JudikaturJustiz4Ob114/23b

4Ob114/23b – OGH Entscheidung

Entscheidung
19. Dezember 2023

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Univ. Prof. Dr. Kodek als Vorsitzenden, sowie die Hofräte Dr. Schwarzenbacher und MMag. Matzka sowie die Hofrätinnen Mag. Istjan, LL.M. und Mag. Waldstätten als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A* Aktiengesellschaft, *, vertreten durch Dr. Nikolaus Friedl, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei S* GmbH, *, vertreten durch die Pressl Endl Heinrich Bamberger Rechtsanwälte GmbH in Salzburg, wegen 157.555,76 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 30. März 2023, GZ 4 R 158/22t 45, in der laut Berichtigungsbeschluss vom 27. April 2023 korrigierten Fassung, mit dem das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Handelsgericht vom 29. August 2022, GZ 25 Cg 13/21s 36, geändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

[1] Gegenstand dieses Verfahrens ist ein Regressprozess des klagenden Versicherers für Leistungen, die er seine Versicherungsnehmer aufgrund eines massiven Wasserschadens an einer Mietwohnung und allgemeinen Teilen einer Wohnhausanlage erbrachte. Die Klägerin ist sowohl der Gebäudeversicherer der Liegenschaftseigentümerin als auch der Haushaltsversicherer des Bestandnehmers.

[2] Ursache des Schadens war die zu geringe Dimensionierung und der ungeeignete Werkstoffzustand eines Exzenterfittings, also eines Verbindungsstücks zwischen Wandrohrauslass und Armatur. Das Exzenterfitting war einem Wandsp ültischmischer beigepackt gewesen, den die Liegenschaftseigentümerin in einem Baufachmarkt erworben hatte. Die Verpackung war zum Weiterverkauf mit dem Firmenschlagwort der Beklagten in Verbindung mit dem Begriff International, mit einem weiteren Phantasiewort und mit einem Symbol versehen worden, Hinweise auf einen (anderen) Hersteller gab es nicht. Ein von der Beklagten verschiedener Hersteller oder Importeur konnte im Verfahren nicht festgestellt werden. Die Beklagte hatte nicht jede, sondern nur zwei der Chargen dieses Modells geprüft. Ein Installationsunternehmen hatte die Armatur samt Exzenterfitting fachgerecht eingebaut.

[3] Die Klägerin ersetzte dem Bestandnehmer aus dem Haushaltsversicherungsvertrag die Schadensbehebungskosten sowie die Kosten für die vorübergehende Anmietung einer Ersatzwohnung. Der Liegenschaftseigentümerin erstattete sie als Gebäudeversicherer den Sanierungsaufwand.

[4] Die Klägerin begehrte den Ersatz der von ihr erbrachten Versicherungsleistungen als Schadenersatz nach PHG oder aus dem Titel der zivilrechtlichen Produzentenhaftung. Die Beklagte habe sich auf der Verpackung des Exzenterfittings als Produzentin bezeichnet.

[5] Die Beklagte wendete unter anderem ein, dass sie bloß Händlerin und nicht Herstellerin sei. Sie habe einen geeigneten Erzeuger ausgewählt, die Ware einwandfrei gelagert und ordnungsgemäß verpackt. Weitere Pflichten würden sie nicht treffen.

[6] Das Erstgericht gab der Klage statt. Die Beklagte hafte als Anscheinsherstellerin nach dem PHG.

[7] Das Berufungsgericht sprach entsprechend dem Berufungsantrag der Beklagten nur die Sanierungskosten des Bestandnehmers abzüglich eines Selbstbehalts von 500 EUR zu. Der Selbstbehalt ergebe sich aus § 2 Z 2 PHG. Die Kosten der Ersatzwohnung seien als bloße Vermögensschäden nicht nach PHG ersatzfähig. Nach ständiger Rechtsprechung umfasse der Anspruch nach PHG die Wiederherstellungskosten, nicht jedoch entgangene Nutzungen. Die Liegenschaftseigentümerin sei als GmbH aber Unternehmerin, ein Ersatz ihrer Schäden daher nach § 2 Z 1 PHG zur Gänze ausgeschlossen. Die Beklagte hafte auch nicht nach allgemeiner zivilrechtlicher Produzentenhaftung, weil ihre Produktüberprüfungspflicht als Händlerin auf offensichtliche Fehler und jene Fälle beschränkt sei, in denen ein konkreter Anlass zur Überprüfung bestehe. Auch als Quasi-Herstellerin träfen sie keine weitergehenden Pflichten, wenn ihr von Durchschnittskäufern kein konkretes Warenvertrauen entgegengebracht werde . Außerdem trage die Schachtel im vorliegenden Fall zwar eine auf die Beklagte hinweisende Herkunftsbezeichnung, jedoch auch die Flaggen zahlreicher Staaten. Erwerber würden daher von einem „ no name“-Produkt, einer Massenware aus einem Billigland ausgehen und die Beklagte weder für die Herstellerin noch die Alleinimporteurin halten. Die Beklagte habe auch auf die CE Kennzeichnung vertrauen dürfen.

[8] Das Berufungsgericht ließ die Revision zu, weil die restriktive Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Ersatzfähigkeit von Sachfolgeschäden sowie zur Abgrenzung von bloßen Vermögensschäden auf der deutschen Lehre fuße, die jedoch inzwischen einen Ersatz der Kosten der Ersatzbeschaffung während der Reparaturzeit befürworte . Zur Produ zentenhaftung von Quasi Herstellern und Händlern bei Importen von Massenwaren aus Asien und Übersee fehle höchstrichterliche Rechtsprechung überhaupt.

