JudikaturJustiz6Ob161/99s

6Ob161/99s – OGH Entscheidung

Entscheidung
29. September 1999

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schiemer, Dr. Huber, Dr. Prückner und Dr. Schenk als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach dem am 24. Juni 1996 verstorbenen DDr. Hubert F*****, über den ordentlichen Revisionsrekurs der erbserklärten Testamentserbin Dkfm. Christa F*****, vertreten durch Dr. Axel Fuith, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck als Rekursgericht vom 11. Mai 1999, GZ 51 R 56/99f, 51 R 70/99i-111, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Innsbruck vom 8. März 1999, GZ 5 A 146/96w-103, in seinen Punkten 1. und 2. abgeändert wurde, den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird dahin abgeändert, daß die Entscheidung des Erstgerichtes in den Punkten 1. und 2. wiederhergestellt wird.

Text

Begründung:

Der am 24. 6. 1996 verstorbene Rechtsanwalt DDr. Hubert F***** setzte seine Ehegattin zur Alleinerbin ein und vermachte den beiden Kindern Legate. Die Witwe gab eine unbedingte Erbserklärung ab. Ihr wurde die Besorgung und Verwaltung des Nachlasses übertragen. Aufgrund des übereinstimmenden Antrages der Witwe und der beiden Kinder, die Legatare und Noterben sind, wurde (bisher) die Abhandlung auf schriftlichem Weg durchgeführt. Der Alleinerbin wurde auf ihren Antrag bereits mehrfach die Frist zur Vorlage des eidesstättigen Vermögensbekenntnisses und zur Stellung der Schlußanträge verlängert. Sie steht auf dem Standpunkt, daß für das Vermögensbekenntnis die Mitwirkung des Sohnes, der als mittlerweiliger Stellvertreter seines verstorbenen Vaters tätig gewesen war, nötig sei. Der Sohn müsse überprüfbares "Zahlenmaterial" insbesondere über offene Honorarforderungen des Erblassers vorlegen. Der Sohn stellte im Abhandlungsverfahren unter Hinweis auf sein erst nach der Einantwortung fällig werdendes Legat einen Fristsetzungsantrag, der rechtskräftig zurückgewiesen wurde. Schließlich beantragte der Sohn am 28. 1. 1999, von der schriftlichen Abhandlungspflege abzusehen und gemäß § 3 Abs 2 GKoärG den Gerichtskommissär mit der Abhandlungspflege zu betrauen. Die Alleinerbin verschleppe das Verfahren. Er habe die für die Verfassung des Vermögensbekenntnisses erforderlichen Aufklärungen gegeben. Am 1. 2. 1999 ersuchte die Alleinerbin neuerlich um Fristverlängerung, wieder unter Hinweis auf fehlende Informationen durch den Sohn.

Das Erstgericht wies den Antrag des Noterben auf Übertragung der Führung der Abhandlung an den Gerichtskommissär zurück und gewährte der Erbin zur Erstattung des eidesstättigen Vermögensbekenntnisses und zur Stellung der Schlußanträge eine "letztmalige Fristerstreckung bis zum 31. 5. 1999" unter Hinweis darauf, daß bei Nichteinhaltung der Frist die Abhandlung dem Gerichtskommissär übertragen werde (P 1. und 2. in ON 103; mit den weiteren Punkten 3. und 4. ergingen Verfügungen, die nicht Gegenstand des Revisionsrekursverfahrens sind).

Das Erstgericht begründete die Zurückweisung des Antrages des Noterben mit dessen mangelnder Antragslegitimation. Aus der Beteiligtenstellung eines Noterben ergebe sich noch nicht das Recht, auf den Fortgang des Verfahrens einwirken zu können. Bei Säumigkeit des Erben könne die Abhandlung dem Notar als Gerichtskommissär übertragen werden. Hier sei aber eine, allerdings "letztmalige" Fristverlängerung zu gewähren. Die Erbin habe seit dem Todestag ausreichend Zeit gehabt, sich die erforderlichen Informationen zu verschaffen.

Das Rekursgericht änderte über Rekurs des Noterben den erstinstanzlichen Beschluß in seinen Punkten 1. und 2. dahin ab, daß die weiteren Amtshandlungen in der Verlassenschaftssache dem nach der Verteilungsordnung zuständigen Notar als Gerichtskommissär übertragen wurden (P a) der Rekursentscheidung). Das Rekursgericht verwies weiters die Alleinerbin mit ihrem gegen die Bestimmung einer "letztmaligen" Frist gerichteten Rekurs auf die angeführte Entscheidung über den Rekurs des Noterben (P b) der Rekursentscheidung; die übrigen Entscheidungen des Rekursgerichtes P

b) und c) sind nicht Gegenstand des Revisionsrekursverfahrens).

Das Rekursgericht führte zur Antrags- und Rekurslegitimation des Noterben und Legatars folgendes aus:

Der Alleinerbin sei im Einvernehmen mit den Noterben die schriftliche Abhandlungspflege bewilligt worden. Dieses Einvernehmen sei weggefallen. Nach einem Teil der oberstgerichtlichen Rechtsprechung setze die schriftliche Abhandlungspflege ein Einvernehmen voraus (3 Ob 524/83 ua); die Entscheidung 2 Ob 513/88 verneine aber eine Antragslegitimation des Noterben sowie seine Rechtsmittelbefugnis gegen die Anordnung der schriftlichen Abhandlungspflege. Aus der Entscheidung 3 Ob 560/92 sei eine Antragslegitimation des Noterben abzuleiten, wenn er sich am Abhandlungsverfahren aktiv beteilige, was im vorliegenden Fall geschehen sei. Wegen der fehlenden Zustimmung des Noterben sei die Abhandlung im schriftlichen Weg nicht möglich und daher dem Gerichtskommissär zu übertragen.

