JudikaturJustiz3Ob38/12b

3Ob38/12b – OGH Entscheidung

Entscheidung
18. April 2012

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon. Prof. Dr. Neumayr, die Hofrätin Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der betreibenden Partei T*****, vertreten durch Kunz Schima Wallentin, Rechtsanwälte OG in Wien, wider die verpflichtete Partei D*****, vertreten durch Dr. Franz Marschall Mag. Rene Heinz, Rechtsanwaltspartnerschaft in Wien, wegen 475.007,50 USD sA und 3.125,55 CHF sA, über den außerordentlichen Revisionsrekurs (richtig: und Rekurs) der verpflichteten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 27. Dezember 2011, GZ 47 R 467/11s, 47 R 468/11p, 47 R 574/11a 25, womit über Rekurse beider Parteien der Beschluss des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 13. Juli 2011, GZ 63 E 2962/11b 2, teils bestätigt und teils abgeändert und der Antrag der verpflichteten Partei nach § 84 Abs 5 EO (Sicherheitsleistung) abgewiesen wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs und der Rekurs werden zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Das Erstgericht erklärte die Schiedssprüche des Schiedsgerichts der Handelskammer des Kanton Tessin vom 14. und 15. Juni 2011 und das Zwischenurteil (gemeint: Zwischenschiedsspruch) vom 23. Dezember 2010 für in Österreich vollstreckbar und bewilligte zur Hereinbringung der im Kopf dieser Entscheidung angeführten Forderungen aus diesen Schiedssprüchen die Fahrnis und Forderungsexekution.

Dem Rekurs der Betreibenden (ON 9) gegen die Exekutionsbewilligung gab das Rekursgericht in Ansehung der Forderungsexekution durch Ergänzung des Spruchs Folge. Den Rekursen der Verpflichteten gegen die Exekutionsbewilligung und gegen die Vollstreckbarerklärung (ON 6 und 13) gab es hingegen nicht Folge; den ordentlichen Revisionsrekurs erklärte es für nicht zulässig. Den mit dem Rekurs verbundenen Antrag der Verpflichteten gemäß § 84 Abs 5 EO, der Betreibenden den Erlag einer Sicherheitsleistung zumindest in Höhe der betriebenen Forderung aufzuerlegen sowie den angefochtenen Beschluss bis zum Erlag dieser Sicherheitsleistung nicht in Vollzug zu setzen und bisherige Vollzugsmaßnahmen aufzuheben, wies das Rekursgericht ab.

Die Bestätigung der Vollstreckbarerklärung begründete das Rekursgericht damit, eine bloß lückenhafte Sachverhaltsfeststellung oder eine mangelnde Erörterung rechtserheblicher Tatsachen durch das Schiedsgericht bilde keinen Verstoß gegen den ordre public, weil bei der Prüfung iSd Art V Abs 1 lit b NYÜ ein strenger Maßstab anzulegen sei. Wegen der Gelegenheit für die Verpflichtete, zum Gutachten eines Sachverständigen schriftlich Fragen stellen zu können, bilde die unterlassene mündliche Erörterung allenfalls nur einen Verfahrensmangel, jedoch keinen Verstoß gegen das rechtliche Gehör. Zur Unzulässigkeit des Revisionsrekurses berief sich das Rekursgericht auf oberstgerichtliche Rechtsprechung, von der es nicht abgewichen sei.

Eine amtswegig nicht zu verfügende Unterbrechung des Rekursverfahrens iSd § 84 Abs 5 EO habe die Verpflichtete gar nicht beantragt, weshalb es an einer Voraussetzung für die Auferlegung einer Sicherheit an die Betreibende fehle. Überdies habe sie kein Vorbringen erstattet, ob und in welcher Weise sie beabsichtige, gegen die Schiedssprüche vorzugehen.

Dagegen richtet sich der (über Auftrag des Erstgerichts rechtzeitig verbesserte) außerordentliche Revisionsrekurs der Verpflichteten gegen die Vollstreckbarerklärung und Exekutionsbewilligung sowie der darin enthaltene Rekurs gegen die Abweisung des Antrags nach § 84 Abs 5 EO mit den Anträgen auf Abänderung der Rekursentscheidung im Sinne einer Abweisung des Exekutionsantrags (erkennbar auch des Antrags auf Vollstreckbarerklärung) und auf Stattgebung des Antrags nach § 84 Abs 5 EO.

