JudikaturJustiz2Ob7/23b

2Ob7/23b – OGH Entscheidung

Entscheidung
21. März 2023

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Grohmann als Vorsitzende sowie die Hofräte Dr. Nowotny, Hon. Prof. PD Dr. Rassi, MMag. Sloboda und Dr. Kikinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei I*, vertreten durch Mag. Dominik Maringer, Rechtsanwalt in Vöcklabruck, gegen die beklagte Partei I*, vertreten durch Mag. Christian Ebmer, MBA, Rechtsanwalt in Linz, wegen 47.055,36 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 4. November 2022, GZ 2 R 147/22h 65, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichts Wels vom 11. August 2022, GZ 5 Cg 61/20z 59, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 2.226,78 EUR bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung (darin enthalten 371,13 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

[1] Gegenstand des Verfahrens ist ein Schadenersatzanspruch gegen den Beklagten als gerichtlich bestellten Sachverständigen im Verfahren * des Erstgerichts (in der Folge: Vorprozess).

[2] Im Vorprozess wies das Berufungsgericht das auf Wandlung gestützte Zahlungsbegehren von 20.957,60 EUR sA mit der Begründung ab, dass die vom (nunmehr beklagten) Sachverständigen vorgenommene Messung keine Überschreitung des Grenzwerts für den Geräuschpegel der Luft-Wasser-Wärmepumpe zeige, sodass die Anlage nicht mangelhaft sei. Der Kläger zahlte dem Gegner im Vorprozess insgesamt 11.807,40 EUR an Kosten und hatte darüber hinaus die Kosten des eigenen Rechtsanwalts von 14.290,36 EUR zu tragen.

[3] Die im Schlafzimmer des Klägers montierte Anlage entspricht tatsächlich nicht dem Stand der Technik, weil sie bei normgerechter Messung die Schall-Grenzwerte von 25 dB mit 33 bis 34 dB deutlich überschreitet. Die vom Beklagten im Vorprozess vorgenommene Messung erfolgte nicht bei Normbedingungen. Hätte der Beklagte im Vorprozess ein richtiges Gutachten erstattet, wäre der Klage im Vorprozess stattgegeben worden.

[4] Das Erstgericht gab dem auf Zahlung von 47.055,36 EUR sA an Schadenersatz gerichteten Klagebegehren statt. Das fehlerhafte Gutachten des Beklagten sei kausal für den Ausgang des Vorprozesses gewesen. Ein Benützungsentgelt müsse sich der Kläger nicht anrechnen lassen.

[5] Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und ließ die ordentliche Revision zu. Die Verrechnung von Benützungsentgelt für eine nicht ordnungsgemäß funktionierende Anlage erscheine nicht sachgerecht. Die durch zahlreiche gescheiterte Verbesserungsversuche längere Benützungsdauer der Sache könne dem Gewährleistungsberechtigten nicht zum Nachteil gereichen.

[6] Die ordentliche Revision sei zur Frage zulässig, ob die durch erfolglose Verbesserungsversuche herbei geführte längere Benützungsdauer der Sache im Fall einer Wandlung einen Anspruch auf Zahlung von Benützungsentgelt auslöse.

[7] Dagegen richtet sich die Revision des Beklagten mit dem Antrag, das Berufungsurteil im klagsabweisenden Sinn abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

[8] Der Kläger beantragt, die Revision mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

[9] Die Revision ist – entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) Ausspruch des Berufungsgerichts – nicht zulässig , weil keine Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO zu beantworten ist.

[10] 1. Ein gerichtlich bestellter Sachverständiger, der in einem Zivilprozess schuldhaft ein unrichtiges Gutachten abgibt, haftet den Prozessparteien gegenüber für die Folgen dieses Versehens. Ob einer Prozesspartei durch ein solches schuldhaftes Fehlverhalten des Sachverständigen ein Schaden entstanden ist, ist danach zu beurteilen, ob die Entscheidung im Vorprozess für sie günstiger ausgefallen wäre, wenn der Sachverständige dort ein in allen von ihm begutachteten Fragen richtiges Gutachten abgegeben hätte. Ob das Gericht eine andere oder die gleiche Sachentscheidung getroffen hätte, betrifft die Beurteilung der natürlichen Kausalität des Fehlverhaltens des Sachverständigen für den der Prozesspartei entstandenen Schaden und somit eine Tatsachenfrage (RS0026360 [insb auch T2, T15]). Zur Beurteilung der Frage, ob die Unrichtigkeit des Gutachtens ausschlaggebend für die die Prozesspartei beschwerende Entscheidung war, ist nicht zu prüfen, wie die in Frage stehende unter Mitwirkung des Sachverständigen zustande gekommene gerichtliche Entscheidung richtig zu lauten gehabt hätte. Entscheidend ist allein, welchen Einfluss ein sachlich richtiges Gutachten des Sachverständigen auf die Entscheidung gehabt hätte (3 Ob 258/15k Punkt 1. mwN).

