JudikaturJustiz3Ob167/01g

3Ob167/01g – OGH Entscheidung

Entscheidung
27. Februar 2002

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Graf, Dr. Pimmer, Dr. Zechner und Dr. Sailer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M***** Handelsgesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr. Walter Panzer, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei P***** Spolka z organiczona odpowiedzialnoscia, *****vertreten durch Dr. Andrzej Remin, Rechtsanwalt in Wien, wegen Einwendungen gegen den Anspruch nach § 35 EO (Streitwert 1,078 Mio ATS = 78.341,32 Euro) infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 3. April 2001, GZ 46 R 163/01p-9, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichts Döbling vom 8. November 2000, GZ 24 C 12/00m-5, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten des Revisionsverfahrens selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Nach einem mehrjährigen (1.) Schiedsverfahren vor dem Internationalen Schiedsgericht der Wirtschaftskammer Österreich wurde die dort beklagte und nun klagende österr. Gesellschaft mbH (im Folgenden nur klagende Partei) mit Schiedsspruch vom 1. 7. 1997, Zl. SCH-4450, unter Anwendung des vereinbarten österr. Rechts und UN-Kaufrechts dazu verhalten, der dort klagenden und nun beklagten polnischen Gesellschaft (im Folgenden nur beklagte Partei) 75.600 USD samt 5 % Zinsen seit 26. 9. 1991 als Kaufpreis für gelieferte Textilien zu bezahlen. Thema des 1. Schiedsverfahrens waren die im März 1991 abgeschlossenen Verträge zwischen einer näher genannten polnischen Verkäuferin von Textilien und der nun klagenden Partei als Käuferin, die 1991 vorgenommenen Warenlieferungen an rumänische Abnehmer, die nicht rechtzeitig und ordnungsgemäß erfolgten Mängelrügen - wodurch die nun klagende Partei das Recht verlor, sich auf eine Vertragswidrigkeit der Ware zu berufen - sowie die am 7. 6. 1994 erfolgte Zession der Ansprüche der polnischen Verkäuferin an die nun beklagte Partei. Beim obgenannten Schiedsgericht ist ein 2. Schiedsverfahren anhängig, in dem die klagende Partei von der im 1. Schiedsverfahren erfolgreichen Partei Zahlung von 106.000 USD samt 5 % Zinsen seit 1. 10. 1991 wegen behaupteter Mängel der gelieferten Textilien aus dem Titel des Schadenersatzes begehrt. Aufgrund des Schiedsspruchs im 1. Schiedsverfahren bewilligte das Exekutionsgericht der nun beklagten Partei mit Beschluss vom 17.5.2000 die Fahrnisexekution zur Hereinbringung einer Forderung von 1,078 Mio ATS sA gegen die nun klagende Partei. Anlässlich des Vollzugsversuchs in den Räumen der nun klagenden Partei wurde keine Pfändung von Fahrnissen vorgenommen, weil deren Wert voraussichtlich die Verfahrenskosten nicht übersteige.

Die klagende Partei begehrte mit ihrer am 8.9.2000 eingebrachten Klage das Urteil, die Fahrnisexekution sei - gemäß § 36 EO - unzulässig, das Exekutionsverfahren werde mit Rechtskraft des Urteils eingestellt. Denn beim Schiedsgericht sei ein 2. Schiedsverfahren anhängig, in dem sie von der beklagten Partei Zahlung von 106.000 USD samt 5 % Zinsen seit 1. 10. 1991 begehre. Der damit geltend gemachte Betrag, welcher einen aus den Geschäftsbeziehungen der Streitteile herrührenden Schadenersatzanspruch der klagenden Partei betreffe, welcher nach der Erwirkung des Titels entstanden sei, übersteige den in Exekution gezogenen Betrag. Im Falle des Obsiegens der klagenden Partei entstünde eine kompensable, die in Exekution gezogene Forderung übersteigende Gegenforderung.

