JudikaturJustiz4Ob214/22g

4Ob214/22g – OGH Entscheidung

Entscheidung
12. September 2023

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten Univ. Prof. Dr. Kodek als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Schwarzenbacher und MMag. Matzka sowie die Hofrätinnen Mag. Istjan, LL.M., und Mag. Fitz als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S*, vertreten durch Dr. Thomas Kainz, LL.M. (London), Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. S*, vertreten durch Mag. Johannes Bügler, Rechtsanwalt in Wien, und 2. V* AG, *, Deutschland, vertreten durch die Pressl Endl Heinrich Bamberger Rechtsanwälte GmbH in Salzburg, wegen Aufhebung eines Kaufvertrages, 13.750 EUR sA und Feststellung, über den Rekurs der erstbeklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 7. September 2022, GZ 13 R 25/21y 42, mit dem das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 11. Dezember 2020, GZ 60 Cg 19/20k 30, in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 14. Dezember 2020, GZ 60 Cg 19/20k 31, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Rekurs wird zurückgewiesen .

Die erstbeklagte Partei hat die Kosten ihres Rekurses selbst zu tragen.

Text

Begründung:

[1] Der Kläger macht gegen den erstbeklagten Verkäufer und die zweitbeklagte Herstellerin eines von Abgasmanipulationen betroffenen Autos Ansprüche aus Gewährleistung, Irrtum und Arglist sowie Schadenersatz geltend. Nachdem das Erstgericht die auf Aufhebung des Kaufvertrags, Rückzahlung des gesamten Kaufpreises sowie Feststellung der Haftung der Beklagten für künftige Schäden zur Gänze abgewiesen hatte, unterbrach das vom Kläger dagegen angerufene Berufungsgericht sein Verfahren bis zur Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs über das am 17. 3. 2020 vom Obersten Gerichtshof zu 10 Ob 44/19x gestellte Vorabentscheidungsersuchen.

[2] Nach Vorliegen der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 14. 7. 2022, C 145/20 , Porsche Inter Auto/Volkswagen , setzte das Berufungsgericht sein Verfahren fort und hob mit demselben Beschluss das erstgerichtliche Urteil zur Gänze auf; es verneinte Gewährleistungsansprüche des Klägers, trug dem Erstgericht jedoch unter anderem zur Frage des (gemeinsamen) Irrtums des Klägers und des Erstbeklagten ergänzende Feststellungen auf. Den Rekurs nach § 519 Abs 1 Z 2 ZPO ließ es zu, weil der Oberste Gerichtshof nach der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs zur Frage der Gewährleistungs- und Schadenersatzansprüche gegen Verkäufer von vom Abgasskandal betroffenen Fahrzeugen und gegen deren Hersteller noch nicht Stellung genommen habe.

Rechtliche Beurteilung

[3] Der nur vom Erstbeklagten gegen den Aufhebungsbeschluss des Berufungsgerichts erhobene Rekurs ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 526 Abs 2 ZPO) – Ausspruch des Berufungsgerichts mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig. Die Zurückweisung eines solchen Rekurses kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 528a iVm § 510 Abs 3 letzter Satz ZPO; RS0043691 ), zumal auch der Rekurswerber keine erheblichen Rechtsfragen aufzeigt:

[4] 1. Soweit der Rekurs argumentiert, dass Gewährleistungsansprüche des Klägers nicht bestünden, übersieht er, dass das Berufungsgericht Ansprüche aus Gewährleistung gegen den Erstbeklagten ohnehin ausdrücklich verneint und die erstgerichtliche Rechtsansicht insofern bestätigt hat, was vom Kläger unangefochten blieb. Die Punkte 1. und 2. des Rekurses gehen daher ins Leere und lassen keine erheblichen und entscheidungsrelevanten Rechtsfragen erkennen.

[5] 2. Zu schadenersatzrechtlichen Rechtsfragen nimmt der Erstbeklagte in seinem Rekurs inhaltlich nicht Stellung, weshalb darauf nicht einzugehen ist (vgl RS0102059 ).

[6] 3.1. Der Rekurs führt in seinem Pkt 3. weiters zu (vom Berufungsgericht nicht zugelassenen) Fragen des – insbesondere gemeinsamen – Irrtums einerseits ins Treffen, dass die erwähnte Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs auf den Vertrag zwischen dem Kläger und dem Erstbeklagten, der ein Privater und kein „Verkäufer“ im Sinne der Richtlinie 1999/44/EG (vom 25. 5. 1999 zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter) sei, nicht anwendbar wäre. Andererseits wird argumentiert, warum hier kein (gemeinsamer) relevanter Irrtum vorliege.

[7] 3.2. Warum in Verträgen zwischen Verbrauchern – wie dem hier zu beurteilenden – Irrtumsanfechtung entgegen der ausführlich begründeten Rechtsansicht des Berufungsgerichts generell ausgeschlossen sein sollte und warum die Rechtsansicht im Aufhebungsbeschluss nicht im Einklang mit der Judikatur stehen sollte, lässt der Rekurswerber mit seinen Ausführungen nicht erkennen. Eine erhebliche Rechtsfrage wird damit nicht dargetan (vgl RS0043654 [T9]).

[8] 3.3. Soweit der Rekurs argumentiert, es liege kein Irrtum vor, der Erstbeklagte habe den Kläger zu jedem Zeitpunkt über sämtliche Eigenschaften des Fahrzeugs aufgeklärt und beide hätten den Vertrag genau so wie abgeschlossen gewollt, übergeht er den Umstand, dass das Berufungsgericht die Feststellungen unter anderem genau zu diesem Anspruchsgrund als ungenügend ansah.

[9] Die Prüfung, ob zur Gewinnung der erforderlichen Feststellungen zur Beurteilung des Vorliegens von (gemeinsamem) Irrtum noch weitere Beweise notwendig sind, ist aber ein Akt der Beweiswürdigung. Zweck des Rekurses ist nur die Überprüfung der Rechtsansicht der zweiten Instanz durch den Obersten Gerichtshof; ist die dem Aufhebungsbeschluss zugrunde liegende Rechtsansicht richtig – oder wird diese gar nicht bekämpft – kann der Oberste Gerichtshof nicht überprüfen, ob und inwieweit die Verfahrensergänzung tatsächlich notwendig ist ( RS0043414 [T12]; RS0042179 [T17]). Denn hält das Berufungsgericht, ausgehend von einer richtigen Rechtsansicht, die erstgerichtlichen Feststellungen gerade zur Beurteilung der Frage, ob Kläger und Erstbeklagter einem gemeinsamen wesentlichen Geschäftsirrtum unterlagen, für unzureichend und weitere Feststellungen für erforderlich, so kann der Oberste Gerichtshof, der nicht auch Tatsacheninstanz ist, dem nicht entgegentreten ( RS0043414 [T8]).

[10] 4. Der Rekurs des Erstbeklagten war daher mangels Vorliegens erheblicher Rechtsfragen zurückzuweisen.

[11] 5. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 40, 50 ZPO. Eine Rekursbeantwortung wurde nicht erstattet, weshalb auszusprechen war, dass der Erstbeklagte die Kosten seines nicht zulässigen Rechtsmittels selbst zu tragen hat.