JudikaturJustiz6Ob243/11w

6Ob243/11w – OGH Entscheidung

Entscheidung
22. Juni 2012

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ. Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A***** M***** A*****, vertreten durch Dr. Farhad Paya, Rechtsanwalt in Klagenfurt, gegen die beklagten Parteien 1. Verlassenschaft nach dem am 11. Oktober 2008 verstorbenen Dr. J***** H***** und 2. S***** P*****, beide vertreten durch Gheneff Rami Sommer Rechtsanwälte KG in Klagenfurt, hinsichtlich der erstbeklagten Partei wegen Kosten und hinsichtlich der zweitbeklagten Partei wegen Unterlassung und Widerrufs, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 17. August 2011, GZ 5 R 79/11v 89, mit dem das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt vom 21. März 2011, GZ 20 Cg 74/07w 83, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung

1. den

B e s c h l u s s

gefasst:

Spruch

Die Revision wird hinsichtlich der erstbeklagten Partei zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der erstbeklagten Partei deren mit 538,26 EUR (davon 89,71 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

2. zu Recht erkannt:

Der Revision wird hinsichtlich der zweitbeklagten Partei teilweise Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass das Urteil des Erstgerichts insgesamt zu lauten hat:

„Der Zweitbeklagte ist schuldig zu unterlassen, den Kläger als Hassprediger zu bezeichnen.

Das weitere Klagebegehren, der Zweitbeklagte sei schuldig zu unterlassen, den Kläger als fundamentalistischen Moslem zu bezeichnen, und sei ferner schuldig, die gegen den Kläger in der Öffentlichkeit erhobenen Behauptungen, er sei Hassprediger und fundamentalistischer Moslem, als unwahr zu widerrufen, wird abgewiesen.“

Die klagende Partei ist schuldig, der zweitbeklagten Partei einen mit 3.413,15 EUR (davon 511,78 EUR USt und 342,46 EUR Barauslagen) bestimmten Teil der Prozesskosten aller drei Instanzen binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

1. Der Kläger hat in der Verhandlungstagsatzung am 9. 11. 2009 (ON 46) die Klage gegen die erstbeklagte Partei auf Kosten eingeschränkt. In Ansehung der gegen sie verfolgten Ansprüche liegt somit eine Entscheidung im Kostenpunkt gemäß § 528 Abs 2 Z 3 ZPO vor, gegen die jedes weitere Rechtsmittel unzulässig ist (4 Ob 214/00z mwN).

2. Der Kläger ist sudanesischer Staatsbürger. Seit April 1993 ist er an Kärntner Schulen als islamischer Religionslehrer tätig. Im Auftrag der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich wirkte er als Seelsorger für Insassen der Justizanstalt Klagenfurt. Hin und wieder trat er auch als Imam in Moscheen in Klagenfurt und Villach auf.

