JudikaturJustiz4Ob95/98v

4Ob95/98v – OGH Entscheidung

Entscheidung
21. April 1998

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr.Graf, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr.Griß und Dr.Schenk und den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr.Vogel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Hans-Peter L*****, vertreten durch Dr.Roland Gabl und andere Rechtsanwälte in Linz, wider die beklagte Partei W***** Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Giger, Ruggenthaler Simon Rechtsanwälte KEG in Wien, wegen Unterlassung, Urteilsveröffentlichung und S 50.000,-- sA (Streitwert im Provisorialverfahren S 200.000,--), infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der Beklagten gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Rekursgericht vom 10.Februar 1998, GZ 4 R 17/98t-13, mit dem der Beschluß des Landesgerichtes Linz vom 1. Dezember 1997, GZ 5 Cg 170/97p-8, teilweise abgeändert wurde, den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird teilweise Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird dahin abgeändert, daß die Entscheidung, einschließlich des bestätigten Teiles, insgesamt wie folgt zu lauten hat:

"Einstweilige Verfügung

Zur Sicherung des Anspruches des Klägers gegen die Beklagte auf Unterlassung urheberrechtswidriger Handlungen wird der Beklagten für die Dauer des zu 5 Cg 170/97p des Landesgerichtes Linz anhängigen Rechtsstreites verboten, Lichtbilder mit dem Bildnis des Klägers im Rahmen einer Berichterstattung im Zusammenhang mit dem Mordfall Elfriede Hochgatter oder mit der Person des Tibor Foco zu veröffentlichen und/oder zu verbreiten, sofern nicht mit ausreichender Deutlichkeit klargestellt wird, daß der Kläger im wiederaufgenommenen Strafverfahren rechtskräftig freigesprochen wurde; dieses Verbot gilt insbesondere für das Druckwerk 'P*****'.

Das Mehrbegehren, der Beklagten die Veröffentlichung von Bildnissen des Klägers ganz allgemein zu verbieten, wenn dadurch dessen überwiegende berechtigte Interessen verletzt werden, wird abgewiesen.

Der Kläger ist schuldig, der Beklagten die mit S 6.600,60 bestimmten anteiligen Äußerungskosten (darin S 1.100,10 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen."

Der Kläger hat die Hälfte seiner Kosten des Rechtsmittelverfahrens vorläufig selbst zu tragen; die halben Kosten hat er endgültig selbst zu tragen.

Der Kläger ist schuldig, der Beklagten die mit S 9.074,70 bestimmten anteiligen Kosten des Rechtsmittelverfahrens (darin S 1.512,45 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Tibor Foco und der Kläger wurden mit Urteil des Landesgerichtes Linz vom 31.3.1987 des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB an der Prostituierten Elfriede Hochgatter schuldig erkannt. Tibor Foco wurde zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt; der Kläger zu einer Freiheitsstrafe von 18 Jahren. Mit Beschluß vom 15.6.1992 bewilligte das Oberlandesgericht Linz die Wiederaufnahme des Strafverfahrens gegen den Kläger und hob das gegen diesen ergangene Urteil auf. Im neuerlich durchgeführten Geschworenenverfahren wurde der Kläger freigesprochen.

Die Beklagte ist Medieninhaberin und Herausgeberin der periodischen Druckschrift "P*****". In der Ausgabe dieser Zeitschrift vom 22.9.1997 veröffentlichte die Beklagte einen Artikel zum Mordfall Elfriede Hochgatter. Der Artikel ist (ua) mit einem Bild illustriert, das Regina Ungar, Tibor Foco und den Kläger beim Lokalaugenschein zeigt. Die abgebildeten Personen sind mit "Ungar, Foco und L."

bezeichnet; anschließend daran wird ausgeführt "Beim Lokalaugenschein wurde getrickst - aber manches stimmte".

Der mit "Warum Foco kneift" überschriebene Artikel lautet auszugsweise wie folgt:

"Erst bekommt er lebenslang für einen nie begangenen Frauenmord, nach Jahren aber fällt endlich die wichtigste Belastungszeugin um. Später wird der Komplize freigesprochen...

Ungar gibt zu denken. Aber ist er auch unschuldig? 'Es gibt nicht mehr als einen diffusen Tatverdacht', sagt Anwalt W*****. 'Eigentlich gehört das Verfahren eingestellt.' Die ehemalige Geschworene Elfriede E***** assistiert: 'Den Komplizen L. gibt es nicht mehr, der war nachgewiesen erfunden - genauso wie alles über Tibor Foco.'

