JudikaturJustiz5Ob17/88

5Ob17/88 – OGH Entscheidung

Entscheidung
15. März 1988

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Marold als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Jensik, Dr. Zehetner, Dr. Klinger und Dr. Schwarz als Richter in der Grundbuchssache betreffend die Verbücherung des Anmeldungsbogens des Vermessungsamtes Linz vom 30. Jänner 1985, A 630/84, gemäß §§ 15 ff LiegTeilG infolge Revisionsrekurses des Ferdinand U*** jun., Gutsverwaltung Leutzmannsdorf, Blindenmarkt, vertreten durch Dr. Wolfgang Taussig, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Linz als Rekursgerichtes vom 11. Dezember 1987, GZ 19 R 39/87 (TZ 35/88)-8, womit der Rekurs des Genannten gegen den Beschluß des Bezirksgerichtes Linz-Land vom 7. Mai 1986, GZ TZ 2598-2600/86 (5 Nc 529/85)-2, zurückgewiesen wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Es wird dem Revisionsrekurs Folge gegeben, der angefochtene Beschluß aufgehoben und dem Rekursgericht eine neue Entscheidung über den Rekurs unter Abstandnahme von dem gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen.

Text

Begründung:

Mit Beschluß des Erstgerichtes vom 7. Mai 1986 wurden aufgrund des Anmeldungsbogens des Vermessungsamtes Linz vom 30. Jänner 1985, A 630/84, samt Gegenüberstellung, der Bestätigung gemäß § 16 LiegTeilG, des Lageplanes vom 15. Oktober 1984, GZ 291/82, und der Wertermittlung vom 7. Mai 1986 gemäß §§ 15 ff LiegTeilG unter anderem von der EZ 88 KG Leonding (als Eigentümerin einverleibt Luzia V***, geboren 3. Dezember 1956) Teilflächen aus dem Grundstück 805/1 im Ausmaß von 594 m2 abgeschrieben und der EZ 240 KG Leonding (öffentliches Gut) zugeschrieben. Zugleich mit der Einverleibung des Eigentumsrechtes der Luzia V*** war aufgrund der Einantwortungsurkunde vom 25. März 1980 unter TZ 4953/1980 auch das Nacherbschaftsrecht gemäß Testament vom 7.Mai 1978 für Helene S*** und Ferdinand U***, geboren 21. Mai 1941, angemerkt worden.

Der Beschluß des Erstgerichtes wurde zunächst den Nacherben nicht zugestellt. Erst im März 1987 ersuchte Ferdinand U*** jun. mit der Begründung, daß durch die Verbücherung seine Interessen als Buchberechtigter berührt würden, um Zustellung des Grundbuchsbeschlusses. Das Erstgericht veranlaßte hierauf die Zustellung seines Beschlusses an Helene S*** und Ferdinand U*** jun., die am 22. April 1987 vorgenommen wurde. Letzterer erhob gegen den Verbücherungsbeschluß am 4. Mai 1987 Rekurs. Er beantragte, den Beschluß, soweit er die EZ 88 KG Leonding betrifft, aufzuheben und die Grundbuchsordnung wiederherzustellen. Er brachte vor, daß er sich als Nacherbe beschwert fühle. Das vereinfachte Verfahren nach §§ 15 ff LiegTeilG sei neben anderem nur dann anzuwenden, wenn der Wert der von jedem Grundbuchskörper abzutrennenden Grundflächen den Betrag von 30.000 S wahrscheinlich nicht übersteige. Im gegenständlichen Fall betrage der Wert der abgeschriebenen Teilflächen jedoch ein Vielfaches dieser Wertgrenze. Das Rekursgericht wies den Rekurs aus nachstehenden Erwägungen zurück:

Die Anfechtung des Verbücherungsbeschlusses erfolge nach §§ 9 f AußStrG (Feil, Liegenschaftsrecht II 1689). Es sei also auch die Legitimation zum Rekurs - ebenso wie in Grundbuchssachen in Ermangelung einer besonderen Regelung im Grundbuchsgesetz - nach den Bestimmungen des Verfahrens außer Streitsachen zu beurteilen. Somit sei derjenige zum Rekurs berechtigt, dem ein Rechtsschutzinteresse zuzubilligen sei, der sich durch die Verfügungen des Grundbuchsgerichtes beschwert erachte, wenn seine Interessensphäre durch eine solche Verfügung berührt werde. Die Legitimation zum Rekurs stehe jedoch nur den Personen zu, die in ihren bücherlichen Rechten verletzt sein könnten (MGA GBG3 Entscheidungen 15 bis 17 zu § 122). So sei z.B. der Substitutionsberechtigte zum Rekurs gegen die Einverleibung des Pfandrechtes berechtigt (MGA GBG3 Entscheidung 61 zu § 122). Die Eintragung der Substitution im Grundbuch beschränke die persönliche Fähigkeit des Eigentümers im Sinne des § 94 Abs 1 Z 2 GBG (Welser in Rummel, ABGB, Rz 16 zu § 613). Die grundbücherliche Anmerkung der Beschränkung des Eigentumsrechtes durch die fideikommissarische Substitution bei der Eintragung des Eigentums des Vorerben habe zur Folge, daß der Grundbuchsrichter die Übertragung des Eigentums an dem Substitutionsgut im Grundbuch nicht durchführen dürfe, wenn ihm nicht die Zustimmung der Substitutionsbehörde oder des Nacherben nachgewiesen sei (SZ 21/22). Nur bei einer im Gesetz nicht ausdrücklich geregelten "Substitution auf den Überrest" könne der Vorerbe über das Substitutionsgut zwar unter Lebenden, nicht aber von Todes wegen frei verfügen (Welser aaO Rz 26 zu § 613). Es sei daher auf die Art der Substitution näher einzugehen:

Der am 4. Dezember 1979 verstorbene Ferdinand U*** sen., dessen Verlassenschaftsverfahren zu A 693/79 des Erstgerichtes geführt wird, ordnete in seinem Testament vom 7. Mai 1978 folgendes an: "Bei meinem Ableben setze ich meine Tochter Luzia als Universalerbin ein. Sollte Luzia ohne Kinder bleiben, fällt der Besitz nach ihrem Ableben an ihre Geschwister oder deren Kinder je zu einer Hälfte zurück". Aufgrund dieser letztwilligen Anordnung wurde der Nachlaß mit Einantwortungsurkunde des Erstgerichts vom 25. März 1980, A 693/79-12, der Tochter des Erblassers, Luzia V***, eingeantwortet. Bei den vererbten Liegenschaften wurde die Beschränkung durch die Nacherbschaftsrechte zugunsten Helene S*** und Ferdinand U*** jun. angemerkt. Luzia V***

verstarb am 9. Oktober 1985. Sie hinterließ ihren Ehemann Ing. Karl Eugen V*** und ein eheliches Kind, Karl Ferdinand

V***, geboren 12. Mai 1983. Der Witwer gab aufgrund des Testamentes vom 15. Mai 1984 zum gesamten Nachlaß die bedingte Erbserklärung ab. Am 23. Jänner 1986 gab auch Ferdinand U*** jun, der Bruder der Vorerbin, nach seinem verstorbenen Vater aufgrund des Testamentes vom 7. Mai 1978 zum halben Substitutionsnachlaß die unbedingte Erbserklärung ab. Auch Helene S*** gab zwischenzeitlich die bedingte Erbserklärung zum halben Substitutionsnachlaß des Ferdinand U*** sen. ab. Mit Beschluß des Erstgerichtes vom 10. November 1987, A 693/79-66, wurden Ferdinand U*** jun. und Helene S*** angewiesen, gegen den aufgrund des Testamentes der Luzia V*** vom 15. Mai 1984 erbserklärten Erben Ing. Karl Eugen V*** binnen 4 Wochen nach Rechtskraft des Beschlusses die Erbrechtsklage zu überreichen. Dieser Beschluß ist noch nicht rechtskräftig.

