JudikaturJustiz6Ob2064/96i

6Ob2064/96i – OGH Entscheidung

Entscheidung
23. Mai 1996

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kellner, Dr.Ehmayr, Dr.Schiemer und Dr.Prückner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr.Egbert P*****, vertreten durch Dr.Erwin Gstirner, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagten Parteien 1. Andreas D*****,

2. Cordula D*****, beide vertreten durch Dr.Paul Friedl, Rechtsanwalt in Eibiswald, wegen Räumung (Streitwert 24.000,-- S), infolge außerordentlichen Revisionsrekurses und außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen den in gemeinsamer Entscheidung ergangenen Beschluß und das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Rekursgerichtes und Berufungsgerichtes vom 27.September 1995, GZ 3 R 164/95-33, womit dem Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluß des Bezirksgerichtes Frohnleiten vom 27.Februar 1995, GZ C 1002/93v-25, Folge gegeben sowie der Berufung der klagenden Partei gegen das zur selben Geschäftszahl ergangene Urteil des Bezirksgerichtes Frohnleiten aber nicht Folge gegeben und die Abweisung der Klage bestätigt wurden,

1. den

Beschluß

gefaßt:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Entscheidung des Rekursgerichtes wird dahin abgeändert, daß der Beschluß des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei die mit 6.001,25 S (darin 1.980,-- S Barauslagen und 670,21 S Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsrekurses binnen 14 Tagen zu ersetzen;

2. zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird aufgehoben.

Die Rechtssache wird an das Berufungsgericht zur neuerlichen Entscheidung über die Berufung der klagenden Partei zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger verpachtete mit Pachtvertrag vom 8.2.1989 eine Landwirtschaft, bestehend aus einem Wohngebäude und mehreren ha Wiesen-, Weiden- und Ackergrundstücken an die Beklagten. Der Verpächter behielt sich im Wohnhaus mehrere Räumlichkeiten zur eigenen Benützung vor. Das Pachtverhältnis wurde für die Dauer von 10 Jahren beginnend mit 1.1.1990 abgeschlossen. Im Pachtvertrag wurde als "Pachtzins" vereinbart, daß die Pächter alle Steuern, Abgaben und Lasten der Liegenschaft, die Kosten einer Brandversicherung, der Kaminkehrung und des Stroms zu tragen und gewisse näher bezeichnete Reparaturarbeiten zur Erhaltung des Mietobjektes durchzuführen haben. Für Erneuerungs- und Verbesserungsarbeiten hat der Verpächter die Kosten der erforderlichen Facharbeiter und des Materials zu tragen, die Pächter haben Arbeitsleistungen zu erbringen. Sie sind nach dem Pachtvertrag weiters zur Reinhaltung des Gebäudes verpflichtet. Unter dem Punkt "Verschiedenes" sieht der Pachtvertrag folgendes vor:

"Die Pächter werden für den Bedarf des Verpächters, gegen Beistellung des erforderlichen Saatgutes, einige Zeilen Erdäpfel (ca. 100-150 kg) mit anbauen".

Mit der am 19.11.1993 beim Erstgericht eingelangten Klage begehrte der Kläger gestützt auf die Bestimmung des § 1118 zweiter Fall ABGB die geräumte Übergabe des Pachtobjektes und die "Lieferung" von 100 kg Kartoffel aus der Ernte des Jahres 1993 bis zum 31.11.1993. Die Beklagten seien 1992 und 1993 ihrer vertraglichen Naturalleistungsverpflichtung nicht nachgekommen. In der Tagsatzung vom 7.2.1994 schränkte der Kläger sein Begehren auf das Räumungsbegehren ein, weil er die von den Beklagten gemäß § 1425 ABGB beim Erstgericht erlegten Kartoffel übernommen hatte (ON 7). In der Tagsatzung vom 20.5.1994 machte der Kläger als weiteren "Auflösungsgrund im Sinne des § 1118 ABGB" geltend, daß die Beklagten sich weigerten, Instandsetzungsarbeiten an der Wasserleitung und an den Zäunen zu leisten. Die Beklagten hätten überdies sogar den Kläger an der Ersatzvornahme gehindert und eine Besitzstörungsklage angedroht. Sie hätten damit eine weitere Teilleistung auf den Pachtzins verweigert, was den Verpächter zur Auflösung des Pachtvertrages berechtige (S 2 zu ON 14). Im vorbereitenden Schriftsatz vom 24.8.1994 (ON 17) stützte der Kläger sein Räumungsbegehren auch auf den ersten Fall des § 1118 ABGB und erstattete ein umfangreiches Sachverhaltsvorbringen zum Vorliegen von für die Auflösung des Pachtvertrages wichtigen und in der Person der Bestandnehmer gelegenen Gründen (Unterlassung der Durchführung eines Badewannenabflusses, der Schneeräumung des Daches und der Instandsetzung des Brunnens; Aussperren des Verpächters; Unterlassung der Instandhaltung von Zäunen; Entfernung von Bäumen und Sträuchern;