Der Kläger weigert sich, Frauen die Hand zu geben. Er entwickelte insbesondere zu einigen Kolleginnen an Schulen ein schwieriges Verhältnis. Manchmal grüßt er Kolleginnen und Mitarbeiterinnen in der Direktion nicht. In einer Hauptschule breitete er im Konferenzzimmer seinen Gebetsteppich aus, um zu beten. Er fragte dabei nicht, ob irgendjemanden sein Gebet störe. Er rechtfertigte seine besondere Beziehung zu Frauen gegenüber dem damaligen Präsidenten des Landesschulrats von Kärnten mit seiner religiös bedingten Hochachtung gegenüber Frauen. Er müsse deshalb Frauen den Handschlag verweigern. Als sich in einer Volksschule in Klagenfurt Mädchen vom islamischen Religionsunterricht abmelden wollten, akzeptierte er die Abmeldungen durch deren Mütter nicht. Die Abmeldungen mussten die Väter vornehmen. Er hieß die Anschläge vom 11. 9. 2001 im Schulunterricht nicht gut und sprach sich in der Moschee ausdrücklich gegen die Anschläge aus. Er meinte jedoch im Rahmen einer Diskussion mit der damaligen Direktorin einer Volksschule in Klagenfurt kurze Zeit nach den Anschlägen des 11. 9. 2001, gefragt, was er von diesen halte, dass der Amerikaner nun das bekomme, was er verdient habe. Nach Angabe von Professor Mag. Dr. L***** hat der Kläger ihm gegenüber „die grausamen Gewaltakte gegen unschuldige Menschen aus Anlass des 11. 9. 2001“ verurteilt. Der islamische Kulturverein in U***** und A***** S***** bestätigten am 10. 5. 2007, dass der Kläger die Attentate vom 11. 9. 2001 verurteilt habe. Bei einer Fortbildungsveranstaltung zum Thema „Glaube und Gewalt“ präsentierte sich der Kläger gewinnend und menschlich offen, berief sich aber auch auf die Gültigkeit des koranbegründeten Tötungsrechts.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Kläger seinen Unterricht in sonstiger Form radikal gestaltet, Kärnten massiv kritisiert, keine bejahende Einstellung zur Republik Österreich bezeugt oder aggressiv in öffentlichen Verkehrsmitteln für den Islam geworben und dabei Flugblätter verteilt hätte. Ebenso wenig kann festgestellt werden, dass er Kinder geschlagen hätte, weil sie ihn als „Neger“ bezeichnet hätten.

Landeshauptmann Dr. Jörg Haider lud den Kläger mit Schreiben vom 10. 4. 2003 zu einem Gespräch am 23. 4. 2003 im Rahmen eines Dialogs der Kulturen und Religionen ein. Die „islamische Religionsgemeinschaft für Graz, Steiermark und Kärnten“ bestätigte am 16. 7. 2006, dass der Kläger ein praktizierender gemäßigter Muslim sei.

Mit OTS Aussendung vom 29. 4. 2007 sandte der Zweitbeklagte folgende Stellungnahme an die Medien aus, die Zitate Dr. Jörg Haiders wiedergeben, die dieser sinngemäß abgegeben hatte:

„Kärntner Landesregierung Büro Landeshauptmann Dr. Jörg Haider …

Staatsbürgerschaft für fundamentalistischen Moslem: Nach Aufhebung durch VfGH, neuerlicher negativer Bescheid Kärntens.

Haider: 'Wer sich nicht integrieren und anpassen will, soll verschwinden! Das ist so und das bleibt so'!.

Klagenfurt (OTS) Im Fall der österreichischen Staatsbürgerschaft für einen fundamentalistischen Moslem und Hassprediger gibt es nach einem heftigen Schlagabtausch zwischen Landeshauptmann Jörg Haider und dem Verfassungsgerichtshof nun neuerlich einen negativen Bescheid der Staatsbürgerschaftsbehörde des Landes Kärnten.

Im Konkreten geht es um den sudanesischen Staatsangehörigen [Kläger]. Diesem wurde mit Bescheid vom 8. Februar 2006 die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft wegen mangelnder persönlicher Integration verweigert. Der Sudanese hatte gegen den negativen Bescheid beim Verfassungsgerichtshof berufen. Der Verfassungsgerichtshof hat in der Folge den negativen Bescheid aufgehoben und in seiner Begründung der Staatsbürgerschaftsbehörde des Landes Kärnten 'Willkür' vorgeworfen. Landeshauptmann Jörg Haider hatte daraufhin von einem 'Fehlurteil' des Verfassungsgerichtshofs gesprochen, der damit zum Sicherheitsrisiko für Österreich werde, und mit den Worten 'Ich bin nicht bereit, einem fundamentalistischen Moslem die Staatsbürgerschaft zu verleihen, der Kinder schlägt und Frauen den Handschlag verweigert. Von mir bekommt er die Staatsbürgerschaft nicht', ein ergänzendes Ermittlungsverfahren und einen neuen Bescheid des Landes Kärnten angekündigt. Dieses ergänzende Ermittlungsverfahren wurde abgeführt. Der neue Bescheid ist nun ergangen. Er ist wiederum negativ.

