JudikaturJustiz4Ob133/89

4Ob133/89 – OGH Entscheidung

Entscheidung
21. November 1989

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof.Dr.Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Gamerith, Dr.Kodek, Dr.Niederreiter und Dr.Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr.Herwig J***, Rechtsanwalt, Klagenfurt, Karfreitstraße 5, vertreten durch Dr.Ulrich Polley und Dr.Helmut Sommer, Rechtsanwälte in Klagenfurt, wider die beklagte Partei K*** V*** Gesellschaft m.b.H. Co., Wien 19, Muthgasse 2, vertreten durch Dr.Alfred Boran, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung, Beseitigung, Urteilsveröffentlichung und Schadenersatz (Gesamtstreitwert S 381.000), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 4.Juli 1989, GZ 5 R 111/89-10, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 27.Februar 1989, GZ 22 Cg 337/88-5, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird teilweise Folge gegeben; das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, daß die Entscheidung insgesamt wie folgt zu lauten hat:

"Die beklagte Partei ist schuldig,

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger ist Obmann des Vereins "Wörthersee-Schiff Thalia", dessen Vereinszweck es ist, die Revitalisierung des Wörthersee-Dampfers "Thalia", des ältesten Schraubendampfers Europas, zu betreiben. Zur Erreichung dieses Zwecks wurden Spendenaktionen durchgeführt.

In der "Neuen Kronen-Zeitung" ("Kärntner Krone"), deren Medieninhaberin (Verlegerin) die Beklagte ist, erschienen am 11. Oktober 1988 ein Artikel über die Tätigkeit des Vereins und ein - seinerzeit zum Zwecke der Veröffentlichung

angefertigtes - Lichtbild des Klägers in folgender Aufmachung:

Abbildung nicht darstellbar!

Der Kläger begehrt, die Beklagte schuldig zu erkennen,

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist im Ergebnis nur hinsichtlich des Beseitigungs- und des Veröffentlichungsausspruches teilweise berechtigt.

Die gerügte Mangelhaftigkeit liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO). Die Beklagte hält auch in ihrer Revision an der Ansicht fest, daß durch die beanstandete Lichtbildveröffentlichung keine berechtigten Interessen des Klägers verletzt worden seien. Es sei unrichtig, daß der Kläger durch den danebenstehenden Text mit unseriösen Praktiken in Zusammenhang gebracht worden sei. Der Artikel zeige nur Mißstände bei der Geldgebarung des Vereins auf, ohne daß der Kläger in diesem Zusammenhang angegriffen werde; sein Name sei nur am Ende des Textes der Vollständigkeit halber erwähnt worden. Bei der Beurteilung, ob berechtigte Interessen des Abgebildeten verletzt wurden, sei ein objektiver Maßstab anzulegen; auch sei eine Interessenebwägung vorzunehmen. Im übrigen hätte es der Aufnahme der angebotenen Beweise darüber bedurft, daß die Berichterstattung über die Geldgebarung des Vereins den Tatsachen entsprochen habe. Diesen Ausführungen kann nicht beigepflichtet werden.

Nach § 78 Abs 1 UrhG dürfen Bildnisse von Personen weder öffentlich ausgestellt noch auf eine andere Art, wodurch sie der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden, verbreitet werden, wenn dadurch berechtigte Interessen des Abgebildeten verletzt werden. Durch diese Bestimmung soll, wie schon die Vorinstanzen richtig erkannt haben, jedermann gegen einen Mißbrauch seiner Abbildung in der Öffentlichkeit geschützt werden, also namentlich dagegen, daß er durch die Verbreitung seines Bildnisses bloßgestellt, daß dadurch sein Privatleben der Öffentlichkeit preisgegeben oder sein Bildnis auf eine Art benützt wird, die zu Mißdeutungen Anlaß geben kann oder entwürdigend oder herabsetzend wirkt (EB zum UrhG, abgedruckt bei Peter, Urheberrecht 617). Das Gesetz legt den Begriff der "berechtigten Interessen" nicht näher fest, weil es bewußt einen Spielraum offenlassen wollte, um den Verhältnissen des Einzelfalles gerecht werden zu können (SZ 50/22; ÖBl 1980, 166; ÖBl 1988, 140; MR 1988, 52; MR 1989, 52). Die Beurteilung, ob berechtigte Interessen verletzt wurden, ist darauf abzustellen, ob Interessen des Abgebildeten bei objektiver Prüfung als schutzwürdig anzusehen sind (ÖBl 1980, 166; MR 1988, 52; MR 1989, 52); dabei ist auch der mit dem veröffentlichten Bild zusammenhängende Text zu berücksichtigen (ÖBl 1988, 139; MR 1988, 52; MR 1989, 52). Der Schutz des § 78 UrhG entfällt, soweit die Zustimmung des Abgebildeten reicht; dabei ist insbesondere auch zu berücksichtigen, für welchen Zweck und innerhalb welchen Rahmens diese Zustimmung erteilt wurde (ÖBl 1977, 22; ÖBl 1988, 139). Wird das Interesse des Abgebildeten an der Verhinderung der Verbreitung als schutzwürdig ebeannt, dann ist die Verbreitung grundsätzlich unzulässig; behauptet hingegen derjenige, der das Bildnis verbreitet, ein Interesse an einer solchen Verbreitung, dann müssen die beiderseitigen Interessen abgewogen werden (ÖBl 1988, 139 mwN). Im vorliegenden Fall wurde das Lichtbild des Klägers zwar zum Zweck der Veröffentlichung angefertigt; dies geschah jedoch zu einem Zeitpunkt, als der Verein seine Tätigkeit aufgenommen und um Spenden für die Revitalisierung des Schiffes zu werben begonnen hatte. Die hier beanstandete Veröffentlichung dieses Lichtbildes hat jedoch der Kläger nie genehmigt.