Verweigerung der Telefonbenützung und eines dem Verpächter vorbehaltenen Sitzplatzes; mangelnde Reinhaltung des Hauses;

Belästigung des Verpächters; Verweigerung der Lagerung von Materialien des Verpächters; Erhebung unberechtigter Forderungen gegenüber dem Verpächter; öffentliche Rufschädigung und Beleidigung des Verpächters durch die Pächter). In der Tagsatzung vom 17.10.1994 dehnte der Kläger sein Klagebegehren auf die Lieferung von 70 kg Kartoffel der Sorte "Linzer Rose" aus dem biologisch kontrollierten landwirtschaftlichen Betrieb der Beklagten bis längstens 31.10.1994 aus. Die Kartoffelernte 1994 sei bereits erfolgt, ohne daß die Beklagten ihrer vertraglichen Lieferverpflichtung nachgekommen wären. Um das zuletzt genannte Leistungsbegehren wurde die Klage in der letzten Tagsatzung vom 22.12.1994 wegen Erfüllung eingeschränkt (S 1 zu ON 24). Der Kläger brachte in dieser Tagsatzung noch ergänzend vor, daß die Beklagten im Jahr 1993 Feuerwehrarbeiten auf dem Nachbargrundstück behindert hätten, indem sie die Wasserentnahme aus einer Quelle des Verpächters verweigert und während der durchgeführten Arbeiten einen elektrischen Zaun nicht ausgeschaltet hätten.

Die Beklagten beantragten die Abweisung der Klage. Sie bestritten die ihnen vorgeworfenen Verletzungen des Pachtvertrages und brachten im wesentlichen vor, daß sie nur verpflichtet seien, das vom Kläger beigestellte Saatgut anzubauen, nicht aber zur Pflege, Ernte und Lieferung von Kartoffeln. Sie hätten 1990 und 1991 nur aus Gefälligkeit und ohne Verpflichtung die für den Kläger mitangebauten Kartoffel auch geerntet und abgeliefert. Eine Verpflichtung der Beklagten zur Durchführung eines biologischen Anbaus und zur Lieferung von biologischen Kartoffeln bestehe nicht. Es läge kein Auflösungsgrund nach § 1118 zweiter Fall ABGB vor, weil keine Nachfrist gesetzt worden sei und kein qualifizierter Zinsrückstand bestanden habe. Zäune seien auf der Liegenschaft immer dann entfernt worden, wenn dies ein Wirtschaftserfordernis gewesen sei. Die Zäune seien durch zeitgemäße Elektrozäune ersetzt worden. Der Kläger habe keinerlei Einwendungen erhoben. Im übrigen bestehe eine Wiederherstellungspflicht der Beklagten erst bei Beendigung des Pachtverhältnisses. Der Schriftsatz des Klägers vom 24.8.1994 (ON 17) sei unzulässig. Die darin enthaltene Klageänderung möge nicht zugelassen werden (S 2 zu ON 18). Mit dem vom Erstgericht aufgetragenen Schriftsatz (ON 20) erstatteten die Beklagten ein Gegenvorbringen zum ergänzenden Vorbringen des Klägers in dessen Schriftsatz ON 17.

