JudikaturJustiz6Ob167/00b

6Ob167/00b – OGH Entscheidung

Entscheidung
30. August 2000

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Steinbauer, Dr. Huber, Dr. Prückner und Dr. Schenk als weitere Richter in der Firmenbuchsache der S***** Aktiengesellschaft mit dem Sitz in T*****, über den Revisionsrekurs der Gesellschaft, vertreten durch Dr. Karl Schleinzer, MMag. Dr. Ernst Denk, Dr. Roderich Jakobi und Mag. Dr. Günther Kaufmann, Rechtsanwälte in Wien, gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgericht vom 19. April 2000, GZ 28 R 218/99f-9, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Die Einschreiterin ist eine österreichische, jedoch in Brüssel, Belgien, börsennotierte Aktiengesellschaft, ihr Grundkapital beträgt 13 Mio Euro, die Aktien lauten auf Inhaber.

Unter Vorlage einer beglaubigten Kopie des Protokolls der Hauptversammlung vom 30. 4. 1999 beantragt die Gesellschaft, vertreten durch den Vorstand und den Vorsitzenden des Aufsichtsrates unter anderem die Eintragung einer Satzungsänderung in § 14 (Hauptversammlung - Einberufung - Stimmrechtsausschluss) durch Ergänzung um einen Abs 5.

Dieser lautet: "Aktionäre, welche durch Aktienerwerb (entgeltlich, unentgeltlich, unter Lebenden, von Todes wegen) unmittelbar und/oder mittelbar eine Beteiligung von 5 % des Grundkapitals der Gesellschaft oder ein Vielfaches davon überschreiten oder durch Aktienveräußerung (entgeltlich, unentgeltlich, unter Lebenden, von Todes wegen) unterschreiten, sind verpflichtet, diese der Gesellschaft unter Bekanntgabe des Erwerbs-/Veräußerungsgrundes und der von den Aktionären nach einem solchen Erwerb oder einer solchen Veräußerung insgesamt gehaltenen Aktien innerhalb von fünf "EASDAQ-Business-Days" mitzuteilen. Im Falle der Verletzung dieser Meldepflicht ist der betreffende Aktionäre ab Bekanntwerden der Verletzung bis zu dem Tag, der dem Tag der nächsten Hauptversammlung folgt, vom Stimmrecht ausgeschlossen".

Zugleich reichten sie den Jahresabschluss 1998 ein und meldeten die näher genannte Erhöhung des Grundkapitals aus Gesellschaftsmitteln zur Anpassung im Sinn des § 9 Abs 1 Euro-JuBeG zur Eintragung ins Firmenbuch an.

In seinem Verbesserungsauftrag vertrat das Erstgericht die Auffassung, § 14 Abs 5 der Satzung widerspreche dem in §§ 12 Abs 1 und 114 Abs 1 erster Satz AktG niedergelegten Grundsatz, dass jede Aktie das Stimmrecht gewähre. Demgegenüber brachte die Einschreiterin vor, die Satzungsergänzung enthalte eine Bedingung für die Stimmrechtsausübung im Sinn des § 114 Abs 7 AktG.