[9] Die Revision der Klägerin strebt eine gänzliche Klagsstattgebung an.

[10] Die Beklagte beantragt die Zurückweisung der Revision, hilfsweise die Bestätigung des Berufungsurteils.

Rechtliche Beurteilung

[11] Die Revision ist ungeachtet des – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Ausspruchs des Berufungsgerichts nicht zulässig .

[12] 1. Die Klägerin argumentiert, dass das Berufungsurteil von der höchstgerichtlichen Rechtsprechung zur Produzentenhaftung des Anscheinsherstellers abweiche, weil der Oberste Gerichtshof keinen Unterschied bei Massenwaren aus Asien und Übersee mache.

[13] 1.1. Das Berufungsgericht ging aufgrund der Lichtbilder der Verpackung davon aus, dass diese nicht den Eindruck erwecke, dass die Beklagte die Herstellerin sei. Vielmehr vermute der Erwerber ein international vertriebenes „no name“ Produkt.

[14] Welcher Bedeutungsgehalt dem Gesamteindruck [hier: einer Produktaufmachung] beigemessen wird, kann immer nur anhand der Umstände des Einzelfalls beurteilt werden und bildet daher keine erhebliche Rechtsfrage, solange die Vorinstanzen den durch die Rechtsprechung gesteckten Rahmen für ihre Ermessensentscheidung nicht überschritten haben (vgl zB RS0053112 zu § 2 UWG; RS0031883 [T6] zu § 1330 ABGB; RS0066779 zur Unterscheidungskraft einer Marke).

[15] 1.2. Die Revision kann eine solche korrekturbedürftige Fehlbeurteilung nicht aufzeigen:

[16] Sie hebt selbst hervor, dass dem Firmenschlagwort der Beklagten auf der Verpackung das Wort „International“ beigefügt ist. Dieses findet sich im Firmennamen der Beklagten jedoch nicht.

[17] Weiters enthält die Firma der Beklagten nach dem als Schlagwort verwendeten Phantasiebegriff das Wort „Handels“, was gerade nicht auf ein Produktionsunternehmen hinweist.

[18] Außerdem findet sich auf der Packung, wie die Revision betont, noch ein weiteres Phantasiewort neben einem Symbol, das die Klägerin selbst als „nach Art einer Wort-Bild-Marke ausgeführt“ bezeichnet. Eine Verbindung des zweiten Phantasieworts oder des Symbols zur Beklagten kann die Revision nicht herstellen.

[19] Schließlich räumt auch die Revision ein, dass in der Montageanleitung fünf weitere Unternehmen, teils mit Sitz außerhalb von Österreich angeführt sind. Sie alle weisen dasselbe Firmenschlagwort wie die Beklagte auf.

[20] Die Ansicht des Berufungsgerichts, dass Käufer aus dem Gesamteindruck der Verpackung nicht den Eindruck gewinnen, das Exzenterfitting sei von der Beklagten hergestellt worden, hält sich damit im Rahmen des ihm zukommenden Ermessensspielraums.

[21] 1.3. Außerdem liegen keine Feststellungen vor, dass es sich tatsächlich um ein Massenprodukt aus Asien oder Übersee handeln würde. Damit ist die vom Berufungsgericht für erheblich erachtete Frage, ob für Produkte dieser Herkunft andere Kriterien anzuwenden seien, hier nicht präjudiziell (vgl RS0088931 ).

[22] 2. Die Klägerin argumentiert weiters, dass die Kosten der Ersatzwohnung kein reiner Vermögensschaden, sondern Folge einer Eigentumsverletzung seien. Diese Kosten seien daher sehr wohl nach dem PHG und den Grundsätzen der Produzentenhaftung ersatzfähig.

[23] 2.1. Nach der ständigen höchstgerichtlichen Rechtsprechung scheidet im Rahmen der verschuldensunabhängigen Haftung nach dem PHG der Ersatz eines „reinen“ Vermögensschadens aus, zumal dieser selbst bei Verschuldenshaftung prinzipiell außer Ansatz bliebe ( RS0111170 ; RS0111982 ). Einbezogen sind nur die absolut geschützten Rechtsgüter, soweit sie durch das fehlerhafte Produkt beschädigt wurden. Ein Aufwand, der nur als mittelbare Folge des an einem anderen Rechtsgut entstandenen Schadens getätigt werden muss, ist nicht ersatzfähig ( RS0111982 ).

[24] 2.2. Für eine Neuevaluierung dieser Rechtsprechung zumindest für sogenannte Sachfolgeschäden gibt der konkrete Fall keinen Anlass:

[25] Ansprüche der Liegenschaftseigentümerin nach PHG scheiden – wie schon das Berufungsgericht richtig aufzeigte – gemäß § 2 Z 1 PHG aus, weil es sich um eine Unternehmerin handelt. Der Bestandnehmer dagegen ist zwar Verbraucher, aber nicht Eigentümer der beschädigten Sache.

[26] Ansprüche aus allgemeiner Produzentenhaftung scheitern daran, dass die Beklagte das fehlerhafte Produkt weder herstellte noch den Eindruck erweckte, die Herstellerin zu sein.

[27] 3. Eine Kostenentscheidung hatte zu entfallen, weil die Beklagte in der Revisionsbeantwortung keine Kosten verzeichnet hat.