JudikaturJustiz3Ob514/93

3Ob514/93 – OGH Entscheidung

Entscheidung
12. Mai 1993

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Hofmann als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Klinger, Dr.Angst, Dr.Graf und Dr.Gerstenecker als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Helene G*****, vertreten durch Dr.Peter Jesch, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagte Partei Hermann W*****, vertreten durch Dr.Günther Stanonik ua, Rechtsanwälte in Salzburg, wegen 7,000.000 S sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 24.November 1992, GZ 6 R 234/92-12, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 14.August 1992, GZ 12 Cg 36/92-8, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird zur neuen, nach Ergänzung des Verfahrens zu fällenden Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Rechtsmittelkosten sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Der Vater der Streitteile verstarb am 8.9.1988. Das von ihm errichtete Testament wurde am 13.2.1989 kundgemacht. Der Nachlaß, dessen Aktiven nach dem eidesstättigen Vermögensbekenntnis 17.436,-- S und dessen Passiven 108.411,85 S betrugen, wurden dem Beklagten, der auf Grund des Testamentes die unbedingte Erbserklärung abgegeben hatte, mit Beschluß vom 4.6.1991 zur Gänze eingeantwortet.

Die Klägerin begehrte in ihrer am 12.2.1992 beim Erstgericht eingelangten Klage nach Einschränkung des Klagebegehrens die Bezahlung von 7 Millionen S sA. Sie brachte vor, sie und ihre Mutter, die am 25.11.1991 verstorbene Ehefrau des Erblassers, seien pflichtteilsberechtigt. Sie sei Alleinerbin nach ihrer Mutter und diese habe ihr außerdem ihre Pflichtteilsansprüche abgetreten. Als Pflichtteil gebühre ihnen je ein Sechstel und zusammen daher ein Drittel vom Wert des Nachlasses. Der Erblasser habe dem Beklagten zu Lebzeiten Liegenschaften im Gesamtwert von 20,2 Millionen Schilling in der Absicht übergeben, seine Tochter und seine Ehefrau vom Pflichtteil auszuschließen. Außerdem habe der Beklagte zur Zeit des Todes des Erblassers über ein Sparbuch des Erblassers mit einem Einlagenstand von 2,3 Millionen S verfügt. Es könne dahingestellt bleiben, ob ihm das Sparbuch vom Erblasser geschenkt worden sei oder ob er es ihm vor seinem Tod abgenommen habe. Der gemeinsame Pflichtteilsanspruch betrage jedenfalls 7,5 Millionen S, wovon der dem Beklagten gegenüber seiner Mutter gebührende Pflichtteil von 500.000 S abzuziehen sei. Der Beklagte, der sich die Schenkung im Sinn des § 785 ABGB anrechnen lassen müsse, hafte für diesen Schenkungspflichtteil als unbedingt erbserklärter Erbe mit seinem gesamten Vermögen. Das Klagebegehren werde auf "sämtliche erdenklichen Rechtstitel" gestützt.

Der Beklagte wendete ein, daß die Klägerin keinen Pflichtteilsanspruch habe, weil sie vom Erblasser in seinem Testament enterbt worden sei. Der behauptete Abtretungsvertrag mit der Mutter sei nicht abgeschlossen worden. Die ihm vom Erblasser gemachten Geschenke hätten nicht den in der Klage angeführten Wert gehabt. Die Klägerin habe vom Erblasser ihrerseits Geschenke mit einem den eingeklagten Betrag übersteigenden Wert erhalten, die sie sich anrechnen lassen müsse. Die Klagsforderung sei überdies verjährt, weil die Klage später als drei Jahre nach dem Tod des Erblassers eingebracht worden sei.

