JudikaturJustiz2Ob90/19b

2Ob90/19b – OGH Entscheidung

Entscheidung
27. August 2019

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Veith als Vorsitzenden und den Hofrat Dr. Musger, die Hofrätin Dr. Solé und die Hofräte Dr. Nowotny und Mag. Pertmayr als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach dem am 25. Juli 2012 verstorbenen F***** W*****, zuletzt *****, wegen Feststellung des Erbrechts zwischen den Antragstellern 1. Verlassenschaft nach Mag. T***** W*****, zuletzt *****, vertreten durch die erbantrittserklärten Erben mj L***** W***** und mj A***** W*****, beide *****, beide gesetzlich vertreten durch Univ. Prof. Dr. Michael Enzinger, Rechtsanwalt in Wien, 2. mj L***** W*****, 3. mj A***** W*****, beide *****, beide gesetzlich vertreten durch Univ. Prof. Dr. Michael Enzinger, Rechtsanwalt in Wien, sowie 4. A***** G*****, vertreten durch Gibel Zirm Rechtsanwälte GmbH Co KG in Wien, über den Revisionsrekurs des Zweitantragstellers und der Drittantragstellerin gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 12. März 2019, GZ 44 R 71/19w 446, mit welchem der Beschluss des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 2. Jänner 2019, GZ 9 A 203/12a 417, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

A. Der Schriftsatz der Viertantragstellerin vom 11. Juni 2019 wird zurückgewiesen.

B. Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben. Die Rücknahme des Rekurses gegen den Beschluss des Erstgerichts wird zur Kenntnis genommen.

Die Viertantragstellerin hat die Kosten der Revisionsrekursbeantwortung selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Im Verlassverfahren nach dem 2012 verstorbenen Erblasser gaben die Verlassenschaft nach der Witwe (Erstantragstellerin) und die Kinder des Erblassers (Zweitantragsteller und Drittantragstellerin) aufgrund eines Testaments vom 20. Juli 2012 zu je einem Drittel des Nachlasses Erbantrittserklärungen ab. Die Schwester des Erblassers (Viertantragstellerin) gab aufgrund des Gesetzes eine Erbantrittserklärung zum gesamten Nachlass ab.

Im darauf folgenden Verfahren über das Erbrecht wies das Erstgericht die Erbantrittserklärungen der Erstantragstellerin, des Zweitantragstellers und der Drittantragstellerin ab und stellte aufgrund des Gesetzes das Erbrecht der Viertantragstellerin zum gesamten Nachlass fest.

Gegen diesen Beschluss erhoben (nur) der Zweitantragsteller und die Drittantragstellerin einen Rekurs , mit dem sie die Feststellung ihres Erbrechts je zum halben Nachlass anstrebten.

Das Rekursgericht gab diesem Rekurs mit Beschluss vom 12. März 2019 nicht Folge, sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige, und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs zu. Aufgrund eines Aktenvermerks des Vorsitzenden des Rekurssenats steht fest, dass die Urschrift der Entscheidung am 15. März 2019 um etwa 10 Uhr der Geschäftsabteilung zur Ausfertigung übergeben wurde.

Bereits am 14. März 2019 hatte der Vertreter der Rekurswerber den Rekurs mit einem im Elektronischen Rechtsverkehr an das Erstgericht gerichteten Schriftsatz zurückgezogen . Am 15. März 2019 hatte das Erstgericht die Weiterleitung dieses Schriftsatzes an das Rekursgericht verfügt, und zwar wiederum im Elektronischen Rechtsverkehr „mit Fax voraus“. Das Telefax langte beim Rekursgericht am selben Tag um 9:13 Uhr ein, die elektronische Eingabe ebenfalls am selben Tag zu einem nicht feststellbaren Zeitpunkt. Infolge der im Pflegschaftsverfahren der Kinder am 25. Juli 2019 zu 2 Ob 110/19v ergangenen Entscheidung steht rechtskräftig fest, dass die Rückziehung des Rekurses keiner pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung bedurfte.

Mit ihrem Revisionsrekurs machen die Rechtsmittelwerber primär die Nichtigkeit der Rekursentscheidung geltend. Zufolge Rückziehung des Rekurses sei der erstgerichtliche Beschluss zu einem Zeitpunkt rechtskräftig geworden, als das Rekursgericht noch nicht an seine Entscheidung gebunden gewesen sei. Die Rekursentscheidung greife daher in die Rechtskraft des erstgerichtlichen Beschlusses ein. Hilfsweise bekämpfen die Rechtsmittelwerber die Entscheidung auch in der Sache.

