JudikaturJustiz2Ob593/90

2Ob593/90 – OGH Entscheidung

Entscheidung
05. September 1990

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kralik als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Vogel, Dr.Melber, Dr.Kropfitsch und Dr.Zehetner als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach der am 18.November 1988 verstorbenen Gerda H***, infolge Revisionsrekurses der Eltern der Verstorbenen Ing.Walter K***, Pensionist, Weilburgstraße 103, 2500 Baden, vertreten durch Dr.Friedrich Fritsch, Rechtsanwalt in Baden, und Margarethe K***, Pensionistin, Ebendorferstraße 10, 1010 Wien, vertreten durch ihren einstweiligen Sachwalter Dipl.Ing.Günther K***, Architekt, Jesuitensteig 14, 1230 Wien, dieser vertreten durch Dr.Wolfgang Lenneis, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien als Rekursgericht vom 5.April 1990, GZ 47 R 66, 257/90, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Döbling vom 7.Dezember 1989, GZ 7 A 270/88-36, bestätigt und der Beschluß des Bezirksgerichtes Döbling vom 2.Jänner 1990, GZ 7 A 270/88-38, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

1. Der Rekurs der Margarethe K*** wird, soweit er sich gegen Punkt a des Beschlusses des Rekursgerichtes richtet (Bestätigung des erstgerichtlichen Beschlusses auf Bestellung eines Verlassenschaftskurators) zurückgewiesen.

2. Im übrigen wird beiden Rekursen nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Gerda H*** hat kein Testament hinterlassen. Auf Grund des Gesetzes gaben der Witwer Josef H*** zu 2/3 und (ohne Anführung von Nachlaßquoten) die Eltern Ing.Walter K*** und Margarethe K*** bedingte Erbserklärungen ab, die zu Gericht angenommen wurden. Über den Antrag des Witwers, ihm die Besorgung und Verwaltung des Nachlasses zu überlassen, wurde noch nicht entschieden. Einem Auftrag, binnen 14 Tagen die Zustimmung der Miterben nachzuweisen, daß ihm allein die Besorgung und Verwaltung des Nachlasses überlassen werden könne, kam der Witwer nicht nach. Mit Beschluß vom 7.Dezember 1989, ON 36, bestellte das Erstgericht Rechtsanwalt Dr.Peter M*** zum Verlassenschaftskurator und trug diesem auf, die Verlassenschaft in den Verfahren 5 C 2334/89y und 5 C 2722/89g dieses Gerichtes (und in den allenfalls anschließenden Exekutionsverfahren) zu vertreten.

Ing.Walter K*** war zu 5 % des Stammkapitals Gesellschafter der Ing.Walter K*** Gesellschaft mbH, hinsichtlich der übrigen 95 % ist die "V***" Vermögensverwaltungen Ing.Walter K*** Gesellschaft mbH Gesellschafter. Alleiniger Gesellschafter dieser Gesellschaft war Ing.Walter K***. Am 1.Dezember 1978 schlossen Ing.Walter K*** und dessen Kinder Erich K***, Dipl.Ing.Günter K*** und Gerda F***, geborene K*** (die Erblasserin) einen als Schenkungsvertrag bezeichneten Notariatsakt, mit dessen Punkt 4. Ing.Walter K*** seine Geschäftsanteile an beiden Gesellschaften seinen drei Kindern "unter folgender Auflage und Bedingung abtrat, daß 1. nach dem Tod seiner drei ehelichen Kinder Erich, Günter und Gerda die Geschäftsanteile auf deren Kinder zu gleichen Teilen als Nacherben übergehen. Sollte eines seiner Kinder ohne leibliche eheliche Kinder sterben, gehen die Geschäftsanteile zu gleichen Teilen an die beiden übrigen Geschwister, welche jeweils Gesellschaftergruppen bilden, bzw. auf deren leibliche eheliche Kinder, als Nacherben, zu gleichen Teilen über.

