JudikaturJustiz3Ob234/11z

3Ob234/11z – OGH Entscheidung

Entscheidung
22. Februar 2012

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Neumayr, die Hofrätin Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei C*****, vertreten durch Mag. Johannes Götsch, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagte Partei R***** reg GenmbH, *****, vertreten durch Mag. Weiskopf und Dr. Kappacher, Rechtsanwälte in Landeck, wegen Anfechtung einer Sicherstellung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 16. September 2011, GZ 1 R 197/11x 39, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 21. Juni 2011, GZ 11 Cg 131/08z 35, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 2.314,62 EUR bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung (darin enthalten 385,77 EUR an USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Gegenstand der auf § 2 Z 1 und 2 AnfO gestützten Anfechtungsklage ist (nur) der Abschluss eines Pfandvertrags am 7. August 2006 durch die Mutter des Klägers (im Weiteren nur: Mutter) und ihren Ehegatten zugunsten der beklagten Bank über ein Höchstbetragspfandrecht von 500.000 EUR; dazu verpflichteten sich die beiden Pfandbesteller in einer Vereinbarung mit der Beklagten vom 29. Juli 2005 für den Fall, dass ihnen das für den Erwerb der später verpfändeten Liegenschaft im Rahmen einer bereits von der Beklagten gegen den Kläger eingeleiteten Zwangsversteigerung, in der bereits ein erfolgloser Versteigerungstermin stattgefunden hatte, erforderliche Meistbot von höchstens 350.000 EUR von der Beklagten finanziert wird, wozu sich diese verpflichtete. Die Liegenschaft stand im Eigentum des Klägers und war ua mit einem Wohnungsgebrauchsrecht der Mutter und Pfandrechten zugunsten der Beklagten für persönliche Schulden der Mutter belastet, für die der Kläger nur als Realschuldner haftete. Die Mutter und ihr Ehegatte erhielten den Zuschlag zum von der Beklagten finanzierten geringsten Gebot von 220.940 EUR am 22. September 2005. Mit dem Meistbot samt Fruktifikationszinsen wurden ua persönliche Schulden der Mutter bei der Beklagten im Umfang von 222.716,66 EUR befriedigt. Diesen Betrag forderte der Kläger von seiner Mutter mit Klage vom 31. März 2006, zugestellt an die Mutter am 12. April 2006, die in zwei Instanzen erfolgreich war. Beim Eintritt der Rechtskraft und Vollstreckbarkeit dieser titulierten Forderung im Jahr 2007 war das Höchstbetragspfandrecht über 500.000 EUR für die Beklagte bereits als einziges Pfandrecht einverleibt.

Die vom Kläger am 31. Juli 2008 eingebrachte Anfechtungsklage blieb in beiden Vorinstanzen nach drei Rechtsgängen stets erfolglos.

Das Berufungsgericht verneinte zuletzt eine Benachteiligungsabsicht der Mutter in der Form des dolus eventualis. Es prüfte auch die Möglichkeit der Anfechtung der seiner Ansicht nach kongruenten Sicherstellung wegen Benachteiligungsabsicht des Rechtsvertreters der Mutter (und gleichzeitig der Beklagten) beim Abschluss des Pfandvertrags; sie verneinte diese jedoch mangels materieller Insolvenz der Mutter unter Hinweis auf eine Lehrmeinung unter gleichzeitigem Abgehen von einer Entscheidung des Obersten Gerichtshofs. Deshalb ließ das Berufungsgericht die ordentliche Revision zu.

Der Kläger macht in seiner Revision im Wesentlichen geltend,

a) das Berufungsgericht habe aktenwidrig und in völliger Überinterpretation eine Negativfeststellung zur Kenntnis der Mutter von der Regressforderung des Klägers in eine positive Feststellung der Nichtkenntnis umgedeutet;

b) für die Annahme von Benachteiligungsabsicht genüge das festgestellte Bewusstsein der Mutter, die Unterfertigung der Urkunden sei „sicher nicht zum Vorteil“ des Klägers erfolgt, gemeint dass er „das Haus nicht mehr hat“; es genüge das Bewusstsein grundsätzlicher Benachteiligung des Klägers;

c) mangels entsprechender Feststellung sei nicht von einer kongruenten Sicherstellung durch das Pfandrecht auszugehen;

d) die Annahme des Berufungsgerichts, die Klägerin hätte eine Benachteiligungsabsicht des Rechtsvertreters der Mutter im Sinn einer „fraus“ behaupten müssen übersehe die entsprechenden Behauptungen schon in der Klage und widerspreche überdies dem „Überrumpelungsverbot“;

e) das Berufungsgericht habe ohne unmittelbare Beweisaufnahme „Ersatzfeststellungen“ zur Frage der materiellen Insolvenz der Mutter getroffen.

