JudikaturJustiz2Ob589/85

2Ob589/85 – OGH Entscheidung

Entscheidung
18. Juni 1985

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Scheiderbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Melber, Dr. Huber und Dr. Egermann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei mj.Helmut Patrick A, geb.29.5.1980, wohnhaft 4311 Schwertberg, Doppel 27, vertreten durch die Bezirkshauptmannschaft Perg, diese vertreten durch Dr. Hermann Löckher, Rechtsanwalt in Perg, wider die beklagte Partei Franz B, Marktfierant, 3601 Dürnstein, Unterloiben 39, vertreten durch Dr.Anton-Heinz Schmidt, Rechtsanwalt in Perg, wegen Vaterschaft und Unterhalt, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 18.Jänner 1985, GZ 14 R 120/84-73, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Perg vom 30.August 1984, GZ C 539/82- 63, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Beklagte hat der klagenden Partei die mit S 3.397,35 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 308,85 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der am 29.5.1980 geborene Kläger behauptet, seine Mutter habe innerhalb der für seine Empfängnis vermuteten, vom 1.8.1979 bis zum 1.12.1979 laufenden Frist mit dem Beklagten geschlechtlich verkehrt, sodaß dieser als sein außerehelicher Vater festzustellen und zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von S 1.000,-- ab Klagstag zu verpflichten sei.

Der Beklagte beantragte Klagsabweisung, weil er der Mutter des Klägers nicht beigewohnt habe und daher von der Vaterschaft auszuschließen sei. Die Höhe des begehrten monatlichen Unterhaltsbeitrages stellte er außer Streit.

In den Verfahren C 1012/80 und C 1017/81 des Bezirksgerichtes Freistadt hatte der Kläger jeweils die Vaterschaft des dort beklagten Leopold C bzw. des Helmut D behauptet, doch ergab sich in beiden Fällen auf Grund der eingeholten Sachverständigengutachten ein Vaterschaftsausschluß, welcher zur Klagsabweisung führte. Im vorliegenden Verfahren gab das Erstgericht der Klage statt. Das Berufungsgericht bestätigte die erstgerichtliche Entscheidung. Gegen das berufungsgerichtliche Urteil wendet sich die Revision des Beklagten mit dem Antrage auf Abänderung im Sinne der Klagsabweisung, hilfsweise auch auf Urteilsaufhebung und Rückverweisung der Rechtssache an das Erstgericht zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung. Als Anfechtungsgründe werden Mangelhaftigkeit bzw. Nichtigkeit des Verfahrens, unrichtige Tatsachenfeststellung und Beweiswürdigung sowie unrichtige rechtliche Beurteilung geltend gemacht.

Der Kläger beantragt in seiner Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht gerechtfertigt.

Das Erstgericht hielt es für erwiesen, daß der am 22.5.1937 geborene Beklagte der Mutter des Klägers, Gabriele A, geboren am 12.5.1961, innerhalb des für die Empfängnis erheblichen Zeitraumes, d. i.vom 1.8.1979 bis zum 1.12.1979, beigewohnt hat. Es stellte fest, daß der Beklagte während des 'Mühlviertler Volksfestes' vom 14.8.1979 bis 19.8.1979 mehrmals und in der Zeit des 'Kremser Volksfestes' vom 24.8.1979 bis 2.9.1979 einmal mit Gabriele A geschlechtlich verkehrte. Der Beklagte ist auf Grund der Verteilung der vererblichen Blutkörperchenmerkmale und der Serumeigenschaften von der leiblichen vaterschaft zum Kinde nicht auszuschließen. Die biostatisch ermittelte Vaterschaftswahrscheinlichkeit beträgt nach Essen-Möller 99,75 %, was dem Kalkül 'Vaterschaft höchst wahrscheinlich' entspricht. Die Ausschlußchance zugunsten anderer Männer beträgt bei der vorliegendenfalls gegebenen Konstellation der Blutmuster 98,29 %.