In der Begründung heißt es mit Verweis auf das neue Staatsbürgerschaftsgesetz, ein gelungener Integrationsprozess könne nicht nachgewiesen werden. Zitat: '[Kläger] ignoriert nach wie vor die Grundwerte eines europäischen demokratischen Staates'. So wird ausgeführt, dass der [Kläger] Frauen noch immer den Handschlag verweigert. Sogar im Zuge des ergänzenden Ermittlungsverfahrens setzte er diese Praxis fort. So heißt es im neuerlichen negativen Bescheid, 'dass vor Beginn der Befragung Herr [Kläger] der Leiterin der Amtshandlung, die ihm zum Gruß die Hand reichen wollte, den Handschlag verweigert hat'.

Landeshauptmann Jörg Haider begrüßte in einer ersten Stellungnahme die Entscheidung: 'Wir wollen keine fundamentalistischen Moslems und Hassprediger in Kärnten. Die Höchstrichter sollen das mit diesem neuerlichen negativen Bescheid endlich zur Kenntnis nehmen. Wer sich nicht integrieren und anpassen will, soll verschwinden! Das ist so und das bleibt so!'. Haider sieht im Übrigen durch den verweigerten Handschlag des Moslems im Verfahren selbst, die negative Entscheidung der Behörde aber auch das Fehlurteil des VfGH als 'bestätigt' an.

Der fundamentalistische Moslem kann gegen den neuerlichen negativen Bescheid innerhalb von sechs Wochen ab Zustellung Beschwerde beim Verwaltungs oder Verfassungsgerichtshof erheben. Ob er diesen Weg neuerlich antritt, ist nicht bekannt.

[Schluss]

Rückfragehinweis:

[Zweitbeklagter]

Pressesprecher Landeshauptmann Dr. Jörg Haider

Telefon ….............

...“

Das Erstgericht wies das Klagebegehren, der Zweitbeklagte sei schuldig zu unterlassen, den Kläger als fundamentalistischen Moslem und Hassprediger zu bezeichnen, und sei ferner schuldig, die gegen den Kläger in der Öffentlichkeit erhobenen Behauptungen, er sei Hassprediger und fundamentalistischer Moslem, als unwahr zu widerrufen, ab. Es traf die eingangs wiedergegebenen und weitere Feststellungen (insbesondere über Stellungnahmen von Schulleitern und ehemaligen Kollegen des Klägers), auf die verwiesen wird. In der rechtlichen Beurteilung des festgestellten Sachverhalts führte es aus, die Bezeichnung des Klägers als fundamentalistischer Moslem und Hassprediger sei im gegebenen Zusammenhang als nicht exzessives und durch das Recht auf freie Meinungsäußerung gedecktes Werturteil zu beurteilen. Der Duden definiere als „Hassprediger“, wer „in seiner Funktion als Prediger zu Hass und Gewalt aufrufe“, und als „fundamentalistischer Islamist“, wer „kompromisslos an der im Koran verkündeten Religion festhält“. Hassprediger verwendeten in ihren Reden oder Schriften aufwiegelnde oder hetzerische Rhetorik, stachelten zur Feindschaft und Hass auf oder riefen sogar direkt zu Gewalttaten auf. Im weitesten Sinn werde als fundamentalistisch eine religiöse Bewegung bezeichnet, die eine Rückbesinnung auf die Wurzeln einer bestimmten Religion fordere, welche notfalls mit radikalen und teilweise intoleranten Mitteln durchgesetzt werden solle.