Die Beklagte tritt dem in ihrer Beantwortung der Revision entgegen, in der sie auch auf deren Unzulässigkeit hinwies.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision erweist sich ungeachtet des nicht bindenden Ausspruchs des Berufungsgerichts aus folgenden, kurz darzustellenden Gründen (§ 510 Abs 3 ZPO) als nicht zulässig :

1. Die Prüfung der Benachteiligungsabsicht (in welcher Ausprägung auch immer) des Rechtsvertreters der Mutter durch das Berufungsgericht basiert auf einer Missinterpretation der Judikatur des Obersten Gerichtshofs zur Frage, ob auch Rechtshandlungen des gesetzlichen oder gewillkürten Vertreters des Schuldners (hier der Mutter) der Anfechtung unterliegen.

Nach ständiger Rechtsprechung erfordern die Anfechtungstatbestände wegen Benachteiligung nach § 2 AnfO, § 28 KO eine Rechtshandlung des Gemeinschuldners. Die anfechtbare Rechtshandlung muss aber nicht vom Schuldner persönlich vorgenommen worden sein. Dem Schuldner sind auch die Rechtshandlungen eines gesetzlichen oder gewillkürten Vertreters oder, im Falle nachträglicher Genehmigung, auch eines Geschäftsführers ohne Auftrag zuzurechnen (RIS-Justiz RS0050709 [T1]; RS0064223 [T2]). Bei der gesetzlichen Vertretung kommt es auf den Kenntnisstand des gesetzlichen Vertreters an (RIS-Justiz RS0114517; RS0050709 [T6]); bei gewillkürter Vertretung reicht das Vorliegen der Benachteiligungsabsicht beim Vertretenen oder beim Vertreter ( König , Anfechtung 4 Rz 7/21). Damit ist die Stellvertretung des Schuldners angesprochen, also das Handeln eines anderen für den Schuldner, sei es weil dies gesetzlich vorgegeben ist (zB im Fall eines Organs einer Kapitalgesellschaft), sei es weil der andere rechtsgeschäftlich mit Vertretungsmacht dafür ausgestattet wurde. Davon kann aber im Fall eines sogenannten Rechtsvertreters, also eines Rechtsanwalts, der im Zusammenhang mit dem beabsichtigten Abschluss eines Rechtsgeschäfts im eigenen Namen beigezogenen wird, keine Rede sein; seine Aufgabe liegt ja nicht in der Abgabe von Willenserklärungen für den Mandanten, sondern regelmäßig (nur) in dessen Beratung.

Ein Handeln des vom Kläger in seinem Vorbringen angesprochenen Rechtsvertreters der Mutter in deren Namen beim Abschluss des allein angefochtenen Pfandvertrags wurde aber nicht behauptet; die Aktenlage bietet auch keinerlei Hinweise dafür, wurde doch die ihrem Inhalt nach unstrittige Pfandurkunde von der Mutter selbst unterfertigt, worin auch die angefochtene Rechtshandlung besteht. Welchen Einfluss die Beiziehung eines Rechtsanwalts auf den Kenntnisstand der Mutter, ihre Vorstellungen, Zielsetzungen, Einschätzungen und Beweggründe hatte, ist aber eine Tatfrage (vgl RIS-Justiz RS0043601), die worauf noch einzugehen sein wird für den Obersten Gerichtshof bereits bindend gelöst wurde.

Eine Auseinandersetzung mit den Absichten des Rechtsfreunds der Mutter auf rechtlicher Ebene konnte daher unterbleiben; ebenso wenig bedurfte es der weiteren, darauf aufbauenden Überlegungen des Berufungsgerichts, sodass sich die in diesem Zusammenhang als erheblich angesehene Rechtsfrage gar nicht stellt. Damit erweisen sich auch die in der Revision zu den oben dargestellten Punkten c) bis e) als nicht präjudiziell.