Im Justizministerium sieht man das gerade nach dem Freispruch von L. im Jahr 1996 differenzierter: Wie Regina Ungar ihre Anschuldigungen gegen L. nun zurücknahm, ließ keinen unklaren Rest zurück. Den kannte sie kaum, er hatte mit ihr und Foco kaum zu tun, und das hatte auch das Gericht 1987 lange beschäftigt...."

Neben dem Bild ist unter der Überschrift "Bestellter Mörder" eine Chronik des Falles Tibor Foco abgedruckt:

"Chronik. Der Fall Tibor Foco: Zehn Jahre danach kann er neu beginnen.

... Peter L., damals 41, unterweltmännischer Kaufmann, galt als Komplize...

Geschworene: 'Schuldig'. Nach dem wochenlangen Indizienprozeß bekommt Foco 1987 lebenslang, L. 18 Jahre und Ungar einen Freispruch. Das Unbehagen dabei: Focos Frau, Ungar und eine zweite Prostituierte hatten Foco zunächst ein Alibi gegeben und L. nicht einmal erwähnt.

... Der Damm bricht 1992, als Regina Ungar ihre Angaben widerruft

(...) und L. enthaftet wird...

... 1996 wird L. freigesprochen..."

Die Beklagte bot dem Kläger einen gerichtlichen Unterlassungsvergleich mit folgendem Wortlaut an:

"1. Die Beklagte verpflichtet sich, es ab sofort bei sonstiger Exekution zu unterlassen, Lichtbilder mit dem Bildnis des Klägers zu veröffentlichen und/oder zu verbreiten, soferne diese Lichtbilder den Kläger als Verdächtigen oder Angeklagten im Mordfall Hochgatter zeigen und/oder die Lichtbildveröffentlichung im Zusammenhang mit der Berichterstattung über den Mordfall Hochgatter erfolgt und dadurch überwiegende berechtigte Interessen des Klägers verletzt werden.

2. Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens bleibt dem Gericht vorbehalten."

Der Kläger lehnte das Vergleichsangebot ab, weil die Beklagte keinen Kostenersatz und keine Vergleichsveröffentlichung angeboten hatte. Mit Schreiben seiner Vertreter vom 19.11.1997 schlug er der Beklagten vor, nachstehende "Medienmitteilung zum Mordfall Hochgatter" zu veröffentlichen:

"In unserer Ausgabe vom 22.9.1997 haben wir auf Seite 80 einen Artikel zum Mordfall Hochgatter unter der Überschrift 'Warum Foco kneift' veröffentlicht. In diesem Artikel haben wir ein Foto des Hans-Peter L. veröffentlicht und ihn damit in Zusammenhang mit dem Mordfall gebracht, obwohl durch ein rechtskräftiges Urteil des Landesgerichtes Linz vom August 1996 festgestellt ist, daß Herr Hans-Peter L. mit diesem Mordfall nicht das geringste zu tun hat. Herr Hans-Peter L. legt Wert darauf, daß er in keinerlei Zusammenhang mit diesem Mordfall gebracht wird und haben wir uns diesem gegenüber verpflichtet, in Zukunft die Veröffentlichung seines Bildnisses im Zusammenhang mit einer Berichterstattung über den Mordfall Hochgatter zu unterlassen."

Die Beklagte lehnte es im Schreiben ihrer Vertreter vom 20.11.1997 an die Klagevertreter ab, "ihr durchaus ernst gemeintes, von Ihrem Mandanten aber abgelehntes Vergleichsanbot nachzubessern".

Der Kläger begehrt - nach Änderung des Urteilsbegehrens und seines Sicherungsantrages - zur Sicherung seines inhaltsgleichen Unterlassungsanspruches, der Beklagten mit einstweiliger Verfügung zu untersagen, Lichtbilder mit dem Bildnis des Klägers zu veröffentlichen und/oder zu verbreiten, wenn dadurch überwiegende berechtigte Interessen des Klägers verletzt werden, insbesondere wenn der Kläger im Rahmen einer Berichterstattung in Zusammenhang mit dem Mordfall Hochgatter oder mit der Person des Tibor Foco gebracht wird. Die Veröffentlichung seines Bildnisses in der Zeitschrift "P*****" verletze sein berechtigtes Interesse, nicht weiterhin mit dem Mordfall Hochgatter in Zusammenhang gebracht, in der Öffentlichkeit bloßgestellt und am weiteren (beruflichen) Fortkommen gehindert zu werden. Es bestehe Wiederholungsgefahr, weil die Beklagte sein ausdrückliches Verbot, ihn namentlich zu nennen oder sein Bild zu veröffentlichen, mißachtet habe. Er habe ein berechtigtes Interesse, die Öffentlichkeit durch die Veröffentlichung der Unterlassungsverpflichtung darüber aufzuklären, daß er mit dem Mordfall Hochgatter nichts zu tun habe.