2. die Ausübung des Stimmrechtes der übetragenen Geschäftsanteile Ing.Walter K***, auf Lebzeiten mit Ausnahme der Mindeststimme gemäß § 39 des Gesetzes über Gesellschaften mit beschränkter Haftung für jeden Geschäftsanteil sowie

3. der Fruchtgenuß an den übetragenen Geschäftsanteilen ihm auf Lebzeiten vorbehalten bleibt.

4. nach seinem Tode seine drei Kinder Direktor Erich K***, Dipl.Ing.Günther K*** und Gerda F***, geb. K***, zu kollektivzeichnungs- und vertretungsbefugten Geschäftsführern bestellt werden, wobei je zwei Geschäftsführer zu zeichnen haben. Seine Tochter Gerda F***, geb. K***, wird nach Ablegung der Fachprüfung für Hausverwalter außerdem gewerberechtlicher Geschäftsführer der Gesellschaft.

5. die Schuld aus den ausstehenden Einlagen auf das Stammkapital der Gesellschaft der "V***" Vermögensverwaltungen Ing.Walter K*** Gesellschaft m.b.H. in Höhe von S 3,675.000,- (Schilling drei Millionen sechshundertfünfundsiebzigtausend) von seinen Kindern zu gleichen Teilen übernommen wird."

Die Schenkung und Übergabe erfolgte mit Wirksamkeit vom 1.Jänner 1979, die drei Kinder nahmen die Schenkung unter den in 4. bedungenen Auflagen dankend an.

Mit Punkt 2. des Beschlusses vom 2.Jänner 1990, ON 38, sprach das Erstgericht aus, daß die Geschäftsanteile an der Ing.Walter K*** Gesellschaft mbH und die Geschäftsanteile an der "V***" Vermögensverwaltungen Ing.Walter K*** Gesellschaft mbH nicht in das Inventar einzubeziehen seien. Das Erstgericht führte aus, im Notariatsakt sei vereinbart worden, daß der Gesellschaftsanteil im Todesfall dem anderen Gesellschafter zufalle. Im gegenständlichen Fall wachse, da die Erblasserin keine Kinder hinterlassen habe, ihr Gesellschaftsanteil mit ihrem Ableben ohne weiteres den beiden übrigen Geschwistern zu, ohne daß es einer Übertragung bedürfte. Der Gesellschaftsanteil sei daher auch nicht in das Inventar aufzunehmen. Gegen den Beschluß ON 36 und Punkt 2. des Beschlusses ON 38 erhob der Witwer Josef H*** Rekurse.

Das Rekursgericht gab mit Punkt a seiner Entscheidung dem gegen den Beschluß ON 36 gerichteten Rekurs nicht Folge, wohl aber mit Punkt b jenem gegen den Beschluß ON 38, hob den Punkt 2. dieses Beschlusses auf und trug dem Erstgricht die Inventarisierung der Geschäftsanteile der Verstorbenen an den Firmen Ing.Walter K*** Gesellschaft mbH und "V***" Vermögensverwaltungen Ing.Walter K*** Gesellschaft mbH auf. Es sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000 übersteige und gegen diesen Beschluß in beiden Punkten der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei.