Unter gleichzeitiger Bewilligung der Eintragung der Kapitalerhöhung und der Anpassung des Grundkapitals sowie der Einreichung des Jahresabschlusses (die Gesellschaft hatte einer teilweisen Erledigung ihres Gesuches zugestimmt) wies das Erstgericht den Antrag auf Eintragung der Satzungsänderung in § 14 Abs 5 ab. Das Aktiengesetz sehe Einschränkungen des in seinen §§ 12 und 114 niedergelegten Grundsatzes (dass jede Aktie das Stimmrecht gewähre) nur in besonderen, im Gesetz genau geregelten Fällen vor. Die beschlossene Satzungsergänzung, die dem Aktionär eine Nebenverpflichtung, verbunden mit der Sanktion des Stimmrechtsausschlusses auferlege, sei durch das Gesetz nicht gedeckt. § 114 Abs 7 AktG könne nicht so verstanden werden, dass die Satzung die Ausübung des Stimmrechts von der Erfüllung von Nebenverpflichtungen jeder Art abhängig machen könne.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Gesellschaft nicht Folge und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. § 114 AktG treffe Regelungen zur Ausübung des Stimmrechts. Der schon in § 12 Abs 1 erster Satz AktG ausgesprochene und in § 114 Abs 1 erster Satz leg cit wiederholte Grundsatz, dass jede Aktie das Stimmrecht gewähre, erfahre im Gesetz zwar gewisse - auf den vorliegenden Fall nicht anwendbare - Modifizierungen; die Satzung könne von prinzipiell zwingenden Vorschriften des Aktiengesetzes jedoch nur in jenen Fällen abweichen, für welche dies ausdrücklich zugelassen sei. Nach § 114 Abs 2 AktG beginne das Stimmrecht grundsätzlich mit der vollständigen Leistung der Einlage. Diese Bestimmung enthalte im Übrigen eine genaue Festlegung jener Voraussetzungen, unter denen die Satzung zur Vorverlegung des Beginnzeitpunkts ermächtigt werde. Eine Ermächtigung zur Verschiebung des Beginns der Stimmrechtsausübung auf einen späteren Zeitpunkt oder zu deren Aussetzung nach der vollständigen Leistung der Einlage regle das Gesetz jedoch nicht. Nach bereits vollständig geleisteter Einlage sei eine Satzungsbestimmung über die Einschränkung des Stimmrechts - welche wie hier nicht durch eine entsprechende gesetzliche Ermächtigung gedeckt sei - unzulässig. Daran vermöge auch § 114 Abs 7 AktG nichts zu ändern, wonach sich "im Übrigen die Bedingungen und die Form der Ausübung des Stimmrechts nach der Satzung richten". Die darin zu erblickende "allgemeine" Ermächtigung der Satzung, die Stimmrechtsausübung an Bedingungen zu knüpfen, werde in § 107 Abs 2 und 3 leg cit dahin spezifiziert, dass die Satzung die Stimmrechtsausübung von der Hinterlegung und der Anmeldung zur Hauptversammlung abhängig machen könne. Die Bedingungen der Ausübung dürften jedoch nicht so festgesetzt sein, dass sie mit § 114 AktG im Widerspruch stünden oder im Ergebnis auf eine Umgehung seiner Bestimmungen hinauslaufen. § 114 Abs 7 AktG lasse nicht generell beliebige andere im Aktiengesetz nicht geregelte Erweiterungen oder Einschränkungen der Stimmrechtsausübung durch die Satzung zu, sondern ermächtige nur zur näheren Ausformung der gesetzlichen Regelung. Die hier vorgesehene Satzungsänderung lege eine - im Aktiengesetz nicht vorgesehene - Meldepflicht und für den Fall ihrer Verletzung einen - ebenfalls nicht vom Gesetz gedeckten - temporären Stimmrechtsausschluss fest. Damit überschreite sie die Ermächtigung des § 114 AktG und beeinträchtige die Interessen der davon betroffenen Aktionäre erheblich. Der Hinweis der Gesellschaft auf § 20 dAktG lasse keine andere Beurteilung zu, enthalte doch das österreichische Aktiengesetz keine gleichartige Bestimmung. § 91 Abs 1 BörseG sehe wohl eine der vorliegenden Satzungsbestimmung ähnliche Meldepflicht vor, sei jedoch auf die Einschreiterin, deren Aktien in Brüssel (und nicht in Wien) gehandelt würden, nicht anzuwenden. Die Bestimmung des § 14 Abs 5 der Satzung sei somit unwirksam, das Erstgericht habe zu Recht ihre Eintragung abgelehnt.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der Gesellschaft ist zulässig, aber nicht berechtigt.

a) Der Revisionsrekurs macht geltend, § 114 Abs 7 AktG ermächtige die Satzung nicht nur zur näheren Ausformung der gesetzlich geregelten Einschränkungen der Stimmrechtsausübung, sondern gestatte es der Gesellschaft ganz allgemein, weitere im Aktiengesetz nicht ausdrücklich angeführte zusätzliche Bedingungen für die Stimmrechtsausübung festzulegen. Eine derartige weitere Bedingung habe die Hauptversammlung der Einschreiterin beschlossen. Dem kann nicht beigetreten werden.