Das Erstgericht schränkte das Verfahren auf den Grund des Anspruches ein und wies das Klagebegehren ab. Da der eingeklagte Anspruch auf Verkürzung des Pflichtteils durch Schenkungen des Erblassers gestützt werde, habe die Verjährung mit dessen Tod begonnen. Die Verjährungsfrist, die gemäß § 1487 ABGB drei Jahre betrage, sei daher zur Zeit der Einbringung der Klage bereits abgelaufen gewesen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge und sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei. Mit der Kundmachung des Testaments beginne nur die Verjährung des auf das Gesetz gestützten Pflichtteilsanspruchs. Die Verjährung des im § 951 ABGB geregelten Anspruchs des im Testament auf den Pflichtteil gesetzten Noterben gegen den Beschenkten unbedingt erbserklärten Erben auf Ergänzung des Pflichtteils durch Hinzurechnung von Schenkungen nach § 785 ABGB beginne hingegen schon mit dem Tod des Schenkers. Hier mache die Klägerin nur diesen Anspruch geltend, zumal der Nachlaß überschuldet gewesen sei. Da somit die dreijährige Verjährungsfrist schon mit dem Tod des Geschenkgebers zu laufen begonnen habe, sei der eingeklagte Anspruch zur Zeit der Einbringung der Klage bereits verjährt gewesen.

Rechtliche Beurteilung

Die von der Klägerin gegen dieses Urteil des Berufungsgerichtes wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Sache erhobene Revision ist berechtigt.

Im § 785 Abs 1 ABGB ist vorgesehen, daß auf Verlangen eines pflichtteilsberechtigten Kindes oder des pflichtteilsberechtigten Ehegatten Schenkungen - mit den sich aus den nachfolgenden Abs 2 und 3 ergebenden Ausnahmen - bei der Berechnung des Nachlasses in Anschlag zu bringen sind. Der Anspruch auf den Schenkungspflichtteil bildet in einem solchen Fall einen Teil des sonstigen Pflichtteilsanspruchs, der sich gegen den Nachlaß und nach der Einantwortung gegen den Erben richtet (JBl 1992, 460 mwN). Es handelt sich dabei um das "Recht, den Pflichtteil oder dessen Ergänzung zu fordern", im Sinn des § 1487 zweiter Halbsatz ABGB. Reicht der Nachlaß nicht aus, um den unter Anrechnung der Schenkungen gebührenden Pflichtteil zu befriedigen, so hat der verkürzte Noterbe gemäß § 951 ABGB unmittelbar gegen den Beschenkten einen Anspruch auf Herausgabe des Geschenkes, wobei das Klagebegehren auf Zahlung des Ausfalls am Pflichtteil bei Exekution in die geschenkte Sache gerichtet ist (EFSlg 36.099; SZ 48/114; EvBl 1971/4 ua; Stanzl in Klang2 IV/1, 627; Binder in Schwimann, ABGB Rz 21 zu § 951; Schubert in Rummel, ABGB2 Rz 3 zu § 951). Dieser Anspruch wird im § 1487 dritter Halbsatz als "Recht, den Beschenkten wegen Verkürzung des Pflichtteils in Anspruch zu nehmen", bezeichnet.

Die Klägerin stützt die Revision darauf, daß sie wegen der unbedingten Erbserklärung des Beklagten nicht einen Anspruch gemäß § 951 ABGB gegen den Beschenkten auf Zahlung des ihr durch Verkürzung ihres Pflichtteils und des Pflichtteils ihrer Mutter entstandenen Ausfalls, sondern auf Zahlung des ihr und ihrer Mutter gemäß § 785 ABGB nach Anrechnung der Schenkungen zustehenden Pflichtteils geltend macht. Die Verjährung des Anspruchs auf Zahlung oder Ergänzung des auf das Gesetz gestützten Pflichtteils beginnt aber nach ständiger Rechtsprechung und dem ganz überwiegenden Schrifttum erst mit der Kundmachung des Testaments (JBl 1991, 190; Rz 1986/67; SZ 49/118; SZ 45/130; SZ 36/14 ua; Klang in Klang2 VI 628; Eccher in Schwimann, ABGB Rz 8 zu § 764; Mader in Schwimann, ABGB Rz 6 zu § 1487; Welser in Rummel, ABGB2 Rz 9 zu §§ 762-764; Schubert in Rummel, ABGB2 Rz 3 zu § 1487; Faistenberger-Gschnitzer, ErbR2 104). Da die gemäß § 1487 ABGB dreijährige Verjährungsfrist hier somit am 13.2.1992 ablief und die Klage schon am 12.2.1989 beim Erstgericht einlangte, war der Anspruch auf Zahlung des Pflichtteils zur Zeit der Einbringung der Klage nicht verjährt.