Im Anlassfall seien die beiden inkriminierten Begriffe nicht getrennt, sondern im Gesamtzusammenhang zu sehen. Die Beklagten werteten den Kläger als jemanden, der in seinen Reden aufwiegelnde und hetzerische Rhetorik verwende, zu Feindschaft und Hass aufstachle oder sogar direkt zu Gewalttaten aufrufe und sich dabei auf eine Grundlage berufe, die den Anspruch auf den Besitz der absoluten Wahrheit im Islam erhebe, der notfalls mit radikalen und teilweise intoleranten Mitteln durchgesetzt werden solle. Ein fiktiver Mitteilungsempfänger, dem diese Äußerungen zur Kenntnis gelangten, müsse in dieser Äußerung eine wertende Meinung erkennen und nicht davon ausgehen, dass Tatsachen verbreitet würden. Der Kläger sei als Religionslehrer und insbesondere auch als Imam zu Fragen des islamischen Glaubens in der Öffentlichkeit aufgetreten und habe Stellung bezogen. Die Grenzen der zulässigen Kritik am Kläger seien somit weiter zu ziehen als bei einer Person, die nicht in der Öffentlichkeit auftrete. Nach dem festgestellten Sachverhalt sei ein gerade noch ausreichendes Tatsachensubstrat vorhanden, den Kläger als Hassprediger und fundamentalistischen Islamisten zu bezeichnen. Während insbesondere sein Verhalten gegenüber Frauen (Handschlag verweigern) ein Tatsachensubstrat darstelle, das ihn als „fundamentalistischen Islamisten“ bezeichenbar mache, sei letztlich die Äußerung, wenn auch nicht im Schulunterricht, die Amerikaner hätten die Anschläge vom 11. 9. 2001 verdient, geeignet, den Kläger als Hassprediger darzustellen. Auch wenn es sich dabei in einer Gesamtschau jedenfalls um überspitzte Formulierungen und doch massive Kritik handle, sei ein massiver Wertungsexzess nicht zu erkennen.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Der Kläger verweigere (verweigerte) - offensichtlich aus religiösen Gründen , Frauen die Hand zu geben. Er habe zwar die Anschläge des 11. 9. 2001 im Schulunterricht nicht gut geheißen und habe sich in der Moschee ausdrücklich gegen die Anschläge ausgesprochen, gegenüber seiner damaligen Volksschuldirektorin aber habe er sich dahin geäußert, dass der Amerikaner nur das bekomme, was er verdient habe. Die Bezeichnung des Klägers als „fundamentalistischer Moslem“ stelle keinesfalls einen massiven Wertungsexzess dar, verweigere der Kläger doch Frauen die Hand zu geben. Auch wenn er (als der islamischen Glaubensgemeinschaft Zugehöriger) für dieses Verhalten religiöse Gründe angebe, zeuge es wie auch sein Verhalten als Religionslehrer an mehreren Schulen in Kärnten insbesondere Frauen gegenüber und seine im Kollegenkreis geäußerte Ansicht zu den Anschlägen vom 11. 9. 2001 doch von einer radikalen und intoleranten Haltung, die die Bewertung als „fundamentalistisch“ zu rechtfertigen vermöge. Dieses Verhalten widerspreche in einem demokratischen Staat auch dem Grundwert der Gleichberechtigung der Frau. Dem Kläger sei zwar beizupflichten, dass er nach dem festgestellten Sachverhalt kein Hassprediger im eigentlichen Wortsinn sei, der (als Geistlicher) zur Feindschaft und Hass aufstachle und dabei aufwiegelnde und hetzerische Rhetorik verwende. Die beiden inkriminierten Begriffe seien jedoch in deren Gesamtheit und nach dem Gesamteindruck für den unbefangenen Durchschnittsadressaten zu beurteilen und so auszulegen, wie sie von den angesprochenen Verkehrskreisen bei unbefangener Auslegung verstanden würden. Der Begriff „Hassprediger“ sei daher nur im Zusammenhang mit dem Begriff „fundamentalistischer Moslem“ und nach dem insoweit in der Presseaussendung zugrunde gelegten Tatsachensubstrat zu verstehen. Von diesem Tatsachensubstrat ausgehend verstehe der Leser im Zusammenhang mit der neuerlichen Ablehnung der Verleihung der Staatsbürgerschaft wegen mangelnder Integrationsbereitschaft des Klägers die inkriminierten Begriffe in ihrer Gesamtheit als massive Kritik am in der Presseaussendung geschilderten Verhalten des Klägers, das durch die Entscheidung der Behörde bestätigt worden sei. Diese Kritik könne nach dem festgestellten Sachverhalt insoweit auf ein im Kern wahres Tatsachensubstrat zurückgeführt werden. Die inkriminierte Wertung erscheine auch bei der vorzunehmenden Interessenabwägung wegen der Kollision des geschützten Persönlichkeitsrechts des Klägers und dem verfassungsrechtlich garantierten Grundrecht auf freie Meinungsäußerung der Beklagten iSd Art 10 MRK noch gerechtfertigt. Die Frage, ob einem „fundamentalistischen“ Moslem, der über Jahre Schüler in österreichischen Schulen in der islamischen Religion unterrichtet habe und als Imam in Moscheen aufgetreten sei, die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen werden solle, stelle nämlich zweifelsfrei, insbesondere im Zusammenhang mit der Gefahr religiöser Radikalisierung, eine Angelegenheit von großem öffentlichen Interesse dar. Auch wenn der Kläger hinsichtlich der Ablehnung der Verleihung der Staatsbürgerschaft in der Öffentlichkeit keine Äußerungen getätigt haben möge, die ihn der Kritik aussetzen könnten, seien gegenüber dem durchaus auch öffentlich und medial auftretenden Kläger und dessen Persönlichkeitsrechten vor allem gemessen an der politischen Bedeutung der die Sicht und Haltung der Beklagten im Zusammenhang mit der Verleihung der Staatsbürgerschaft ausdrückenden Presseaussendung und deren sicherlich überspitzter, als solche aber zweifellos erkennbarer Form und Ausdrucksweise die Grenzen des Rechts auf freie Meinungsäußerung nicht überschritten.

