JudikaturJustiz2Ob212/00s

2Ob212/00s – OGH Entscheidung

Entscheidung
08. September 2000

Kopf

1Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko, Dr. Tittel, Dr. Baumann und Hon.-Prof. Dr. Danzl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1.) Juliane B*****, Hausfrau, ***** 2.) Brigitte B*****, Landesangestellte, ***** und 3.) Michael B*****, Elektriker, ebendort, sämtliche vertreten durch Dr. Walter Kerle, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagte Partei Roman H*****, Pensionist, ***** vertreten durch Dr. Friedrich Reiter, Rechtsanwalt in Telfs, wegen Herausgabe und grundbücherlicher Einverleibung des Eigentumsrechtes (Streitinteresse S 99.654,63), infolge der Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht vom 12. Mai 2000, GZ 2 R 162/00p-24, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Hall in Tirol vom 10. Februar 2000, GZ 4 C 1212/99v-20, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, den klagenden Parteien zu Handen ihres Vertreters binnen vierzehn Tagen die mit S 6.999,36 (hierin enthalten S 1.166,56 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.

Text

Begründung:

Franz P***** starb am 13.7.1973 unter Hinterlassung eines Testamentes vom 17.8.1962, in dem er seine (zweite) Ehegattin Marina P***** zur Alleinerbin einsetzte und in Punkt 3. weiter verfügte:

"Hinsichtlich meines Anspruches gegen die Gemeinnützige Bau- und Siedlungsgenossenschaft 'F*****', reg. Genossenschaft mbH in W*****, auf Erwerb einer Eigentumswohnung im Hause R*****, setze ich als Nacherbin nach dem Ableben meiner Frau Marina P*****, geb. H*****, meine Tochter Marianne B*****, geb. P*****, und für den Fall, dass diese im Zeitpunkt des Ablebens meiner Gattin nicht mehr am Leben sein sollte, deren Sohn Reinhold B***** als Nacherben ein."

Marianne B***** war die Tochter des Franz P***** aus erster Ehe. Sie verstarb am 11.12.1995, ihre Stiefmutter Marina P***** am 2.6.1997. Der in der Substitutionsverfügung Punkt 3. des Testamentes vom 17.8.1962 als zweitbegünstigter Nacherbe genannte Sohn Reinhold B***** verstarb am 25.2.1992 und war der Gatte der nunmehrigen Erstklägerin sowie Vater der Zweit- und Drittkläger, welch beide Letztgenannten sohin Urenkel des Erblassers Franz P***** sind.

Der Beklagte ist der eingeantwortete Alleinerbe nach der am 2.6.1997 verstorbenen Marina P*****, der auf Grund der Einantwortungsurkunde vom 30.1.1974 das Eigentumsrecht an den 586/3046stel Miteigentumsanteilen an der EZ *****, beschränkt durch die letztwillig angeordnete fideikommissarische Substitution zu Gunsten der Marianne B*****, geb. P*****, bzw des Reinhold B***** einverleibt worden war. Der Nachlass des am 25.2.1992 ohne Hinterlassung einer letztwilligen Anordnung verstorbenen Reinhold B***** wurde auf Grund des Gesetzes je zu einem Drittel den drei nunmehrigen Klägern eingeantwortet.

Franz P***** hat zu seinen Lebzeiten immer wieder (speziell gegenüber der Erstklägerin) geäußert, dass die genannte Eigentumswohnung Marianne B***** bzw Reinhold B***** bekommen sollten.

Mit ihrer zunächst beim Landesgericht Innsbruck eingebrachten und wegen sachlicher Unzuständigkeit in der Folge an das Bezirksgericht Hall abgetretenen Klage vom 20.7.1999 stellten die Kläger das Begehren, die beklagte Partei schuldig zu erkennen, die genannte Eigentumswohnung in R***** an die Kläger herauszugeben, sowie bei sonstiger Exekution binnen vierzehn Tagen zu erklären, dass in die grundbücherliche Einverleibung des Eigentumsrechtes des Drittklägers auf den 586/3046stel Anteilen eingewilligt wird; weiters wurde ein Eventualbegehren gestellt, wonach die beklagte Partei schuldig sei, binnen vierzehn Tagen in die grundbücherliche Einverleibung des Eigentumsrechtes des Drittklägers auf den bezeichneten Miteigentumsanteilen einzuwilligen.

