JudikaturJustiz5Ob61/84

5Ob61/84 – OGH Entscheidung

Entscheidung
16. Oktober 1984

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshof Dr. Marold als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Griehsler, Dr. Jensik, Dr. Zehetner und Dr. Klinger als Richter in der Mietrechtssache des Antragstellers Paul D*****, und der Mitmieterin Elisabeth D*****, ebendort, als weitere Partei, beide vertreten durch Alfred K*****, Funktionär der Mietervereinigung Österreichs, Wien 1., Reichratsstraße 15, dieser vertreten durch Dr. Franz Speierl, Rechtsanwalt in Wien, wider den Antragsgegner Wilhelm S*****, vertreten durch Erich Chalupa, Hausverwalter, Wien 1., Schottenbastei 6, dieser vertreten durch Dr. Dieter Roessler, Rechtsanwalt in Wien, wegen §§ 37 Abs 1 Z 8, 44 MRG, infolge Revisionsrekurses des Antragstellers gegen den Sachbeschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 24. Mai 1984, GZ 41 R 200/84 14, womit der Sachbeschluss des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 27. November 1983, GZ 48 Msch 25/83 10, abgeändert wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

Spruch

1. Der Antrag des Antragsgegners, der Oberste Gerichtshof wolle beim Verfassungsgerichtshof die Aufhebung der Bestimmungen des § 44 Abs 2 und 3 MRG wegen Verfassungswidrigkeit beantragen, wird zurückgewiesen.

2. Es wird dem Revisionsrekurs des Antragstellers Folge gegeben, der angefochtene Beschluss aufgehoben und dem Rekursgericht die neue Entscheidung über den Rekurs des Antragsgegners aufgetragen.

Text

Begründung:

Mit Mietvertrag vom 6. 6. 1975 mieteten der Antragsteller und Elisabeth D***** vom Rechtsvorgänger des Antragsgegners die aus Zimmer, Kabinett, Küche, Vorzimmer und WC bestehende Wohnung top Nr 14 im Hause *****. Das Mietverhältnis sollte am 1. 7. 1975 beginnen, der Hauptmietzins 1.400 S monatlich wertgesichert betragen.

Am 7. 7. 1982 langte bei der Schlichtungsstelle der Antrag des Antragstellers auf Feststellung ein, dass der Antragsgegner durch Einhebung eines Hauptmietzinses von 1,849,46 S anstatt von 1.455,30 S das gesetzliche Zinsausmaß ab 1. 6. 1982 um monatlich 394,16 S zuzüglich 8 % USt überschritten habe. Der Antragsteller brachte vor, er habe vom Antragsgegner mit Schreiben vom 10. 5. 1982 die Herabsetzung des Hauptmietzinses ab 1. 7. 1982 begehrt; die Wohnung weise eine Nutzfläche von 88,20 m² auf und sei bei Vertragsabschluss in die Kategorie C einzustufen gewesen.

Der Antragsgegner beantragte unter Geltendmachung des Tatbestands nach § 16 Abs 1 Z 3 MRG die Abweisung des Antrags.

Die Schlichtungsstelle, die ihrer Entscheidung vom 19. 4. 1983 eine Nutzfläche der in die Kategorie C einzustufenden Wohnung von 83,30 m² zugrundelegte, stellte fest, dass die Vereinbarung über die Höhe des Hauptmietzinses ab 1. 7. 1982 insoweit rechtsunwirksam sei, als der Hauptmietzins 1.374,45 S monatlich übersteige, sprach aus, dass der Antragsgegner bei Vorschreibung des monatlichen Hauptmietzinses mit 1.849,46 S das gesetzlich zulässige Zinsausmaß ab 1. 7. 1982 um monatlich 475,01 S überschritten habe, und trug dem Antragsgegner gemäß § 37 Abs 4 MRG die Zurückzahlung eines Betrags von 4.750,10 S auf.

Der Antragsgegner rief rechtzeitig das Erstgericht an (§ 40 Abs 1 MRG). Er machte geltend, dass der Antragsteller lediglich Mithauptmieter der Wohnung sei und überdies der Ausnahmetatbestand des § 16 Abs 1 Z 3 MRG vorliege. Vorsichtshalber werde ausgeführt, dass die Bestimmungen des § 44 Abs 2 und 3 MRG verfassungswidrig seien. In der Tagsatzung zur mündlichen Verhandlung vom 24. 10. 1983 wendete der Antragsgegner unter Hinweis darauf, dass der Antragsteller Mithauptmieter sei, ausdrücklich die mangelnde Aktivlegitimation des Antragstellers ein.