Das Rekursgericht hat zutreffend und in Übereinstimmung mit der Lehre (Jabornegg in Schiemer/Jabornegg/Strasser AktG3 Rz 1, 4 ff zu § 17; Kastner/Doralt/Nowotny, Gesellschaftsrecht5 176; Zöllner in Kölner Kommentar zum AktG, Rz 5 zu § 134; Gadow/Heinichen, dAktG 19372, Anm 41 zu § 114) auf den zwingenden Charakter der das Stimmrecht regelnden Bestimmungen des Aktiengesetzes hingewiesen. Von diesen Bestimmungen kann die Satzung nur in dem vom Gesetz zugelassenen Umfang abweichen (Schiemer in Schiemer/Jabornegg/Strasser aaO Rz 7 zu § 114). Der in § 12 Abs 1 erster Satz AktG festgelegte und in § 114 Abs 1 erster Satz leg cit wiederholte Grundsatz, dass jede Aktie das Stimmrecht gewährt, lässt keine davon abweichende Satzungsbestimmung zu (Jabornegg aaO Rz 1 zu § 12), gilt jedoch nicht ohne (gesetzliche) Einschränkungen (Schiemer aaO Rz 5 zu § 114, Jabornegg aaO Rz 1 zu § 12). So kann die Satzung mit vorzugsweisen Berechtigungen verbundene stimmrechtslose Verzugsaktien vorsehen (§ 12 Abs 1 zweiter Satz iVm § 115 ff AktG), das Stimmrecht der Vorzugsaktionäre lebt jedoch unter den Voraussetzungen der §§ 116 Abs 2 (rückständige Zahlungen des Vorzugs) und 117 Abs 4 leg cit (Aufhebung des Vorzugs) wieder auf. Kein Stimmrecht besteht ferner während des Ruhens der Mitgliedschaftsrechte (§ 51 Abs 1 und § 65 Abs 5 AktG iVm § 114 Abs 6 leg cit; siehe Schiemer aaO Rz 1 und 23 zu § 114), sowie für Beschlussfassungen in Fällen des § 114 Abs 5 AktG, durch die der betreffende Aktionär entlastet oder von einer Verpflichtung befreit werden soll oder darüber, ob die Gesellschaft gegen ihn einen Anspruch geltend machen soll (Schiemer aaO Rz 20 f zu § 114). Weitere Stimmrechtsausschlüsse aus Gründen der Befangenheit enthalten auch § 30 Abs 9 und § 118 Abs 1 AktG.

Abweichend vom Grundsatz, dass das Stimmrecht mit vollständiger Leistung der Einlage beginnt (§ 114 Abs 2 AktG; Schiemer aaO Rz 9 zu § 114), kann die Satzung den Beginnzeitpunkt zwar vorverlegen, das Gesetz räumt ihr jedoch keine Möglichkeit ein, den Beginnzeitpunkt trotz Leistung der Einlage auf einen späteren Zeitpunkt zu verschieben oder das Stimmrecht sogar auszusetzen. Nach § 114 Abs 1 dritter Satz AktG kann der Satzung die Stimmenanzahl auf ein nicht überschreitbares Höchstausmaß begrenzen, geduldet ist jedoch keine Einschränkung des Stimmrechts von Aktionären mit bloß einer Aktie (Schiemer Rz 7 zu § 114). Art und Umfang dieser im Aktiengesetz vorgesehenen Einschränkungen des Grundsatzes, dass jede Aktie ein Stimmrecht gewährt, verdeutlichen den zwingenden Charakter der das Stimmrecht regelnden Bestimmungen, der davon abweichende Regelungen der Satzung ausschließt (vgl Jabornegg aaO Rz 1 zu § 12).

Entgegen der Auffassung der Einschreiterin lässt auch § 114 Abs 7 AktG keine weiteren, durch die Satzung normierten Stimmrechtseinschränkungen zu, ermöglicht vielmehr nur die Erlassung besonderer Modalitäten der Stimmrechtsausübung. Schon die Formulierung "im Übrigen richten sich die Bedingungen und Form der Ausübung des Stimmrechts nach der Satzung" macht deutlich, dass es dabei um die (formale) Ausübung des Stimmrechts, nicht aber um die Festlegung sachlicher Voraussetzungen geht, unter denen das Stimmrecht (allenfalls auch im Widerspruch zu den übrigen Absätzen des § 114 AktG) gewährt oder versagt wird. Auch nach dem Verständnis der Lehre gehören zu den von § 114 Abs 7 AktG erfassten Bedingungen der Ausübung Bestimmungen über die Hinterlegung, die Anmeldung oder die Einreichung eines Nummernverzeichnisses, über die Anschaffung einer Eintrittskarte oder über die Hinterlegung der Aktien während eines bestimmten Zeitraumes vor der Hauptversammlung (Gadow/Heinichen aaO Anm 41; Schlegelberger/Quassowski, dAktG 19373 Rz 27 zu § 114). Diese "Bedingungen" der Stimmrechtsausübung werden in § 107 Abs 2 und 3 AktG dahin spezifiziert, dass die Satzung die Ausübung des Stimmrechts von der Aktienhinterlegung und der Anmeldung zur Hauptversammlung abhängig machen kann (Schiemer aaO Rz 24 zu § 114).