[11] Die Vorinstanzen sind davon ausgegangen, dass der Kläger bei richtiger Gutachtenserstattung durch den Beklagten im Vorprozess obsiegt hätte. An diese als Tatsachenfeststellung zu wertende Beurteilung der natürlichen Kausalität ist der Oberste Gerichtshof gebunden, sodass auf die Revisionsausführungen zu den dieser Tatfrage vorgelagerten Rechtsfragen – wie etwa das behauptete Vorliegen eines geringfügigen Mangels iSd § 932 Abs 4 ABGB – nicht einzugehen ist.

[12] Da das Berufungsgericht in diesem Zusammenhang überhaupt keinen Bezug auf das bloß reduzierte Beweismaß der überwiegenden Wahrscheinlichkeit nahm, stellt sich die in der Revision aufgeworfene Frage nach der Zulässigkeit der Heranziehung eines reduzierten Beweismaßes nicht.

[13] 2. Den für die Prüfung der Frage, ob dem Beklagten als Sachverständigen ein schuldhaftes und rechtswidriges Fehlverhalten angelastet werden kann, maßgeblichen Inhalt des Gutachtensauftrags im Vorprozess (vgl RS0026524 [T6]) hat das Berufungsgericht dem im Beweisverfahren verwerteten Beiakt entnommen (RS0121557 [T5, T9]), sodass der gerügte sekundäre Feststellungsmangel nicht vorliegt.

[14] 3. Der Bemessung des vom Beklagten zu ersetzenden Schadens ist der hypothetische Prozessausgang des Vorprozesses bei Vorliegen eines richtigen Gutachtens zugrunde zu legen (7 Ob 69/10p mwN). Der Schaden ist durch eine Differenzrechnung zu ermitteln; es ist zunächst der hypothetische heutige Vermögensstand ohne das schädigende Ereignis zu ermitteln und von diesem Betrag der heutige tatsächliche Vermögenswert abzuziehen (RS0030153). Der Geschädigte soll nicht mehr und nicht weniger als die erlittenen Nachteile ersetzt erhalten (vgl RS0023600 [T10]).

[15] 3.1. Der Beklagte strebt in erster Linie die Berücksichtigung eines Benützungsentgelts an, weil der Kläger die (wenn auch mangelhafte) Anlage seit Jahren verwende.

[16] Der in diesem Vorbringen liegende Einwand der Bereicherung muss so hinreichend konkretisiert und beziffert werden, dass ihn das Gericht – im Weg der prozessualen Aufrechnung – berücksichtigen kann (10 Ob 2/23a Rz 85 mwN). Diesen Anforderungen genügen die Ausführungen des Beklagten zum Benützungsentgelt nicht, womit bereits das Berufungsgericht (unter anderem) die Ablehnung der Zuerkennung eines Benützungsentgelts begründet hat, ohne dass der Beklagte diese selbständig tragfähige Hilfsbegründung in der Revision als unrichtig oder als unzulässige Überraschungsentscheidung beanstandet hätte.

[17] 3.2. Schon aus diesem Grund haben die Vorinstanzen die Berücksichtigung eines Benützungsentgelts im vorliegenden Fall vertretbar unterlassen, sodass es auf die vom Berufungsgericht als erheblich bezeichnete Rechtsfrage nicht entscheidend ankommt.

[18] 3.3. Soweit der Beklagte in der Revision argumentiert, dass – offenkundig zusätzlich zum Benützungsentgelt, das allerdings die durch den Gebrauch eingetretene Wertminderung ausgleichen soll (8 Ob 300/98w), – auch der durch den zwischenzeitlichen Gebrauch eingetretene Wertverlust zu berücksichtigen ist, handelt es sich um eine unzulässige Neuerung, hat der Beklagte doch im erstinstanzlichen Verfahren lediglich kursorisch darauf verwiesen, dass der Schaden nur in einem im Vorprozess allenfalls zu Recht bestehenden Wandlungsbegehren bestehen könne. Zur damit im Ansatz angesprochenen Frage der Rückabwicklung Zug um Zug hat der Beklagte in der Revision klargestellt, eine solche nicht anzustreben, sodass sich nähere Ausführungen dazu erübrigen.

[19] 4. Insgesamt war die Revision damit zurückzuweisen.

[20] 5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 iVm § 50 ZPO. Der Kläger hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.

Rechtssätze
4