JudikaturJustiz2Ob225/02f

2Ob225/02f – OGH Entscheidung

Entscheidung
24. Oktober 2002

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko, Dr. Tittel, Dr. Baumann und Hon. Prof. Dr. Danzl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Arif Y*****, vertreten durch Mag. German Bertsch, Rechtsanwalt in Feldkirch, gegen die beklagten Parteien 1.) Heinz M*****, und 2.) D*****, beide vertreten durch Dr. Reinhard Pitschmann und Dr. Rainer Santner, Anwaltspartnerschaft OEG in Feldkirch, wegen (ausgedehnt) EUR 12.354,38 sA und Feststellung (Gesamtstreitwert EUR 15.988,02), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht vom 23. Mai 2002, GZ 2 R 69/02t-45, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 15. Jänner 2002, GZ 7 Cg 15/01b-36, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision der klagenden Partei wird teilweise Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass die beklagten Parteien zur ungeteilten Hand schuldig sind, dem Kläger binnen 14 Tagen EUR 6.177,19 samt 4 % Zinsen seit 12. 9. 2000 zu bezahlen; das Mehrbegehren von EUR 6.177,19 samt Zinsenmehrbegehren wird abgewiesen.

Es wird gegenüber den beklagten Parteien weiters festgestellt, dass diese dem Kläger aus dem Verkehrsunfall vom 1. 6. 2000 auf der B190 (Sonnbergstraße) in ***** für sämtliche Folgen, Schäden und Nachteile zur Hälfte zu haften haben, wobei die Haftung der zweitbeklagten Partei mit der Versicherungssumme für das Motorrad mit dem Kennzeichen B***** zum 1. 6. 2000 begrenzt ist; das Mehrbegehren auf Feststellung der Haftung der beklagten Parteien für sämtliche Folgen, Schäden und Nachteile aus diesem Verkehrsunfall, die Haftung der zweitbeklagten Partei wiederum beschränkt mit der Versicherungssumme für das genannte Motorrad, wird abgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien zu Handen ihrer Vertreter binnen 14 Tagen EUR 424 an Barauslagen zu ersetzen.

Im Übrigen werden die Verfahrenskosten aller drei Instanzen gegeneinander aufgehoben.

Text

Entscheidungsgründe:

Am 1. 6. 2000 vormittags ereignete sich im Ortsgebiet von F***** auf der B190 ein Verkehrsunfall, bei dem der am 16. 3. 1992 geborene und damals somit 8-jährige Kläger beim Überqueren der Fahrbahn als Fußgänger vom Erstbeklagten als Lenker und Halter eines bei der Zweitbeklagten haftpflichtversicherten Motorrades niedergestoßen und schwer verletzt wurde. Die damals trockene Asphaltstraße verläuft im Unfallbereich gerade und übersichtlich; sie ist ca 9 m breit und verschmälert sich hernach (durch einen Rad- und Gehweg) auf ca 6 m. Es besteht eine Geschwindigkeitsbeschränkung von 60 km/h. Von rechts (in Fahrtrichtung des Motorrades) mündet der Obere S***** ein, der in weiterer Folge als A***** weitergeführt wird. An der rechten Seite des Oberen S***** befindet sich ein Gehsteig, der mehrere Meter vor der Einmündung in die B190 endet. An dieser Kreuzung befindet sich kein Schutzweg, jedoch über ihr ein gelbes Blinklicht.

