JudikaturJustiz6Ob252/08i

6Ob252/08i – OGH Entscheidung

Entscheidung
15. Januar 2009

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ. Prof. Dr. Kodek sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Tarmann Prentner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Anneliese R*****, vertreten durch Dr. Hansjörg Schweinester, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagte Partei Dr. Rudolf S*****, vertreten durch Dr. Johann Lutz, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Herausgabe eines Sparbuchs (Streitwert 100.000 EUR), über die außerordentlichen Revisionen beider Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 19. September 2008, GZ 4 R 246/07v 55, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentlichen Revisionen werden gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung:

Die klagende Partei wendet sich gegen die im zweiten Rechtsgang erfolgte Stattgebung des Eventualbegehrens; die beklagte Partei bekämpft die Abweisung des Hauptbegehrens.

Rechtliche Beurteilung

1. Zur Revision der beklagten Partei

1.1. Die Einvernahme des - zur Aussage bereiten - Notars Dr. Z***** durch das Berufungsgericht vermochte schon deshalb keinen Verfahrensmangel iSd § 503 Z 2 ZPO zu bilden, weil es sich dabei nicht um einen - von der zitierten Gesetzesstelle ausschließlich erfassten - Stoffsammlungsmangel handelte (G. Kodek, Die Verwertung rechtswidriger Tonbandaufnahmen und Abhörergebnisse im Zivilverfahren, ÖJZ 2001, 281 [344 f]; Rechberger in Fasching/Konecny 2 Vor § 266 ZPO Rz 72; SZ 70/239 = EvBl 1998/69). § 503 Z 2 ZPO erfasst nämlich ausschließlich Fälle, in denen das Berufungsgericht eine ausreichende Sammlung des Verfahrensstoffes unterlassen hat (also gewissermaßen ein „zu wenig"). Weitergehende Beweisaufnahmen vermögen - unabhängig von ihrer Zulässigkeit - diesen Tatbestand nicht zu erfüllen (G. Kodek aaO). Ob anderes dann gilt, wenn die Beweisergebnisse auf aus rechtsstaatlicher Sicht unerträgliche Weise zustandegekommen sind ( Rechberger aaO Rz 73), kann im vorliegenden Fall dahingestellt bleiben, weil ein derartiger Sonderfall zweifellos nicht vorliegt.

1.2. Im Übrigen besteht nach § 321 ZPO nur ein Aussageverweigerungsrecht des zur Verschwiegenheit verpflichteten Zeugen, aber - im Gegensatz zu § 383 Abs 3 der deutschen Zivilprozessordnung - kein korrespondierendes Vernehmungsverbot für das Gericht (G. Kodek aaO 288). Auch aus dieser zusätzlichen Erwägung würde eine allenfalls unter Verstoß gegen die Verschwiegenheitspflicht des § 37 NO abgelegte Zeugenaussage eines Notars keinen Verfahrensmangel begründen.

1.3. Soweit die Revision die Berücksichtigung „überschießender" Beweisergebnisse rügt, verkennt sie, dass darunter nur Tatsachen verstanden werden, die über die Parteibehauptungen hinausreichen ( Rechberger in Fasching/Konecny 2 Vor § 266 ZPO Rz 78 mwN). Nach neuerer Rechtsprechung reicht aus, dass die berücksichtigten Tatsachen in den Rahmen des geltend gemachten Rechtsgrunds oder der Einwendungen fallen (ZVR 1999/118 uva; RIS Justiz RS0037972 [T9]). Ob dies der Fall ist, ist eine Frage des Einzelfalls und stellt keine erhebliche Rechtsfrage dar (3 Ob 73/01h; RIS Justiz RS0037972 [T15]).

1.4. Entgegen der Rechtsansicht der beklagten Partei liegt auch kein Verstoß des Berufungsgerichts gegen die Bindungswirkung des Aufhebungsbeschlusses (6 Ob 53/08z) im ersten Rechtsgang vor. Wenngleich der Oberste Gerichtshof dem Berufungsgericht im Aufhebungsbeschluss bloß nähere Feststellungen zu der angeblich bestehenden „Banksperre" des streitgegenständlichen Sparbuchs auftrug, bezog sich dieser Ergänzungsauftrag in seinem Gesamtkontext auf die Klärung all jener Tatumstände, die eine rechtliche Beurteilung dahin ermöglichen, ob die Übergabe des Sparbuchs bereits eine „wirkliche Übergabe" iSd § 943 ABGB darstellte. Wenn das Berufungsgericht nunmehr nach Beweisergänzung den Eindruck gewann, der Erblasser habe bei der Übergabe des Sparbuchs dem Beklagten gerade nicht die gesamte dem Geschenkgeber zustehende Rechtsposition im Sinne eines Vollrechts, sondern nur eine Anwartschaft übertragen wollen, indem er ihm erst mit seinem Tod die Verfügung über das Sparguthaben ermöglichen wollte, so hält sich diese Beurteilung im Rahmen des im Aufhebungsbeschluss erteilten Ergänzungsauftrags.

1.4. Die inhaltliche Richtigkeit dieses vom Berufungsgericht erzielten Auslegungsergebnisses wäre für den Obersten Gerichtshof nur dann überprüfbar, wenn infolge einer wesentlichen Verkennung der Rechtslage ein unvertretbares Auslegungsergebnis erzielt worden wäre (RIS Justiz RS0042936; RS0044358). Diese Voraussetzung ist im vorliegenden Fall jedenfalls nicht erfüllt, zumal der Umstand, dass die Behebung erst nach dem Tod des Erblassers durch Hinterlegung des Sparbuchs bei einem Notar für die Richtigkeit der Einschätzung des Berufungsgerichts spricht.

2. Zur Revision der beklagten Partei

2.1. Die im zweiten Rechtsgang im Wesentlichen obsiegende Klägerin wendet sich nur gegen die Abweisung des Hauptbegehrens auf Herausgabe des Sparbuchs durch das Berufungsgericht, weil das Berufungsgericht die beklagte Partei lediglich schuldig erkannte, den Verwahrer des Sparbuchs anzuweisen, dieses an die klagende Partei herauszugeben. Dies begründete das Berufungsgericht damit, dass sich das Sparbuch noch immer in Verwahrung des Notars Dr. Z***** befinde. Die Klägerin könne daher nicht vom Beklagten im Sinne des Hauptbegehrens die Herausgabe des Sparbuchs begehren, was das Berufungsgericht zusätzlich durch einen Verweis auf § 346 EO begründete.

2.2. Mit dieser stark auf den vorliegenden Einzelfall zugeschnittenen Beurteilung hat das Berufungsgericht aber den ihm hier zukommenden Beurteilungsspielraum nicht überschritten. Eine im Interesse der Rechtssicherheit der Korrektur durch den Obersten Gerichtshof bedürfende auffallende Fehlentscheidung liegt daher nicht vor.

3. Damit bringen aber beide Parteien keine Rechtsfragen der in § 502 Abs 1 ZPO geforderten Qualität zur Darstellung, sodass beide Revisionen spruchgemäß zurückzuweisen waren.

Rechtssätze
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