Das Gericht zweiter Instanz führte aus, aus dem Wortlaut des Notariatsaktes ergebe sich, daß es sich um einen Schenkungsvertrag unter Lebenden handle, die Schenkung und Übergabe mit Wirksamkeit vom 1.Jänner 1979 erfolgt und von den Beschenkten auch angenommen worden sei. Es handle sich somit um eine Schenkung unter Lebenden, durch welche Gerda zuletzt H***, geborene K***, in den Besitz der ihr geschenkten Geschäftsanteile gekommen sei. Die Bestimmung des Weges der Geschäftsanteile nach dem Tod der Beschenkten stelle lediglich eine Auflage dar, die die dadurch begünstigten Personen im Hinblick auf die Ungewißheit des Vorhandenseins ehelicher Kinder im Zeitpunkt des Todes noch nicht konkret anführe. Diese Auflage begründe ein Forderungsrecht, bewirke jedoch keinen Übergang der Geschäftsanteile ipso iure. Die vom Erstgericht zitierte Rechtsmeinung zu § 956 ABGB in Rummel sei auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar, da der vorliegende Vertrag lediglich ein Schenkungsvertrag zwischen Ing.Walter K*** einerseits und seinen Kindern andererseits darstelle, aber keinen Gesellschaftsvertrag, der eine Vereinbarung zwischen den Gesellschaftern über das Zuwachsen des Anteils dem überlebenden Gesellschafter für den Fall des Ablebens eines von ihnen, enthalten würde. Die beiden überlebenden Geschenknehmern komme auch nicht die Rechtsstellung von Nacherben zu, da dem Übergang der Geschäftsanteile nicht eine letztwillige Verfügung, sondern eine Schenkung unter Lebenden zugrundeliege und der Geschenkgeber selbst noch am Leben sei. Für die auf Grund der bedingten Erbserklärungen erforderliche Inventarserrichtung gelte § 97 AußStrG, wonach das Inventar ein genaues und vollständiges Verzeichnis allen beweglichen und unbeweglichen Vermögens, in dessen Besitze sich der Erblasser zur Zeit seines Todes befunden hat, enthalten müsse. Die Frage, ob dem Aktivum der Geschäftsanteile allenfalls als Passivum eine aus dem Schenkungsvertrag resultierende Forderung der Erben gegenüberzustellen sei, berühre nicht das Erfordernis der Aufnahme der Geschäftsanteile in das Inventar.

Sowohl Ing.Walter K*** als auch Margarethe K*** fechten den Beschluß des Rekursgerichtes in seinem Punkt b mit Revisionsrekurs an. Margarethe K*** bekämpft überdies auch den Punkt a des Beschlusses und führt aus, der Beschluß des Erstgerichtes vom 7. Dezember 1989, ON 36, sei ihr nicht zugestellt worden. Zum Revisionsrekurs gegen die Bestellung des Verlassenschaftskurators (Punkt a):

Entgegen der Behauptung der Margarethe K*** wurde ihrem Vertreter Dr.Wolfgang Lenneis der Beschluß ON 36 zugestellt (der die Stampiglie Dr.Wolfgang Lenneis, das Datum 14.12.1989 und eine Unterschrift aufweisende Rückschein über die Zustellung ist auf AS 142 angeheftet). Margarethe K*** hat den ordnungsgemäß zugestellten Beschluß des Erstgerichtes nicht bekämpft, es ist ihr daher verwehrt, insoweit den bestätigenden Beschluß des Rekursgerichtes anzufechten.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der Margarethe K*** war daher, soweit damit die Bestellung des Verlassenschaftskurators bekämpft wurde, zurückzuweisen.

Zu beiden Rekursen hinsichtlich der Aufnahme der Geschäftsanteile in das Inventar (Punkt b):

Bei dem Notariatsakt vom 1.Dezember 1978 handelt es sich um keine Schenkung auf den Todesfall, da die Schenkung und Übergabe mit Wirkung vom 1.Jänner 1979 erfolgte. Die Verwendung des Wortes "Nacherben" im Notariatsakt war verfehlt, weil die Kinder des früheren Gesellschafters nicht im Erbwege, sondern unter Lebenden erworben haben. Die Erblasserin war daher Gesellschafterin (wenn auch die wirtschaftliche Bedeutung dieser Rechtsstellung durch das ihrem Vater vorbehaltene Stimmrecht und Fruchtgenußrecht wesentlich eingeschränkt war), so daß die Geschäftsanteile grundsätzlich in das Inventar aufzunehmen sind.