Der Kläger wollte mit seinen 13 und 11 Jahre alten Cousins das in der A***** gelegene türkische Gebetshaus besuchen. Er kannte den Weg gut, weil es sich auch um seinen Schulweg handelte. Er lief zunächst auf dem Gehsteig des Oberen S***** ein Stück vor seinen Cousins und blieb dann an der Einmündung in die B190 stehen. Dabei blickte er nach links und rechts und sah, dass sich von links ein LKW näherte, den er passieren ließ. Er blickte daraufhin nochmals nach links und sah den mit einer Geschwindigkeit zwischen 50 und 60 km/h hinter dem LKW nachfahrenden Erstbeklagten mit seinem Motorrad; dieser hielt hiebei einen Abstand von 25 bis höchstens 30 m hinter dem LKW ein. Der Kläger unterschätzte diesen Tiefenabstand und lief los, um die Fahrbahn zu überqueren. Der Erstbeklagte, der eine in der Fahrbahnmitte der B190 gelegene Fahrlinie einhielt, wodurch er auf den rechtsseitigen Fahrbahnrand vor dem LKW zufolge dessen Sichtverdeckung keine Sicht hatte, konnte trotz sofortiger Bremsung und Ausweichlenkung nach links die Kollision nicht mehr verhindern. Wäre der Erstbeklagte jedoch auf der rechten Seite der rechten Fahrbahn gefahren, so hätte er den am Fahrbahnrand stehenden Kläger wesentlich früher wahrnehmen (und damit auch reagieren) können.

Der Kläger erlitt hiedurch schwerste Kopfverletzungen (offener Schädeldach-Impressionsbruch mit Hirnprellung, Orbitadachbruch links, offene laterobasale Fraktur links mit Otoliquorrhoe und Trommelfellzerreissung links), eine Magenruptur, Milzprellung, mehrfache Rippenbrüche mit Lungenprellung sowie einen lateralen Schlüsselbeinbruch links. Er wurde vom 1. 6. bis 28. 6. 2000 stationär behandelt, hernach in ein neurologisches Krankenhaus und Rehabilitationszentrum in Deutschland bis 1. 9. 2000 verlegt. Am Bauch befindet sich eine langgezogene Operationsnarbe; die Narben am Kopf liegen im Bereich der behaarten Kopfhaut und sind durch den starken Haarwuchs nicht sichtbar. Verblieben ist auch eine Schwerhörigkeit am linken Ohr. Aus der Bauchverletzung können Verwachsungen auftreten, die zu Beschwerden führen. Auf Grund der schweren Kopfverletzung besteht auch ein psychoorganisches Syndrom, also eine Hirnleistungsschwäche mit verminderter Merkfähigkeit und rascher Ermüdbarkeit. Vor dem Unfall bestanden in dieser Hinsicht beim Kläger keinerlei Beeinträchtigungen. Weiters besteht beim Kläger ein andauerndes Hörgeräusch links. Hieraus werden dem Kläger in den nächsten drei Jahren etwa eine Woche leichte Schmerzen jährlich (komprimiert) entstehen. Aus den anderen Verletzungen hatte der Kläger folgende Schmerzen zu erdulden: 10 Tage starke, 10 Tage mittelstarke und 5 Wochen leichte, weiters bis Jahresende 2004 eine Woche leichte jährlich.

Mit der am 24. 1. 2001 eingebrachten, pflegschaftsgerichtlich genehmigten und in der Folge ausgedehnten Klage begehrte der Kläger zuletzt die Verurteilung der beklagten Parteien zur ungeteilten Hand zur Zahlung eines Schmerzengeldes von S 140.000,-- und einer Verunstaltungsentschädigung von S 30.000,--, zusammen sohin S 170.000,-- samt 4 % Zinsen aus S 100.000,-- vom 12. 9. 2000 bis 12. 12. 2001 und aus S 170.000,-- seit 12. 12. 2001, sowie Feststellung der Haftung der beklagten Parteien (der Zweitbeklagten beschränkt auf die Versicherungssumme für das Unfallfahrzeug) für sämtliche Folgen, Schäden und Nachteile aus diesem Verkehrsunfall gegenüber dem Kläger (insoweit ohne Ausspruch der Solidarhaftverpflichtung). Das Alleinverschulden am Unfall treffe den Erstbeklagten, der bei gehöriger Aufmerksamkeit den Kläger wahrnehmen und bei richtiger und rechtzeitiger Reaktion den Unfall vermeiden hätte können. Wäre der Erstbeklagte auf der rechten Seite der rechten Fahrbahn gespurt, hätte er auf jeden Fall den am Straßenbahnrand stehenden Kläger wahrnehmen können; gemäß § 29a StVO wäre der Erstbeklagte verpflichtet gewesen, dem Kläger das ungehinderte und ungefährdete Überqueren der Fahrbahn zu ermöglichen und erforderlichenfalls anzuhalten. Die Fehleinschätzung der Entfernung und Geschwindigkeit des Motorrades könne dem erst 8-jährigen Kläger nicht zum Vorwurf gemacht werden.

