JudikaturJustiz3Ob47/93

3Ob47/93 – OGH Entscheidung

Entscheidung
15. September 1993

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Hofmann als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Klinger, Dr.Angst, Dr.Graf und Dr.Gerstenecker als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei Josef M*****, vertreten durch Dr.Manfred Klicnik, Rechtsanwalt in Linz, wider die verpflichtete Partei Franz S*****, vertreten durch Dr.Franz Gütlbauer und Dr.Siegfried Sieghartsleitner, Rechtsanwälte in Wels, wegen 78.660 S sA, infolge Revisionsrekurses der verpflichteten Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes Wels als Rekursgerichtes vom 24.März 1993, GZ R 274/93-6, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Wels vom 28.Jänner 1993, GZ 12 E 6488/92-3, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird dahin abgeändert, daß der Beschluß des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die betreibende Partei hat die Kosten ihres Rekurses selbst zu tragen und ist schuldig, dem Verpflichteten die mit 5.094 S (darin 849 S Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsrekurses binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Nachdem der Verpflichtete die Frist zur Erstattung der Klagebeantwortung versäumt hatte, wurde er mit Versäumungsurteil schuldig erkannt, der betreibenden Partei 78.660 S sA zu bezahlen. Er beantragte die Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und erhob für den Fall, daß dem Wiedereinsetzungsantrag nicht Folge gegeben wird, gegen das Versäumungsurteil Widerspruch. Der betreibenden Partei wurde aufgrund des Versäumungsurteils zur Sicherung der Forderung von 78.660 S sA die Fahrnisexekution bewilligt. In der Folge wurde dem Antrag des Verpflichteten auf Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erstattung der Klagebeantwortung stattgegeben und das Versäumungsurteil aufgehoben.

Der Verpflichtete beantragte unter Hinweis auf die Aufhebung des Versäumungsurteils die Einstellung der Exekution gemäß § 39 Abs 1 Z 1

EO.

Das Erstgericht bewilligte den Antrag in Form eines Bewilligungsvermerkes gemäß § 112 Abs 1 Geo, bestimmte die Kosten des Einstellungsantrags des Verpflichteten mit 1.699,20 S und sprach aus, daß der betreibenden Partei gemäß § 75 EO die mit 2.989,20 S bestimmten Kosten des Exekutionsantrags aberkannt werden.

Das Rekursgericht wies infolge Rekurses der betreibenden Partei den Einstellungsantrag des Verpflichteten ab und sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Nach ständiger Rechtsprechung würden die Bestimmungen des § 39 Abs 1 Z 1 bis 5 EO durch § 376 Abs 1 Z 3 EO ersetzt. Nach dieser Vorschrift seien aber die bereits vollzogenen Exekutionshandlungen nur aufzuheben, wenn die Geldforderung, zu deren Gunsten sie bewilligt wurden, dem Gläubiger rechtskräftig aberkannt oder wenn deren Erlöschen rechtskräftig festgestellt wird. Davon könne aber nicht gesprochen werden, wenn der Titel durch die Bewilligung der Wiedereinsetzung und die Aufhebung des Versäumungsurteils beseitigt wurde (SZ 23/234).