Die Viertantragstellerin beantragt in der Revisionsrekursbeantwortung , das Rechtsmittel nicht zuzulassen, hilfsweise ihm nicht Folge zu geben. Zur behaupteten Nichtigkeit bringt sie vor, dass die Rücknahme des Rekurses wegen fehlender pflegschaftsgerichtlicher Genehmigung unwirksam gewesen sei. Zudem sei für Rechtzeitigkeit der Rücknahme die Kenntnis des Senatsvorsitzenden und nicht das Einlangen beim Rekursgericht maßgebend. Mit einem weiteren an den Obersten Gerichtshof gerichteten Schriftsatz vom 11. Juni 2019 legte sie eine im Pflegschaftsverfahren der Kinder ergangene Entscheidung vor und erstattete dazu ein die Rechtsmittelbeantwortung ergänzendes Vorbringen.

Rechtliche Beurteilung

A. Der Schriftsatz vom 11. Juni 2019 ist zurückzuweisen .

Auch im Außerstreitverfahren steht jeder Partei nur eine einzige Rechtsmittelschrift oder Rechtsmittelgegenschrift zu (RS0007007 [T22]). Die mit einer Urkundenvorlage verbundene Ergänzung der Revisionsrekursbeantwortung ist daher unzulässig.

B. Der Revisionsrekurs ist zulässig und im Sinn des Hauptantrags berechtigt .

1. Ein Rechtsmittel kann auch im Außerstreitverfahren zurückgenommen werden, wobei die Bestimmungen über die Rücknahme der Berufung analog anzuwenden sind (RS0110466). Findet keine mündliche Verhandlung statt, dann muss die Zurücknahme des Rechtsmittels beim Rechtsmittelgericht noch vor dem Zeitpunkt eintreffen, in dem der Rechtsmittelsenat seine Entscheidung der Geschäftsstelle zur Ausfertigung übergeben hat (RS0104364 [T2]; G. Kodek in Gitschthaler/Höllwerth , AußStrG § 54 Rz 9; vgl auch Zechner in Fasching/Konecny 2 § 504 ZPO Rz 27). Denn erst zu diesem Zeitpunkt ist das Gericht an seine Entscheidung gebunden (§ 416 Abs 2 ZPO, § 40 AußStrG). Entgegen der in der Rechtsmittelbeantwortung vertretenen Auffassung ist die Kenntnis des Senatsvorsitzenden unerheblich: Zufälliges Liegenbleiben oder auch Organisationsmängel im Rechtsmittelgericht können nicht dazu führen, dass eine dort wirksam eingelangte Eingabe unerheblich wäre. Ist die Rücknahme wirksam, tritt sofort Rechtskraft ein (RS0110466); die Rücknahme ist mit deklarativem Beschluss zur Kenntnis zu nehmen (RS0110466 [T6]).

2. Im vorliegenden Fall ist das Telefax mit der Rechtsmittelrücknahme vor der Abgabe der Urschrift zur Ausfertigung beim Rechtsmittelgericht eingelangt. Da das Original im Elektronischen Rechtsverkehr folgte (vgl 6 Ob 277/07i) und inzwischen rechtskräftig feststeht, dass die Rücknahme keiner pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung bedurfte, wurde der Beschluss des Erstgerichts damit rechtskräftig. Die dennoch ausgefertigte Rekursentscheidung leidet daher unter dem Mangel des § 66 Abs 1 Z 1 iVm § 56 AußStrG. Der angefochtene Beschluss ist aus diesem Grund aufzuheben, und die Rücknahme des Rekurses ist mit deklarativem Beschluss zur Kenntnis zu nehmen. Eine Kostenentscheidung ist darin nicht zu treffen (8 Ob 92/12f vom 29. April 2013).

3. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsrekursverfahrens gründet sich auf § 78 iVm § 185 AußStrG. Die Viertantragstellerin ist in diesem Verfahren unterlegen und hat daher ihre Kosten selbst zu tragen. Die Rechtsmittelwerber haben keine Kosten verzeichnet.