Das Rekursgericht sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes jeweils 260.000 S übersteige. Der ordentliche Revisionsrekurs sei gegen die Entscheidung P a), gegen die Entscheidung P b) hinsichtlich der Verweisung wegen der nicht einheitlichen Rsp des Obersten Gerichtshofes zulässig.

Mit ihrem ordentlichen Revisionsrekurs, der sich nur gegen P a) der Rekursentscheidung richtet, beantragt die Testamentserbin die Abänderung dahin, daß ihr "weiterhin die schriftliche Abhandlungspflege bewilligt wird", hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht erkannten Grund zulässig und auch berechtigt.

Die sogenannte schriftliche Abhandlungspflege, deren Zulässigkeit aus § 117 AußStrG und § 3 Abs 1 GKoärG abgeleitet wird (MGA Verfahren außer Streitsachen2 Anm 2 zu § 117; 5 Ob 548/91 ua) setzt einen Antrag aller Parteien des Abhandlungsverfahrens voraus. Bei Uneinigkeit von Miterben kommt sie nicht in Frage. Die Abhandlung kann nur entweder durch die Erbengemeinschaft oder durch den Gerichtskommissär geführt werden. In der oberstgerichtlichen Rechtsprechung strittig ist die Frage, ob auch die Zustimmung des Noterben erforderlich ist, was nur bejaht werden kann, wenn er als Partei im Abhandlungsverfahren oder zumindest als Beteiligter aufzufassen wäre, dessen Rechtsstellung durch die Verfügung der schriftlichen Abhandlungspflege berührt wird. In mehreren älteren Entscheidungen (die teilweise aber nur eine eingeschränkte Prüfung der Rechtsfrage nach § 16 AußStrG alt vornahmen) wurde die Zustimmung des Noterben für erforderlich gehalten. Die Entscheidung 3 Ob 524/83 begründete dies im wesentlichen mit der Notwendigkeit, den Noterben im Verlassenschaftsverfahren wegen seiner Rechte nach § 804 ABGB (auf Errichtung eines Inventars), nach § 784 ABGB (auf Teilnahme an der Nachlaßschätzung) und § 812 ABGB (auf Nachlaßseparation) zu beteiligen. Die Entscheidung NZ 1986, 132 teilte diese Auffassung und verwies dazu auf die Notwendigkeit der Antragstellung aller Parteien und die Beteiligtenstellung des Noterben. Demgegenüber lehnten die Entscheidungen 1 Ob 585/84 = EFSlg 47.000 f und die vom Rekursgericht zitierte Entscheidung 2 Ob 513/88 = NZ 1989, 14 ein Antragsrecht und eine Rechtsmittellegitimation des Noterben gegen die Gestattung der Durchführung des Verlassenschaftsverfahrens im schriftlichen Weg ab. Dadurch werde der Noterbe weder in seinen materiellen Rechten noch in seiner verfahrensrechtlichen Stellung berührt. Die vom Rekursgericht zitierte Entscheidung 3 Ob 560/92 = EFSlg 70.485 stützt seine Ansicht über eine Antragslegitimation des Noterben nicht und folgt nicht nur im Ergebnis der Entscheidung 2 Ob 513/88. Sie wiederholt den in ständiger Rechtsprechung vertretenen Grundsatz, daß ein Noterbe wegen der schon angeführten Rechte (beispielsweise auf Inventarserrichtung) im Verlassenschaftsverfahren Beteiligtenstellung und insoweit Antrags- und Rechtsmittellegitimation habe. Die aktive Beteiligung des volljährigen Noterben am Verfahren müsse aber von ihm selbst ausgehen. Wenn er keine Anträge (gemeint: nach den §§ 784, 804 oder 812 ABGB) gestellt habe, sei ein Widerspruch gegen die schriftliche Abhandlungspflege unbeachtlich. Die jüngere oberstgerichtliche Judikatur verneint also eine Antragslegitimation des Noterben in der Frage, in welcher Form die Abhandlung geführt wird. Es wird also auch das Erfordernis einer Zustimmung des Noterben zur schriftlichen Abhandlungspflege verneint, was mit der ständigen Judikatur im Einklang steht, daß ein Noterbe im Abhandlungsverfahren nur insoweit Beteiligter ist, als er durch eine Entscheidung des Abhandlungsgerichtes eine Verkürzung in seinen materiellen Rechten oder eine Beeinträchtigung seiner verfahrensrechtlichen Stellung erleidet (4 Ob 208/97k mwN). Die Antragslegitimation des Noterben ist auf die Rechte aus den §§ 784, 804 und 812 ABGB beschränkt (4 Ob 1612/94). In diese Rechte greift jedoch eine die schriftliche Abhandlungspflege oder deren Fortsetzung bewilligende Verfügung des Abhandlungsgerichtes nicht ein. Das Rekursgericht deutet die Entscheidung 3 Ob 560/92 zu weitgehend und erblickt offenkundig in dem mehrfach bekundeten Interesse des Noterben an einer Beschleunigung und Beendigung des Abhandlungsverfahrens auch ein rechtliches Interesse daran, in welcher Form die Verlassenschaftsabhandlung geführt wird. Dies ist jedoch aus den schon dargelegten Gründen einer nur beschränkten Beteiligtenstellung des Noterben zu verneinen. Sein Interesse an einer zügigen Abhandlungspflege liegt hier nur darin, daß er sein Legat erhält. Dieses Interesse ist ein rein wirtschaftliches. Durch die schriftliche Abhandlungspflege wird der Noterbe weder in seinen materiellen Rechten noch in seiner verfahrensrechtlichen Stellung tangiert. Der Revisionsrekurs der Erbin ist daher berechtigt.

Rechtssätze
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