Nachträglich (§ 508 ZPO) ließ das Berufungsgericht die ordentliche Revision mit der Begründung zu, obwohl der Kläger keine gravierende Fehlbeurteilung des Berufungsgerichts aufzuzeigen vermöge, sei ihm doch zuzugestehen, dass im Hinblick auf das von ihm aufgezeigte Spannungsfeld zwischen dem verfassungsrechtlich gewährten Recht auf freie Meinungsäußerung und jenem der Religionsfreiheit eine doch über den Einzelfall hinausgehende Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO gegeben sein möge.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Klägers ist hinsichtlich des Zweitbeklagten zulässig; sie ist teilweise berechtigt.

a) Vorweg ist festzuhalten, dass entgegen der von den Beklagten in der Revisionsbeantwortung vertretenen Auffassung die Frage der Rechtswegzulässigkeit vom Obersten Gerichtshof nicht zu prüfen ist. Die Beklagten stehen auf dem Standpunkt, die Klage sei nach dem Amtshaftungsgesetz unzulässig.

Nach § 9 Abs 5 AHG ist dem Geschädigten die Durchsetzung des Schadens, den ihm ein Organ eines Rechtsträgers iSd § 1 AHG in Vollziehung der Gesetze zugefügt hat, gegen das Organ im ordentlichen Rechtsweg versagt. Nach nunmehr ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs sind gegen das Organ aus dessen hoheitlichem Handeln gerichtete Klagen in jedem Fall zurückzuweisen (RIS Justiz RS0087676; RS0103666; RS0050130). Dieses Prozesshindernis ist in jeder Lage des Verfahrens bis zur Rechtskraft einer Sachentscheidung von Amts wegen wahrzunehmen (1 Ob 15/11d mwN; RIS Justiz RS0087676 [T9]), soweit dieser Prüfung keine bindende gerichtliche Entscheidung iSd § 42 Abs 3 JN entgegensteht. Letzteres ist hier der Fall, hat doch das Gericht zweiter Instanz mit Beschluss vom 23. 8. 2008 (ON 28) seinem Inhalt nach den die Klage wegen Unzulässigkeit des Rechtswegs zurückweisenden Beschluss des Erstgerichts vom 31. 1. 2008 im Sinn der Bejahung der Rechtswegzulässigkeit abgeändert. Dieser Beschluss ist unangefochten in Rechtskraft erwachsen. Im Übrigen ist das Verfahren in der Sache gegen die erstbeklagte Partei rechtskräftig beendet.

