JudikaturJustiz6Ob247/06a

6Ob247/06a – OGH Entscheidung

Entscheidung
21. Dezember 2006

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Pimmer als Vorsitzenden sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Dr. Kalivoda und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler und Univ. Doz. Dr. Kodek als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach dem am 8. Februar 1997 verstorbenen Ing. Erich R*****, zuletzt wohnhaft *****, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der erblasserischen Tochter Dr. Gerda K*****, vertreten durch Dr. Kostelka-Reimer und Dr. Fassl, Rechtsanwälte OEG in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichtes Wiener Neustadt als Rekursgericht vom 20. September 2006, GZ 16 R 82/06g-115, womit der Beschluss des Bezirksgerichtes Gloggnitz vom 19. Dezember 2005, GZ 2 A 43/97x-92, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 71 Abs 3 AußStrG).

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Auf das vorliegende Verlassenschaftsverfahren sind nach § 205 AußStrG 2003 noch die Bestimmungen des AußStrG 1854 anzuwenden. Hingegen richten sich die Vorschriften über das Rekurs- und Revisionsrekursverfahren bereits nach dem AußStrG 2003, weil das Datum der Entscheidung erster Instanz nach dem 31. 12. 2004 liegt (§ 203 Abs 7 AußStrG 2003).

2.1. Der Gesetzgeber hat auch im AußStrG 2003 keine generelle Zweiseitigkeit des Rekursverfahrens vorgesehen, vielmehr ist der Rekurs nur dann zweiseitig, wenn er sich gegen einen Beschluss richtet, mit dem über die Sache oder über die Kosten des Verfahrens entschieden worden ist (§ 48 Abs 1 AußStrG 2003). Nach den Erläuterungen der Regierungsvorlage (abgedruckt bei Fucik/Kloiber, AußStrG 185) wird damit die Zweiseitigkeit des Rekursverfahrens über die bislang schon vorhandenen Anwendungsfälle hinaus auf Vorgaben der EMRK für zivilrechtliche Ansprüche dort zum Regelfall, wo es um die Hauptsache oder die Kosten geht. Eine Zweiseitigkeit als allgemeine Regel und damit auch für alle Zwischenstreite anzuordnen wäre überschießend, weil nicht in jedem Zwischenstreit auch die Rechtsposition der anderen Verfahrensparteien berührt ist.

2.2. Die Verfahrensgarantien des Art 6 MRK sind jedoch nur bei der Entscheidung über zivilrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen („civil rights") anzuwenden. In der bloßen Annahme einer Erbserklärung liegt jedenfalls keine Entscheidung über die Sache im Sinne dieser Bestimmung, erfolgte doch nach der Konzeption des AußStrG 1854 die meritorische Prüfung der Berechtigung der abgegebenen Erbserklärungen gegebenenfalls in einem eigenen Verfahren, dem sogenannten Erbrechtsstreit.

3.1. Nach ständiger Rechtsprechung ist eine Erbserklärung nur dann zurückzuweisen, wenn feststeht, dass der Erbrechtstitel, auf den die Erbserklärung gegründet wird, nie zu einer Einantwortung des Nachlasses an den Erbserklärten führen kann (8 Ob 1/62; RIS-Justiz RS0007938 [80 Belegstellen], insbesondere [T 2] und [T 3] und [T 24]). Ob die Erbeneigenschaft des Erbansprechers völlig ausgeschlossen ist, ist nach der Aktenlage zu beurteilen, wobei eine Prüfung der materiellen Berechtigung grundsätzlich nicht stattfindet (6 Ob 195/03z; 1 Ob 145/05p).

3.2. In diesem Sinne steht dem Verlassenschaftsgericht die Entscheidung über die Auslegung eines Testaments oder einer Testamentsbestimmung nicht zu; diese Frage ist vielmehr im streitigen Rechtsweg zu klären (RIS-Justiz RS0006017 [T 1]; 3 Ob 87/03w = RIS-Justiz RS0007938 [T 23]; 10 Ob 21/05v). Ebenso ist auch beim Streit um die Erbquote und um die Wirksamkeit einer vom Erblasser getroffenen Erbteilungsanordung mit Verweisung der Erbansprecher auf den Rechtsweg mit Zuteilung der Parteirollen vorzugehen (RIS-Justiz RS0037880; 10 Ob 21/05v). Eine derartige Entscheidung hat das Rekursgericht aber ohnedies aufgetragen (S 23 der Rekursentscheidung).

3.3. Ob nach dem Gesagten ein Erbrecht des Erbansprechers schon nach der Aktenlage von vornherein ausgeschlossen ist, stellt im Regelfall jedoch eine Frage des Einzelfalls dar. Wenn das Rekursgericht in Anbetracht des Umstandes, dass möglicherweise noch weiteres Vermögen des Erblassers vorliegt, das von der letztwilligen Verfügungen nicht erfasst ist, ein Erbrecht der erblasserischen Kinder Dr. Wolfgang R***** und Mag. Gisela R***** sowie der erblasserischen Witwe Charlotte R***** hinsichtlich der vom Testament nicht erfassten Vermögenswerte für denkbar hielt, ist darin jedenfalls keine im Interesse der Rechtssicherheit vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung zu erblicken. Die übrigen Ausführungen der Revisionsrekurswerberin betreffen ausschließlich ihre materielle Berechtigung als Erbin, die nach dem Gesagten aber gerade nicht im Verfahren über die Annahme der Erbserklärung zu prüfen ist.

4. Verfehlt ist auch die Auffassung der Rekurswerberin, eine Erbenstellung der erblasserischen Witwe sowie der anderen erblasserischen Kinder hinsichtlich der vom Testament nicht erfassten Vermögenswerte komme schon deshalb nicht in Betracht, weil es keine derartigen Vermögenswerte gebe. In diesem Zusammenhang ist auf den Auftrag des Erstgerichtes zur Errichtung des Inventars (ON 100) zu verweisen. Auf die Frage der Vererblichkeit des dem Erblasser zukommenden Schenkungswiderrufsrechts ist im vorliegenden Verfahrensstadium nicht einzugehen.

Die Revisionsrekurswerberin vermag daher keine Rechtsfragen der im § 62 Abs 1 AußStrG geforderten Qualität aufzuzeigen, sodass der Revisionsrekurs spruchgemäß zurückzuweisen war.

Rechtssätze
5