Um im vorliegenden Fall prüfen zu können, ob Ferdinand U*** jun. überhaupt noch ein Rechtsschutzinteresse im Liegenschaftsteilungsverfahren bezüglich des Substitutionsgutes, der EZ 88 KG Leonding, zustehe, sei von Bedeutung, ob die Substitution schon erloschen sei. Gemäß § 615 Abs 1 ABGB erlösche die gemeine Substitution, sobald der eingesetzte Erbe die Erbschaft angetreten habe; die fideikommissarische, wenn keiner von den berufenen Nacherben mehr übrig sei; oder wenn der Fall, für den sie errichtet wurde, aufhöre. Sei eine Substitution zweifelhaft ausgedrückt, so sei sie auf eine solche Art auszulegen, wodurch die Freiheit des Erben, über das Eigentum zu verfügen, am mindesten eingeschränkt werde (§ 614 ABGB). Die von einem Erblasser seinem Kind zur Zeit, da es noch keine Nachkommenschaft hatte, gemachte Substitution erlösche, wenn derselbe erbfähige Nachkommen hinterlassen habe (§ 617 ABGB). Bereits aus dem Wortlaut der testamentarischen Anordnung des Ferdinand U*** sen., daß dann, wenn seine Tochter Luzia ohne Kinder bleiben sollte, der Besitz nach ihrem Ableben an ihre Geschwister oder deren Kinder je zu einer Hälfte zurückfalle, gehe eindeutig hervor, daß die Bedingung, unter der der Nacherbfall eintreten sollte, nicht eingetreten sei, weil Luzia V*** nicht ohne Kinder verstorben sei, sondern ein eheliches Kind, Karl Ferdinand V***, geboren 12. Mai 1983, hinterlassen habe. Unter Beachtung der Bestimmungen der §§ 614 und 617 ABGB könne im vorliegenden Fall die vom Rekursgericht - mangels einer Unterbrechungsmöglichkeit (MGA AußStrG2 Entscheidungen unter Nr. 16 zu § 2) - selbst zu lösende Vorfrage, ob die Beschränkung des Eigentumsrechtes durch die Substitution noch gegeben sei, nur dahingehend beurteilt werden, daß aufgrund des Umstandes, daß Luzia V*** ohnehin ein Kind hinterlassen hat, die Substitution erloschen sei. Dies bedeute, daß Ferdinand U*** jun. durch die erstgerichtlichen Grundbuchshandlungen in seinen Rechten nicht mehr beeinträchtigt sei. Voraussetzung für eine Rechtsmittelbefugnis sei jedoch ein Rechtsschutzinteresse sowohl zum Zeitpunkt der Erhebung des Rechtsmittels als auch zum Zeitpunkt der Entscheidung darüber (MGA AußStrG2 Entscheidungen 1 und 2 zu § 9; EFSlg. 49.771 ua). Gegen den Beschluß des Rekursgerichtes richtet sich der Revisionsrekurs des Ferdinand U*** jun. mit der wesentlichen Begründung, trotz der Tatsache, daß Luzia V*** am 12. Mai 1983 ein Kind geboren habe, sei sein Nacherbrecht nicht erloschen und daher sein Rechtsschutzinteresse nicht weggefallen, weil die letztwillige Anordnung seines Vaters so gelesen werden müsse, daß die Substitution dann eintrete, wenn Luzia ohne Kinder, welche das Substitutionsgut von ihr erben, bleibe. Das Gegenteil werde erst feststehen, wenn er den Erbsrechtsstreit verlieren sollte. Er beantragt, den rekursgerichtlichen Beschluß dahin abzuändern, daß seinem Rekurs gegen den erstgerichtlichen Beschluß vollinhaltlich stattgegeben werde, in eventu, den rekursgerichtlichen Beschluß aufzuheben und in der Sache selbst zu erkennen bzw. dem Rekursgericht die Entscheidung in der Sache selbst aufzutragen.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist berechtigt.