§ 114 Abs 7 AktG ermöglicht es der Satzung aber nicht, im Aktiengesetz nicht vorgesehene Erweiterungen oder Einschränkungen der Stimmrechtsausübung zu normieren, insbesondere ist es der Satzung verwehrt, Bestimmungen über Bedingungen und Form der Stimmrechtsausübung zu treffen, die in Widerspruch zu § 114 AktG stehen oder auf eine Umgehung dieser (zwingenden) Vorschrift hinauslaufen (Schlegelberger/ Quassowski aaO Rz 27 zu § 114; Gadow/Heinichen aaO Anm 41 zu § 114). In diesem Sinn hat die Lehre schon zu § 114 Abs 7 dAktG 1937, dem die entsprechende Bestimmung des österreichischen Aktiengesetzes nachgebildet wurde, eine Satzungsbestimmung, die die Frist zur Hinterlegung der Aktien unangemessen lang festsetzte, deshalb als nichtig beurteilt, weil damit Aktionären, die ihre Aktien nach Beginn der Frist erworben hatten, das Stimmrecht entzogen werde (Schlegelberger/Quassowski dAktG 19373 Rz 27 zu § 114).

Die hier zu beurteilende Satzungsbestimmung enthält eine dem Aktiengesetz fremde Meldepflicht und - für den Fall ihrer Verletzung - einen im Gesetz gleichfalls nicht vorgesehenen Stimmrechtsausschluss. Sie entzieht damit Aktionären das Stimmrecht in im Gesetz nicht vorgesehenen Fällen und verletzt den in den §§ 12 und 114 AktG verankerten zwingenden Grundsatz, wonach jede Aktie - vorbehaltlich der im Gesetz vorgesehenen Einschränkungen - das Stimmrecht gewährt (vgl Jabornegg aaO Rz 1 zu § 12). Satzungsbestimmungen, die von zwingenden Vorschriften des Aktiengesetzes abweichen, sind wirkungslos (Jabornegg aaO Rz 5 zu § 17).

Dass der in der Satzung vorgesehene Stimmrechtsausschluss zeitlich beschränkt bis nach dem Tag der nächsten Hauptversammlung wirkt, kann an der Unzulässigkeit dieser Bestimmung nichts ändern. Schon bisher wurde eine Satzungsbestimmung auch dann als unzulässig angesehen, wenn sie die Ausübung des Stimmrechts an die Hinterlegung der Aktien längere Zeit vor der Hauptversammlung knüpft (Schlegelberger/Quassowski Rz 27 zu § 114), weil damit Aktionären, die ihre Aktien nach Beginn der Frist erworben hatten, das Stimmrecht für die anberaumte Hauptversammlung - somit gleichfalls temporär - entzogen wurde.