Rechtliche Beurteilung

Der vom Verpflichteten gegen diesen Beschluß des Rekursgerichtes erhobene Revisionsrekurs ist berechtigt. Die Frage, ob die Exekution zur Sicherstellung einzustellen ist, wenn das den Exekutionstitel bildende Versäumungsurteil wegen Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aufgehoben wurde, ist in der Rechtsprechung und im Schrifttum verschieden beantwortet worden. Der Oberste Gerichtshof hat sich hiemit, so weit dies überblickt werden kann, nur in der Entscheidung SZ 23/234 befaßt und im wesentlichen die schon vom Rekursgericht wiedergegebene Meinung vertreten. Diese Entscheidung wurde von Heller-Berger-Stix (III 2679) ohne eigene Argumente gebilligt. Ferner heißt es in den Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage des § 37 Z 2 KSchG, mit dem die Regelung des § 373 EO geschaffen wurde (744 BlgNR 14.GP 55 f), daß zwar nach Aufhebung des Versäumungsurteils infolge eines Wiedereinsetzungsantrags die Exekution zur Sicherstellung nicht mehr bewilligt werden dürfe, daß aber eine einmal bewilligte Exekution zur Sicherstellung auch dann nicht wegen Wegfalls des Titels einzustellen sein solle, wenn das Versäumungsurteil infolge des gleichzeitig mit dem Widerspruch gestellten Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aufgehoben worden ist; es stehe ja einem Säumigen weiterhin frei, nur einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu stellen und nicht auch einen Widerspruch zu erheben; im übrigen sei diese Lösung auch durch den geltenden § 371 Z 1 und 3 EO vorgezeichnet. Ähnliche Ausführungen finden sich bei Feil (EO Rz 1 zu § 373). Bei Neumann-Lichtblau (Kommentar zur EO3) wird die angeführte Frage zwar nicht ausdrücklich behandelt, diese Autoren stehen aber auf dem Standpunkt (aaO 1158), daß die Exekution zur Sicherstellung nicht einzustellen sei, wenn das Urteil oder der Beschluß, aufgrund dessen sie bewilligt wurde, von der höheren Instanz aufgrund des § 474 Abs 3, § 475 Abs 3, § 477 oder § 496 ZPO aufgehoben wurde. In jüngerer Zeit hat sich Rechberger (in JBl 1981, 186) gegen die in den Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage des KSchG zum Ausdruck kommende Ansicht gewendet und die Meinung vertreten, daß sie eine Durchbrechung von Grundprinzipien der EO bedeuten würde, die der Novellengesetzgeber nicht erreicht habe, und daß eine Sicherstellungsexekution, die aufgrund des mit dem Wiedereinsetzungsantrag kumulierten Widerspruchs gegen ein Versäumungsurteil bewilligt wurde, nach Aufhebung des Versäumungsurteils aufgrund der Wiedereinsetzung wegen Wegfalls des Titels wieder eingestellt werden müsse. Holzhammer (Zwangsvollstreckungsrecht3 330) und Rechberger-Simotta (Exekutionsverfahren2 Rz 866) leiten dieselbe Meinung a minori ad maius aus § 376 Abs 1 Z 4 EO ab.

Der erkennende Senat hat erwogen:

Schon wegen der damit verbundenen verschiedenen Rechtsfolgen (§ 373 EO, RZ 1985/22; 5 Ob 646/89) steht es dem Beklagten frei, den Widerspruch gegen ein Versäumungsurteil mit einer Berufung oder einem Wiedereinsetzungsantrag zu kumulieren (Fasching, ZPR2 Rz 1688; Rechberger in JBl 1981, 186). Macht der Beklagte von dem ihm zustehenden Recht der Reihung dieser Rechtsmittel und Rechtsbehelfe in der Weise Gebrauch, daß er den Widerspruch - als zulässige bedingte Prozeßhandlung - an die letzte Stelle setzt, wird im Schrifttum die Frage, ob dann dem Kläger Exekution zur Sicherstellung nach § 371 EO (so Rechberger-Simotta, Exekutionsverfahren Rz 854; Rechberger aaO) oder, solange die Bedingung nicht durch negative Erledigung der vorgereihten Rechtsmittel und Rechtsbehelfe eingetreten ist, nur bei Gefährdung des Anspruches nach § 370 EO (so Holzhammer, Österreichisches Zwangsvollstreckungsrecht3, 325; Berger in RZ 1980, 4) zur Verfügung steht, nicht einheitlich beantwortet. Das Erstgericht und die Parteien gingen in diesem Verfahren jedenfalls davon aus, daß der Kläger von der erleichterten Exekutionsmöglichkeit nach § 371 EO Gebrauch machen konnte.

