JudikaturJustiz3Ob286/00f

3Ob286/00f – OGH Entscheidung

Entscheidung
29. August 2001

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Angst als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Graf, Dr. Pimmer, Dr. Zechner und Dr. Sailer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei mj. Lydia S*****, geboren 1. September 1993, vertreten durch die Mutter und gesetzliche Vertreterin Barbara S*****, *****, vertreten durch Rechtsanwälte Biel Partner KEG in Wien, gegen die beklagte Partei S*****, vertreten durch Dr. Wolfgang Bernt, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 38.816,74 sA und Feststellung, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Handelsgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 20. Juni 2000, GZ 20 R 14/00w-40, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes für Handelssachen Wien vom 17. Jänner 2000, GZ 6 C 1863/98h-34, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei hat die Kosten der Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Die am 1. 9. 1993 geborene Klägerin besuchte am 19. 2. 1998 morgens mit ihrer Mutter und ihrem Bruder einen von der beklagten Partei in Franchising geführten Gastgewerbebetrieb. Sie zog ein Tablett mit zwei Pappbechern mit Teewasser und einem mit Kakao gefüllten Becher zu sich, wobei das Tablett kippte. Der Inhalt der Becher ergoss sich über die Klägerin, die hiedurch Verbrühungen 1. bis 2. Grades im Bereich der rechten Schulter und der rechten oberen Extremitäten erlitt. Auf den Pappbechern befindet sich der Hinweis "Vorsicht heiß". Nach dem Operationshandbuch des Gastgewerbebetriebes ist Tee mit 80 Grad C zu servieren, Kakao mit 71-77 Grad C. Hier hatte das Kakaogetränk eine Temperatur von 73,5 Grad C und das Teewasser eine Temperatur von 83,7 Grad C. Abdeckungen für die Pappbecher sind bei der beklagten Partei auf Kundenwunsch für den Gassenverkauf vorgesehen.

Die Klägerin begehrt die Zahlung von S 38.816,74 sA (Schmerzengeld von S 35.000,--, unfallbedingte Fahrtauslagen von S 500,--, Medikamentenkosten von S 1.316,74, ihr abgetretener Verdienstentgang der Mutter von S 2.000,--) und Feststellung der Verpflichtung der beklagten Partei, ihr jeden weiteren unfallskausalen Schaden aus diesem Vorfall zu ersetzen.

Die Klägerin brachte vor, die Haftung der beklagten Partei als ihr Vertragspartner werde insbesondere daraus abgeleitet, dass die Temperatur der Getränke viel zu hoch sei, die Becher ohne Abkühlphase zum Wegnehmen bereitgestellt würden, Tasse und Pappbecher zu leicht seien, um ein Kippen zu verhindern, die Becher nicht abgedeckt seien, die Becher nach genereller Weisung nach vorne zu stellen seien und die Warnpflicht hinsichtlich Handhabung und Temperatur verletzt würde. Weiters stützte sich die Klägerin auf das PHG; das Produkt biete nicht die Sicherheit, die man unter Berücksichtigung aller Umstände zu erwarten berechtigt sei.

Die Beklagte wendete ein, es treffe sie kein Verschulden; vielmehr habe die Klägerin selbst eigenmächtig das Tablett zu sich gerissen und sich dadurch die Verbrennungen zugezogen. Die Mutter der Klägerin habe ihre Aufsichtspflicht gröblich verletzt.

Das Erstgericht wies die Klage ab; den im Wesentlichen eingangs wiedergegebenen, von ihm festgestellten Sachverhalt beurteilte es rechtlich dahin, der die beklagte Partei treffende Sorgfaltsmaßstab leite sich aus dem zu erwartenden Kundenkreis ab. Es könne ihr nicht, als Verschulden angelastet werden, 80 Grad C heißen Tee an die Verbraucher zu übergeben, weil sie annehmen dürfe, dass der zu erwartende Kundenkreis mit Heißgetränken dieser Art üblicherweise umzugehen und deren Gefahren hintanzuhalten imstande sei. Auch von einer Fehlerhaftigkeit im Sinne des § 5 PHG könne nicht die Rede sein, weil das Produkt Heißtee in Pappbechern mit der Aufschrift "Vorsicht heiß" dargeboten worden sei und der zu erwartende Gebrauch nur der Transport vom Ladentisch zum Tisch und der Verzehr des Tees sei. Bei Kindern seien bei Anwesenheit einer aufsichtspflichtigen erwachsenen Person keine weiteren Vorsichtsmaßnahmen zu treffen.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 52.000,-- übersteige und die ordentliche Revision zulässig sei, weil - soweit für das Berufungsgericht überblickbar - keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zu der über die besonderen Verhältnisse des Einzelfalles hinaus Bedeutung zukommenden Rechtsfrage begebe, inwieweit es bei einem als Selbstbedienungsrestaurant betriebenen Gastgewerbebetrieb eine Verletzung vertraglicher Nebenpflichten gegenüber Kunden darstellt, heiße Getränke nicht bloß mit einer Temperatur auszufolgen, die insbesondere bei einem als möglich vorhersehbaren Verschütten keine Körperverletzungen in Form erheblicher Verbrennungen nach sich zieht, ob die Verwendung von Pappbechern mit einem Hinweis "Vorsicht heiß" ausreicht, um auf derartige Gefahren aufmerksam zu machen oder ob die dargestellten Vorgehensweisen einen Instruktionsfehler im Sinne des § 5 Abs 1 Z 1 PHG begründen.