b) Die Revisionsrekurswerberin macht nun geltend, sie sei nach belgischem Recht, insbesondere nach den Bestimmungen des für alle an der EASDAQ in Brüssel notierende Gesellschaften verbindlichen "EASDAQ Rule Book" verpflichtet, das Stimmrecht für Aktionäre im Fall der Verletzung der Meldepflichten über qualifizierte Beteiligungen durch Satzungsergänzung auszuschließen. Sie habe nach Regel 5560 dafür zu sorgen, dass Aktionäre bei Erwerb oder Verkauf von mehr als 5 % des Grundkapitals diesen Umstand mitteilen. Regel 5561 bestimme, dass die notierte Gesellschaft mangels bestehender gesetzlicher Bestimmungen die Satzung derart abzuändern habe, dass ein Aktionär, der diese Meldepflichten verletze, für einen bestimmten Zeitraum von der Ausübung des Stimmrechts ausgeschlossen sei. Diese Regelungen basierten auf Artikel 4 der Richtlinie des Rates vom 12. Dezember 1988 über die bei Erwerb und Veräußerung einer bedeutenden Beteiligung an einer börsennotierten Gesellschaft zu veröffentlichenden Informationen, deren Ziel es sei, Anleger im Wertpapierbereich zu unterrichten und deren Schutz zu verbessern, das Vertrauen der Anleger in die Wertpapiermärkte zu stärken und zu ihrem reibungslosen Funktionieren beizutragen. Die Richtlinie verpflichte die Mitgliedstaaten, angemessene Sanktionen für den Fall der Verletzung dieser Meldepflichten vorzusehen. Die beabsichtigte Satzungsänderung entspreche dieser auch für Österreich verbindlichen Richtlinie, die der österreichische Gesetzgeber in § 91 BörseG für österreichische Gesellschaften die - wie die Einschreiterin - an der Börse eines anderen Mitgliedstaates notieren, jedoch nicht umgesetzt habe. Die Verletzung der Meldepflicht verwirkliche in Österreich nur eine Verwaltungsübertretung. Soweit daher die Satzungsänderung nicht schon aufgrund der belgischen Bestimmungen in Verbindung mit der in Österreich unterlassenen Regelung zulässig sein sollte, seien die österreichischen Bestimmungen (insbesondere § 114 Abs 7 AktG) jedenfalls im Einklang mit der Richtlinie so auszulegen, dass ein temporäres Ruhen der Stimmrechte für den Fall der Verletzung der darin vorgesehenen Meldepflichten als angemessene Sanktion dem Grundsatz des § 12 AktG nicht widerspreche.

Dem ist Folgendes zu erwidern: Fragen der inneren Organisation einer Kapitalgesellschaft, insbesondere Fragen der Satzung, der Mitgliederstellung und der Mitgliedschaftsrechte richten sich nach ihrem Personalstatut (Schwimann IPR2, 50 f). Personalstatut einer juristischen Person ist das Recht jenes Staates, in dem der Rechtsträger den tatsächlichen Sitz seiner Hauptverwaltung hat. Für die Zulässigkeit des in der Satzung der Einschreiterin vorgesehenen Stimmrechtsausschlusses ist somit österreichisches Recht und nicht das Recht jenes Staates maßgeblich, an dessen Börse die Aktiengesellschaft notiert. Allerdings können Richtlinienrecht und gemeinschaftsrechtskonforme Auslegung das anzuwendende Sachrecht überlagern oder korrigieren (Schwimann aaO 16, 52).

Art 4 der Richtlinie 88/627/EWG des Rates vom 12. 12. 1988 über die bei Erwerb und Veräußerung einer bedeutenden Beteiligung an einer börsennotierten Gesellschaft zu veröffentlichenden Informationen (im Folgenden nur Transparenz-Richtlinie) sieht Meldepflichten natürlicher und juristischer Personen für den Fall des Erwerbes oder der Veräußerung von Beteiligungen vor, wenn der von diesen Personen gehaltene Anteil an den Stimmrechten bestimmte - in der Richtlinie näher angeführte - Schwellenwerte übersteigt. Die Gesellschaft, an die die Meldung zu erstatten ist, hat ihrerseits in einer festgesetzten Frist das Publikum in den Mitgliedsstaaten, in denen ihre Wertpapiere zur amtlichen Notierung an einer Wertpapierbörse zugelassen sind, hierüber zu unterrichten. Sinn dieser Regelung ist es, den Unternehmen, der Börse, den Gesellschaftern und den interessierten Anlegern notwendige Informationen zu vermitteln, um auf diese Weise das Vertrauen in die Wertpapiermärkte zu stärken und durch Koordinierung der Vorschriften den Anlegerschutz gleichwertig zu gestalten (vgl Kalss, Die Offenlegung von Beteiligungen in ÖBA 1993, 615).