Das Erstgericht faßte mit der gemeinsam ergangenen Entscheidung den Beschluß auf Zulassung der mit dem Schriftsatz vom 24.8.1994 vorgenommenen Klageänderung und wies in Urteilsform das Räumungsbegehren ab. Es stellte über den im wesentlichen schon wiedergegebenen Inhalt des Pachtvertrages hinaus noch einen Sachverhalt fest, der wie folgt zusammengefaßt werden kann:

In den Jahren 1990 und 1991 hätten die Beklagten dem Kläger die vereinbarten Kartoffel geliefert. 1992 hätten die Beklagten die Übernahme des angebotenen Bargeldes für die Anschaffung von Saatgut abgelehnt und die Übergabe des Saatgutes selbst gefordert. Für einen Anbau sei es zu diesem Zeitpunkt bereits zu spät gewesen. Im Frühjahr 1993 habe der Kläger wieder Saatkartoffel zur Verfügung gestellt, die Beklagten hätten sie angebaut, die Kartoffel hätten sich aber nicht gut entwickelt. Trotz Aufforderungen des Klägers hätten die Beklagten die Kartoffel zunächst nicht geliefert und sich auf die Bestimmung des Pachtvertrages berufen, wonach sie nur zum Ansetzen der Kartoffel verpflichtet seien.

Die Beklagten hätten sich geweigert, bei der Herstellung eines Badewannenabflusses mitzuwirken. Der Kläger habe eine Ersatzvornahme im Jahr 1991 durchgeführt. Im Winter 1990 habe der Kläger in den Dachboden gewehten Schnee weggeschaufelt (was offensichtlich nach Meinung des Klägers die Beklagten hätten tun müssen). Der Erstbeklagte habe 1991 einen Brunnen abgesperrt. Im Jahr 1992 hätten die Beklagten das Schloß zum Haustor geändert. Der deswegen eingebrachten Besitzstörungsklage des Klägers sei stattgegeben worden. Die Beklagten hätten teils mit teils ohne Genehmigung des Klägers Bäume geschlägert. Sie hätten Holzzäune entfernt und teilweise durch Elektrozäune ersetzt. Als der Kläger einmal das Telefon der Beklagten benutzt habe, hätten die Beklagten dies zum Anlaß einer Besitzstörungsklage genommen. Die Beklagten hätten mehrmals eine Sitzgruppe, die dem Verpächter vorbehalten worden sei, benutzt. Eine mangelnde Reinhaltung des Hauses durch die Beklagten könne nicht festgestellt werden. Feststellungen über ein provokantes Verhalten der Beklagten könnten nicht getroffen werden. 1991 hätten die Beklagten verlangt, daß der Kläger von ihm auf der verpachteten Liegenschaft gelagertes Material entferne. Die Beklagten hätten vom Verpächter verschiedene Anschaffungen für die Landwirtschaft gefordert und ihm auf seine Forderung nach Einhaltung der vertraglichen Verpflichtungen Schikane vorgeworfen. In einer Zeitung sei ein Bericht über die Probleme zwischen den Parteien im Zusammenhang mit dem Pachtvertrag geschildert worden. Gegen die seiner Meinung nach "rufschädigende Reportage" habe der Kläger nichts unternommen. Über Anfrage von Mitgliedern der freiwilligen Feuerwehr hätten die Beklagten geäußert, daß auf dem Pachtgrund die Errichtung eines Löschteiches nicht in Frage komme.