Die Beklagte beantragt, den Sicherungsantrag abzuweisen. Das veröffentlichte Bild betreffe eines der spektakulärsten Mordverfahren der jüngeren Vergangenheit; das Informationsinteresse überwiege das Interesse des Klägers am Unterbleiben der Veröffentlichung bei weitem. Das Aussehen des Klägers sei, ebenso wie das gegen ihn geführte Verfahren, allgemein bekannt. Das Sicherungsbegehren sei zu weit gefaßt. Durch das - vom Kläger zu Unrecht abgelehnte - Angebot eines vollstreckbaren Unterlassungsvergleiches sei die Wiederholungsgefahr weggefallen. Der Kläger habe kein berechtigtes Interesse an der begehrten Urteilsveröffentlichung.

Das Erstgericht verbot der Beklagten, Lichtbilder mit dem Bildnis des Klägers zu veröffentlichen und/oder zu verbreiten, insbesondere wenn dadurch berechtigte Interessen des Klägers verletzt werden, insbesondere wenn der Kläger in Zusammenhang mit dem Mordfall Hochgatter oder mit der Person des Tibor Foco gebracht wird. Die Bildnisveröffentlichung verletze die berechtigten Interessen des Klägers. Der Kläger sei bestrebt, im Zusammenhang mit dem Mordfall aus dem Blickfeld der Öffentlichkeit zu kommen. Das vom Kläger abgelehnte Vergleichsangebot habe die Wiederholungsgefahr nicht beseitigt. Die Beklagte hätte dem Kläger auch die Vergleichsveröffentlichung anbieten müssen.

Das Rekursgericht änderte die Entscheidung des Erstgerichtes dahin ab, daß es die einstweilige Verfügung antragsgemäß erließ; es sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 260.000,-- übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Der Kläger sei nicht allgemein bekannt. Die Veröffentlichung des Bildes, das den Kläger mit Regina Ungar und Tibor Foco bei der Rekonstruktion eines Verbrechens zeige, erwecke den Eindruck, daß der Kläger mit dem Mordfall im Zusammenhang stehe. Der weitere Text könne die Beklagte nicht entlasten, weil Zeitschriften oft nur flüchtig durchgeblättert würden. Das Informationsinteresse überwiege das Interesse des Klägers am Unterbleiben der Veröffentlichung nicht. Ein bei einem Jahre zurückliegenden Lokalaugenschein aufgenommenes Bild habe keinen selbständigen Informationswert, wenn die im Verfahren ergangenen Urteile in der Zwischenzeit aufgehoben worden seien. Die für den Wegfall der Wiederholungsgefahr erforderliche Sinnesänderung sei bei der Beklagten nicht zu erkennen, da sie nicht nur ihren Rechtsstandpunkt aufrechterhalten, sondern auch dem berechtigten Begehren auf Urteilsveröffentlichung nicht durch das Angebot einer Vergleichsveröffentlichung Rechnung getragen habe. Das vom Erstgericht erlassene Verbot gehe zu weit.

Der gegen diese Entscheidung gerichtete Revisionsrekurs der Beklagten ist zulässig, weil Rechtsprechung zu einem gleichartigen Sachverhalt fehlt; der Revisionsrekurs ist auch teilweise berechtigt.

Die Beklagte hält an ihrer Auffassung fest, daß die Wiederholungsgefahr weggefallen sei. Da sie einen ausreichenden Vergleich angeboten habe, schade ihr Festhalten an ihrer Rechtsauffassung nicht. Im Rahmen der Kriminalberichterstattung könnten Bildnisse auch dann veröffentlicht werden, wenn sie keinen besonderen eigenständigen Informationswert haben. Das Unterlassungsgebot orientiere sich nicht am konkreten Verstoß; es sei zu weit gefaßt.