Die beklagten Parteien bestritten das Klagebegehren, weil das Verschulden am Unfall den Kläger selbst treffe, der auf Grund seines Alters „die elementaren Verkehrsvorschriften” kennen hätte müssen und ohne zu schauen blindlings auf die Fahrbahn gerannt sei; zudem hafteten seine Eltern oder die Begleitpersonen wegen Verletzung der Aufsichtspflicht.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es beurteilte den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt rechtlich dahin, dass der Erstbeklagte als Motorradfahrer grundsätzlich verpflichtet gewesen wäre, eine am rechten Fahrbahnrand liegende Fahrlinie zu wählen; da er jedoch statt dessen in der Fahrbahnmitte gespurt sei, habe ihm der vorausfahrende LKW die Sicht auf den rechten Fahrbahnrand eingeschränkt; bei Einhalten einer weiter rechts gelegenen Fahrlinie hätte er jedoch den Kläger früher erkennen und damit auch früher reagieren können. Der Verstoß gegen das Rechtsfahrgebot des § 7 StVO sei daher unfallkausal. Hätte der Erstbeklagte eine solche weiter rechts gelegene Fahrlinie eingehalten, so hätte er dem Kläger auch gemäß § 29a StVO das unbehinderte und ungefährdete Überqueren der Fahrbahn ermöglichen (und erforderlichenfalls sogar anhalten) können, was ihm jedoch auf Grund der fahrbahnmittig gelegenen Fahrlinie nicht möglich gewesen sei. Dem Erstbeklagten sei daher jedenfalls ein Verschulden am Unfall vorzuwerfen. Dass der Kläger, der zunächst ordnungsgemäß an der Kreuzung stehengeblieben sei, den Abstand des Motorrades zum LKW und dessen Geschwindigkeit unterschätzt habe, könne dem 8 jährigen Kind nicht als Verschulden vorgeworfen werden; gerade um solche Fehleinschätzungen zu vermeiden, habe der Gesetzgeber die Bestimmung des § 29a StVO geschaffen. Die Ansprüche nach §§ 1325 und 1326 ABGB seien der Höhe nach unbedenklich; ebenso das Feststellungsbegehren auf Grund der massiven Dauerfolgen. Eine Verletzung der Aufsichtspflicht könne weder den Eltern noch den beiden selbst nur 13 bzw 11 Jahre alten Cousins vorgeworfen werden.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Parteien Folge und wies das Klagebegehren vollinhaltlich ab. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes, nicht jedoch dessen rechtliche Beurteilung. Nach der jüngeren Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (2 Ob 2404/96k) solle mit der Bestimmung des § 7 Abs 1 StVO nicht auch Gefahren vorgebeugt werden, die von von rechts in den bevorrangten Fließverkehr eindringenden Verkehrsteilnehmern ausgehen. Demnach sei davon auszugehen, dass das Rechtsfahrgebot nicht dazu dienen solle, die Sicht nach vorne auf den rechten Fahrbahnrand, etwa an einem vorbeifahrenden Fahrzeug vorbei, zu verbessern. Der dem Erstbeklagten zur Last gelegte Verstoß gegen das Rechtsfahrgebot sei daher mangels eines Rechtswidrigkeitszusammenhanges bei der Prüfung des Verschuldens des Erstbeklagten nicht zu berücksichtigen. Überdies sei den beklagten Parteien auch der Entlastungsbeweis nach § 9 Abs 2 EKHG gelungen, weil sich auch ein besonders sorgfältiger Kraftfahrer bei Beurteilung der Sachlage vor dem Unfall nicht anders als der Erstbeklagte verhalten hätte, zumal die dafür relevanten Sorgfaltspflichten nicht überspannt werden dürften, um nicht zu einer vom Gesetzgeber nicht gewollten Erfolgshaftung zu gelangen.

