JudikaturJustiz2Ob655/86

2Ob655/86 – OGH Entscheidung

Entscheidung
30. September 1986

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Scheiderbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kralik, Dr.Melber, Dr.Huber und Dr.Egermann als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach der am 2.August 1984 verstorbenen Leopoldine S***, Hausfrau, zuletzt wohnhaft gewesen in Mitterberg 10, 4690 Schwanenstadt, infolge Revisionsrekurses der erbl.Kinder 1. Theresia B***, Hausfrau, 4690 Niederholzham 49,

2. Dr.Josef Strobl, Physiker, Heinrich Vogl-Straße 29, D-8000 München, 3. Alois S***, Schlosser, 4690 Mühlwang 63, alle vertreten durch Dr.Peter Franzmayr, Rechtsanwalt in Vöcklabruck, gegen den Beschluß des Kreisgerichtes Wels als Rekursgerichtes vom 12. März 1986, GZ. R 112,113/86-59, womit der Beschluß und die Einantwortungsurkunde des Bezirksgerichtes Schwanenstadt vom 6. Dezember 1985, GZ. A 137/84-48 und 49, aufgehoben wurden, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Leopoldine S*** hinterließ acht eheliche Kinder, und zwar Franz S***, Leopoldine L***, Dr.Josef S***, Theresia B***, Marianne K***, Hedwig K***, Johann S*** und Alois S***. Johann S*** verzichtete vertraglich auf sein gesetzliches Erb- und Pflichtteilsrecht. Die Erblasserin verfaßte im Lauf der Zeit vier letztwillige Verfügungen; die beiden zuletzt errichteten stammen vom selben Tag und haben folgenden gleichen Wortlaut:

Mein letzter Wille! am 10.8.1983

Ich Unterfertigte verfüge mit diesem eigenhändig geschriebenen Testament, daß im Falle meines Ablebens mein Besitz in Mitterberg 10, Gemeinde Rüstorf, Grundbuch Mitterberg Stürzenbarthaus am Berg, meinen Sohn Franz S***, geboren am 30.10.1933, als Erben für mein Gut einsetze. Er muß den Geschwistern S 30.000 zahlen. Johann und Alois haben die S 30.000 schon erhalten. Alois ist sonst noch mehr schuldig. Schuldschein liegt auf. Das Geld soll zum Begräbnis, Heilige Messen und gute Werke genommen werden. Das Gut darf auf keinen Fall verkauft werden.

Sollte mein Erbe aus irgendwelchem Grund das Gut nicht antreten wollen, so setze ich als Ersatzerbin meine Tochter Marianne K***, geboren am 11.7.1939, Pfaffenberg, mit den gleichen Bedingungen ein.

Das ist mein Testament und Wille.

Eigenhändige Unterschrift

S*** Leopoldine, Mitterberg 10, Rüstorf".

Am 16.10.1984 fand bei dem zum Gerichtskommissär bestellten öffentlichen Notar Dr.Wolfgang S*** in Schwanenstadt eine Tagsatzung statt, bei der für Josef S*** ein Notar als Vertreter erschien, die übrigen sieben Kinder waren persönlich anwesend. Das Protokoll enthält unter anderem folgendes:

"Es wird weiters festgestellt, daß die vorangeführten letztwilligen Anordnungen, je vom 10.8.1983, eine Erbseinsetzung nicht enthalten, sodaß die gesetzliche Erbfolge eintritt, nach welcher unter Berücksichtigung auf den vorbezeichneten Erb- und Pflichtteilsrechtsverzicht, die sieben erblasserischen Kinder Franz S***, Leopoldine L***, Dr.Josef S***, Theresia B***, Marianne K***, Hedwig K*** und Alois S*** je zu einem Siebentel des Nachlasses zu Erben berufen erscheinen. Nach eingehender Belehrung über die Wirkungen und Folgen der bedingten und unbedingten Erbserklärungen geben die sieben erblasserischen Kinder Franz S***, Leopoldine L***, Dr.Josef S***, Theresia B***, Marianne K***, Hedwig K*** und Alois S*** auf Grund des Gesetzes zu je einem Siebentel des Nachlasses die unbedingten Erbserklärungen ab und berufen sich zum Erbrechtsausweis auf die Aktenlage". Im Protokoll ist weiters ein Übereinkommen über die Erbteilung festgehalten, nach welchem Franz S*** das gesamte Nachlaßvermögen übernimmt und den anderen sechs Erben Erbteilungsforderungen von je S 79.500 bezahlt. Dieses Protokoll wurde außer vom Gerichtskommissär von Franz S***, Hedwig K***, Leopoldine L*** und Marianne K*** unterschrieben.

Dr.Josef S***, Theresia B*** und Alois S*** gaben am 6.11.1984 beim Verlassenschaftsgericht zu Protokoll, sie hätten das vom Gerichtskommissär am 16.10.1984 errichtete Protokoll wegen zahlreicher Unklarheiten nicht unterschrieben und beantragen daher Inventarisierung und Schätzung des Nachlasses.

Nach deren Durchführung fand am 19.11.1985 neuerlich eine Tagsatzung vor dem Gerichtskommissär statt, bei der Hedwig K*** durch Marianne K*** vertreten wurde, während die übrigen sieben Kinder der Erblasserin persönlich anwesend waren. Es wurde protokolliert, daß nach eingehender Rechtsbelehrung über die Wirkungen und Folgen der bedingten und unbedingten Erbserklärungen die Kinder der Erblasserin (abgesehen von Johann S***) zu je einem Siebentel des Nachlasses die bedingte Erbserklärung abgeben, daß sie ferner erklären, die ihnen in den letztwilligen Anordnungen ausgesetzten Vermächtnisse nicht annehmen und das gesamte Nachlaßvermögen gleichteilig in ihr Eigentum übernehmen zu wollen. Franz S***, Leopoldine L*** und Marianne K***

(diese auch als Machthaberin von Hedwig K***) weigerten sich, dieses Protokoll zu unterfertigen.

Das Erstgericht nahm die von den erblasserischen Kindern Franz S***, Leopoldine L***, Dr.Josef S***, Theresia B***, Marianne K***, Hedwig K*** sowie Alois S*** auf Grund des Gesetzes zu je einem Siebentel des Nachlasses abgegebenen bedingten Erbserklärungen zu Gericht an und erließ die Einantwortungsurkunde.