Dazu hat der erkennende Senat erwogen:

Rechtliche Beurteilung

Nach § 78 Abs 1 UrhG dürfen Bildnisse von Personen weder öffentlich ausgestellt noch auf andere Art, wodurch sie der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden, verbreitet werden, wenn dadurch berechtigte Interessen des Abgebildeten verletzt werden. Durch § 78 UrhG soll jedermann gegen einen Mißbrauch seiner Abbildung in der Öffentlichkeit geschützt werden, also namentlich dagegen, daß er durch die Verbreitung seines Bildnisses bloßgestellt, daß dadurch sein Privatleben der Öffentlichkeit preisgegeben oder sein Bildnis auf eine Art benützt wird, die zu Mißdeutungen Anlaß geben kann und entwürdigend oder herabsetzend wirkt (EBzUrhG, abgedruckt bei Peter, Urheberrecht 617). Das Gesetz legt den Begriff der "berechtigten Interessen" nicht näher fest, weil es bewußt einen weiten Spielraum offenlassen wollte, um den Verhältnissen des Einzelfalles gerecht zu werten (MR 1993, 61 [Michel M. Walter] = ÖBl 1993, 39 - Austria-Boß; MR 1995, 226 - Bombenterror uva). Bei der Beurteilung, ob berechtigte Interessen verletzt wurden, ist darauf abzustellen, ob Interessen des Abgebildeten bei objektiver Prüfung als schutzwürdig anzusehen sind (MR 1995, 226 - Bombenterror mwN). Dabei ist auch der mit dem veröffentlichten Bild zusammenhängende Text zu berücksichtigen (MR 1989, 54 - Frau des Skandalrichters mwN; MR 1993, 61 [Michel M. Walter] = ÖBl 1993, 39 - Austria-Boss; MR 1995, 143 - Haider-Fan uva). Zuerst ist daher zu prüfen, ob im Einzelfall überhaupt ein schutzwürdiges Interesse des Abgebildeten vorliegt, das verletzt werden konnte. Ist schon das zu verneinen, dann ist der rechtliche Schutz zu versagen; bei Bejahung dieses Interesses sind aber die beiderseitigen Interessen zu beurteilen, aus deren Abwägung sich ergibt, ob die Geheimhaltungsinteressen den Vorrang haben und damit zu "berechtigten" Interessen werden (MR 1989, 54 - Frau des Skandalrichters).

In der Entscheidung MR 1997, 302 = ÖBl 1998, 88 - Ernestine K. hat der erkennende Senat ausgesprochen, daß die Wertungen des Medienrechts dort, wo der gleiche Sachverhalt geregelt wird, bei der Auslegung des § 78 UrhG zu berücksichtigen sind. § 7a MedienG schränkt den Identitätsschutz von Erwachsenen, die eines Verbrechens verdächtig sind oder wegen eines solchen verurteilt wurden, auf den Fall ein, daß die Veröffentlichung ihr Fortkommen (unter Bedachtnahme auf die Umstände der Tat sowie deren Verfolgung und Bestrafung) unverhältnismäßig beeinträchtigen kann. Fehlt diese Voraussetzung, dann ist nach § 7a Abs 1 MedienG - wegen des Zusammenhanges des (angeblichen) Verbrechens mit dem öffentlichen Leben - ein überwiegendes Interesse der Öffentlichkeit an der Veröffentlichung des Bildes (und anderer Angaben zur Identität) gegeben. Besteht aber kein Verdacht und ist der Abgebildete auch nicht (mehr) wegen eines Verbrechens verurteilt, so gewährt das Mediengesetz auch Erwachsenen vollen Identitätsschutz. In diesen Fällen führt demnach auch eine Übernahme der Wertungen des Mediengesetzes nicht dazu, daß bei der Beurteilung einer Bildnisveröffentlichung nach § 78 UrhG ein überwiegendes Informationsinteresse anzunehmen wäre. Das gilt naturgemäß auch (oder vielmehr gerade) bei spektakulären Kriminalfällen.

Die beanstandete Bildnisveröffentlichung zeigt den Kläger bei dem im Strafverfahren wegen des Mordfalles Elfriede Hochgatter durchgeführten Lokalaugenschein. Weder aus der Überschrift des Begleittextes noch aus der Bildunterschrift geht hervor, daß der Kläger mittlerweile freigesprochen wurde. Nur wer den Text aufmerksam liest, erfährt, daß der Kläger Opfer eines Justizirrtums geworden ist. Der flüchtige Betrachter gewinnt den Eindruck, daß zwischen dem Kläger und dem Mordfall Elfriede Hochgatter nach wie vor ein Zusammenhang bestehe. Dieser Anschein verletzt die berechtigten Interessen des Klägers: Nach der Entscheidung im wiederaufgenommenen Strafverfahren steht fest, daß der Kläger zu Unrecht mit dem Mord in Zusammenhang gebracht wurde.

