Hinblick auf die Ähnlichkeit dieses Rechtsinstitutes mit der Ersitzung ist die Ansicht des Berufungsgerichtes zu billigen, ähnlich wie nach § 525 ABGB sei Ruhen und Wiederaufleben des Gemeingebrauches anzunehmen, zumal dieser - der allerdings ein dringendes Verkehrsbedürfnis im Sinne wichtiger Verkehrsbelange der Allgemeinheit (einer Gemeinde, einer Ortschaft oder eines Teiles einer Ortschaft) voraussetzt (Krzizek aaO 106 und 108 ff) - ohnedies als eine Art öffentlichrechtlicher Dienstbarkeit verstanden werden kann (SZ 53/16). Da das Berufungsgericht dem Erstgericht keine unrichtige Rechtsansicht überbunden hat, war dem Rekurs ein Erfolg zu versagen. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.

Rechtssätze
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