In rechtlicher Hinsicht vertrat das Erstgericht die Auffassung, daß gemäß § 1118 ABGB der Bestandgeber die Aufhebung des Vertrages nur dann fordern könne, wenn der Bestandnehmer nach Einmahnung mit der Bezahlung des Zinses derart säumig sei, daß er mit Ablauf des Termins den rückständigen Bestandzins nicht vollständig entrichtet habe. Die Beklagten hätten sich aber nie in einem sogenannten qualifizierten Verzug befunden, was bedeute, daß zum Zeitpunkt der Fälligkeit des Bestandzinses der rückständige Bestandzins noch nicht vollständig entrichtet gewesen wäre. Da der Kläger das erforderliche Saatgut beizustellen gehabt habe, dieser Vorleistungsverpflichtung im Jahr 1992 aber nicht nachgekommen sei, könne für dieses Jahr nicht von einem Verzug der Beklagten ausgegangen werden. Ein Räumungsgrund nach § 1118 erster Fall ABGB liege nicht vor. Ein erheblich nachteiliger Gebrauch des Bestandobjektes sei nur dann anzunehmen, wenn eine wiederholte, länger währende, vertragswidrige Benützung des Bestandobjektes wichtige Interessen des Bestandgebers verletze oder wenn eine Verletzung der Substanz des Bestandobjektes erfolgt sei oder drohe. Auch unleidliches Verhalten der Bestandnehmer falle unter den Tatbestand. Nach den getroffenen Feststellungen seien die vom Kläger vorgebrachten Aufhebungsgründe weder für sich allein noch in ihrer Gesamtheit geeignet, eine Auflösung des Pachtvertrages zu rechtfertigen.

Das Berufungs- und Rekursgericht gab mit seiner ebenfalls gemeinsam getroffenen Entscheidung dem Rekurs der Beklagten gegen die Zulassung der Klageänderung dahin Folge, daß die mit Schriftsatz vom 22.8.1994 vorgenommene Änderung der Klage "in Richtung des Aufhebungsgrundes gemäß § 1118 erster Fall ABGB" nicht zugelassen werde und gab weiters der Berufung des Klägers nicht Folge und bestätigte das Ersturteil. Es sprach aus, daß hinsichtlich seiner Rekursentscheidung der Entscheidungsgegenstand 50.000,-- S übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Das Gericht zweiter Instanz sprach ferner aus, daß die ordentliche Revision gemäß § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig sei. Zur Nichtzulassung der Klageänderung führte das Berufungsgericht im wesentlichen folgendes aus:

Eine Klageänderung könne vom Gericht ohne Einwilligung des Klägers (gemeint: des Beklagten) zugelassen werden, wenn keine erhebliche Erschwerung oder Verzögerung der Verhandlung zu besorgen sei. Klageänderungen seien nach der Rechtsprechung tunlichst dann zuzulassen, wenn dadurch ein zweiter Prozeß erspart werde. Die Frage, ob eine erhebliche Erschwerung oder Verzögerung des Verfahrens zu befürchten sei, sei nach dem Zeitpunkt der Klageänderung zu beurteilen. Eine Klageänderung sei dann nicht zuzulassen, wenn durch die Änderung des Begehrens oder des Klagegrundes der Rahmen des ursprünglichen Rechtsstreites gesprengt und damit eine erhebliche Erschwerung oder Verzögerung der Prozeßführung herbeigeführt würde oder wenn das Verfahren ohne Rücksicht auf die Klageänderung bereits spruchreif wäre. Da die Klageänderung hier erst neun Monate nach der Klageeinbringung und nach zwei mündlichen Streitverhandlungen mit Beweisaufnahmen erfolgt sei und die Erhebung eines auf § 1118 erster Fall ABGB gestützten Räumungsbegehrens mit zwölf gegen die Beklagten ins Treffen geführten Fakten begründet werde, führe die Zulassung der Klageänderung zu einer erheblichen Erschwerung und Verzögerung des Verfahrens.

Zur Erledigung der Berufung des Klägers führte das Berufungsgericht folgendes aus:

Infolge Nichtzulassung der Klageänderung sei dem Berufungsverfahren lediglich die ursprüngliche Klage und das zum Auflösungsgrund des § 1118 zweiter Fall ABGB erstattete ergänzende Vorbringen zugrundezulegen. Es sei also nur zu prüfen, ob infolge mangelnder Lieferung von Erdäpfeln und infolge Nichtinstandhaltung einer Wasserleitung und von Zäunen ein Aufhebungsgrund verwirklicht worden sei. Die Verletzung der Instandhaltungspflicht bilde nur dann einen Aufhebungsgrund, wenn sie auch einen erheblichen Nachteil für den Bestandgeber bewirke. Es könne auf sich beruhen, ob die Verpflichtung der Beklagten zur Lieferung von Erdäpfeln eine Nebenleistung oder ein Teil des Pachtzinses sei. Ein qualifizierter Zinsrückstand könne nur vorliegen, wenn der Mieter den eingemahnten Zinsrückstand nicht bis zum nächstfälligen Zinstermin vollständig entrichtet habe. Unter Termin sei die gesetzliche oder vertragsmäßige Zinsperiode zu verstehen. Es müsse zu Beginn der folgenden Zinsperiode trotz Mahnung ein Rückstand an Zins für die frühere Zinsperiode bestehen. Dies sei schon nach dem Klagevorbringen nicht der Fall. Daß die Beklagten verpflichtet seien, Saatgut gegen Bezahlung selbst zu besorgen, habe der Käger nicht vorgebracht. Für 1992 habe daher kein Pachtrückstand bestanden. Die Beklagten seien daher zum Zeitpunkt der Klageeinbringung nicht in qualifiziertem Zinsrückstand gewesen. Gleiches gelte auch für die im Jahr 1994 zu leistende Erdäpfellieferung, weil die Beklagten im Dezember 1993 einen allfälligen Pachtzinsrückstand durch die Lieferung von 100 kg Kartoffeln berichtigt hätten.

Mit seinem außerordentlichen Revisionsrekurs beantragt der Kläger die Abänderung dahin, daß die Klageänderung zugelassen werde.

Mit seiner Revision beantragt er primär die Aufhebung des Urteils zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung; nur hilfsweise wird ein Abänderungsantrag dahin gestellt, daß dem Räumungsbegehren stattgegeben werde.

In der ihnen freigestellten Revisionsbeantwortung beantragen die Beklagten, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

1. Der Revisionsrekurs ist zulässig und berechtigt.

Beim angefochtenen Beschluß des Gerichtes zweiter Instanz handelt es sich um einen Beschluß des Rekursgerichtes, der unter den Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO anfechtbar ist. Das Rekursverfahren ist nicht zweiseitig, weil die Entscheidung über die Zulassung einer Klageänderung nach ständiger oberstgerichtlicher Rechtsprechung nicht zu den im § 521a ZPO erschöpfend aufgezählten Fällen gehört (4 Ob 532/95 uva).

Der Kläger will mit seinem vorbereitenden Schriftsatz einen neuen Klagegrund unter Geltendmachung neuer Tatbestände in den vorliegenden Räumungsstreit einführen, was als Klageänderung im Sinne des § 235 ZPO zu qualifizieren ist (Rechberger in Rechberger ZPO Rz 3 zu § 235 mwN).

