JudikaturJustiz6Ob33/07g

6Ob33/07g – OGH Entscheidung

Entscheidung
15. Februar 2007

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler und Univ. Doz. Dr. Kodek als weitere Richter der klagenden Partei H***** GmbH, *****, vertreten durch Mag. Ralph Kilches, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Barbara S*****, vertreten durch Dr. Günther Forenbacher, Rechtsanwalt in Graz, als Verfahrenshelfer, wegen 22.892,94 EUR sA, über den „außerordentlichen" Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz als Rekursgericht vom 10. Jänner 2007, GZ 6 R 233/06s-29, mit dem der Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 29. November 2006, GZ 15 Cg 96/06z-26, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Der „außerordentliche" Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Das Erstgericht wies den Antrag der Klägerin auf Bestellung eines Prozesskurators gemäß § 8 ZPO für die Beklagte ab und unterbrach gemäß § 6a ZPO das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Sachwalterschaftsgerichts über die (allfällige) Bestellung eines Sachwalters für die Beklagte. Da das Sachwalterschaftsgericht bereits einen Sachwalter bestellt habe, erübrige sich eine Kuratorbestellung nach § 8 ZPO; es sei auch Dringlichkeit nicht ersichtlich. Da diese Sachwalterbestellung aber noch nicht rechtskräftig ist, sei das Verfahren (weiterhin) zu unterbrechen.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass der Revisionsrekurs gemäß § 528 Abs 2 Z 2 ZPO jedenfalls unzulässig ist. Die Beklagte habe die Bestellung eines Sachwalters angefochten, eine Entscheidung des Rekursgerichts liege noch nicht vor. Da die Wirksamkeit des Bestellungsbeschlusses nach §§ 43, 44, 125 AußStrG erst mit seiner (formellen) Rechtskraft eintrete und das Prozessgericht an die Entscheidung des Sachwalterschaftsgerichts gebunden sei, sei die Fortsetzung des Verfahrens erst nach Rechtskraft des Bestellungsbeschlusses möglich; erst dann trete nämlich die Bindungswirkung ein. Im Hinblick auf das anhängige Sachwalterbestellungsverfahren erübrige sich jedoch eine Kuratorenbestellung gemäß § 8 ZPO; die Klägerin habe auch Gefahr in Verzug nicht behauptet. Nur wenn feststehen sollte, dass das Sachwalterschaftsgericht - auch nicht von Amts wegen - keinen einstweiligen Sachwalter zur Vertretung der Beklagten in diesem Verfahren bestellt, könnte die Bestellung eines Kurators gemäß § 8 ZPO in Betracht gezogen werden.

Der „außerordentliche" Revisionsrekurs der Klägerin ist unzulässig.

Rechtliche Beurteilung

1. Der Oberste Gerichtshof hat im Zusammenhang mit der Verständigung des Sachwalterschaftsgerichts gemäß § 6a ZPO und der damit verbundenen Aussetzung (Unterbrechung) des Verfahrens bereits ausgesprochen, dass die Bestätigung einer derartigen Unterbrechung durch das Rekursgericht im Hinblick auf § 528 Abs 2 Z 2 ZPO nicht anfechtbar und ein dagegen erhobener „außerordentlicher" Revisionsrekurs zurückzuweisen ist (4 Ob 10/05g). Im vorliegenden Verfahren geht es allerdings nicht nur um die Anfechtung des Unterbrechungsbeschlusses, sondern insbesondere um die Bestellung eines Kurators gemäß § 8 ZPO für die Beklagte, um der Klägerin die Fortsetzung des Verfahrens zu ermöglichen.

2. Wird das Sachwalterschaftsgericht gemäß § 6a ZPO verständigt, hat es eine formelle Entscheidung zu treffen. An diese Entscheidung ist das Prozessgericht sodann gebunden. Erachtet das Sachwalterschaftsgericht dabei das Vorliegen der Voraussetzungen für die Bestellung eines Sachwalters als gegeben, hat es einerseits ein Bestellungsverfahren nach §§ 117 ff AußStrG einzuleiten und dieses beschleunigt durchzuführen (Schubert in Fasching/Konecny, ZPO² [2002] § 6a Rz 7, 8) und andererseits davon das Prozessgericht zu verständigen. Dabei wird es - jedenfalls in der Regel - einen einstweiligen Sachwalter zur Besorgung dringender Angelegenheiten nach § 120 AußStrG zu bestellen haben, stellt das bereits anhängige Zivilverfahren doch eine dringende Angelegenheit dar (Gitschthaler,

Die Verständigungspflicht des § 6a ZPO idF des SachwG und ihre Auswirkungen, JBl 1991, 291). Die Bestellung des einstweiligen Sachwalters erfolgt dabei mit sofortiger Wirkung. Ein solcher Beschluss wird also bereits mit seiner Zustellung wirksam (Zankl/Mondel in Rechberger, AußStrG [2006] § 125 Rz 2; zur Rechtslage nach dem AußStrG 1854 s 10 ObS 214/02x mwN), der Betroffene kann den Verfahrensfortgang im Zivilprozess durch Anfechtung des Bestellungsbeschlusses nicht verhindern.