Die beklagte Partei bestritt das Klagebegehren im Wesentlichen mit der Einwendung, dass Reinhold B***** nur Ersatz-Nachlegatar gewesen sei; diesem sei das aus der Ersatzerbschaft folgende Anwartschaftsrecht nicht angefallen, da er den Erbfall, nämlich das Ableben der Marina P*****, nicht erlebt habe. Reinhold B***** habe daher das Anwartschaftsrecht auch nicht auf die Kläger vererben können.

Das Erstgericht erkannte im Sinne des gestellten Hauptbegehrens. Es beurteilte den eingangs zusammengefasst wiedergegebenen Sachverhalt rechtlich dahin, dass sowohl Marianne B***** als auch Reinhold B***** den Todestag des Erblassers Franz P***** erlebt hätten, wobei das Ableben der Marina P***** entgegen der Ansicht der beklagten Partei nicht Anfallstag, sondern nur Substitutionsfall sei. Aus dem Testament des Franz P***** sei nicht abzuleiten (und ein derartiger Wille des Erblassers auch nicht erkennbar), dass Marianne B***** oder Reinhold B***** Marina P***** überleben hätten müssen, um ihr Anwartschaftsrecht aus dem Legat durchsetzen oder allenfalls transmittieren zu können. Eindeutiger Willen des Franz P*****, kundgemacht auch in einer eindeutigen Formulierung seines Testamentes, sei es gewesen, dass die gegenständliche Eigentumswohnung an seine direkten Nachkommen und nicht auf die Nachkommen seiner (zweiten) Ehegattin Marina P***** übergehen sollte. Ansonsten hätte er nicht die Nacherbschaft zu Gunsten seiner Tochter Marianne B***** (aus erster Ehe) und zusätzlich noch, quasi als "Sicherheitsnetz", die Nacherbschaft zu Gunsten seines Enkels Reinhold B***** für den Fall, dass Marianne B***** vor Marina P***** sterben sollte, angeordnet.

Das Berufungsgericht gab der von der beklagten Partei erhobenen Berufung nicht Folge, sondern bestätigte das angefochtene Urteil mit der berichtigenden Maßgabe, dass der Beklagte zu Punkt 2. des Urteilsspruches schuldig erkannt wurde, binnen vierzehn Tagen in die grundbücherliche Einverleibung des Eigentumsrechtes des Drittklägers einzuwilligen, weil das Eigentumrecht des Beklagten während des anhängigen Verfahrens auf Grund des Beschlusses des Abhandlungsgerichtes einverleibt worden sei. Im Übrigen übernahm das Berufungsgericht die Feststellungen des Erstgerichtes und schloss sich auch dessen rechtlicher Beurteilung an. Danach könne der im Wortlaut festgestellten Verfügung des Erblassers Franz P***** hinsichtlich der Eigentumswohnung eine den Ersatz-Nachlegatar Reinhold B***** betreffende Überlebensbedingung nicht entnommen werden; der Erblasser habe lediglich zum Ausdruck gebracht, dass die Nachlegatarin Marianne B***** die Eigentumswohnung erst nach dem Tod der Vorerbin Marina P***** erhalten sollte. Bedingung für den Substitutionsfall betreffend den Ersatz-Nachlegatar Reinhold B***** sei sohin nicht sein Überleben der Nachlegatarin Marianne B*****, sondern (bloß) deren Vorversterben bezogen auf die Erbin Marina P***** gewesen.

Das Berufungsgericht sprach darüber hinaus aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 52.000, nicht jedoch S 260.000 übersteige, und dass die ordentliche Revision gemäß § 502 Abs 1 ZPO zulässig sei, weil - soweit überblickbar - eine Rechtsprechung des Höchstgerichtes zur Frage der Transmission, wenn der Ersatz-Nacherbe(-legatar) weder den Substitutionsfall noch den Nacherben(-legatar) er- bzw überlebt, fehle.

Gegen dieses Urteil richtet sich die auf den Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützte Revision der beklagten Partei mit dem Antrag, die bekämpfte Entscheidung im Sinne einer vollinhaltlichen Klageabweisung abzuändern; hilfsweise wird auch ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die klagenden Parteien haben eine Revisionsbeantwortung erstattet, in welcher primär die Zurückweisung des gegnerischen Rechtsmittels wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage, in eventu die Bestätigung der bekämpften Entscheidung des Berufungsgerichtes beantragt wird.