Die Beklagte behauptet, daß das Informationsinteresse das Interesse des Klägers am Unterbleiben der Bildnisveröffentlichung überwiege. Sie beruft sich auf die Entscheidung MR 1997, 302 = ÖBl 1998, 88 - Ernestine K., die aber einen Fall betrifft, in dem die Abgebildete nach § 7a MedienG keinen Identitätsschutz genoß, weil sie eines Verbrechens verdächtig war. Gegen den Kläger besteht jedoch weder ein Mordverdacht noch ist er - seit der Aufhebung des gegen ihn ergangenen Urteiles - wegen eines Verbrechens verurteilt. Das gilt auch schon für den Zeitpunkt der Bildnisveröffentlichung. Das Interesse des Klägers am Unterbleiben der Bildnisveröffentlichung überwiegt demnach auch nach den Wertungen des Medienrechts das Informationsinteresse der Beklagten. Daß der Kläger allgemein bekannt wäre und ihm deshalb kein Identitätsschutz zukäme, kann nicht ernstlich behauptet werden.

Mit der Bildnisveröffentlichung hat die Beklagte demnach gegen § 78 UrhG verstoßen. Die Beklagte beruft sich auf den Wegfall der Wiederholungsgefahr; sie hat dem Kläger einen Unterlassungsvergleich, nicht aber auch die Vergleichsveröffentlichung angeboten. Nach ständiger Rechtsprechung schließt ein Vergleichsangebot die Wiederholungsgefahr nur aus, wenn sich der Beklagte auch bereit erklärt, dem - berechtigten - Veröffentlichungsbegehren des Klägers durch eine Vergleichsveröffentlichung Rechnung zu tragen (stRsp ÖBl 1984, 135 - Superaktionsspanne uva). Zu prüfen ist daher, ob das Veröffentlichungsbegehren des Klägers berechtigt ist.

Nach § 85 Abs 1 UrhG ist der Kläger zur Urteilsveröffentlichung zu ermächtigen, wenn er ein berechtigtes Interesse daran hat. Die Veröffentlichung muß ein geeignetes Mittel zur Beseitigung der mit der Rechtsverletzung (schon bisher oder zukünftig) verbundenen Nachteile sein. An der Veröffentlichung einer Unterlassungsverpflichtung besteht kein berechtigtes Interesse, wenn darin nur die Bildnisveröffentlichung untersagt, nicht aber der für den Kläger nachteilige Eindruck beseitigt wird (ua MR 1988, 125 [Michel M. Walter] - Herresnachrichtendienst; MR 1993, 61 [Michel M. Walter] = ÖBl 1993, 39 - Austria-Boß).

Der Kläger hat Anspruch auf Unterlassung von Bildnisveröffentlichungen, die im Zusammenhang mit Berichten über den Mordfall Elfriede Hochgatter oder mit der Person des Tibor Foco erfolgen, wenn nicht gleichzeitig mit ausreichender Deutlichkeit klargestellt wird, daß der Kläger im wiederaufgenommenen Strafverfahren rechtskräftig freigesprochen wurde. Eine Veröffentlichung dieses Unterlassungsgebotes klärt die Öffentlichkeit darüber auf, warum der Kläger nicht (mehr) mit dem Mordfall Elfriede Hochgatter in Verbindung gebracht werden darf. Die Veröffentlichung ist demnach geeignet, den Nachteilen entgegenzuwirken, die dem Kläger dadurch entstanden sind und noch entstehen können, daß der Eindruck erweckt wird, er sei nach wie vor in einen Mordfall verwickelt. Anders als in jenen Fällen, in denen der Begleittext dem Ansehen des Abgebildeten abträgliche Behauptungen enthält, deren Richtigkeit im Verfahren über den Unterlassungsanspruch nicht zu prüfen ist und über deren Unrichtigkeit die Öffentlichkeit durch Veröffentlichung des Unterlassungsgebotes daher in der Regel auch nicht aufgeklärt wird, steht im vorliegenden Fall der rechtskräftige Freispruch des Klägers fest, durch dessen Bekanntgabe in der Urteilsveröffentlichung den dem Kläger entstandenen oder noch entstehenden Nachteilen entgegengewirkt werden kann.