Art 15 der Transparenz-Richtlinie verpflichtet die Mitgliedsstaaten, angemessene Sanktionen für den Fall vorzusehen, dass nach der Richtlinie meldepflichtige Personen und Gesellschaften ihren Verpflichtungen nicht nachkommen. Das deutsche Aktiengesetz regelt die Mitteilungspflichten über Beteiligungen von Unternehmern in seinem § 20. Dessen Abs 7 sieht für den Fall der Verletzung dieser Verpflichtungen vor, dass Rechte aus Aktien, die einem nach der Richtlinie mitteilungspflichtigen Unternehmen gehören, für die Zeit, für die das Unternehmen die Mitteilungspflicht nicht erfüllt, nicht "bestehen". Darunter versteht die herrschende Meinung einen Rechtsverlust für den Zeitraum der Säumigkeit (Windbichler in Großkommentar dAktG4 Rz 64 zu § 20 mwN; Hüffer, dAktG2 Rz 8 zu § 20;

Münchner Kommentar zum Aktiengesetz, Rz 42 und 44 zu § 20;

Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, dAktG Rz 74 zu § 20; Kölner Kommentar zum Aktiengesetz2, Rz 37 zu § 20).

Das österreichische Aktiengesetz enthält keine derartigen, die Mitteilungspflichten von Anteilseigentümern regelnden Bestimmungen. Der österreichische Gesetzgeber sah erstmals im BörseG 1989 eine Meldepflicht für Aktionäre, die eine bedeutende Beteiligung an der Gesellschaft halten, vor, allerdings nur für Beteiligungen an einer Aktiengesellschaft mit Sitz in Österreich, deren Aktien an einer österreichischen Börse amtlich notieren. § 91 Abs 1 BörseG idF ÜbG BGBl 1999/189 verpflichtet natürliche oder juristische Personen, die mittelbar oder unmittelbar eine Beteiligung an einer Aktiengesellschaft mit Sitz in Österreich erwerben, deren Aktien an der österreichischen Börse notieren, zur Bekanntgabe ihres Anteiles an den Stimmrechten an die Bundeswertpapieraufsicht (BWA) und das Börseunternehmen sowie die Gesellschaft, wenn ihr Stimmrechtsanteil als Folge des Erwerbes oder der Veräußerung im Gesetz näher genannte Anteile übersteigt oder unterschreitet. Ziel dieser Regelung war es, in weitgehender Übereinstimmung mit den EG-rechtlichen Normen (und in Umsetzung der Transparenz-Richtlinie) eine erhöhte Transparenz betreffend Beteiligungen von Aktiengesellschaften zu gewährleisten. Möglichen Anlegern soll Klarheit über die Anteilsstruktur an börsenotierenden Unternehmen verschafft werden (RV, 1049 BlgNR 17. GP, 30; Kalss aaO; Hausmanninger/Herbst, Übernahmegesetz, Anm a) zu Art II, Änderungen des Börsegesetzes).

Für den Fall der Verletzung einer Melde- oder Veröffentlichungspflicht nach §§ 91 bis 94 BörseG sieht § 48 Abs 1 Z 5 iVm Abs 4 BörseG ein Verwaltungsstrafverfahren vor, auf das das Verwaltungsstrafgesetz anzuwenden ist. Die nicht oder nicht rechtzeitige Erfüllung der in § 91 Abs 1 leg cit normierten Informationspflicht wird als Verwaltungsübertretung mit Geldstrafen bis zu 300.000 S geahndet. Ein Verlust der Stimmrechte im Fall der Verletzung der Informationspflicht ist im österreichischen Recht jedoch nicht vorgesehen. Der Gesetzgeber erachtet ausdrücklich die Strafbestimmung dem Gebot der Transparenz-Richtlinie entsprechend und damit als ausreichend. Auch bei der Novellierung des BörseG durch das ÜbG wurde eine Verschärfung der Sanktionen erkennbar insoweit als entbehrlich erachtet, obwohl das ÜbG selbst unter den zivilrechtlichen Sanktionen ein Ruhen von Stimmrechten für näher genannte andere Verhaltensweisen vorsieht (§ 34 ÜbG).