b) Entgegen der Ansicht des Klägers haben die Vorinstanzen die Bezeichnung des Klägers als fundamentalistischen Moslem und Hassprediger zutreffend als wertende Meinungsäußerung beurteilt.

Die nach dem Gesamtzusammenhang und dem dadurch vermittelten Gesamteindruck für den durchschnittlich qualifizierten Erklärungsempfänger zu beurteilende (RIS Justiz RS0115084; vgl RS0031883) Frage, ob Tatsachen iSd § 1330 Abs 2 ABGB oder bloße Werturteile verbreitet wurden, ist danach zu beantworten, ob Umstände, Ereignisse oder Eigenschaften mit einem greifbaren, für das Publikum erkennbaren und von ihm an Hand bekannter oder zu ermittelnder Umstände auf seine Richtigkeit nachprüfbaren Inhalt Gegenstand der Äußerung sind (6 Ob 114/11z; RIS Justiz RS0032212). Die Richtigkeit der verbreiteten Äußerung muss grundsätzlich einem Beweis zugänglich sein, sodass sie nicht nur subjektiv angenommen oder abgelehnt, sondern als richtig oder falsch beurteilt werden kann (6 Ob 127/01x mwN). Werturteile hingegen sind rein subjektive, einer objektiven Überprüfung entzogene Aussagen. Sie werden von § 1330 Abs 2 ABGB nicht erfasst, können aber als Ehrenbeleidigung gegen § 1330 Abs 1 ABGB verstoßen. Auch wertende Äußerungen, die auf entsprechende Tatsachen schließen lassen, somit dem eine rein subjektive Auffassung wiedergebenden Werturteil entnommen werden kann, dass es von bestimmten Tatsachen ausgeht, gelten als Tatsachenmitteilung (konkludente Tatsachenbehauptung; 6 Ob 127/01x mwN; RIS Justiz RS0031810). Auch Aussagen die auf entsprechende Tatsachen schließen lassen, sind objektiv nachprüfbar, wenn sie greifbare, einem Beweis zugängliche Vorgänge zum Gegenstand haben und von einem nicht unerheblichen Teil der angesprochenen Empfänger in diesem Sinn aufgefasst werden (6 Ob 235/02f mwN).

Dem Berufungsgericht ist nicht entgegenzutreten, wenn es aus dem Bezugszusammenhang, in dem die inkriminierte Äußerung steht, schließt, dass der damalige Kärntner Landeshauptmann und sein Pressesprecher in der die neuerliche Ablehnung der Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft an den Beklagten durch die Kärntner Landesregierung mitteilenden und kommentierenden Presseaussendung nach Einschätzung eines unbefangenen Durchschnittslesers sich wertend zu dem darin dem Kläger unterstellten Verhalten, dass er Kinder schlage und Frauen den Handschlag verweigere, und seine laut Bescheidbegründung Einstellung, „die Grundwerte eines europäischen demokratischen Staates“ nach wie vor zu ignorieren, äußerten, wird doch kein anderes Tatsachensubstrat mitgeteilt. Der dem Berufungsgericht in der Revision unterstellte Zirkelschluss liegt nicht vor, hat doch die Beurteilung einer Äußerung als Werturteil nichts mit der Frage ihrer Zulässigkeit als Werturteil zu tun.