Der gemäß § 38 ZPO gegen Nachbringung der Vollmacht binnen drei Wochen einstweilen als bevollmächtigt zugelassene Antragstellervertreter replizierte, dass die Antragstellung mit Einverständnis der Elisabeth D***** erfolgt sei, worauf er vom Erstgericht den Auftrag erhielt, gleichfalls binnen drei Wochen das Einverständnis der Elisabeth D***** mit der gegenständlichen Antragstellung und dem gegenständlichen Verfahren nachzuweisen. Die Verhandlung wurde noch am 24. 10. 1983 in analoger Anwendung des § 193 Abs 3 ZPO geschlossen.

Am 16. 11. 1983 wurden beim Erstgericht eine auf den Antragstellervertreter Alfred K***** lautende und sowohl vom Antragsteller als auch von Elisabeth D***** unterfertigte Spezialvollmacht vom 24. 10. 1983 sowie ein an die Mietervereinigung Österreichs gerichtetes Schreiben der Elisabeth D***** vom 9. 11. 1983 vorgelegt, in welchem diese mitteilte, dass sie hiemit ihren Sohn, den Antragsteller, bevollmächtige, sie in allen mit dem gegenständlichen Verfahren im Zusammenhang stehenden Angelegenheiten zu vertreten.

Das Erstgericht erließ folgenden Sachbeschluss:

„Festgestellt wird, dass die Mietzinsvereinbarung vom 6. 6. 1975 zwischen dem Antragsteller und seiner Gattin (richtig: Mutter) einerseits und dem Rechtsvorgänger des Antragsgegners andererseits hinsichtlich der Wohnung top Nr 14 im Hause ***** seit 1. 7. 1982 insoweit rechtsunwirksam ist, als der Hauptmietzins (netto) 1.374,45 S übersteigt.

Durch Vorschreibung eines Mietzinses seit Juli 1982 in Höhe von 1.849,46 S (zuzüglich 8 % USt) hat der Antragsgegner gegenüber dem Antragsteller das zulässige Zinsausmaß monatlich um 475,01 S (zuzüglich 8 % USt = 38 S, insgesamt somit 513,01 S) überschritten.

Den Antragsgegner wird aufgetragen, dem Antragsteller den Betrag von 8.208,17 S (8 % USt bereits enthalten) samt 4 % Zinsen zu bezahlen.

Hingegen wird das Mehrbegehren, in gleicher Weise auch eine Mietzinsüberschreitung für Juni 1982 festzustellen, abgewiesen.“

Das Rekursgericht gab dem gegen den stattgebenden Teil des erstgerichtlichen Sachbeschlusses erhobenen Rekurs des Antragsgegners Folge und wies den Antrag des Antragstellers mit Sachbeschluss ab. Es führte aus:

Gemäß § 44 Abs 3 MRG könne der Hauptmieter vom Vermieter die Ermäßigung des vereinbarten Hauptmietzinses begehren, wenn der vereinbarte Hauptmietzins das 1 ½ fache des Betrags übersteige, der sich für die Wohnung nach ihrer Größe und Ausstattungskategorie als Hautmietzins errechne. Hinsichtlich des diesen Betrag übersteigenden Teils des Hauptmietzinses sei die getroffene Vereinbarung ab dem auf den Zugang des Begehrens folgenden Zinstermin rechtsunwirksam. Das Ermäßigungsbegehren des Hauptmieters sei ein materiell rechtliches Gestaltungsrecht. Die Ermäßigung erfolge daher nicht automatisch, sondern setze ein entsprechendes Begehren des Mieters voraus. Dieses Gestaltungsrecht umfasse auch das Recht des Mieters, auf die Geltendmachung seines Ermäßigungsanspruchs ganz oder teilweise, ausdrücklich oder stillschweigend zu verzichten. Mehrere Mitmieter bildeten jedoch nach der herrschenden Rechtsprechung eine Rechtsgemeinschaft bürgerlichen Rechts nach § 825 ABGB. Sie könnten über ihr gemeinsames Mietrecht grundsätzlich nur gemeinsam verfügen. Dazu gehöre auch die Ausübung des Gestaltungsrechts durch das an den Hauseigentümer (Hausverwalter) gerichtete Herabsetzungsbegehren. Das nur vom Antragsteller allein verfasste Herabsetzungsbegehren habe daher nicht die eingangs beschriebene Gestaltungswirkung gehabt. Möge auch die Zustimmung der Elisabeth D***** zur Antragstellung vor Gericht (Schlichtungsstelle) für das lediglich vom Antragsteller eingeleitete Verfahren ausreichen, so komme diesem Vorgang zunächst doch nur prozessuale Bedeutung zu. Komme die „Zustimmungserklärung“ des Mitmieters zum Herabsetzungsbegehren des anderen Mitmieters dem Hauseigentümer zu, so entfalte das ursprünglich nur von einem Mitmieter gestellte Herabsetzungsbegehren seine Wirkung erst ab dem auf den Zugang der „Zustimmungserklärung“ folgenden Zinstermin, denn einem Gestaltungsrecht komme als empfangsbedürftiger Willenserklärung frühestens mit dem Zugang an den Empfänger rechtsgestaltende Wirkung zu. Werde die rechtsgestaltende Erklärung mit einer Prozesshandlung verbunden, so könne ihre Wirkung deswegen keine andere sein. Da hier eine solche Zustimmungseklärung frühestens in der letzten Verhandlung vor Gericht angenommen werden könne, habe sie für das Verfahren keine entscheidungsbeeinflussende Bedeutung mehr. Da die Voraussetzung für den vom Antragsteller gestellten Antrag schon aus diesem Grund fehle, brauche auf die weiteren Rekursausführungen nicht näher eingegangen zu werden.