Das Rekursgericht hob den Beschluß und die Einantwortungsurkunde auf und verwies die Abhandlungssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurück. Da das Protokoll, nach welchem sieben Kinder der Erblasserin die unbedingte Erbserklärung abgaben, nur vier der Kinder unterschrieben hätten, das Protokoll, nach welchem sieben Kinder die bedingte Erbserklärung abgaben, aber nur die anderen drei, lägen vier unbedingte und drei bedingte Erbserklärungen zu je einem Siebentel des Nachlasses vor, weshalb die Annahme von sieben bedingten Erbserklärungen weder dem Gesetz noch der Aktenlagen entspreche. Daneben sei wesentlich, wie die letztwillige Verfügung vom 10.8.1983 zu qualifizieren sei. Der Umstand, daß die letztwillige Verfügung keine Erbseinsetzung enthalte, spreche noch nicht mit Sicherheit dagegen, daß es sich um kein Testament handle. Werde über den wesentlichen Teil des Vermögens verfügt, so sei die letztwillige Verfügung als Testament anzusehen, insbesondere dann, wenn der vermutete Wille des Erblassers so zu deuten sei, daß er dem Begünstigten einen direkten Zugriff auf das Vermögen gewähren und ihn nicht bloß mit seinen Ansprüchen an die Erben verweisen wollte. Die Verfügung, Franz S*** solle das Gut erhalten und den Geschwistern S 30.000 zahlen, könne nur so verstanden werden, daß Franz S*** Erbe des Nachlasses sei und nicht bloß Legatar der Liegenschaft. Die letztwillige Verfügung vom 10.8.1983 stelle demnach ein Testament dar, weshalb Franz S*** Testamentserbe und gemäß § 808 ABGB nicht befugt sei, sich auf die gesetzliche Erbfolge zu berufen. Eine Erbserklärung auf Grund des Gesetzes hätte er nur bei gleichzeitiger Bestreitung der Gültigkeit des Testaments abgeben dürfen. Da er die Gültigkeit des Testaments nicht bestritten habe, hätte seine unbedingte Erbserklärung zu einem Siebentel des Nachlasses auf Grund des Gesetzes nicht angenommen werden dürfen. Der Testamentserbe hätte über seine Rechte belehrt werden und aufgefordert werden müssen, entweder auf Grund des Testamentes die Erbserklärung zum gesamten Nachlaß abzugeben oder seine Ansprüche auf den Pflichtteil zu beschränken. Da der Testamentserbe Franz S*** im gesamten bisherigen Verfahren nur als gesetzlicher Erbe behandelt worden und über seine Rechte und Pflichten als Testamentserbe nicht belehrt worden sei - insbesondere auch nicht darüber, daß er nur auf Grund des Testamentes eine Erbserklärung abgeben könne, widrigenfalls er mit seinen Ansprüchen auf den Pflichtteil beschränkt bleibe - leide das Abhandlungverfahren an einem wesentlichen Mangel, der zu einer Aufhebung des angefochtenen Beschlusses führen müsse. Im fortgesetzten Verfahren werde das Erstgericht die bisher unterlassene Belehrung des Franz S*** über seine Stellung als Testamentserbe durchzuführen und ihn sowie seine Geschwister zur Abgabe entsprechender Erklärungen aufzufordern haben. Sollten im Fall einer Erbserklärung des Testamentserben zum gesamten Nachlaß auf Grund des Testamentes die restlichen sechs Kinder auf ihrem Erbrecht auf Grund des Gesetzes beharren, so werde das Erstgericht diese im Sinne der §§ 125 ff.AußStrG auf den Rechtsweg zu verweisen haben. Sollte Franz S*** hingegen seine auf Grund des Gesetzes abgegebene Erbserklärung aufrecht erhalten, so werde zunächst zu klären sein, ob die Ersatzerbin Marianne K*** die Erbschaft antreten wolle; sollte auch Marianne K*** von ihrer auf Grund des Gesetzes abgegebenen Erbserklärung nicht abgehen, werde die gesetzliche Erbfolge einzutreten haben, wobei allerdings Franz S*** und Marianne K*** mit ihren Ansprüchen auf den Pflichtteil zu beschränken seien. Erst nach Ergänzung des Verfahrens im aufgezeigten Umfang werde das Abhandlungsverfahren zur neuerlichen Entscheidung reif sein.

Gegen den Beschluß des Rekursgerichtes richtet sich der von Theresia B***, Dr.Josef S*** und Alois S*** erhobene Revisionsrekurs, in dem die Wiederherstellung des Beschlusses des Erstgerichtes beantragt wird.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist nicht berechtigt.

Die Rechtsmittelwerber führen aus, auf Grund des Gesetzes seien sieben Erbserklärungen zu je einem Siebentel des Nachlasses ordnungsgemäß abgegeben worden. Die letztwillige Verfügung sei kein Testament, sondern ein Kodizill. Selbst wenn aber auch die Ansicht vertretbar wäre, daß es sich um ein Testament handle, wäre davon auszugehen, daß am 16.10.1984 eine vergleichsweise Einigung dahin erfolgt sei, daß es sich um ein Kodizill handle, weshalb die gesetzliche Erbfolge Platz zu greifen hätte.