Es kann aber auch keinem Zweifel unterliegen, daß durch diese Lichtbildveröffentlichung berechtigte Interessen des Klägers verletzt wurden: In dem neben seinem Lichtbild veröffentlichten Artikel wurde der Kläger nicht bloß - wie die Beklagte meint - als Vereinsobmann "der Vollständigkeit halber" angeführt, sondern unmittelbar mit unseriösen Praktiken, wie Verschwendung und widmungswidriger Verwendung von Spendengeldern, in Verbindung gebracht; anders kann die Überschrift "Der Verein unter Obmann Herwig J*** gab 1,5 Millionen Schilling für Feiern und Bürokratieaufwand aus", nicht verstanden werden. Aber auch durch die Worte "Viele Mitglieder protestierten bereits, als Herwig J*** und Dieter S*** die Vereinsführung übernahmen. Sie warfen den beiden Großmannssucht statt Idealismus vor" wird der Eindruck erweckt, daß der Kläger in führender Stellung an der Geldverschwendung teilgenommen habe. Damit sind aber schon objektiv berechtigte Interessen des Klägers verletzt worden. Daß die beanstandete Veröffentlichung seines Bildes durch ein legitimes Informationsinteresse der Öffentlichkeit gerechtfertigt gewesen wäre, kann bei dieser Sachlage umso weniger gesagt werden, als die Beklagte nicht einmal behauptet hat, daß der Kläger für die in dem Bericht dargestellte Finanzgebarung verantwortlich gewesen wäre (vgl ÖBl 1989, 87); vielmehr steht die Beklagte auch noch in der Revision auf dem Standpunkt, "nur der Vollständigkeit halber" darüber informiert zu haben, daß der Kläger der Obmann dieses Vereins ist. Hat aber die Beklagte im Prozeß gar nicht behauptet, daß der Kläger selbst die dem Verein vorgeworfenen Unregelmäßigkeiten zu verantworten habe, dann bedurfte es auch keiner Feststellungen darüber, ob ihre Berichterstattung sonst den Tatsachen entsprochen hat. Ein berechtigtes Interesse der Beklagten an dieser Bildnisveröffentlichung kann daher schon aus diesem Grund nicht erkannt werden; damit hat aber auch die - nur bei Vorliegen eines solchen vorzunehmende - Interessenabwägung zu entfallen. An der Berechtigung des Unterlassungsanspruches kann somit nicht gezweifelt werden.

Den Beseitigungsausspruch hält die Beklagte nicht für berechtigt, weil Feststellungen darüber fehlten, wer Eigentümer der Eingriffsgegenstände - die für die Ausgabe der "Kärntner Krone" vom 11. Oktober 1988 benützten Druckunterlagen und die Vervielfältigungsstücke dieser Zeitungsausgabe - ist; ein Auftrag zur Beseitigung könne aber nur dem Eigentümer solcher Gegenstände erteilt werden. Demgegenüber wäre es aber der Beklagten als Verlegerin dieser Tageszeitung oblegen, schon im Verfahren erster Instanz zu behaupten und zu beweisen, daß sie nicht Eigentümerin, sondern nur Inhaberin, Entlehnerin, Verwahrerin oder dgl. dieser Gegenstände sei. Der Kläger hingegen ist mit der (unbestrittenen) Tatsachenbehauptung, die Beklagte sei die Medieninhaberin der "Kärntner Krone", auch der ihm obliegenden Behauptungspflicht nachgekommen, daß die Beklagte auch Eigentümerin der für die Beseitigung in Betracht kommenden Gegenstände ist. Der Anspruch auf Beseitigung solcher Gegenstände, die nicht nur das Lichtbild des Klägers, sondern auch die zu Mißdeutungen Anlaß gebenden Textstellen enthalten, ist durch § 82 UrhG gedeckt; er ist jedoch gemäß Abs 3 dieser Bestimmung auf die dem UrhG widerstreitenden Teile der Eingriffsgegenstände oder Eingriffsmittel beschränkt. Soweit das Beseitigungsbegehren des Klägers über den auf den Seiten 10 und 11 erschienenen Artikel samt dem Lichtbild des Klägers in den noch vorhandenen Vervielfältigungsstücken dieser Zeitungsausgabe hinausgeht, war es daher abzuweisen.