c) Solange die Grenzen zulässiger Kritik nicht überschritten werden und kein massiver Wertungsexzess vorliegt, kommt dem verfassungsrechtlich geschützten Recht auf freie Meinungsäußerung (Art 10 EMRK; Art 13 StGG), also dem Recht auf zulässige Kritik und ein wertendes Urteil im geistigen Meinungsstreit aufgrund konkreter Tatsachen, in der Interessenabwägung gegenüber der ehrenbeleidigenden Rufschädigung ein höherer Stellenwert zu (RIS Justiz RS0054817 [T7]). Auch Werturteile sind nur dann durch das Recht der freien Meinungsäußerung gedeckt, wenn sie auf ein im Kern wahres Tatsachensubstrat zurückgeführt werden können und die Äußerung nicht exzessiv ist (RIS Justiz RS0032201 [T11, T18]). Art 10 Abs 2 EMRK lässt, worauf der Oberste Gerichtshof wiederholt hingewiesen hat (6 Ob 114/11z mwN), wenig Raum für Einschränkungen gegenüber politischen Reden oder Debatten über Fragen von öffentlichem Interesse. Die Grenzen zulässiger Kritik an Politikern sind erheblich weiter gezogen als bei Privatpersonen. Dieser Grundsatz gilt auch für Privatpersonen und private Vereinigungen, sobald sie die politische Bühne (die politische Auseinandersetzung) betreten (RIS Justiz RS0115541).

d) Den Feststellungen der Vorinstanzen zufolge weigert sich der Kläger begründet in seinem islamischen Glauben , Frauen zum Gruß die Hand zu geben. Diese wahre, in der Presseaussendung mitgeteilte Tatsache ist eine vielleicht schmale, aber nach den insofern zutreffenden, die kollidierenden Interessen des Klägers am Schutz seines Rufs und der Beklagten am Schutz des Rechts der freien Meinungsäußerung abwägenden Erwägungen des Berufungsgerichts ausreichende Grundlage im Tatsächlichen für die auch dieses Verhalten kritisierende Bezeichnung des Klägers als „fundamentalistischen Moslem“. Dieser Beurteilung steht weder das den in der inkriminierten Presseaussendung genannten Bescheid der Kärntner Landesregierung aufhebende Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs vom 11. 12. 2007, B 863/07 9, noch die verfassungsrechtlich verbürgten Rechte der Gedanken , Gewissens und Religionsfreiheit nach Art 9 EMRK und der Glaubens und Gewissensfreiheit nach Art 14 StGG entgegen. In diesem Erkenntnis führte der Verfassungsgerichtshof die Entscheidung darüber, ob man zum Gruß die Hand reicht, bei einer „Orientierung am gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und kulturellen Leben in Österreich sowie an den Grundwerten eines europäischen demokratischen Staates und seiner Gesellschaft“ [Anm des Senats: Zitat aus dem angefochtenen Bescheid] stets dem Einzelnen überlassen bleibt. Wenngleich dem Kläger freisteht zu entscheiden, wem er aus Gründen seiner Religion zum Gruß die Hand reicht, so hindern weder das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs noch die genannten Grundrechte eine (kritische) Bewertung seiner Entscheidung.

e) Zu Recht wendet sich der Revisionswerber aber gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, die Bezeichnung des Klägers als Hassprediger sei nach den Umständen des Falles nicht exzessiv.