Gemäß § 235 Abs 3 ZPO kann das Gericht eine Änderung der Klage selbst nach Eintritt der Streitanhängigkeit und ungeachtet der Einwendungen des Gegners zulassen, wenn durch die Änderung die Zuständigkeit des Prozeßgerichtes nicht überschritten wird und aus ihr eine erhebliche Erschwerung oder Verzögerung der Verhandlung nicht zu besorgen ist. Nach ständiger oberstgerichtlicher Rechtsprechung sind Klageänderungen tunlichst zuzulassen, insbesondere dann, wenn durch sie ein neuer Prozeß vermieden wird und das Ziel der endgültigen und erschöpfenden Bereinigung des Streites erreicht werden kann (JBl 1989, 516 uva; Rechberger aaO Rz 7 mwN). Das anhängige Verfahren darf nur nicht in unbilliger Weise erschwert oder verzögert werden (RZ 1993/81). Was unter einer erheblichen Erschwerung oder Verzögerung der Verhandlung zu verstehen ist, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls. Die Beurteilung dieser Frage ist grundsätzlich keine erhebliche Rechtsfrage, weil die besonderen Verhältnisse des konkreten Falles kaum Anlaß zu grundsätzlichen Erörterungen über Rechtsfragen erheblicher Bedeutung bieten. Der Rechtsansicht des Rekursgerichtes, daß das in einem relativ späten Verfahrensstadium erstattete Sachverhaltsvorbringen des Klägers und die beabsichtigte Erweiterung des Prozeßstoffes in die Richtung weiterer auf § 1118 erster Fall ABGB gestützter Auflösungsgründe einen erheblichen Verfahrensaufwand befürchten ließe, wäre dann mit außerordentlichem Revisionsrekurs nicht bekämpftbar, wenn es auf den Zeitpunkt der Klageänderung als maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt ankäme. Die Besonderheit des vorliegenden Falles liegt aber darin, daß das Erstgericht vor der formellen Zulassung der Klageänderung die ergänzenden Behauptungen des Klägers zum Verfahrensgegenstand machte, den Beklagten Gelegenheit zur Erstattung eines (ebenfalls umfangreichen) Gegenvorbringens gab und zum erweiterten (noch nicht zugelassenen) Prozeßstoff ein umfangreiches Beweisverfahren durchführte. Dieser Verhandlungsaufwand wäre bei Nichtzulassung der Klageänderung verloren. In der Frage des maßgeblichen Beurteilungszeitpunkts liegt somit eine Rechtsfrage erheblicher Bedeutung.

Der Oberste Gerichtshof hat schon mehrfach die Ansicht vertreten, daß die Frage, ob eine erhebliche Erschwerung oder Verzögerung des Verfahrens zu befürchten sei, nach dem Zeitpunkt der Klageänderung zu beurteilen sei (MietSlg 22.613; JBl 1973, 43). Dies ist dann selbstverständlich, wenn über die Zulassung der Klageänderung - wie im Regelfall - vor Durchführung des Beweisverfahrens über das geänderte Begehren entschieden wird und ex ante zu beurteilen ist, ob eine unzumutbare Erschwernis der Verhandlung droht. Wenn das Prozeßgericht allerdings - wie hier - über den erweiterten Prozeßstoff bereits verhandelt hat, so kann die Verhandlungserschwernis einerseits bereits ex post beurteilt werden, und andererseits ist es begrifflich ausgeschlossen, daß eine künftige weitere Erschwerung oder Verzögerung der Verhandlung erster Instanz noch zu befürchten ist. Das Gesetz stellt auf die Erschwernis der Verhandlung, also auf das Verfahren erster Instanz ab. Erschwernisse der Rechtsmittelverfahren durch die Ausweitung des Prozeßstoffes hatte der Gesetzgeber offensichtlich nicht im Auge. Bei der Entscheidung über die Zulassung der Klageänderung muß von der Aktenlage im Zeitpunkt des Beschlusses erster Instanz ausgegangen werden (4 Ob 10/88), wie dies grundsätzlich bei jeder Gerichtsentscheidung der Fall ist. Das Gericht erster Instanz hat bis zu seiner Entscheidung jede Änderung des Sachverhalts zu berücksichtigen, hier also auch den Umstand, daß das ehemals bestandene Zulassungshindernis der drohenden Verhandlungserschwerung wegen der bereits durchgeführten Verhandlung über den erweiterten Prozeßstoff bereits weggefallen war. Der im Sinne der Verfahrensökonomie entwickelte Grundsatz, daß ein zweiter Prozeß möglichst vermieden werden soll, kommt hier umsomehr zum Tragen, weil mit der Verweigerung der Zulassung der Klageänderung der bisherige Verfahrensaufwand zunichte gemacht würde und im Folgeprozeß neuerlich den Parteien und dem Gericht zur Last fiele.