Das Berufungsgericht sprach aus,dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes EUR 20.000,-- nicht übersteige und die ordentliche Revision nicht zulässig sei, weil einerseits zur Frage des Rechtswidrigkeitszusammenhanges in Bezug auf § 7 Abs 1 StVO und andererseits hinsichtlich der Voraussetzungen des Entlastungsbeweises nach § 9 EKHG eine ständige Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes vorliege, welche das Berufungsgericht beachtet habe; den Umständen des vorliegenden Einzelfalles komme auch keine erhebliche Bedeutung im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO zu.

Über Antrag des Klägers nach § 508 ZPO änderte das Berufungsgericht den Zulassungsausspruch in der Folge dahin ab, dass die Revision doch für zulässig erklärt wurde; der Kläger habe nämlich „nicht von der Hand zu weisende Zweifel daran dargelegt, ob die in der Entscheidung 2 Ob 2404/96k zum Ausdruck gebrachte Rechtsansicht nunmehr ständige Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes ist.”

Der Kläger begehrt in seiner auf den Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützten Revision die Abänderung der bekämpften Entscheidung im Sinne einer Stattgebung seines Klagebegehrens; hilfsweise wird auch ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagten Parteien beantragen, die Revision des Gegners zurückzuweisen, in eventu ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, jedoch nur teilweise berechtigt.

Nach § 7 Abs 1 StVO hat der Lenker eines Fahrzeuges grundsätzlich so weit rechts zu fahren, wie ihm dies unter Bedachtnahme auf die Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs zumutbar und dies ohne Gefährdung, Behinderung oder Belästigung anderer Straßenbenützer, ohne eigene Gefährdung und ohne Beschädigung von Sachen möglich ist.

Der vom Berufungsgericht zitierten Entscheidung 2 Ob 2404/96k, veröffentlicht in ZVR 1997/131 (RIS-Justiz RS0027636), lag der Sachverhalt zugrunde, dass ein ebenfalls 8-jähriger Radfahrer von einer von rechts einmündenden Hauszufahrt mit dem Fahrrad herausgefahren war, um die von der beklagten Fahrzeuglenkerin benützte Bezirksstraße zu überqueren, wobei er vom PKW erfasst und schwer verletzt wurde. Nach den maßgeblichen (in der zitierten Veröffentlichungsquelle nur unvollständig abgedruckten) Feststellungen hatte die PKW-Lenkerin auf der im Unfallbereich 4,90 bis 5,20 m breiten Fahrbahn einen Abstand von 1,77 m vom rechten Fahrbahnrand eingehalten und damit die Fahrbahnmitte der Bezirksstraße überschritten. Diesen Verstoß gegen das Rechtsfahrgebot ließ der Oberste Gerichtshof in dieser Entscheidung jedoch mangels Rechtswidrigkeitszusammenhanges unberücksichtigt, weil das Rechtsfahrgebot nicht auch Gefahren vorbeugen solle, die von Verkehrsteilnehmern ausgehen, die von rechts in den bevorrangten Fließverkehr eindringen. Da die Lenkerin jedoch durch das Einhalten einer Geschwindigkeit von 78 bis 79 km/h im Ortsgebiet in gravierender Weise gegen § 20 Abs 2 StVO verstoßen habe, wurde ihr weiterhin ein überwiegendes Verschulden von 1 : 4 angelastet. Daraus folgt, dass diese Entscheidung, der ein schon vom Sachverhalt her anderes Unfallsgeschehen (dort Vorrangsituation; hier: Fußgängerüberquerung mit Kind, dem gegenüber der Vertrauensgrundsatz nicht zur Anwendung gelangt) zugrunde lag, für die vorliegendenfalls zu beurteilende Rechtssache keineswegs präjudiziell sein kann. Es ist daher auch nicht erforderlich, auf den dort (anlassfallbezogen) formulierten Rechtssatz, wonach das Rechtsfahrgebot nicht auch Gefahren von von rechts kommenden Verkehrsteilnehmern vorbeugen solle, näher einzugehen.

