JudikaturJustiz5Ob46/17a

5Ob46/17a – OGH Entscheidung

Entscheidung
23. Mai 2017

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der Grundbuchssache des Antragstellers Dr. Andreas S*****, vertreten durch Malainer Rechtsanwalts GmbH in Wien, wegen Anmerkung einer Anschriftsänderung, über den Revisionsrekurs des Antragstellers gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 24. Jänner 2017, AZ 46 R 394/16f, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 20. September 2016, TZ 8939/2016 bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Der Antragsteller ist zu BLNr 18, 19 und 20 Mit- und Wohnungseigentümer ob der Liegenschaft EZ 2220 *****. Er beantragte die Berichtigung der im Grundbuch aufscheinenden Anschrift auf H*****, ohne Urkunden vorzulegen.

Aufgrund des Verbesserungsauftrags des Erstgerichts, einen urkundlichen Nachweis der Adressenänderung durch Vorlage eines Zentralregisterauszugs zu erbringen, gab der Antragsteller bekannt, unter der Adresse H***** seit Jahren seine Wirtschaftstreuhänderkanzlei und seinen Vermietungsbetrieb zu betreiben und legte einen Ausdruck aus dem Mitgliederverzeichnis der Homepage der Kammer der Wirtschaftstreuhänder vor.

Das Erstgericht wies den Antrag ab, weil für das Begehren keine beweiswirkende Urkunde vorgelegt worden sei.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Antragstellers nicht Folge. Zwar ergebe sich aus § 12 Abs 4 GUG nicht zwingend, dass die Anschrift des Eigentümers seine Wohnanschrift sein müsse, dies sei allerdings aus § 84 GBG abzuleiten, wonach in jedem Grundbuchsgesuch auch der Wohnort des Antragstellers anzugeben sei. Die Anschrift H***** sei im Übrigen offenbar nicht vollständig. Da Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage fehle, ob nach § 12 Abs 4 GUG auch die Ersichtlichmachung der Anschrift des Unternehmens des Eigentümers statt der Wohnanschrift zulässig sei, sei der ordentliche Revisionsrekurs zuzulassen.

Rechtliche Beurteilung

Der ordentliche Revisionsrekurs des Antragstellers ist aus dem vom Rekursgericht genannten Grund zulässig, er ist aber im Ergebnis nicht berechtigt.

1. Der Antragsteller macht im Wesentlichen geltend, das Wort „Wohnort“ in § 84 GBG sei im Sinn von „Zustelladresse“ auszulegen. § 12 Abs 4 GUG als zeitlich spätere Norm verlange lediglich die Ersichtlichmachung der Anschrift, wobei sich aus den Gesetzesmaterialien ergebe, dass der Gesetzgeber bewusst nicht den Begriff Wohnanschrift gewählt habe. Ein Zwang zur Angabe der Wohnanschrift sei datenschutzrechtswidrig. Die bekannt gegebene neue Anschrift sei vollständig, zumal sich das dort etablierte Unternehmen des Antragstellers über insgesamt drei Stockwerke des Hauses erstrecke.

Dazu wurde erwogen:

2.1. Bei der Eintragung des Eigentümers und des Bauberechtigten ist gemäß § 12 Abs 4 GUG auch deren Anschrift ersichtlich zu machen. Das GUG ist in seiner Stammfassung mit 1. 1. 1981 in Kraft getreten (§ 30 Abs 1 GUG). Die Materialien (ErläutRV 334 Blg 15. GP 16) führen zu § 12 Abs 4 GUG aus: „Eine Erweiterung der Eintragungsbestandteile gegenüber dem geltenden Grundbuchsrecht sieht hingegen Abs 4 vor. Die Anschrift des Grundstückseigentümers wird vor allem in verschiedenen Verwaltungsverfahren benötigt; so haben die Vermessungsämter die Anschrift des Grundstückseigentümers schon bisher im Grundstücksverzeichnis des Katasters ersichtlich gemacht. Auch für die Grundbuchsgerichte wird im Fall nachträglicher amtswegiger Eintragungen die Zustellung an den Eigentümer erleichtert. Mit dem Abs 4 soll selbstverständlich keine Pflicht des Grundbuchsgerichts begründet werden, die Anschriften laufend zu überwachen. Ergibt sich jedoch bei späteren grundbücherlichen Amtshandlungen, dass sich die Anschrift geändert hat, ist dieser Umstand von Amts wegen ersichtlich zu machen. Auch steht es dem Eigentümer frei, die Ersichtlichmachung der Änderung seiner Anschrift – etwa unter Vorlage eines Meldezettels – zu beantragen.“