Nach den Reifemerkmalen des Kindes ist eine Zeugung während der Zeit des Mühlviertler Volksfestes, insbesondere gegen Ende desselben, durchaus möglich und wahrscheinlich. Die Zeugungswahrscheinlichkeit für den Zeitraum 24.8. bis 13.9.1979, in welche das Kremser Volksfest fällt, beträgt sogar 87 %. Der Kläger wohnt im Haushalt seiner Mutter.

In seiner rechtlichen Beurteilung erklärte das Erstgericht, auf Grund der fetgestellten Tatsachen treffe die Vaterschaftsvermutung des § 163 Abs1 ABGB auf den Beklagten zu. Der ihm gemäß § 163 Abs2 ABGB mögliche Gegenbeweis, daß er dennoch nicht Vater sei, sei dem Beklagten im Hinblick auf die nach den eingeholten Sachverständigengutachten gegebene höchste Vaterschaftswahrscheinlichkeit von 99,75 % nicht gelungen. Auch den nach der letztgenannten Gesetzesstelle zulässigen Beweis, daß seine Vaterschaft unwahrscheinlicher sei als die eines anderen Mannes, für den die Vermutung ebenfalls gelte, habe er nicht erbracht. Somit sei der Beklagte als Vater des Klägers festzustellen und diesem der begehrte monatliche Unterhaltsbeitrag von S 1.000,-- zuzusprechen. Das Berufungsgericht hielt weder die Verfahrens- und Beweisrüge des Beklagten noch seine Rüge der unrichtigen Tatsachenfeststellung und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung für gerechtfertigt. Dem nach Schluß der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisantrag auf Vernehmung seiner Ehefreau als Zeugin dafür, daß er während des Kremser Volksfestes der Mutter des Klägers nicht beigewohnt haben könne, komme im Hinblick auf die übrigen Beweisergebnisse, insbesondere unter Berücksichtigung der Vermutungsfrist des § 163 ABGB und des Inhaltes des serologischen Gutachtens sowie des Reifegutachtens keine entscheidende Bedeutung zu.

Entscheidungserheblich sei lediglich, daß die Beiwohnung innerhalb der kritischen Zeit vom 1.8.1979 bis 1.12.1979 erfolgt sei. Da eine Zeugung zwischen dem 13.8.1979 und 23.8.1979 als sehr wahrscheinlich gelte, erscheine die beantragte Vernehmung der Ehefrau des Beklagten als Zeugin im Hinblick auf das angegebene Beweisthema jedenfalls entbehrlich. Die vom Erstgericht insgesamt aufgenommenen Beweise seien ausreichend, um zur vollen überzeugung zu gelangen, daß der Beklagte der Mutter des Klägers innerhalb der kritischen Zeit beigewohnt habe. Der im Vaterschaftsprozeß geltende Untersuchungsgrundsatz verpflichte das Gericht nicht, sämtliche erdenklichen oder selbst überflüssigen Beweise aufzunehmen, vielmehr unterliege der Rahmen seiner Anwendung dem richterlichen Ermessen. Somit sei eine Mangelhaftigkeit des erstgerichtlichen Verfahrens nicht gegeben.

Im weiteren begründete das Berufungsgericht ausführlich, warum es auch die erstgerichtlichen Tatsachenfeststellungen zur Gänze als unbedenklich übernehme. Auf deren Grundlage hielt es im Hinblick auf die Bestimmungen des § 163 Abs1 und 2 ABGB auch die gegen die erstgerichtliche rechtliche Beurteilung erhobene Rechtsrüge für nicht gerechtfertigt, zumal der Beklagte die gegen ihn sprechende Vaterschaftsvermutung nicht entkräftet habe.

Unter dem Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit beziehungsweise Nichtigkeit des Berufungsverfahrens bringt der Beklagte vor, das Berufungsgericht sei auf seinen vor dem Erstgericht gestellten Antrag auf Wiedereröffnung des gemäß § 193 ZPO geschlossenen Verfahrens nicht eingegangen, obwohl dieser Antrag für die Beweiskette des gegenständlichen 'Indizienprozesses' von erheblicher Bedeutung gewesen wäre.