Damit kommt es allein darauf an, ob bei der Mutter Benachteiligungsabsicht vorgelegen hat oder nicht.

2. Vorweg ist klarzustellen, dass der Kläger allein den Pfandvertrag vom 7. August 2006 anficht, der abgeschlossen wurde, als er durch Zuschlag an seine Mutter und deren Ehegatten sein Eigentum an der Liegenschaft bereits verloren hatte. Der Verlust dieser Liegenschaft stellt daher keine durch den Pfandvertrag bedingte Benachteiligung dar; dem entsprechend wirft der Kläger seiner Mutter (zuletzt) vor, es sei ihr bekannt gewesen und sie habe es in Kauf genommen, dass die Einverleibung des Pfandrechts zur Folge haben werde, dass seine Regressforderung damit uneinbringlich werde und er damit nicht mehr zum Zug kommen könne (ON 27 S 3 und ON 34 S 6/7). Darauf hat sich also die Prüfung der Benachteiligungsabsicht zu beschränken.

Die Auslegung der Urteilsfeststellungen im Einzelfall ist regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO (RIS-Justiz RS0118891). Die vom Kläger kritisierte eklatante Fehlinterpretation des Berufungsgerichts liegt nicht vor; ebenso wenig eine Aktenwidrigkeit. Eine Gesamtbetrachtung der über drei Rechtsgänge getroffenen Feststellungen und Ausführungen des Erstgerichts im Rahmen der Beweiswürdigung und rechtlichen Beurteilung lässt nämlich im Sinn des Berufungsgerichts durchaus erkennen, dass der Erstrichter davon ausging, dass die Mutter am 7. August 2006 bei Unterfertigung des Pfandvertrags

- zwar Kenntnis davon hatte, dass der Kläger gegen sie eine Regressforderung erhoben hat,

- deren Berechtigung jedoch weder erkannte noch erahnte,

- die rechtlichen Konsequenzen eines Erfolgs der Klage bei Verpfändung der Liegenschaft an die Beklagte nicht verstand,

- Überlegungen zu allfälligen wirtschaftlichen Einbußen des Klägers nicht anstellte und

- ihr das Bewusstsein, dass der Kläger durch die Verpfändung maßgeblich in finanzieller Hinsicht benachteiligt wird oder werden kann, fehlte.

Nach diesen für den Obersten Gerichtshof bindenden Feststellungen ist es zutreffend, eine Benachteiligungsabsicht der Mutter auch in Form des dolus eventualis zu verneinen. Benachteiligungsabsicht ist nach der Judikatur des Obersten Gerichtshofs schon dann anzunehmen, wenn der Schuldner in Form des bedingten Vorsatzes die Benachteiligung der Gläubiger ernstlich für möglich gehalten und sich damit abgefunden hat; mag die Gläubigerbenachteiligung auch nicht der einzige Beweggrund gewesen sein (RIS-Justiz RS0064166 [T9]; RS0050615 ua).

Für die rechtliche Beurteilung ist davon auszugehen, dass die Mutter eine Vereitelung der Einbringlichmachung der gegen sie bestehenden Regressforderung des Klägers durch den Abschluss des Pfandvertrags weder in Betracht zog noch ihr die entsprechenden rechtlichen Zusammenhänge bekannt und verständlich wurden. Es kann daher nicht einmal der Vorwurf erhoben werden, sie habe eine derartige Benachteiligung ihres Sohnes für möglich gehalten, geschweige denn, sich auch damit abgefunden. Die dem entsprechende Rechtsansicht des Berufungsgerichts erweist sich daher als jedenfalls vertretbar.

Nur der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass auch bei Annahme von Negativfeststellungen (im Sinn eines non liquet) zur Benachteiligungsabsicht für den Kläger nichts gewonnen wäre, weil ihn die Behauptungs- und Beweislast dafür im Zuge einer Anfechtung nach § 2 Z 1 und 2 AnfO trifft (RIS-Justiz RS0050775).

3. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagte hat auch auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.

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