Dem ist folgendes entgegenzuhalten:

Zunächst ist darauf hinzuweisen, daß im Abhandlungsverfahren keine Auslegung der letztwilligen Verfügung zu erfolgen hat (EvBl.1972/262; 1 Ob 546/86 ua.). Nach ständiger Rechtsprechung ist eine Erbserklärung nur dann zurückzuweisen, wenn mit Bestimmtheit ausgeschlossen werden kann, daß ein gültiger Erbrechtstitel vorliege (NZ 1978,174 uva.). Eine von Franz S*** auf Grund der letztwilligen Verfügung abgegebene Erbserklärung wäre nicht zurückzuweisen gewesen, weil keinesfalls mit Sicherheit gesagt werden kann, daß sie zu keiner Einantwortung hätte führen können. Die Zuwendung bestimmter Nachlaßgegenstände kann nämlich unter Umständen eine Erbseinsetzung darstellen, und zwar dann, wenn es sich dabei wenigstens um den wesentlichen Teil des Nachlasses handelt (SZ 35/92; EvBl.1973/314; NZ 1972,62; NZ 1981,105; JBl.1984,612 ua.). Die Frage, ob die letztwillige Verfügung als Testament zu verstehen ist, wäre im Streitverfahren zu entscheiden. Den Revisionsrekurswerbern ist wohl zuzugeben, daß darüber auch ein Vergleich geschlossen werden könnte, doch kann im vorliegenden Fall nicht davon ausgegangen werden, daß ein solcher geschlossen wurde. Die Formulierung im Protokoll vom 16.10.1984, "es wird festgestellt, daß die angeführten letztwilligen Anordnungen je vom 10.8.1983 eine Erbseinsetzung nicht enthalten, sodaß die gesetzliche Erbfolge eintritt....", kann nicht als Willenserklärung der anwesenden Kinder der Erblasserin aufgefaßt werden. Offensichtlich handelte es sich hiebei um eine Ansicht des Gerichtskommissärs, die dieser den Anwesenden mitteilte. Daraus, daß der unvertretene rechtsunkundige Franz S*** sodann zu einem Siebentel des Nachlasses auf Grund des Gesetzes die unbedingte Erbserklärung abgab, kann nicht geschlossen werden, daß er mit seinen Geschwistern übereingekommen war, daß es sich um kein Testament handle, zumal er offenbar auf die Möglichkeit, die letztwillige Verfügung könnte so ausgelegt werden, daß er zum Alleinerben eingesetzt wurde, nicht hingewiesen worden war.

Aus diesen Gründen hat das Rekursgericht den erstgerichtlichen Beschluß und die Einantwortungsurkunde mit Recht aufgehoben. Franz S*** wird darüber zu belehren sein, daß die letztwillige Verfügung auch als Testament aufgefaßt werden könnte, in welchem Fall er die Erbserklärung auf Grund des Testamentes abzugeben hätte. Falls Franz S*** nach Rechtsbelehrung der Ansicht wäre, es handle sich um kein Testament, dann stünde einer Annahme einer Erbserklärung auf Grund des Gesetzes nichts im Wege. § 808 ABGB hindert den Testamentserben nämlich nicht, im Falle der Bestreitung der Gültigkeit des Testaments auf Grund des Gesetzes eine Erbserklärung abzugeben (EvBl.1969/301; NZ 1977,139 ua.). Sollte Franz S*** die Ansicht vertreten, bei der letztwilligen Verfügung handle es sich um kein Testament, dann würde er damit das Vorhandensein eines gültigen Testaments bestreiten. Falls Franz S*** nach entsprechender Belehrung diese Meinung vertreten und erklären würde, er berufe sich auf das gesetzliche Erbrecht, dann müßte auch die Ersatzerbin über die mögliche Auslegung der letztwilligen Verfügung belehrt werden. Dem Revisionsrekurs war daher ein Erfolg zu versagen.