2.2. Weder aus dem Gesetzeswortlaut noch aus dem dokumentierten Willen des Gesetzgebers ergibt sich eine Auslegung dahingehend, dass der Begriff „Anschrift“ in § 12 Abs 4 GUG mit dem Begriff „Wohnort“ gleichzusetzen wäre. Sinn und Zweck der mit dem GUG erstmals eingeführten Ersichtlichmachung der Anschrift im Grundbuch sollte vielmehr die Erleichterung von Zustellungen an den Eigentümer sein. Daraus ist zu schließen, dass die Ersichtlichmachung einer Anschrift, die gleichzeitig eine Abgabestelle iSd § 2 Z 4 ZustG darstellt (wie dies etwa bei der Betriebsstätte, dem Geschäftsraum oder der Kanzlei des Empfängers der Fall ist) nach § 12 Abs 4 GUG zulässig sein soll. Dafür spricht nicht nur die bloß beispielhafte Erwähnung des Meldezettels im Zusammenhang mit einer beantragten Anschriftenänderung in den Materialien durch den Gesetzgeber, sondern auch der Umstand, dass der Gesetzeszweck, amtswegige Zustellungen an den Eigentümer zu erleichtern, durch eine derartige Auslegung jedenfalls gewährleistet erscheint. Gerade im vorliegenden Fall liegt es auf der Hand, dass Zustellungen an den Antragsteller als Eigentümer an seiner Geschäftsanschrift – wo er über eine entsprechende Kanzleiorganisation verfügt – schneller und verlässlicher stattfinden können als unter seiner Wohnadresse.

2.3. Gemäß § 84 GBG ist in jedem Grundbuchsgesuch das Grundbuchsgericht, bei dem es zu überreichen ist, sowie der Vor und Zuname, das Geburtsdatum und der Wohnort des Antragstellers und der Personen anzugeben, die von der Erledigung zu verständigen sind. Diese Bestimmung regelt den notwendigen Inhalt des Grundbuchsantrags und ist für die Beurteilung des Begriffs der im Grundbuch ersichtlich zu machenden Anschrift gar nicht unmittelbar einschlägig. Die Literatur legt den Begriff des „Wohnorts“ iSd § 84 GBG überdies nicht so restriktiv aus wie das Rekursgericht:

Feil/Friedl in Feil/Friedl/Bayer , GBG, § 84 Rz 4 sprechen von einer Verpflichtung des Antragstellers, die Zustelladressen anzugeben, setzen daher den Begriff des Wohnorts mit der Zustelladresse offenbar gleich.

Rassi spricht (Grundbuchsrecht² Rz 419) im Zusammenhang mit der Bezeichnung der zu verständigenden Personen und des Antragstellers von der notwendigen Anführung ihrer „ Adresse “, ohne sich näher festzulegen.

Kodek in Kodek , Grundbuchsrecht² § 84 GBG Rz 7, 9 verwendet den Begriff der „ Anschrift “, der exakt dem § 12 Abs 4 GUG entspricht.

Hoyer (Glosse zu 5 Ob 206/05p = NZ 2006/654 [GBSlg]) meint, die Ersichtlichmachung der Anschrift sei eine Anmerkung iSd § 20 lit a GBG und gebe rechtlich Interessierten an, an welchem Ort dem Grundbuchsgericht Wohnsitz, Aufenthalt, Sitz oder Niederlassung bekannt geworden seien.

In der höchstgerichtlichen Entscheidung 5 Ob 36/88 = NZ 1989/139 (GBSlg) wurde der Begriff des Wohnorts – wenngleich ohne dazu explizit Stellung zu nehmen – mit dem der Zustelladresse gleichgesetzt.

Eine abschließende Klärung, ob der Begriff des „Wohnorts“ in § 84 GBG im Sinn von „Zustelladresse“ anzusehen ist, ist hier aber aus folgenden Gründen nicht erforderlich:

2.4. Für die Auslegung des § 12 Abs 4 GUG bietet § 84 GBG im Gegensatz zur Meinung des Rekursgerichts keinesfalls ausreichende Grundlage. Die Notwendigkeit, (ua) den Wohnort des Antragstellers im Grundbuchsgesuch anzuführen, war bereits in der Stammfassung des § 84 GBG 1955 enthalten, eine Verpflichtung zur Ersichtlichmachung einer „Anschrift“ sah das Gesetz damals nicht vor. Wenn der Gesetzgeber des GUG im Jahr 1980 entgegen dem ihm zweifellos bekannten Wortlaut des § 84 GBG eine Ersichtlichmachung nicht des Wohnorts, sondern der Anschrift anordnete, ist dies schon nach dem in § 9 ABGB der Sache nach enthaltenen Auslegungsgrundsatz „lex posterior derogat legi prirori“, der positivrechtliche Geltung besitzt (RIS Justiz RS0082334), dahin zu interpretieren, dass es dem Antragsteller ungeachtet des unverändert gebliebenen Wortlauts des § 84 GBG offen stehen muss, im Antrag jedenfalls auch eine als „Anschrift“ iSd § 12 Abs 4 GUG ersichtlich zu machende Adresse anzuführen. Ob es im Antrag zusätzlich in jedem Fall auch der Angabe des Wohnorts als Individualisierungsmerkmal bedarf (vgl Konecny/Schneider in Fasching/Konecny ³ II/2 § 75 ZPO Rz 9 zur vergleichbaren Bestimmung des § 75 Z 1 ZPO) bedarf hier keiner näheren Erörterung, weil der Antragsteller ohnedies aufgrund des Verbesserungsauftrags des Erstgerichts in seinem Verbesserungsschriftsatz seine Wohnanschrift angegeben und klargestellt hat, dass er nunmehr seine Geschäftsanschrift im Grundbuch ersichtlich gemacht haben will.