Wird dem Verpflichteten dann aber die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bewilligt, so kommt ein für den Fall der Abweisung des Wiedereinsetzungsantrags erhobener Widerspruch nicht zur Wirkung. Der Fall ist daher nicht anders zu sehen, wie wenn der Verpflichtete überhaupt nicht Widerspruch erhoben hätte. Dies bedeutet aber, daß die Voraussetzungen für die Bewilligung der Sicherungsexekution inhaltlich von vornherein nicht erfüllt waren. Da die Möglichkeit, aufgrund eines Versäumungsurteils, gegen das Widerspruch erhoben wurde, ohne Bescheinigung der Gefährdung des Anspruchs die Exekution zur Sicherstellung zu beantragen, erst durch das Konsumentenschutzgesetz geschaffen wurde, ist davon auszugehen, daß im § 376 Abs 1 Z 3 EO dieser Fall nicht bedacht wurde. Es liegt daher eine Gesetzeslücke vor, die durch Analogie zu schließen ist (SZ 57/194 ua). Hiefür kommt aber jedenfalls die Bestimmung des § 39 Abs 1 Z 1 EO in Betracht, weil der Fall, daß die Voraussetzungen für die Exekutionsbewilligung inhaltlich von vornherein nicht erfüllt waren, den in der genannten Bestimmung angeführten Fällen der Unwirksamkeit des Exekutionstitels an Gewicht gleichzuhalten ist. Ob, wie Holzhammer und Rechberger-Simotta (jeweils aaO) meinen, aufgrund eines Größenschlusses, der nur einen Unterfall der Analogie bildet (Bydlinski in Rummel, ABGB2 Rz 6 zu § 7; Koziol-Welser9 I 26), § 376 Abs 1 Z 4 EO anzuwenden ist, kann unter diesen Umständen dahingestellt bleiben, zumal bei der Anwendung beider Bestimmungen die Rechtsfolgen die gleichen sind.

Da der dargestellte Fall der Bewilligung der Exekution zur Sicherstellung im § 376 Abs 1 Z 3 EO nicht bedacht wurde, ist die Rechtsprechung, wonach diese Bestimmung bei der angeführten Exekution § 39 Abs 1 Z 1 EO ersetzt (JBl 1952, 523; SZ 23/234; SZ 15/25), hier ohne Bedeutung. Dies gilt auch für die in den Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage des Konsumentenschutzgesetzes geäußerte Ansicht. Abgesehen davon, daß durch dieses Gesetz die hier maßgebenden Bestimmungen nicht geändert wurden und der in den Erläuternden Bemerkungen zum Ausdruck kommende Wille des Gesetzgebers deshalb im Gesetz keinen Niederschlag finden konnte (so zutreffend Rechberger in JBl 1981, 186), ist der dargestellte Fall ohnedies so zu sehen, wie wenn der Säumige keinen Widerspruch erhoben hätte. Schließlich ist hier auch die Entscheidung SZ 23/234 nicht erheblich, weil sie bereits vor dem Konsumentenschutzgesetz erging und einen anderen Sachverhalt betraf. Ob sie hiefür aufrecht erhalten werden kann, muß hier nicht entschieden werden.

Ist somit die Exekution zur Sicherstellung gemäß § 39 Abs 1 Z 1 EO einzustellen, so hat dies, wie das Erstgericht richtig erkannte, gemäß § 75 EO zur Folge, daß dem betreibenden Gläubiger die ihm zugesprochenen Kosten abzuerkennen sind und er die Kosten des Einstellungsantrags zu ersetzen hat. Zu diesem Ergebnis käme man im übrigen zufolge § 376 Abs 2 erster Satz EO auch dann, wenn die Exekution gemäß dem vorangehenden Abs 1 Z 4 EO eingestellt würde.

Der Ausspruch über die Kosten des Rekurses der betreibenden Partei beruht auf § 78 EO iVm den §§ 40 und 50 ZPO, jener über die Kosten des Revisionsrekurses des Verpflichteten auf § 78 EO iVm den §§ 41 und 50 ZPO.