Auszugehen ist vielmehr davon, wie dies der Oberste Gerichtshof bereits in den Entscheidungen 8 Ob 94/79 (ZVR 1980/121) und 2 Ob 2426/96w (ZVR 1998/45) ausgesprochen hat, dass die eingangs wiedergegebene Bestimmung des § 7 StVO jedenfalls auch dem Zweck dient, ganz allgemein alle möglichen Risken des Straßenverkehrs abzuwehren. Dies ergibt sich schon aus den verba legalia dadurch, dass in Abs 1 des § 7 StVO vom Lenker im Allgemeinen (und in Abs 2 von der Verkehrssicherheit schlechthin) gesprochen wird. Demgemäß wird auch bereits in den Materialien zur Stammfassung der StVO (Bericht des Handelsausschusses 240 BlgNR 9. GP, 4) das auch auf den vorliegenden Fall zu übertragende Postulat aufgestellt, dass es auch auf breiten Straßen “nicht angeht, dass jemand in der Fahrbahnmitte fährt” (zitiert auch in Messiner, StVO 10 Anm 1 zu § 7)-dies umso mehr, wenn der solcherart gegen das Rechtsfahrgebot verstoßende Verkehrsteilnehmer eine eingeschränkte Sicht auf den rechten Fahrbahnrand und allenfalls von dort ausgehende Gefahren(situationen) hat. Diese ungenügende Sicht ergab sich für den Erstbeklagten aus der Tatsache, dass in knappem Abstand vor seinem einspurigen Fahrzeug ein breiteres anderes Fahrzeug (LKW) fuhr, das ihm als Lenker des nachfolgenden einspurigen Fahrzeuges den Sichtradius verengte, was sich letztlich auch unfallkausal auswirkte. Der Erstbeklagte war nämlich zu einer gefahrenverhütenden Reaktion gerade deshalb nicht in der Lage, weil ihm - ausgehend von der entgegen § 7 Abs 1 StVO nicht wesentlich weiter rechts, sondern statt dessen fahrbahn mittig gewählten Fahrlinie - die Sicht auf den rechtsseitigen Fahrbahnrand vor dem LKW zur Gänze verdeckt war, er jedoch bei einer Spurung auf der rechten Fahrbahn hälfte den dort stehenden Kläger wesentlich früher hätte wahrnehmen und auch als Kind erkennen können (S 5 und 6 des Ersturteils = AS 161 f). Wenn der Erstbeklagte statt dessen die eine wesentlich schlechtere Sicht verursachende Fahrlinie in der Fahrbahn mitte wählte, hätte er dem allenfalls dadurch Rechnung zu tragen gehabt, dass er dann eben nicht die an der Unfallstelle zulässige Höchstgeschwindigkeit beinahe zur Gänze ausschöpfte, sondern entsprechend langsamer gefahren wäre, wodurch die Sichteinschränkung entsprechend kompensiert hätte werden können. Dass die Möglichkeit des Auftauchens von Fußgängern am Fahrbahnrand die Einhaltung eines größeren Abstandes vom rechten Fahrbahnrand ebenfalls nicht rechtfertigt, hat der Oberste Gerichtshof bereits zu 2 Ob 260/70 (ZVR 1971/243) betont. Da der Erstbeklagte sohin nicht so weit rechts wie möglich und - da ihm die Sicht durch das breite Vorderfahrzeug eingeschränkt wurde, er also die davor (und seitlich hievon) befindlichen Flächen nicht vollständig und ausreichend überblicken konnte - ihm auch zumutbar war, fuhr, verstieß er gegen § 7 Abs 1 StVO. Hätte er jedoch eine solche Fahrlinie gewählt, hätte er auch erkennen können, dass der Kläger als Kind die Fahrbahn überqueren will und diesem gemäß § 29a Abs 1 StVO das unbehinderte und ungefährdete Überqueren unter Umständen sogar durch Anhalten auf der durch gelbes Blinklicht besonders auffällig gemachten Kreuzung ermöglichen müssen. Dem Erstbeklagten ist damit entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes weder ein Schuldlosigkeitsbeweis gelungen, geschweige denn ein Entlastungsbeweis nach § 9 EKHG.