Die beklagte Partei wendete ein, nach den Behauptungen der klagenden Partei sei die Gegenforderung bereits 1991, somit lange vor dem der Exekution zugrundeliegenden Exekutionstitel entstanden. Die klagende Partei replizierte, bei ihrer Gegenforderung handle es sich um eine Forderung, die "erst durch Festsetzung der Forderung von

75.600 USD aus dem Rahmenverhältnis und dessen exekutive Geltendmachung entstanden" sei. Die klagende Partei sei am 1. 2. 1999 von dem im März 1991 mit der polnischen Verkäuferin abgeschlossenen Rahmenvertrag für den Fall zurückgetreten, dass der Vertrag auch innerhalb der bis 10. 12. 1999 gesetzten Nachfrist nicht ordnungsgemäß erfüllt werde. Für den Fall der Nichterfüllung werde der Ersatz des der klagenden Partei daraus entstandenen Schadens gefordert, dass sie bestehende Lieferverträge mit ihren Abnehmern in Rumänien nicht habe erfüllen können.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab, weil die klagende Partei im 2. Schiedsverfahren eine Gegenforderung geltend mache, die vor Erwirkung des Exekutionstitels entstanden sei. Weder könne eine solche Forderung mit Oppositions- oder Impugnationsklage geltend gemacht noch mit einer nicht auf den Rechtsweg gehörigen Gegenforderung - hier einer solchen, für die ein Schiedsgericht vereinbart worden sei - aufgerechnet werden.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil. Es billigte die Rechtsansicht des Erstgerichts; aus dem Vorbringen der klagenden Partei im 2. Schiedsverfahren ergebe sich, dass sie die von ihr geltend gemachte Schadenersatzforderung bereits im Titelverfahren hätte geltend machen können; ein Oppositionsgrund liege daher nicht vor. Die Bejahung der Zulässigkeit der Geltendmachung der Aufrechnung im Oppositionsprozess würde zu einer nicht zu vertretenden Doppelgleisigkeit zu dem bereits anhängigen Schiedsverfahren führen.

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentliche Revision der klagenden Partei ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Die klagende Partei macht die Aufrechnung mit einer Gegenforderung ungeachtet der Zitierung des § 36 EO als Oppositionsgrund iSd § 35 EO (vgl dazu zuletzt 3 Ob 172/00s = JBl 2002, 45 mwN) geltend. Nach dieser Bestimmung kann die verpflichtete Partei Einwendungen gegen den Anspruch erheben, sofern diese auf den Anspruch aufhebenden oder hemmenden Tatsachen beruhen, die erst nach Entstehung des diesem Verfahren zu Grunde liegenden Exekutionstitels eingetreten sind. Wenn aber der Exekutionstitel in einer gerichtlichen Entscheidung besteht, ist der Zeitpunkt maßgebend, bis zu welchem der Verpflichtete von den bezüglichen Tatsachen im vorausgegangenen gerichtlichen Verfahren wirksam Gebrauch machen konnte. Dass auch schiedsgerichtliche Entscheidungen als gerichtliche Entscheidungen zu beurteilen sind, ergibt sich aus der Entscheidung 3 Ob 172/00s. Handelt es sich aber beim Exekutionstitel um eine gerichtliche Entscheidung, dann ist für die Entstehung der Oppositionsklagegründe der Zeitpunkt maßgebend, ab dem der Verpflichtete die entsprechenden Tatsachen im Titelverfahren nicht mehr geltend machen konnte. Da sich die hier erhobene Gegenforderung inhaltlich nicht gegen die nun beklagte Zessionarin, sondern gegen die polnische Verkäuferin als Zedentin richtet, sind im vorliegenden Fall rechtlich zwei Varianten denkbar:

Entweder hätte die klagende Partei in Übereinstimmung mit den Vorinstanzen ihre Gegenforderung im 1. Schiedsverfahren geltend machen können, wofür auch sprechen mag, dass sie Zinsen bereits seit 1. 1. 1991 begehrt. In diesem Fall muss das Klagebegehren daran scheitern, dass nach stRsp (SZ 70/132 mwN uva) und einem Teil der Lehre die Aufrechnung mit einer Gegenforderung nur dann einen Oppositionsklagegrund darstellt, wenn deren Geltendmachung im Titelprozess aus objektiven Gründen (noch) nicht möglich war, wenn also etwa die Aufrechnungslage erst nach dem gemäß § 35 Abs 1 EO maßgebenden Zeitpunkt eingetreten ist. Kann hingegen die Aufrechnung bereits im Titelprozess eingewendet werden, kann sie mit Oppositionsklage nicht mehr geltend gemacht werden. Begründet wird dies vor allem mit dem Normzweck des § 35 EO, mit der materiellen Rechtskraft des Titelurteils und deren Präklusionswirkung, aber auch mit Möglichkeit einer mutwilligen Verschleppung der Exekutionsführung durch den Schuldner. Der erkennende Senat sieht auch in Kenntnis der jüngsten, diese Rsp ablehnenden Kommentarmeinungen von Jakusch (in Angst, EO § 35 Rz 56) und Dullinger (aaO § 35 Rz 37 ff mwN) keinen Anlass, von seiner stRsp abzugehen.

Oder es ist in Übereinstimmung mit dem Prozessvorbringen und dem auch nunmehrigen Standpunkt des Rechtsmittelwerbers die Gegenforderung erst 1999 entstanden. In diesem Fall müsste das Klagebegehren an folgenden Erwägungen scheitern: Die beklagte Partei obsiegte im 1. Schiedsverfahren, weil sie Zessionarin in Ansehung der ihr abgetretenen Kaufpreisansprüche der polnischen Verkäuferin war, und nicht weil sie eigene Ansprüche gegen die nun klagende Partei hatte. Da durch die Zession die Rechtsposition des Schuldners nicht verschlechtert werden darf (§ 1394 ABGB), behält er gemäß § 1396 ABGB alle Einwendungen gegen den Zedenten. Diese müssen allerdings vor der Abtretung bereits entstanden sein (§ 1442 ABGB). Somit kann der Schuldner auch mit Forderungen aufrechnen, wenn sie ihm zur Zeit der Abtretung bereits entstanden waren (SZ 56/190; 3 Ob 520/93, 7 Ob 313/97y; RIS-Justiz RS0032787; Rummel in Rummel2, § 1442 ABGB Rz 2; Honsell/Heidinger in Schwimann2 § 1442 ABGB Rz 2). Da nach den Feststellungen des Erstrichters im vorliegenden Fall die wirksame Zession bereits 1994 erfolgte, kann die nun klagende Partei ihren nun behaupteten Anspruch nur gegen die polnische Verkäuferin erheben, ist doch ihre nunmehrige Gegenforderung erst nach dem gemäß § 1442 ABGB für die Aufrechnung maßgebenden Zeitpunkt entstanden. Nach stRsp kann der Zessus gegenüber dem Zessionar auch mit Gegenforderungen aufrechnen, bei denen im Zeitpunkt der Abtretung bzw der Verständigung des Zessus hievon noch nicht alle Erfordernisse der Aufrechenbarkeit vorgelegen, mit Forderungen also, die etwa in diesem Zeitpunkt erst bedingt entstanden gewesen sind (JBl 1987, 183; SZ 63/65, SZ 69/57 u.a.; RIS-Justiz RS0032790). Allein dazu hat die klagende Partei nichts vorgetragen.

Auf die Frage, ob die Vereinbarung eines Schiedsgerichts für eine zur Begründung von Einwendungen gegen den Anspruch nach § 35 EO herangezogene Gegenforderung ihrer Geltendmachung mit Oppositionsklage entgegensteht oder nicht, kommt es dann nicht mehr an. Festzuhalten bleibt, dass der Oberste Gerichtshof in der - freilich kein Oppositionsverfahren betreffenden - Entscheidung 1 Ob 711/89 (= SZ 63/201 = EvBl 1991/44 = ecolex 1991, 312; RIS-Justiz RS0033744) mit eingehender Begründung unter Ablehnung der bisherigen Rsp erkannte, es stehe die Vereinbarung eines Schiedsgerichts der einredeweisen Geltendmachung einer Gegenforderung im ordentlichen Verfahren nicht entgegen.

Der Revision ist nicht Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 50 und 40 ZPO. Die beklagte Partei beteiligte sich nicht am Revisionsverfahren.