Gegen den abändernden Sachbeschluss des Rekursgerichts richtet sich der Revisionsrekurs des Antragstellers mit dem Antrag auf Wiederherstellung des erstgerichtlichen Sachbeschlusses.

Der Antragsgegner beantragt, der Oberste Gerichtshof wolle beim Verfassungsgerichtshof gemäß Art 89 B VG den Antrag auf Aufhebung der Bestimmungen des § 44 Abs 2 und 3 MRG stellen, jedenfalls aber dem Revisionsrekurs nicht Folge geben.

Der Antrag des Antragsgegners auf Befassung des Verfassungsgerichtshofs ist schon deshalb zurückzuweisen, weil den Parteien diesbezüglich ein Antragsrecht nicht zukommt. Der Oberste Gerichtshof sieht sich aber durch die in der Revisionsrekursbeantwortung des Antragsgegners enthaltenen Ausführungen auch nicht veranlasst, von seinem bereits in der Entscheidung vom 3. 7. 1984, 5 Ob 86/83, ImmZ 1984, 330, zum Ausdruck gebrachten Standpunkt abzugehen, dass Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der Bestimmungen des § 44 Abs 2 und 3 MRG nicht bestehen.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs des Antragstellers ist gemäß § 37 Abs 3 Z 18 MRG zulässig; er ist auch berechtigt.

Es trifft zwar zu, dass Mitmieter in Ansehung der Mietrechte in einer Rechtsgemeinschaft nach § 825 ABGB stehen ( Gamerith in Rummel , ABGB, Rdz 9 zu § 825 mwN; 5 Ob 28/83 ua), dass das Ermäßigungsbegehren des Hauptmieters nach § 44 Abs 3 MRG als Ausübung eines materiell rechtlichen Gestaltungsrechts anzusehen ist ( Würth Zingher , MRG², 199, Anm 5 zu § 44) und dass die Willenserklärung, durch die ein Gestaltungsrecht ausgeübt wird, grundsätzlich mit dem Zugang (hier: gemäß § 44 Abs 3 MRG ab dem auf den Zugang folgenden Zinstermin) wirksam wird ( Gschnitzer in Klang² IV/1, 70). Es ist auch richtig, dass die einem Schuldverhältnis entspringenden Gestaltungsrechte im Falle der Mehrgliedrigkeit der Parteien in diesem Schuldverhältnis in der Regel unteilbar sind, dh nur für und gegen alle oder für und gegen keinen der Mitgenossen wirken können ( Gamerith aaO Rdz 3 zu § 889; Gschnitzer aaO 281; Klang in JBl 1949, 380 und in Klang² V 107), und dass die Frage, wer auf Seiten der mehrgliedrigen Partei über das Schuldverhältnis, vorzüglich durch Ausübung von Gestaltungsrechten, verfügen kann, wenn mehrere Berechtigte in Rechtsgemeinschaft stehen, gleichfalls nach §§ 825 ff ABGB zu beurteilen ist ( Gschnitzer aaO 282; Klang in JBl 1949, 380; vgl auch Reischauer in Rummel , ABGB Rdz 7 zu § 918): Kein Teilhaber kann das gemeinsame Schuldverhältnis verändern, wenn dadurch über den Anteil der anderen verfügt würde; wohl aber können alle zusammen über das gemeinsame Schuldverhältnis verfügen (§ 828 ABGB). Bei Akten der ordentlichen Verwaltung entscheidet grundsätzlich die Stimmenmehrheit (§ 833 ABGB), bei Stimmengleichheit in diesen Fällen und bei wichtigen Veränderungen überhaupt letzten Endes der Außerstreitrichter (§§ 834 f ABGB).