Rechtliche Beurteilung

1. Der Revisionsrekurs ist, soweit er sich gegen die vom Rekursgericht bestätigte Exekutionsbewilligung richtet, absolut unzulässig (RIS Justiz RS0114023 [T3]), im Übrigen aber mangels erheblicher Rechtsfragen unzulässig:

2. Durch die Bestimmung des § 84 Abs 4 EO ist nur die Bestimmung des § 528 Abs 2 Z 2 ZPO unanwendbar, die übrigen Rechtsmittelbeschränkungen des § 528 ZPO gelten gemäß § 78 EO und § 83 Abs 2 EO auch im Verfahren über die Vollstreckbarerklärung (RIS Justiz RS0116242). Der Revisionsrekurs der Verpflichteten gegen die Bestätigung der Vollstreckbarerklärung der ausländischen Schiedssprüche erweist sich daher zwar nicht als absolut unzulässig; jedoch gelingt es angesichts der bestehenden Judikatur des Obersten Gerichtshofs nicht, eine erhebliche Rechtsfrage aufzuzeigen, weshalb die Zulässigkeit des Rechtsmittels zu verneinen ist.

Die Verpflichtete hält ihre Berufung auf den Versagungsgrund nach Art V Abs 1 lit b NYÜ aufrecht. Diesen sieht sie verwirklicht, weil ihr vom Schiedsgericht das rechtliche Gehör entzogen worden sei. Während das von einem Sachverständigen schriftlich erstattete Gutachten nicht mündlich erörtert worden sei, habe der Schiedsrichter die schriftlich formulierten Fragen mit einer nicht näher ausgeführten Scheinbegründung, sie seien rechtlicher Natur, überhaupt nicht beachtet; damit seien dem Schiedsspruch Tatsachen und Beweisergebnisse zu Grunde gelegt worden, zu denen sich die Beteiligten nicht äußern hätten können; das widerspreche Art 6 MRK.

Der Oberste Gerichtshof hat zum Versagungsgrund der Verletzung des rechtlichen Gehörs iSd Art V Abs 1 lit b NYÜ bereits Stellung bezogen und ausgesprochen, dass der Versagungsgrund voraussetzt, dass die Partei, gegen die ein ausländischer Schiedsspruch ergangen ist, von dem schiedsgerichtlichen Verfahren nicht gehörig in Kenntnis gesetzt worden ist oder aus einem anderen Grund ihre Angriffs und Verteidigungsmittel nicht geltend machen konnte. Der Versagungsgrund der Verletzung des beiderseitigen Gehörs entspricht somit inhaltlich dem § 611 Abs 2 Z 2 ZPO (3 Ob 122/10b mwN). Schon das Vorbringen, die Verpflichtete habe schriftlich Fragen an den Sachverständigen formulieren können, die der Schiedsrichter als rechtlich unerheblich angesehen habe, stellt klar, dass eine Äußerungsmöglichkeit der Verpflichteten bestand. Damit verbleibt nur mehr der Vorwurf, dass die (vgl den Rekurs der Verpflichteten ON 13 S 7) gestellten Fragen ohne ausreichende Begründung behandelt worden seien. Darin kann schon begrifflich der Versagungsgrund nicht erblickt werden, der nur dann gegeben ist, wenn die Partei an der Geltendmachung ihrer Angriffs oder Verteidigungsmittel gehindert war (vgl 3 Ob 1091/91). Auch nach österreichischem Zivilprozessrecht ist das rechtliche Gehör gewahrt, wenn den Parteien Gelegenheit gegeben wird, ihren Standpunkt darzulegen und wenn sie sich zu allen Tatsachen und Beweisergebnissen, die der Entscheidung zugrunde gelegt werden sollen, äußern können (RIS Justiz RS0005915 [T17]; RS0074920 [T18]), was hier ja schon nach dem Vorbringen der Verpflichteten der Fall war. Daran ändert sich auch nichts, wenn die Partei keine Gelegenheit hat, alle gewünschten Fragen an den beigezogenen Sachverständigen zu stellen (vgl RIS Justiz RS0074920 [T19]; 3 Ob 230/11m).