Das Rekursgericht hat sich, ausgehend von seiner nicht zu teilenden Rechtsansicht über das Fehlen der Zulassungsvoraussetzungen des § 235 Abs 3 ZPO, mit den weiteren Ausführungen im Rekurs der (in zweiter Instanz obsiegenden) Beklagten nicht auseinandergesetzt. Darauf ist abschließend wie folgt einzugehen:

Die gerügte Nichtigkeit der Entscheidung des Erstgerichtes wegen Unüberprüfbarkeit infolge Fehlens jeglicher Begründung gemäß § 477 Abs 1 Z 9 ZPO sowie die mit der Verletzung der Begründungspflicht (§ 428 Abs 1 ZPO) gerügte Mangelhaftigkeit des Verfahrens erster Instanz wurden vom Rekursgericht erkennbar verneint, weil es eine meritorische Entscheidung fällte. Wenn das Gericht zweiter Instanz aber eine Nichtigkeit oder Mangelhaftigkeit des Verfahrens erster Instanz verneint, so ist der Oberste Gerichtshof daran gebunden (JBl 1992, 780; Kodek in Rechberger, ZPO Rz 1 zu § 528).

Entgegen der Auffassung der Beklagten war der nach einem bereits durchgeführten Verhandlungstermin eingebrachte Schriftsatz des Klägers, mit dem er seine Klage im Bereich der Klagegründe erweiterte, nicht als unzulässiger vorbereitender Schriftsatz im Sinne des § 258 ZPO zurückzuweisen (und die Klageänderung daher unbeachtlich). Dazu kann auf die eingehende Begründung in der Entscheidung des verstärkten Senates vom 20.4.1989 (veröffentlicht in JBl 1989, 516) verwiesen werden. Danach ist die Vorschrift des § 258 ZPO nicht auf sogenannte bestimmende Schriftsätze anzuwenden, mit denen prozeßerhebliche Sachanträge gestellt werden, die die Grenzen der gerichtlichen Entscheidungsbefugnis festlegen. Die Klageänderung ist ein solcher Schriftsatz, der auch nach Beginn der mündlichen Streitverhandlung zulässigerweise eingebracht werden kann.

Die weitere Rüge der Beklagten, der die Klageänderung enthaltende Schriftsatz sei in der mündlichen Verhandlung nicht vorgetragen worden, ist nicht stichhältig. Es trifft zwar zu, daß die Parteien das in vorbereitenden Schriftsätzen enthaltene Vorbringen in der Verhandlung vorzutragen haben (§ 176 ZPO); schriftliche Anträge werden in der Regel erst durch ihren Vortrag in der Verhandlung wirksam (SZ 40/20). Bei der Klageänderung mittels bestimmenden Schriftsatzes gilt dies aber nur eingeschränkt. Die Streitanhängigkeit über das geänderte Begehren tritt schon vor dem Vortrag der schriftlich angezeigten Klageänderung mit der Zustellung des Schriftsatzes an den Beklagten ein (Rechberger aaO Rz 9 zu § 235), ebenso die Unterbrechungswirkung für die Verjährungsfrist. Der noch nicht vorgenommene Vortrag der Klageänderung hindert die Prüfung der Zulassungsvoraussetzungen nicht. Aber auch bei gegenteiliger Ansicht wäre damit für den Standpunkt der Beklagten nichts gewonnen, weil die Verletzung des Mündlichkeitsprinzips zu den rügepflichtigen Verfahrensmängeln gehört. Verletzungen der Vorschriften über das Verfahren in der mündlichen Verhandlung müssen gemäß § 196 ZPO sofort gerügt werden. Dadurch, daß die Beklagten eine Rüge unterließen und sich in die weitere Verhandlung über die geänderte Klage eingelassen haben, obwohl sie den Mangel kannten oder kennen mußten, wurde dieser saniert (Fasching III 952 f).

Die fehlende Zustimmung der Beklagten zur Klageänderung war aus den dargelegten Gründen durch Gerichtsbeschluß zu ersetzen. Dem Revisionsrekurs des Klägers ist stattzugeben.

Beim Streit über die Zulässigkeit der Klageänderung handelt es sich um einen Zwischenstreit, sodaß dem Kläger die Kosten für seinen erfolgreichen Revisionsrekurs zuzusprechen sind (§§ 41, 50 ZPO).

2. Zur Revision des Klägers hat der Senat folgendes erwogen:

Die Revision ist zulässig und berechtigt.