Der Auffassung des Rekursgerichts jedoch, dass das ursprünglich nur von einem Mitmieter gestellte Herabsetzungsbegehren nach § 44 MRG seine rechtsgestaltende Wirkung in jedem Fall erst ab dem auf den Zugang der Zustimmungserklärung der anderen Mitmieter folgenden Zinstermin entfalte, vermag sich der Oberste Gerichtshof nicht anzuschließen. Nach Lehre und Rechtsprechung genügt es etwa für die Aufrechterhaltung der (rechtsgestaltenden) Aufkündigung eines Bestandverhältnisses, wenn der zur Aufkündigung dieses Bestandverhältnisses allein nicht legitimierte Hausmiteigentümer erst im Zuge des Kündigungsprozesses die selbst nach der Aufkündigung erteilte Vollmacht oder Zustimmungserklärung so vieler anderer Miteigentümer nachweist, dass die zur Herstellung der Aktivlegitimation je nach Lage des Falls erforderliche Mehrheit oder Einhelligkeit dargetan ist ( Klang in Klang ² V 108 und in JBl 1949, 382; Fasching IV 640; SZ 9/207, SZ 23/108 ua). Gschnitzer lehrt (in Klang ² IV/I, 283 unter Hinweis auf seine Untersuchung in Jherings Jahrbüchern Band 78 S 49 ff [52 f, 58 ff]), allgemein, dass der Gegner, wenn er zweifelt, ob die Rechtsgestaltungserklärung lediglich eines Mitgenossen Wirkung für alle habe, die Erklärung allerdings nur dann, wenn dies unverzüglich geschieht mit der Rechtsfolge zurückweisen könne, dass sie erst von dem Zeitpunkt an wirksam werde, in dem der Erklärende dem Gegner den Nachweis seiner Berechtigung erbringe, mit Wirkung für alle zu erklären.

Im gegenständlichen Fall bestand weder nach objektiver Beurteilung noch (offenbar zunächst) aus der subjektiven Sicht des Antragsgegners ein Anlass dafür, die Berechtigung des Antragstellers, das Herabsetzungsbegehren auch mit Wirkung für seine Mutter als Mitmieterin zu stellen, in Zweifel zu ziehen. Dass der Antragsteller in seinem Schreiben vom 10. 5. 1982 von einer geringfügig größeren als der tatsächlichen Nutzfläche ausging und die Herabsetzung nicht schon ab dem 1. 6. 1982, sondern erst ab dem 1. 7. 1982 begehrte, fällt nicht entscheidend ins Gewicht, ist doch die Stellung des Herabsetzungsbegehrens dessen ungeachtet ganz offenkundig auch im Interesse der Mitmieterin geschehen. Die in der Einwendung des Mangels der Aktivlegitimation des Antragstellers gelegene Zurückweisung des Herabsetzungsbegehrens vom 10. 5. 1982 ist nicht sogleich nach dessen Zugang, sondern erst bei Anrufung des Erstgerichts gegen die Entscheidung der Schlichtungsstelle im Juni 1983, also ein Jahr später, erfolgt. Dies bedeutet nach den vorstehenden Ausführungen, dass hier entgegen der Ansicht des Rekursgerichts davon ausgegangen werden kann, dass das vom Antragssteller gestellte Herabsetzungsbegehren seine Wirkung bereits ab dem auf den Zugang folgenden Zinstermin entfaltete. Dem Umstand, dass sich die Wirksamkeit der im gegenständlichen Verfahren zu treffenden Entscheidung auch auf Elisabeth D***** als Mitmieterin erstreckt, erscheint hinreichend dadurch Rechnung getragen, dass sie den Antragsteller (zumindest nachträglich) mit ihrer Vertretung betraute. Es war daher auch nicht erforderlich, ihr etwa in (analoger) Anwendung des § 37 Abs 3 Z 2 MRG Gelegenheit zur Teilnahme am Verfahren zu geben.

Da sich somit der vom Rekursgericht herangezogene Grund für die Antragsabweisung als nicht tragfähig und die Behandlung der übrigen Rekursausführungen des Antragsgegners als erforderlich erweist, war der angefochtene Beschluss aufzuheben und dem Rekursgericht die neue Entscheidung über den Rekurs den Antragsgegners aufzutragen.

Rechtssätze
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