Den Ausführungen in der Revision kann entnommen werden, daß die Klägerin unter Hinweis auf die Entscheidung EvBl 1965/399 die Auffassung vertritt, daß der Beklagte deshalb, weil er eine unbedingte Erbserklärung abgab, gemäß § 785 ABGB über den Wert des reinen Nachlasses hinaus hafte. Dem kann nicht gefolgt werden. Ist der Geschenknehmer zugleich Erbe, treffen zwar in seiner Person die Voraussetzungen des § 785 Abs 1 ABGB und (subsidiär) die des § 951 ABGB zusammen; dieses Zusammentreffen vermag aber am Wesen und Inhalt der verschiedenen Ansprüche nichts zu ändern (SZ 57/7). Die nunmehr einzig von der Klägerin geltend gemachte Anspruchsgrundlage nach § 785 ABGB gegen den Beklagten als Erben ist der Höhe nach jedenfalls mit dem Wert des vorhandenen Nachlasses begrenzt (Welser in Rummel, ABGB2, Rz 23 zu § 785; Koziol-Welser9 II 384; Kralik, Erbrecht3 306; Ehrenzweig, FamuErbR2 II/2, 597; Eccher in Schwimann, ABGB Rz 2 zu § 785; derselbe, Rz 3 zu § 801; Binder in Schwimann, ABGB Rz 19 zu §§ 951, 952; Stanzl in Klang2 IV/1, 626). Gewiß können gegen einen Erben, wie der Sachverhalt zu EvBl 1965/399 zeigt, sowohl die Anspruchsvoraussetzungen nach § 785 ABGB und für den Fall, daß der Nachlaß nicht ausreicht und er selbst der Beschenkte ist, jene nach § 951 ABGB gegeben sein: daß der unbedingt erbserklärte Erbe auch für die gegen ihn gestellten Ansprüche insgesamt nach § 801 ABGB mit seinem ganzen Vermögen und nicht nur mit der geschenkten Sache haftet, wurde zwar in der Entscheidung EvBl 1965/399 ausgesprochen, an dieser von der Lehre als nicht durch das Gesetz gedeckt kritisierten Ansicht (Eccher aaO Rz 3 zu § 801 mwN; Binder aaO; Welser aaO) hielt aber auch der Oberste Gerichtshof in der Folge nicht fest (SZ 57/7).

Den Gegenstand der Entscheidung bildet somit nur mehr der aus § 785 Abs 1 ABGB abgeleitete Anspruch auf Zahlung des Pflichtteils. Da dieser Anspruch schon nach der vorhandenen Rechtsprechung nicht verjährt ist und es auf die Verjährung des im § 951 Abs 1 ABGB gegründeten Anspruchs auf Herausgabe des Geschenkes nicht ankommt, ist auf die Ausführungen von Raber (Die Verjährung des Anspruchs auf den Schenkungspflichtteil; entwickelt aus ihren Grundlagen, JBl 1988, 137), wonach die Verjährung erst nach der Testamentseröffnung beginne, nicht einzugehen.

Der aus § 785 Abs 1 ABGB abgeleitete Anspruch auf Zahlung oder Ergänzung des Pflichtteils ist allerdings, wie schon dargelegt wurde, auf den Wert des Nachlasses beschränkt. Diese Rechtsansicht wurde von den Parteien bisher offensichtlich nicht bedacht, weshalb ihnen Gelegenheit zur Ergänzung ihres Vorbringens zu geben ist, zumal in diesem Punkt eine gesicherte Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes nicht vorlag. Die Entscheidungen der Vorinstanzen mußten deshalb aufgehoben werden (JBl 1988, 730; SZ 50/35; 3 Ob 111/92 ua). Da der Inhalt des eidesstättigen Vermögensbekentnisses Dritten gegenüber nicht bindend ist (NZ 1987, 210; SZ 47/12; Welser in Rummel, ABGB2 Rz 2-3 zu § 801; Koziol-Welser II9 399), hat die Klägerin dabei die Möglichkeit, die Unrichtigkeit des hier der Abhandlung zugrundegelegten, eine Überschuldung des Nachlasses dartuenden Vermögensbekenntnisses zu behaupten und erforderlichenfalls zu beweisen.

Der Ausspruch über die Rechtsmittelkosten beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.

Rechtssätze
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