Zu prüfen ist aber, welche Bedeutung die im Punkt 4. des Notariatsaktes unter 1. angeführte "Auflage und Bedingung" für den Fall des Todes der Kinder des früheren Gesellschafters hat. Es entspricht der Rechtsprechung, daß eine vom Gesellschafter geschlossene Vereinbarung, daß der Gesellschaftsanteil im Fall des Todes eines Gesellschafters dem anderen zufällt, zulässig ist (SZ 23/8, SZ 23/182; 1 Ob 207, 208/72). Mit dem Ableben des einen Gesellschafters wächst dessen Geschäftsanteil ohne weiters dem überlebenden Gesellschafter an, ohne daß es einer Übertragung bedürfte, der Geschäftsanteil ist daher auch nicht in das Inventar aufzunehmen (SZ 23/182; Schubert in Rummel, ABGB, Rz 4 zu § 956). Auch wenn man entgegen der Ansicht des Rekursgerichtes im Sinne der Ausführungen im Revisionsrekurs des Ing.Walter K*** davon ausgeht, daß im Notariatsakt die neuen Gesellschafter eine Vereinbarung für den Fall des Todes eines Gesellschafters getroffen haben, ist für die Rechtsmittelwerber nichts gewonnen. Zu berücksichtigen ist nämlich, daß es sich im vorliegenden Fall um Geschäftsanteile an Gesellschaften mit beschränkter Haftung handelt. Solche Geschäftsanteile sind gemäß § 76 Abs 1 GmbHG übertragbar und vererblich. Die Frage, ob bzw. inwieweit diese Vorschrift Vereinbarungen der Gesellschafter über das Schicksal eines Geschäftsanteiles beim Tod eines Gesellschafters entgegensteht, wird nicht einheitlich beantwortet (so wurde etwa in NZ 1917/75 eine Vereinbarung, daß nach dem Tod des einen Gesellschafters dessen Geschäftsanteil vom anderen übernommen werden solle, als zulässig angesehen, in SZ 5/164 hingegen für unzulässig erklärt). Gellis, Kommentar zum GmbHG2 400 und Reich-Rohrwig, Das österreichische GmbHG-Recht 621 f sehen in § 76 Abs 1 GmbHG kein Hindernis für Vereinbarungen für den Fall des Todes eines Gesellschafters, Kostner, Die Gesellschaft mit beschränkter Haftung 137, bezeichnet - entsprechend SZ 5/164 - die freie Vererblichkeit als zwingendes Recht, auch Rowedder, dGmbHG2 306 f vertritt die Ansicht, die im wesentlichen gleichlautende Bestimmung des § 15 Abs 1 dGmbHG sei unabdingbar, doch bestünden Möglichkeiten einer statutarischen Einflußnahme. Kastner, Gesellschaftsrecht4 316 führt aus, obwohl der Geschäftsanteil übertragbar und vererblich sei, können Aufgriffsrechte für den Todesfall vereinbart werden. Der erkennende Senat vertritt die Ansicht, daß im Hinblick auf die Vorschrift des § 76 Abs 1 GmbHG - auch wenn die Möglichkeit statutarischer Einflußnahme besteht (was hier nicht erörtert werden muß) - eine für den Fall des Todes eines Gesellschafters abgeschlossene Vereinbarung jedenfalls nicht die Wirkung haben kann, daß der Geschäftsanteil mit dem Tod ohne weiteres den überlebenden Gesellschaftern zufällt. Er gehört daher zum Nachlaß und ist in das Inventar aufzunehmen. Welche Bedeutung Punkt 4. des Notariatsaktes hat, ist in der Entscheidung, in welcher lediglich über die Aufnahme in das Nachlaßinventar zu entscheiden ist, die keine über das Verlassenschaftsverfahren hinausgehende Wirkung hat (EFSlg. 47.323, 58.542 uva), nicht zu erörtern.

Die im Revisionsrekurs des Ing.Walter K*** vertretene Ansicht, auch bei Aufnahme in das Inventar hätte gemäß § 104 AußStrG eine Schätzung auf keinen Fall zu erfolgen, kann nicht geteilt werden, denn es handelt sich nicht um eine im Besitz der Erblasserin befindliche fremde Sache, sondern um die Geschäftsanteile der Erblasserin.

Den Revisionsrekursen war daher ein Erfolg zu versagen.