Den Zuspruch von S 20.000 zur Abgeltung des dem Kläger zugefügten immateriellen Schadens bekämpft die Revision ebenfalls mit dem Argument, daß hier die erforderlichen Feststellungen über konkrete Beeinträchtigungen des Klägers fehlten. Es liegt jedoch auf der Hand, daß der Kläger durch den im Zusammenhang mit der Veröffentlichung seines Bildnisses erhobenen Vorwurf, als Obmann des Vereins "Wörthersee-Schiff Thalia" Spendengelder verschwendet oder zweckwidrig verwendet zu haben, insbesondere wegen

seines - besonderes Vertrauen in die persönliche Integrität voraussetzenden - Berufes als Rechtsanwalt Nachteile im Sinne des § 87 Abs 2 UrhG erlitten hat. Gerade der Abgeltung einer so ernsten, den mit jeder Zuwiderhandlung verbundenen Ärger überschreitenden Beeinträchtigung des Verletzten dient aber der Entschädigungsanspruch gemäß § 87 Abs 2 UrhG (SZ 55/25 uva). Auf Grund der näheren Umstände der beanstandeten Veröffentlichung erscheint der gemäß § 273 ZPO bemessene Entschädigungsbetrag auch dem erkennenden Senat angemessen.

Gegen den Veröffentlichungsausspruch wendet die Revision im wesentlichen ein, daß die Urteilsveröffentlichung im vorliegenden Fall nicht geeignet sei, den Eindruck eines Zusammenhanges zwischen den behaupteten Mißständen bei der Geldgebarung des Vereins und dem Kläger als dessen Obmann zu beseitigen; nur an der Beseitigung dieses Eindrucks könnte aber der Kläger ein berechtigtes Interesse haben.

Nun trifft es zwar zu, daß auch die Urteilsveröffentlichung nach § 85 Abs 1 UrhG nicht den Charakter einer Strafe hat, sondern allein der Aufklärung der Öffentlichkeit über einen bestimmten Gesetzesverstoß dient, dessen Publizität auch in Zukunft noch nachteilige Folgen befürchten läßt (SZ 47/145; ÖBl 1989, 47); ein berechtigtes Interesse der siegreichen Partei an einer solchen Ermächtigung ist daher nur dann anzuerkennen, wenn die Veröffentlichung ein geeignetes Mittel zur Beseitigung jener Nachteile ist, die eine Verletzung der im UrhG geregelten Ausschließlichkeitsrechte für diese Partei mit sich gebracht hat oder doch noch mit sich bringen könnte (SZ 26/131; SZ 44/104; ÖBl 1989; 87). Im vorliegenden Fall kann aber - anders als in dem der Entscheidung ÖBl 1989, 87 zugrunde liegenden Fall, in welchem wegen der Fassung des Unterlassungsbegehrens der Zusammenhang zwischen den in einer Fernsehsendung behaupteten Mißständen und dem dortigen Kläger nicht ohne weiteres hätte erkannt werden können - durch die Urteilsveröffentlichung der durch die beanstandete Bildnisveröffentlichung herbeigeführte Eindruck beseitigt werden, enthält doch der Unterlassungsausspruch einen ausdrücklichen Hinweis auf den zu Mißdeutungen Anlaß gebenden Zusammenhang zwischen den erhobenen Vorwürfen und dem Kläger. Gemäß § 85 Abs 1 UrhG umfaßt jedoch der Anspruch auf Urteilsveröffentlichung nur das Urteil über Klagen auf Unterlassung und Beseitigung des dem Gesetz widerstreitenden Zustandes sowie über weitere - nicht den Gegenstand dieses Verfahrens

bildende - Feststellungsklagen. Auf Antrag des Klägers kann daher nur der stattgebende Teil des Urteils über solche Ansprüche veröffentlicht werden, nicht aber der darüber ergangene abweisende Teil der Entscheidung und die Entscheidung über den gleichzeitig erhobenen Entschädigungsanspruch. In diesem Umfang war daher auch das Veröffentlichungsbegehren abzuweisen.

Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens erster Instanz gründet sich auf § 43 Abs 2 ZPO, jene über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zusätzlich auf § 50 ZPO. Der Kläger ist nur mit einem verhältnismäßig geringfügigen Teil seines Anspruches, dessen Geltendmachung überdies keine besonderen Kosten verursacht hat, unterlegen; er hat daher Anspruch auf Ersatz seiner gesamten Verfahrenskosten.

Rechtssätze
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