JudikaturJustiz4Ob114/14i

4Ob114/14i – OGH Entscheidung

Entscheidung
17. September 2014

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Vizepräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und durch die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei E***** G*****, vertreten durch Dr. Riedl Dr. Ludwig Rechtsanwälte GmbH in Haag, gegen die beklagte Partei Mag. E***** G*****, vertreten durch Gloss Pucher Leitner Schweinzer Burger Gloss, Rechtsanwälte in St. Pölten, wegen Ehescheidung, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts St. Pölten als Berufungsgericht vom 9. April 2014, GZ 23 R 121/14p-43, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Seit der Neufassung des § 480 ZPO durch das Budgetbegleitgesetz 2009 ist ein Antrag auf Abhaltung einer Berufungsverhandlung nicht mehr vorgesehen. Das Berufungsgericht entscheidet vielmehr im Ermessen, ob eine mündliche Verhandlung notwendig ist (RIS-Justiz RS0126298, RS0127242). Ist eine abschließende Sacherledigung ohne eine Berufungsverhandlung möglich, ist es nach § 480 Abs 1 ZPO idF Budgetbegleitgesetz 2009 kein Verfahrensmangel, die Berufung in nichtöffentlicher Sitzung zu erledigen (RIS Justiz RS0125957).

2.1. Grundsätzlich ist das überwiegende Verschulden eines Ehegatten an der Zerrüttung der Ehe auszusprechen, wenn der graduelle Unterschied der beiderseitigen Verschuldensanteile augenscheinlich hervortritt (RIS Justiz RS0057251, RS0057821). Es muss daher ein erheblicher Unterschied im wechselseitigen Verschulden vorliegen (RIS Justiz RS0057057, RS0057858). Der Gesetzgeber hat dem Richter nämlich nicht die Pflicht auferlegt, hinsichtlich des Verschuldensausmaßes subtile Abwägungen vorzunehmen; nur das erheblich schwere Verschulden eines Teiles soll im Scheidungsurteil zum Ausdruck kommen (RIS-Justiz RS0057325).

2.2. Die Tatsacheninstanzen haben der Klägerin zur Last gelegt, ihrem Gatten über 20 Jahre grundlos den Geschlechtsverkehr verweigert, sich ihm gegenüber streitsüchtig, beleidigend und lieblos verhalten und eine in ihrer Intensität ehewidrige Beziehung zu einem anderen Mann geführt zu haben, die letztlich zerrüttungskausal war. Demgegenüber bestand der Beitrag des Beklagten an der Zerrüttung der Ehe darin, sich zumindest seit 2002 übermäßig engen Kontakt zu seiner Mutter gehalten und dadurch die Klägerin bei der Betreuung der drei gemeinsamen Kinder, der Organisation des Familienlebens und bei der Haushaltsführung nicht ausreichend unterstützt zu haben sowie eine gemeinsame Freizeitgestaltung verweigert und sich beleidigend und lieblos der Klägerin gegenüber verhalten zu haben.

2.3. Wenn das Berufungsgericht in Abwägung der wechselseitigen schweren Eheverfehlungen die Beurteilung des Erstgerichts bestätigt hat, dass weder die Eheverfehlungen des Beklagten, noch jene der Klägerin die des jeweils anderen Ehegatten klar und deutlich überwiegen, ist dies nach den Umständen des Einzelfalls nicht zu beanstanden und ist keine im Interesse der Rechtssicherheit aufzugreifende grobe Fehlbeurteilung.

3.1. Nach den Feststellungen haben die Parteien 2006 erstmals ernsthaft eine Scheidung erwogen, sich aber zu Gunsten ihrer damals 17, 15 und 13 Jahre alten Kinder für den Fortbestand ihrer Ehe entschieden; im Verhalten der Ehegatten ist durch diese Entscheidung keine Änderung eingetreten.

3.2. Wenn die Vorinstanzen unter diesen Umständen die Abstandnahme von einer Scheidung 2006 nicht als wechselseitige Verzeihung aller bis dahin gesetzten Eheverfehlungen beurteilt haben, ist dies im Lichte der höchstgerichtlichen Rechtsprechung vertretbar und nicht zu beanstanden. Verzeihung im Sinne des § 56 EheG ist nämlich nur dann anzunehmen, wenn der gekränkte Ehegatte durch sein Gesamtverhalten zum Ausdruck bringt, dass er das als Eheverfehlung empfundene Fehlverhalten seines Ehepartners nicht mehr als solches betrachtet und daher vorbehaltlos bereit ist, mit ihm die Ehe fortzusetzen (RIS Justiz RS0057075). Solches wurde hier nicht festgestellt.

Rechtssätze
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