Im Verfahren nach §§ 15 ff LiegTeilG gelten für das Rechtsmittelverfahren gemäß § 32 leg. cit. die Vorschriften des Verfahrens außer Streitsachen (SZ 39/101 ua). Allgemeine Voraussetzung für die Zulässigkeit eines solchen Rekurses in Grundbuchssachen ist, daß durch den angefochtenen Beschluß grundbücherliche Rechte (JBl 1969, 561 mwN) des Rechtsmittelwerbers beeinträchtigt worden sein könnten (NZ 1977, 118). Dieses Rechtsschutzinteresse muß sowohl im Zeitpunkt der bekämpften bücherlichen Eintragung gegeben sein (SZ 11/152) als auch im Zeitpunkt der Entscheidung über das Rechtsmittel noch fortbestehen (MGA AußStrG2 Entscheidungen 2 zu § 9).

Diese Voraussetzungen sind in Ansehung des von Ferdinand U*** jun. erhobenen Rekurses entgegen der Ansicht des Rekursgerichtes aus folgenden Gründen erfüllt:

Die Eintragung des Substitutionsbandes im Grundbuch als Beschränkung des Eigentums des Vorerben gewährt dem Nacherben nach dem Zweck der Bestimmungen der §§ 613 ABGB, 158 Abs 1 und 174 Abs 2 Z 3 AußStrG die Gleichstellung mit einem dinglich Berechtigten im eigentlichen Sinn (SZ 41/151). Gegen grundbücherliche Eintragungen, die im Widerspruch zur Substitution stehen, hat der Nacherbe die Löschungsklage und das Rekursrecht (Welser in Rummel, Rz 16 zu § 613 mwN).

Im vorliegenden Fall war die Vorerbin zwar bereits zum Zeitpunkt der erstgerichtlichen Entscheidung unter Hinterlassung eines - allerdings nicht zum Erben eingesetzten - Kindes verstorben. Das Erlöschen der Substitution stünde aber nur dann fest, wenn die Substitutionsklausel lediglich in dem Sinn verstanden werden könnte, daß der Erblasser damit nichts anderes als die Regel des § 617 ABGB ausdrücken wollte, wonach die Substitution erlischt, wenn das mit dem Substitutionsband belastete Kind erbfähige Nachkommen hinterläßt, nicht aber auch so, wie sie der Rekurswerber auslegt. Letzteres kann schon deswegen nicht ausgeschlossen werden, weil auch § 617 ABGB eine bloße Zweifelsregel ist, die durch den Beweis eines anderen Erblasserwillens entkräftet werden kann (Welser aaO Rz 1 zu § 617; SZ 31/47). Zur Klärung dieses strittigen Sachverhaltes wurden im Verlassenschaftsverfahren die Parteirollen verteilt. Darauf ist bei Beurteilung des Rechtsschutzinteresses des Rekurswerbers Bedacht zu nehmen. Dieses ist so lange - und daher auch derzeit noch - nicht weggefallen, als nicht der genannte Erbrechtsprozeß zu Ungunsten des Rekurswerbers ausgegangen ist.

Da es dem Obersten Gerichtshof verwehrt ist, im Falle eines seiner Ansicht nach verfehlten Zurückweisungsbeschlusses des Rekursgerichtes sogleich in der Sache selbst zu erkennen, wenn dadurch der Instanzenzug verschoben würde (SZ 43/212; JBl 1975, 549 ua), war daher dem Revisionsrekurs Folge zu geben, der rekursgerichtliche Beschluß aufzuheben und dem Rekursgericht eine neue Entscheidung über den zutreffend als rechtzeitig beurteilten Rekurs unter Abstandnahme von dem gebrauchten Zurückweisungsgrund aufzutragen.