3. Stellt das Sachwalterschaftsgericht das Bestellungsverfahren zwar nicht ein, bestellt es aber auch keinen einstweiligen Sachwalter für den Zivilprozess, kann das Prozessgericht nach § 8 ZPO auf Antrag des Gegners einen Kurator zu bestellen. Voraussetzung ist, dass gegen die Partei eine Prozesshandlung vorgenommen werden soll und dass mit dem Verzug für den Gegner Gefahr verbunden ist. Die Bestellung eines Vertreters für psychisch kranke und geistig behinderte Personen (§ 273 ABGB), die der inländischen Gerichtsbarkeit unterliegen (§ 110 JN), wurde zwar ausschließlich dem Sachwalterschaftsgericht übertragen (§ 6a ZPO), § 8 ZPO kommt aber dennoch zur Anwendung, wenn Gefahr in Verzug besteht (Fasching, Zivilprozessrecht² [1990] Rz 349; Gitschthaler, Die Verständigungspflicht des § 6a ZPO idF des SachwG und ihre Auswirkungen, JBl 1991, 291; Schubert in Fasching/Konecny, ZPO² [2002] § 8 Rz 1; zu weitgehend daher LGZ Wien EFSlg 66.917, wonach § 8 ZPO zur Gänze verdrängt worden sein soll, soweit § 6a ZPO anzuwenden ist]).

Wurde bereits ein Sachwalter bestellt, erübrigt sich zwar eine Kuratorbestellung gemäß § 8 ZPO (Fucik in Rechberger, ZPO³ [2006] § 8 Rz 3 unter Hinweis auf SZ 38/45). Dies gilt aber nur für den Fall der rechtskräftigen Bestellung eines Sachwalters, weil gemäß §§ 43, 44, 125 AußStrG der Beschluss, mit dem der Sachwalter bestellt wird, erst mit seiner formellen Rechtskraft wirksam wird und ihm auch keine vorläufige Wirksamkeit zuerkannt werden kann (vgl dazu Zankl/Mondel in Rechberger, AußStrG [2006] § 125 Rz 1).

4. Im vorliegenden Fall wurde nach der Aktenlage ein einstweiliger Sachwalter für die Beklagte nicht bestellt; die Bestellung des endgültigen Sachwalters wiederum hat die Beklagte angefochten. Dennoch haben die Vorinstanzen die Bestellung eines Kurators gemäß § 8 ZPO abgelehnt. Die Klägerin meint nun, diese Verweigerung der Bestellung eines Kurators nach § 8 ZPO stelle einen Ausnahmefall des § 528 Abs 2 Z 2 2. Fall ZPO dar. Ihre Konformatsbeschlüsse kämen einer Rechtsschutzversagung gleich, die gegen Art 6 EMRK verstoße; das Verfahren behänge bereits seit mehr als eineinhalb Jahren, eine Verhandlung habe bislang noch nicht stattgefunden, ein Ende des Sachwalterbestellungsverfahrens sei nicht absehbar. Nach § 528 Abs 2 Z 2 1. Fall ZPO ist der Revisionsrekurs jedenfalls unzulässig, wenn der angefochtene erstrichterliche Beschluss zur Gänze bestätigt worden ist. Nach dem 2. Fall dieser Bestimmung gilt dies aber nicht, wenn die Klage ohne Sachentscheidung aus formellen Gründen zurückgewiesen worden ist. Die Rechtsprechung hält der Zurückweisung einer Klage aus formellen Gründen die Bestätigung der Verweigerung der Fortsetzung des gesetzmäßigen Verfahrens über eine Klage gleich. Sie subsumiert darunter etwa die Bestätigung der Abweisung des Antrags auf Fortsetzung eines unterbrochenen Verfahrens, eines ruhenden Verfahrens oder eines durch Vergleich beendeten Verfahrens, wenn ein Vergleichswiderruf wegen Verspätung zurückgewiesen worden war (s die Nachweise bei Zechner in Fasching/Konecny, ZPO² [2005] § 528 Rz 98; E. Kodek in Rechberger, ZPO³ [2006] § 528 Rz 27).

Bietet aber nun einerseits § 8 ZPO die Möglichkeit der Bestellung eines Kurators bei Gefahr in Verzug (3.), und besteht andererseits nach § 120 AußStrG die Möglichkeit der Bestellung eines einstweiligen Sachwalters (2.), stellt die (übereinstimmende) Abweisung eines Antrags auf Kuratorbestellung nach § 8 ZPO durch Erst- und Rekursgericht keine Bestätigung der Verweigerung der Fortsetzung des gesetzmäßigen Verfahrens über eine Klage im Sinne der erwähnten Rechtsprechung dar; die Verweigerung der Fortsetzung des Verfahrens ist außerdem nicht endgültig. Der „außerordentliche" Revisionsrekurs ist daher jedenfalls unzulässig.

5. Auf die von Schubert (in Fasching/Konecny, ZPO² [2002] § 9 Rz 3) vertretene Meinung, Beschlüsse, mit denen eine Kuratorbestellung gemäß § 8 ZPO abgelehnt wurde, seien unanfechtbar, wenn damit nicht gleichzeitig die Klage zurückgewiesen oder die Fortsetzung des Verfahrens verweigert wurden, ist hier nicht weiter einzugehen, weil der Antrag der Klägerin auf Kuratorbestellung nach § 8 ZPO (auch) einen Fortsetzungsantrag enthielt; das Rekursgericht hat daher zutreffend meritorisch entschieden.

6. Der „außerordentliche" Revisionsrekurs der Klägerin war daher zurückzuweisen.

Rechtssätze
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