Nach ständiger Rechtsprechung ist die neuerliche Geltendmachung eines behaupteten erstgerichtlichen Verfahrensmangels, dessen Vorliegen vom Berufungsgericht verneint wurde, im Vaterschaftsprozeß wegen des dieses Verfahren beherrschenden Untersuchungsgrundsatzes zulässig (ÖAmtsvormund 1981,82; EF 36.784 ua.). Ein solcher Mangel ist jedoch nicht gegeben.

Die Wiedereröffnung eines geschlossenen Verfahrens gemäß § 194 ZPO dient nur dazu, etwas nachzuholen, was das Gericht versäumte, nicht aber, um den Parteien die Möglichkeit zu geben, das nachzutragen, was sie wahrzunehmen hatten. Eine Wiedereröffnung kann daher insbesondere dann nicht erfolgen, wenn die sie begehrende Partei nur neues Tatsachenvorbringen oder neue Beweismittel anbieten will (1 Ob 665,666/85, 8 Ob 264/82). Die Parteien haben daher kein Recht auf Wiedereröffnung der Verhandlung, auch nicht im Falle des Verhandlungsschlusses nach § 193 Abs3 ZPO (3 Ob 179/78, 3 Ob 99/82).

Darin, daß das Berufungsgericht eine in der Abweisung des Antrages des Beklagten auf Wiedereröffnung des geschlossenen Verfahrens gelegenen Verfahrensmangel verneinte, liegt somit weder eine Mangelhaftigkeit noch eine Nichtigkeit des Berufungsverfahrens. Mit seiner umfassenden Rüge der angeblich unrichtigen Tatsachenfeststellung und unrichtigen Beweiswürdigung der Unterinstanzen ist der Beklagte darauf zu verweisen, daß ein solcher Revisionsgrund im § 503 ZPO nicht vorgesehen ist. Nach ständiger Judikatur kann der Oberste Gerichtshof daher auch im Abstammungsverfahren die Tatsachenfeststellungen und Beweiswürdigung der Unterinstanzen nicht auf ihre Richtigkeit überprüfen (6 Ob 730/82, 6 Ob 508/84, 5 Ob 506/84, 3 Ob 544/80 u.a.). Auf der Grundlage der für das Revisionsgericht bindenden unterinstanzlichen Feststellungen versagt aber auch die Rechtsrüge des Beklagten. In dieser bringt er vor, die medizinischen Beweise reichten nicht für die Feststellung seiner Vaterschaft aus und die Widersprüchlichkeiten in den Beweisergebnissen, insbesondere die Unverlässlichkeit der Zeugenaussage der Mutter des Klägers, müßten dazu führen, daß 'zwar gewisse Bedenken bestehen, jedoch ein eindeutiger Nachweis der außerehelichen Vaterschaft des Beklagten zum Kläger nicht angenommen werden kann'.

Dem ist zu entgegnen, daß nach den eingeholten Sachverständigengutachten für die Vaterschaft des Beklagten eine Wahrscheinlichkeit von 99,75 % besteht, was dem Kalkül 'Vaterschaft höchst wahrscheinlich' entspricht. Somit ist es dem Beklagten aber nicht gelungen, die auf Grund der festgestellten Beiwohnung innerhalb des Empfängniszeitraumes nach der Bestimmung des § 163 Abs1 ABGB gegebene Vaterschaftsvermutung zu entkräften (SZ 48/5; JBl 1978,651; RZ 1978/124; SZ 46/119). Daß die Vaterschaft eines anderen Mannes zum Kläger wahrscheinlicher sei als die des Beklagten, wurde gar nicht behauptet. In der Gesetzesanwendung der Unterinstanzen kann demgemäß kein Rechtsirrtum erkannt werden. Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

Rechtssätze
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