Andererseits kann aber auch von einem über acht Jahre alten Schulkind die Einsicht in die grundlegende Verkehrsregel des § 76 Abs 1 StVO erwartet werden, dass es eine Fahrbahn nicht überraschend betreten darf - zumal dann, wenn schon ein anderes Fahrzeug herannaht (ZVR 1981/168, 1983/46). Auch wenn das Mitverschulden von Kindern insoweit geringer zu werten ist als das von Erwachsenen, kann dem Kläger nicht jegliches Mitverschulden abgesprochen werden, wenn er die Fahrbahn in der festgestellten Weise verkehrswidrig überquerte. Immerhin befand sich das mit beträchtlicher Geschwindigkeit herannahende Motorrad, als der LKW den Buben passiert hatte, nur mehr 25 bis 30 m von der Kreuzung entfernt, sodass vom Kläger durchaus erwartbar gewesen wäre, zu wissen und sein weiteres Verhalten darauf einzurichten, wie gefährlich es ist, trotzdem loszulaufen, anstatt auch noch das Motorrad, das er festgestelltermaßen ja gesehen hatte, ebenfalls noch abzuwarten und erst danach die Straße zu überqueren. Dies muss auch bei einem Kind im Alter des Klägers als besonders leichtsinnig qualifiziert werden. Eine gleichteilige Schadensteilung erscheint daher angemessen.

Da die Höhe der dem Kläger zustehenden Ersatzbeträge bereits im Berufungsverfahren von den Beklagten unbekämpft geblieben war, kann es insoweit genügen, auf die zutreffende Begründung des Erstgerichtes zu verweisen. Sowohl das geltend gemachte Schmerzengeld (§ 1325 ABGB) als auch die geltend gemachte Verunstaltungsentschädigung (§ 1326 ABGB) - beide iVm § 13 Z 4 und 5 EKHG- sind angemessen und nicht zu beanstanden. Zum Feststellungsbegehren bleibt auszuführen, dass der Ausspruch einer Solidarhaftung beider beklagten Parteien nicht möglich war, weil im in der letzten Streitverhandlung neu formulierten Begehren eine solche vom Kläger-übrigens wie schon in der Klage-nicht begehrt wurde (ON 32; § 405 ZPO).

Die Hälfte der Klagestattgebung führt zur Kostenaufhebung im Sinne des § 43 Abs 1 ZPO. Barauslagen im Sinne des § 43 Abs 1 letzter Satz ZPO sind beim Verfahrenshilfe genießenden Kläger nicht aufgelaufen, wohl aber bei den beklagten Parteien in Höhe der Pauschalgebühr für ihre Berufung, welche ihnen mit der Hälfte zuzusprechen war. Allerdings beträgt diese nur EUR 848 anstatt wie verzeichnet EUR 932,80; die Hälfte hievon sind EUR 424.

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