Der Kläger hat ein zu weites, nur auf die Verletzung seiner berechtigten Interessen abgestelltes Unterlassungsbegehren erhoben, dessen Veröffentlichung im Sinne der oben wiedergegebenen Rechtsprechung nicht geeignet gewesen wäre, die dem Kläger entstandenen und noch entstehenden Nachteile zu beseitigen. Berechtigt ist sein Begehren aber nur insoweit, als bei Bildnisveröffentlichungen im Zusammenhang mit dem Mordfall Elfriede Hochgatter und mit der Person des Tibor Foco nicht mit ausreichender Deutlichkeit auf seinen Freispruch hingewiesen wird. Die Veröffentlichung dieses Unterlassungsgebotes ist auch geeignet, die Öffentlichkeit entsprechend aufzuklären. Das trifft auch für die "Medienmitteilung" zu, von deren Veröffentlichung der Kläger die Annahme des Vergleichsangebotes der Beklagten abhängig gemacht hat. Auch darin wird klargestellt, daß der Kläger mittlerweile rechtskräftig freigesprochen wurde.

Die Beklagte hätte daher dem berechtigten Veröffentlichungsbegehren des Klägers Rechnung tragen müssen. Hat der Kläger die Urteilsveröffentlichung zu Recht begehrt, so zieht auch die Beklagte nicht in Zweifel, daß das Angebot eines vollstreckbaren Unterlassungsvergleiches ohne Ermächtigung zur Vergleichsveröffentlichung die Wiederholungsgefahr nicht beseitigt hat.

Berechtigt ist aber der Einwand der Beklagten, daß der Spruch der einstweiligen Verfügung zu weit gefaßt ist. Das Unterlassungsgebot hat sich immer an der konkreten Verletzungshandlung zu orientieren, weil der Kläger nur Anspruch auf Unterlassung solcher Verletzungshandlungen hat, die vom Beklagten oder einem Dritten in einer dem Beklagten zurechenbaren Weise begangen worden sind oder drohend bevorstehen (stRsp ua ÖBl 1991, 105 - Hundertwasser-Pickerln II; ÖBl 1991, 108 - Sport-Sonnenbrille ua). Die in der Rechtsprechung zur Fassung von Unterlassungsgeboten ganz allgemein aufgestellten Grundsätze gelten auch für Unterlassungsgebote nach § 78 UrhG (stRsp ua MR 1995, 229 - Janusgesicht mwN). Ganz allgemein gilt auch, daß das Anführen von Beispielsfällen unter "insbesondere" das Unterlassungsgebot nur verdeutlicht, nicht aber einschränkt (ua MR 1996, 249 mwN).

Das Rekursgericht hat der Beklagten untersagt, das Bildnis des Klägers zu veröffentlichen, wenn dadurch überwiegende berechtigte Interessen des Klägers verletzt werden, insbesondere ... Dieses Unterlassungsgebot ist zu allgemein gefaßt; es orientiert sich nicht an der konkreten Verletzungshandlung. Der Beklagten kann nur verboten werden, das Bildnis des Klägers im Rahmen einer Berichterstattung im Zusammenhang mit dem Mordfall Elfriede Hochgatter oder mit der Person des Tibor Foco zu veröffentlichen, sofern nicht mit ausreichender Deutlichkeit klargestellt wird, daß der Kläger im wiederaufgenommenen Strafverfahren freigesprochen wurde.

Das Rekursgericht verweist darauf, daß das Unterlassungsgebot im vorangegangenen Verfahren des Klägers gegen die K***** GmbH Co KG (1 Cg 17/95f des Landesgerichtes Linz) gleich gelautet hat wie im vorliegenden Verfahren; der Oberste Gerichtshof habe diese Fassung nicht beanstandet. Das Rekursgericht läßt dabei außer acht, daß der Revisionsrekurs der Beklagten zu 4 Ob 5/94 zurückgewiesen wurde, ohne daß sich der Oberste Gerichtshof mit der - im Rechtsmittel nicht erwähnten - Frage der Fassung des Unterlassungsgebotes auseinandergesetzt hat.

Dem Revisionsrekurs war teilweise Folge zu geben.

Die Entscheidung über die Kosten des Klägers beruht auf § 393 Abs 1 EO; jene über die Kosten der Beklagten auf §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm §§ 43, 50 ZPO. Der Kläger hat den Sicherungsantrag zu weit gefaßt; mangels anderer Anhaltspunkte für die Bewertung sind Unterliegen und Obsiegen jeweils mit 50 % zu bewerten.

Rechtssätze
10