Der Revisionsrekurswerberin ist wohl darin zuzustimmen, dass der österreichische Gesetzgeber die Transparenz-Richtlinie insofern nicht vollständig umgesetzt hat, als § 91 Abs 1 BörseG Mitteilungspflichten nur für jene österreichischen Aktiengesellschaften vorsieht, die an der österreichischen Börse amtlich notieren. Das österreichische Recht enthält jedoch keine Bestimmung über Mitteilungspflichten österreichischer Aktiengesellschaften, die - wie die Einschreiterin - an der Börse eines anderen Mitgliedsstaates der Gemeinschaft notieren (vgl Altendorfer/Kalss/Oppitz in Grundfragen des neuen Börserechts 154 f). Das dadurch ausgelöste Erfordernis richtlinienkonformer Interpretation österreichischen Rechts führte zwar zur Zulässigkeit von Satzungsbestimmungen, die der Richtlinie entsprechende Mitteilungspflichten regeln, nicht jedoch zur angestrebten Möglichkeit eines Stimmrechtsausschlusses im Fall ihrer Verletzung. Art 15 der der Auslegung zugrundezulegenden Transparenz-Richtlinie verpflichtet den Mitgliedstaat nämlich nur zur Schaffung "angemessener Sanktionen" für den Fall der Nichteinhaltung der Meldepflichten. Wie diese Sanktionen beschaffen sein müssen, lässt die Richtlinie hingegen offen. Sie gibt auch nicht zu erkennen, dass bestimmten Sanktionen (wie zB dem in § 20 dAktG gewählten - allerdings nur für Unternehmen als Aktionäre geltenden - temporären Stimmrechtsausschluss) der Vorzug zu geben sei.

Der erkennende Senat verkennt nun nicht, dass die in § 48 Abs 1 Z 5 BörseG vorgesehene Verwaltungsstrafe bis zu 300.000 S im Einzelfall gegenüber der im deutschen Aktiengesetz und in den Regeln der EASDAQ vorgesehene Sanktion eines temporären Stimmrechtsausschlusses als gelinderes Mittel der Durchsetzung der Meldepflicht angesehen werden könnte (vgl Kalss aaO, die Zweifel an der Durchsetzung der Verwaltungsstrafe äußert und die Strafandrohung für zu niedrig hält). Dass der vom österreichischen Gesetzgeber gewählte Straftatbestand aber keine "angemessene Sanktion" im Sinn des Art 15 der Transparenz-Richtlinie darstellen könnte, ist nicht zu erkennen.

Selbst wenn man aber dem Straftatbestand eine Angemessenheit im Sinn der Richtlinie absprechen wollte, führte dies entgegen der Auffassung der Revisionsrekurswerberin nicht zur Zulässigkeit des von der Einschreiterin angestrebten Stimmrechtsausschlusses. Das nationale Gericht hat zwar bei Anwendung seines (nationalen) Rechtes dieses im Lichte des Wortlautes und des Zweckes der Richtlinie auszulegen, richtlinienkonforme Interpretation kann jedoch keine Sanktionsnormen erfinden, die die Richtlinie selbst nicht enthält. Sie kommt auch nur insoweit in Betracht, als das nationale Recht dem Rechtsanwender einen Spielraum einräumt und wird durch die nationalen Auslegungsregeln begrenzt (EuGH vom 10. 4. 1984, Slg 1891). Daraus folgt aber, dass einer nach Wortlaut und Sinn eindeutigen nationalen Regelung im Wege der richtlinienkonformen Interpretation kein entgegengesetzter Sinn verliehen werden darf. Richtlinienkonforme Interpretation darf den normativen Gehalt der nationalen Regelung nicht grundlegend neu bestimmen und kann im nationalen Recht keine neuen Institute (wie hier den angestrebten und in der Transparenz-Richtlinie gar nicht vorgesehenen Stimmrechtsausschluss) schaffen (vgl Jarass, Richtlinienkonforme bzw EG-rechtskonforme Auslegung nationalen Rechts in EuR 1991, 211 ff [218]; VwGH vom 23. 10. 1995, 95/10/0108, VwSlg 14349 [A]).

Der von der Einschreiterin für den Fall der Verletzung von Meldepflichten über Erwerb und Veräußerung bestimmter Beteiligungen angestrebte (temporäre) Stimmrechtsausschluss scheitert somit an der österreichischen Rechtslage. Danach widerspricht der in § 14 Abs 5 der Satzung vorgesehene Stimmrechtsausschluss zwingenden Regelungen des Aktiengesetzes. Die Vorinstanzen haben die Eintragung dieser Satzungsergänzung somit zu Recht verweigert.

Dem Revisionsrekurs muss der Erfolg versagt werden.

Rechtssätze
10