Die Verneinung des geltend gemachten Versagungsgrunds durch das Rekursgericht stellt daher keine unvertretbare Fehlbeurteilung dar.

3. Der Rekurs gegen die Abweisung des Antrags, der Betreibenden eine Sicherheitsleistung nach § 84 Abs 5 EO aufzuerlegen, ist aus folgenden Gründen unzulässig:

Es entspricht herrschender, aus Art 44 EuGVVO abgeleiteter Ansicht zu Art 46 EuGVVO, dass ein Rechtsmittel gegen die zweitinstanzliche Entscheidung, womit einem Antrag des Schuldners auf Aussetzung des Vollstreckbarerklärungsverfahrens nicht Folge gegeben wurde, absolut unzulässig ist (3 Ob 20/04v mwN; RIS Justiz RS0118738); das gilt auch für die Entscheidung des Rekursgerichts, mit der die Höhe der Sicherheitsleistung nach Art 46 Abs 3 EuGVVO festgelegt wurde (3 Ob 189/04x). Auch die Weigerung des Gerichts, eine Sicherheitsleistung nach Art 46 Abs 3 EuGVVO aufzuerlegen, wird als unanfechtbar angesehen ( Rassi in Fasching/Konecny 2 Art 46 EuGVVO Rz 5; G. Kodek in Czernich/Tiefenthaler/Kodek , Europäisches Gerichtsstands und Vollstreckungsrecht 3 Art 46 EuGVVO Rz 16). Art 44 EuGVVO mit seinem Verweis auf den Anh IV beschränkt die Überprüfungsbefugnis der dritten Instanz bezüglich der Entscheidung über den Rechtsbehelf (Rekurs) auf den Revisionsrekurs gegen die Rekursentscheidung. Das nationale Verfahrensrecht darf keine zusätzlichen Befugnisse einräumen ( Burgstaller/Neumayr in Burgstaller/Neumayr IZVR Art 44 EuGVO Rz 2).

Nach den ErläutRV EO Nov 2000 93 BlgNR 21. GP stellt § 84 Abs 5 EO eine Übernahme der „neuen Übereinkommensbestimmungen“, gemeint Art 38 EuGVÜ/LGVÜ 1988, dem nunmehr Art 46 EuGVVO/LGVÜ 2007 entspricht, in das nationale Recht dar. Eine dem Art 44 EuGVVO entsprechende Rechtsmittelbeschränkung findet sich in der EO allerdings nicht. Zur Verweigerung der Aussetzung (= Unterbrechung) des Vollstreckbarerklärungsverfahrens bedurfte es keiner Sonderbestimmung, weil sich die Unanfechtbarkeit auch im Anwendungsbereich des § 84 Abs 5 EO aus § 192 Abs 2 ZPO iVm § 78 EO ergibt (3 Ob 248/11h). Es wäre ein Wertungswiderspruch, dem Verpflichteten zwar die Bekämpfung der Verweigerung der Unterbrechung des Vollstreckbarerklärungsverfahrens nach § 84 Abs 5 EO zu versagen, nicht jedoch der Abweisung des Antrags, dem Betreibenden eine Sicherheitsleistung aufzutragen; es geht ja in beiden Fällen um die Minimierung jener Gefahren für den Verpflichteten, die daraus resultieren, dass der Bestand des ausländischen Exekutionstitels noch nicht gesichert ist. Die vom Gesetzgeber beabsichtigte Übernahme des Gemeinschaftsrechts in die nationale Rechtsordnung führt zur Anwendung der Rechsmittelbeschränkung nach der EuGVVO im Anwendungsbereich des § 84 Abs 5 EO.

Gegen die Entscheidung des Rekursgerichts, den Antrag der Verpflichteten abzuweisen, dem Betreibenden eine Sicherheitsleistung aufzuerlegen, ist ein Rekurs absolut unzulässig.

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