2.5. Als Zwischenergebnis ist daher festzuhalten, dass § 12 Abs 4 GUG ungeachtet des unverändert gebliebenen Wortlauts des § 84 GBG die Möglichkeit bietet, auch eine Anschrift des Eigentümers im Grundbuch ersichtlich zu machen, die nicht seine Wohnanschrift ist, wenn unter dieser Anschrift eine einwandfreie Zustellung an den Eigentümer möglich ist.

3.1. Damit ist die Frage zu klären, ob der Antragsteller das Vorliegen einer Anschrift im dargestellten Sinn ausreichend nachgewiesen hat. Dies ist mit dem Erstgericht zu verneinen.

3.2. Die Ersichtlichmachung einer Anschriftenänderung ist unter den Begriff der Anmerkung nach § 20 lit a GBG zu subsumieren (vgl RIS Justiz RS0016618 zur Namensänderung). Zwar ist der Umstand einer Anschriftenänderung von Amts wegen ersichtlich zu machen, wenn sich dies bei späteren Amtshandlungen ergibt. Unabhängig davon steht es dem Eigentümer frei, die Ersichtlichmachung seiner Anschrift (oder eben deren Änderung) zu beantragen (RIS-Justiz RS0118142). Derartige Anmerkungen haben aber gemäß §§ 27, 52 GBG aufgrund beweiswirkender Urkunden zu erfolgen. Da Anmerkungen iSd § 20 lit a GBG als bloße Ersichtlichmachung keine rechtserzeugende Wirkung, sondern nur feststellenden Charakter haben ( Rassi Grundbuchsrecht² Rz 16), sind die Anforderungen für die Bewilligung herabgesetzt, es bedarf keiner Vorlage von Originalurkunden, die Beglaubigungserfordernisse für Privaturkunden nach § 31 GBG müssen ebensowenig erfüllt sein wie die formellen und materiellen Voraussetzungen einverleibungsfähiger öffentlicher Urkunden nach § 33 GBG ( Rassi Grundbuchsrecht² Rz 169 mwN; 5 Ob 209/04b = wobl 2005/86 [ Call ] = NZ 2005/625 [GBSlg] [ Hoyer ]). Was beweiswirkende Urkunde ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab (RIS Justiz RS0110535). Soweit keine anderen gesetzlichen Formvorschriften oder Gültigkeitsvoraussetzungen zu beachten sind, liegt es im Ermessen des Grundbuchsgerichts, ob es die ihm als Eintragungsgrundlage präsentierte Urkunde als ausreichend erachtet (5 Ob 258/99y). Bei der Änderung des Firmennamens eines Buchberechtigten wurde die Vorlage einer als Benachrichtigung der Parteien dienenden Ausfertigung der Eintragungsverfügung des Registergerichts als beweiswirkende Urkunde anerkannt (RIS Justiz RS0060610 [T2], für die Ersichtlichmachung von Namen und Anschrift des Verwalters die Vorlage eines den Bestellungsbeschluss beurkundenden Schriftstücks (RIS Justiz RS0110532). Demgegenüber ist eine Urkunde, auf der nur die Partei selbst (bzw der ihr gleichzuhaltende anwaltliche Vertreter) bestätigt, dass es sich bei der vorgelegten Urkunde um einen Auszug aus dem Firmenbuch handelt, nach ständiger höchstgerichtlicher Rechtsprechung nicht beweiswirkend iSd § 52 GBG (RIS-Justiz RS0059171).

3.3. Hier legte der Antragsteller einen Ausdruck des Suchergebnisses im (elektronischen) Mitgliederverzeichnis der Homepage der Kammer der Wirtschaftstreuhänder (www.kwt.or.at) vor, der als Geschäftsadresse des Antragstellers H***** ausweist. Einen Aussteller enthält die Urkunde nicht. Wenn das Erstgericht im Rahmen des ihm zustehenden Ermessens diese „Urkunde“ als nicht (ausreichend) beweiswirkend beurteilte, ist dies nicht zu beanstanden. Gemäß § 61 Abs 4 WTBG sind Berufsberechtigte von Amts wegen zwar in die Liste der Wirtschaftstreuhänder einzutragen, sodass der Antragsteller seine Geschäftsanschrift durch die Vorlage einer von der Kammer der Wirtschaftstreuhänder ausgestellten Bestätigung ohne Zweifel dartun könnte. Ein bloßer „Ausdruck“ der Mitgliedersuche reicht dafür aber nicht aus.

4. Dem Revisionsrekurs war somit letztlich der Erfolg zu versagen.

Rechtssätze
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