In rechtlicher Hinsicht führte das Berufungsgericht aus, die Beklagte habe nicht nur eine Hauptleistungspflicht getroffen, sondern auch Schutz- und Sorgfaltspflichten, die zum Gegenstand haben, den Vertragspartner - soweit zumutbar - vor der Beschaffenheit des Vertragsgegenstandes oder der Art der mit dem Gebrauch zusammenhängenden und nicht ohnehin für jedermann leicht erkennbaren Gefahren zu warnen oder ihn davor zu schützen. Dabei habe die Beklagte grundsätzlich den Sorgfaltsmaßstab nach § 1299 ABGB zu verantworten. Das Ausmaß der dem Vertragspartner obliegenden Schutz- und Sorgfaltspflichten richte sich unter anderem nach der Gefährlichkeit des feilgebotenen Produktes, insbesondere auch bei nicht empfohlenen, aber vorhersehbaren Anwendungen, andererseits aber auch nach der vom Verbraucher zu erwartenden Sachkunde und Kenntnis der mit dem Gebrauch verbundenen Gefahren. So sei für das Bestehen einer Warnpflicht entscheidend, ob ein Schutzbedürfnis des Verbrauchers vorliege, wobei sich die Warnpflicht wieder nur auf gewöhnliche und vorhersehbare Gefahren bei der Verwendung des Produkts beziehe.

Betreffend den Ausschank von heißem Tee oder sonstigen heißen Getränken sei von diesen Grundsätzen ausgehend von Bedeutung, dass sie notorisch in Haushalten unter Verwendung heißer Flüssigkeiten hergestellt werden, im Falle von Tee durch Aufgießen von nahezu kochendem Wasser. Die Beklagte habe davon ausgehen dürfen, dass ihren Kunden einsichtig sei, dass die Getränke mit einer höheren Temperatur an den Kunden gelangen als nach einem durch gastgewerbliches Personal besorgten Servicevorgang und den damit notwendig verbundenen Verzögerungen. Hingegen könnten berechtigte Sicherheitserwartungen der Kunden nicht dahin gehen, diese Getränke erst in einem so weit abgekühlten Zustand übergeben zu erhalten, dass sie bei einem etwaigen Verschütten oder Vergießen keinen Schaden hervorrufen können. Ebenso habe die Beklagte als allgemeinen Kenntnisstand voraussetzen dürfen, dass die Verwendung massearmer Füllgefäße wie dünnwandiger Papp- oder Kunststoffbecher zu einer geringeren Wärmeableitung von den eingefüllten Flüssigkeiten führe als der Gebrauch massereicher raumtemperierter Füllgefäße wie etwa Porzellangeschirr. Die Gefahren, die mit dem Umgang mit in Pappbechern abgefülltem, notwendig mit mindestens 82 Grad C hergestellten Tee verbunden seien müssten für die Beklagte wie auch für ihre Kunden als derart offensichtlich erscheinen, dass im konkreten Fall der Warnhinweis auf den Pappbechern als ausreichend erachtet werden müsse, um auf die von heißen Getränken ausgehenden Gefahren adäquat hinzuweisen.

Da auch berechtigte Sicherheitserwartungen nicht enttäuscht würden, liege auch ein Instruktionsfehler nicht vor, der eine Haftung der Beklagten nach dem PHG begründen könnte.

Angesichts der Begleitung der Klägerin durch ihre Mutter, die die Manipulation mit dem bereit stehenden Tabletts überwacht habe, habe es die Beklagte dabei bewenden lassen können, auf die Sachkunde der Mutter der Klägerin und eine entsprechende Ausübung von Obsorge gegenüber der Klägerin abzustellen.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Klägerin ist entgegen dem Ausspruch des Berufungsgerichtes, an den der Oberste Gerichtshof gemäß § 508a Abs 1 ZPO nicht gebunden ist, mangels Vorliegens einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.

Der Abschluss eines Vertrages lässt nicht bloß die Hauptpflichten entstehen, die für die betreffende Vertragstype charakteristisch sind, sondern erzeugt auch eine Reihe von Nebenpflichten, zu denen auch die Schutz- und Sorgfaltspflichten gehören. Der Schuldner hat die geschuldete Hauptleistung nicht nur zu erbringen, sondern er hat sie so sorgfältig zu bewirken, dass alle Rechtsgüter des Gläubigers, mit denen er in Berührung kommt, nach Tunlichkeit vor Schaden bewahrt und beschützt bleiben (ständige Rechtsprechung, s RIS-Justiz RS0017049). So treffen den Verkäufer einer Sache Nebenpflichten, wie die Pflicht zu Hinweisen auf Gefahren (SZ 68/105 mwN).

Die Beurteilung des Berufungsgerichtes, dass hier diesen Schutz- und Sorgfaltspflichten entsprochen wurde, stellt keine auffallende Fehlbeurteilung im Einzelfall dar, die Voraussetzung für die Zulässigkeit der Revision wäre (s RZ 1994/45 ua), zumal hier ein bestimmtes Verhalten eines Kindes den Unfall verursachte und nicht anzunehmen ist, dass sich ein völlig oder zumindest im Wesentlichen gleichartiges Verhalten neuerlich ereignet. Dies zeigt aber, dass die Entscheidung in erster Linie von den besonderen Umständen des zu entscheidenden Falles abhängt und ihr keine hierüber hinausgehende und somit keine erhebliche Bedeutung im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO zukommt.

Der in der Revision weiters hervorgehobene Umstand, es sei zumindest ein weiterer "gleichartiger Prozess" anhängig, stellt keinen Grund für die Zulässigkeit einer Revision an den Obersten Gerichtshof dar, weil die Entscheidung jeweils von den konkreten Umständen des dort zu entscheidenden Falles abhängt.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 40, 50 ZPO. Der Revisionsgegnerin konnten keine Kosten zugesprochen werden, weil sie in der Revisionsbeantwortung nicht auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen hat.

Rechtssätze
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