Insoweit der Kläger die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes zum Räumungsgrund nach § 1118 zweiter Fall ABGB, also die rechtliche Beurteilung auf der Basis des ursprünglichen Klagebegehrens bekämpft, liegen die Voraussetzungen für die Zulässigkeit der Revision nicht vor. Das Berufungsgericht ist bei der Verneinung eines qualifizierten Pachtzinsrückstandes nicht von der oberstgerichtlichen Rechtsprechung abgewichen. Der Bestandzins, also das Entgelt für die Gebrauchsüberlassung der Liegenschaft, kann bei Pachtverträgen auch in der laufenden Erhaltung der Bestandsache sowie in Naturalleistungen bestehen (Würth in Rummel ABGB2 Rz 17 zu §§ 1092-1094). Die Stattgebung eines auf Bestandzinsrückstand gestützten Räumungsbegehrens setzt eine Säumnis dergestalt voraus, daß der Bestandnehmer nach geschehener Mahnung mit Ablauf des Termins den rückständigen Bestandzins nicht vollständig bezahlt hat (§ 1118 zweiter Fall ABGB). Es entspricht ständiger oberstgerichtlicher Rechtsprechung, daß das Gesetz mit dem "Termin" den der Mahnung nachfolgenden nächsten Zinstermin meint. Es muß bei Beginn der folgenden Zinsperiode trotz Mahnung noch ein Rückstand an Zins der früheren Zinsperiode bestehen (MietSlg 35.225 uva; Würth aaO Rz 15 zu § 1118). Den Rechtsausführungen des Berufungsgerichtes zu diesem Thema ist beizupflichten. Gegen die Gleichstellung der Naturalverpflichtung mit einer Zinsverpflichtung in Geld bestehen keine Bedenken, wenn der Zins in der Lieferungspflicht einer bestimmten oder - wie hier - bestimmbaren Menge an Naturprodukten besteht und der "Termin" ebenfalls bestimmbar ist. Wenn der Kläger sich nun im Gegensatz zu seiner Meinung im Verfahren erster Instanz gegen eine Qualifizierung der Naturalleistungsverpflichtung als Zinsverpflichtung wendet und eine Verletzung der vertraglichen Verpflichtung der Beklagten zu Arbeitsleistungen (zum Anbau und zur Pflege der Kartoffeln) ins Treffen führt, so bringt ihm das nichts. In der Vertragsverletzung müßte dann nämlich für eine Stattgebung des Räumungsbegehrens ein besonders wichtiger Grund erblickt werden können, der die vorzeitige Auflösung des Dauerschuldverhältnisses rechtfertigen könnte. Daß dies aber bei einer Gegenüberstellung aller wechselseitigen Rechte und Pflichten auf Verpächter- und Pächterseite wegen der relativen Geringfügigkeit des Wertes der Anbauverpflichtung nicht der Fall ist, liegt auf der Hand. Selbst wenn somit eine Vertragsverletzung aus dem Grund der Weigerung der Beklagten, ihrer Anbauverpflichtung nachzukommen, vorliegen sollte, wäre damit allein für den Kläger noch nichts gewonnen, weil der Vertragsverletzung keinesfalls die Gewichtigkeit beizumessen wäre, daß die Fortsetzung des Bestandverhältnisses für den Kläger unzumutbar wäre. Allerdings könnte die angeführte Vertragsverletzung im Verein mit weiteren Vertragsverletzungen doch wieder von Bedeutung sein. Dies wird im fortgesetzten Verfahren zu klären sein, in dem auch die mit der zugelassenen Klageänderung geltend gemachten weiteren Vertragsverletzungen zu behandeln sein werden. Das Berufungsgericht hat infolge seiner vom Obersten Gerichtshof nicht geteilten Rechtsansicht über die Unzulässigkeit der Klageänderung zu den auf § 1118 erster Fall ABGB gestützten, vom Erstgericht verneinten Räumungsgründen nicht Stellung genommen. Es wird dies aufgrund der nunmehrigen Zulassung der Klageänderung nachzuholen haben.

Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf § 52 ZPO.

Rechtssätze
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