Die Tatsache, dass der Kläger Frauen die Hand nicht zum Gruß reicht, ist keine ausreichende Grundlage für die Bezeichnung des Klägers als Hassprediger. Es bedarf keiner weiteren Erörterung, dass diese Bezeichnung Ruf und Ansehen des Klägers insbesondere als Religionslehrer äußerst schwer beeinträchtigen kann, wird doch mit dem Begriff „Hassprediger“ im Zusammenhang mit dem Islam gewöhnlich ein Mensch bezeichnet, der unter dem Vorwand der Glaubensfreiheit ein Klima der Feindseligkeit insbesondere Andersgläubigen gegenüber schafft und den Boden für Gewalttaten aufbereitet oder zur Gewaltausübung aufruft. Für ein Wirken des Klägers in diese Richtung wird in der Presseaussendung kein Tatsachensubstrat mitgeteilt. Zwar kann die Notwendigkeit der Verbindung eines Werturteils mit den dieses unterstützenden Fakten von Fall zu Fall je nach den Umständen variieren. Die Notwendigkeit, die einem Werturteil zugrunde liegenden Tatsachen darzulegen, ist nach der Rechtsprechung des EGMR und des Obersten Gerichtshofs weniger zwingend, wenn diese Umstände der Allgemeinheit bereits bekannt sind (vgl EGMR 27. 10. 2005, MR 2005, 465 Wirtschafts Trendzeitschriften Verlags GmbH/Österreich mwN; 6 Ob 47/02h; 6 Ob 245/04d; 6 Ob 3/07w). Weder die festgestellte Äußerung des Klägers zu einer Schulleiterin kurz nach den Anschlägen des 11. 9. 2001, der Amerikaner bekomme nun das, was er verdient habe, noch die festgestellte Vermutung der Sicherheitsdirektion für Kärnten vom 6. 3. 2007, der Kläger solle „die Anschläge vom 11. 9. auf das World Trade Center in entsprechender Form verteidigt“ haben, waren der Allgemeinheit bekannt. Diese anlässlich der Presseaussendung nicht behaupteten Sachverhalte können die Bezeichnung des Klägers als Hassprediger nicht rechtfertigen, weil sie dem Empfängerkreis der Äußerung nicht bekannt waren und deshalb den in der Presseaussendung vermittelten Gesamteindruck beim Empfängerkreis nicht beeinflussen konnten. Hinzu kommt, dass der Kläger sich in der Moschee ausdrücklich „gegen die Anschläge ausgesprochen“ hat. Ob diese Umstände überhaupt geeignet gewesen wären, die Bezeichnung des Klägers als Hassprediger zu rechtfertigen, muss nicht erörtert werden.

f) Dem Zweitbeklagten war daher die gegen § 1330 Abs 1 ABGB verstoßende Äußerung, der Kläger sei ein Hassprediger, zu verbieten. Bei Ehrenbeleidigungen nach dieser Gesetzesstelle besteht kein Widerrufsanspruch (6 Ob 312/01b; RIS Justiz RS0031688).

g) Die Entscheidung über die Kosten der Revisionsbeantwortung der erstbeklagten Partei beruht auf §§ 50 Abs 1, 41 ZPO. Die Beklagten sind in allen drei Instanzen - durch einen gemeinsamen Rechtsanwalt vertreten, sodass davon auszugehen ist, dass jeder von ihnen eine Hälfte der Gesamtkosten des Verfahrens erster Instanz und des Rechtsmittelverfahrens zu tragen hat (RIS Justiz RS0036216). Der erstbeklagten Partei sind daher vom Kläger die Hälfte der Gesamtkosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.

Die Entscheidung über die Kosten des Zweitbeklagten gründet auf §§ 50 Abs 1, 43 Abs 1 ZPO. Er hat zu zwei Drittel obsiegt, sodass ihm unter Bedachtnahme auf den eben genannten Rechtssatz der Kläger ein Sechstel der Gesamtrechtsanwaltskosten und ein Drittel der Barauslagen zu zahlen hat. Eine Entscheidung über die Kosten der erstbeklagten Partei in den Unterinstanzen war vom Obersten Gerichtshof nicht zu treffen, weil bereits rechtskräftige Entscheidungen der Vorinstanzen über diese Kosten bestehen (nämlich in Höhe der Hälfte der den Beklagten vom Berufungsgericht zugesprochenen Gesamtkosten).

Rechtssätze
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