Der Oberste Gerichtshof hat hiezu folgendes erwogen:

Rechtliche Beurteilung

Zur rechtlichen Qualifikation der Substitutionsanordnung des Voreigentümers der verfahrensgegenständlichen Eigentumswohnung, Franz P*****, aus dem Jahre 1962 samt den daraus abzuleitenden Rechtsfolgen hat der 3.Senat des Obersten Gerichtshofes bereits in der den Parteien bekannten Vorentscheidung 3 Ob 193/98v (teilweise veröffentlicht in EF-Slg 87.185 und 88.417) ausführlich und auch für die gegenständliche Rechtssache maßgeblich (wenngleich nicht bindend: vgl 2 Ob 171/00m) Stellung genommen. Danach handelt es sich bei dieser vom vormaligen Erblasser getroffenen Anordnung um ein sog. uneigentliches Nachlegat, welches die Erbin (= Marina P*****) bzw deren nunmehrigen Erben (= Beklagter) zur Übertragung des Vermächtnisgegenstandes auf den "Nachlegatar" verpflichtet. Diese Berufung als Nachlegatar nach dem Erben gibt dem Vermächtnisnehmer ein obligatorisches Forderungsrecht auf Übertragung des Vermächtnisgegenstandes gegen den Erben, das im streitigen Rechtsweg durchzusetzen ist. Soweit in der Revision (insbesondere gleich zu Beginn der Rechtsrüge) als "bemerkenswert" bezeichnet wird, "dass das Landesgericht Innsbruck in derselben Rechtssache verschieden entschieden hat", und hiezu der nunmehr bekämpften Berufungsentscheidung die vormalige Rekursentscheidung in der Verlassenschaftssache nach Franz P*****, und zwar letztere gegenüber ersterer als "rechtlich richtig", gegenübergestellt wird, ist daher gleich vorweg entgegenzuhalten, dass diese letztgenannte Entscheidung ja durch die eingangs erwähnte des Obersten Gerichtshofes (3 Ob 193/98y) als nichtig aufgehoben wurde und daher für die weitere rechtliche Beurteilung schon aus diesem Grunde außer Betracht zu bleiben hat.

Auch darüber hinaus hält der erkennende Senat die Rechtsmittelausführungen für nicht stichhaltig, erachtet die bekämpften Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils in allen entscheidungsrelevanten Punkten für zutreffend und vermögen diese durch die Ausführungen in der Revision unter Geltendmachung einer erheblichen Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO nicht erschüttert zu werden; auch die vom Berufungsgericht formulierte Rechtsfrage ist - in Verbindung mit der genannten Vorentscheidung dieselben Parteien betreffend - durch Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes ausreichend geklärt:

Danach vererbt ein Transmittent sein Erbrecht (oder seine Rechtsstellung als begünstigter Legatar) nur dann, wenn es im Augenblick seines Todes (hier: 25.2.1992) bereits entstanden und nicht vor oder doch gleichzeitig mit seinem Tod untergegangen war (NZ 1991, 31; Kralik, Erbrecht3 58). Nach herrschender Meinung (Koziol/Welser II10 351; Eccher in Schwimann, ABGB2 Rz 4 zu § 615) fällt einem fideikommissarischen Substituten die Erbschaft (das Nachlegat) bereits mit dem Tod des Erblassers an, wenn er "terminisiert" (gelegentlich auch als "betagt" bezeichnet: EvBl 1989/55) berufen ist (§ 705 ABGB), wobei eine an keine weitere Voraussetzung geknüpfte Berufung nach dem Tod des Vorerben als "Terminisierung" gilt (§ 615 Abs 2 ABGB; Koziol/Welser aaO samt Beispiel). Bereits daraus folgt die Richtigkeit der berufungsgerichtlichen Entscheidung, dass nämlich der - wie hier - "terminisiert" eingesetzte Substitut Reinhold B***** sein Recht aus der letztwilligen Anordnung seines Großvaters Franz P***** sofort, also jedenfalls zum Todestag am 25.2.1992, vererben konnte (Koziol/Welser aaO; EvBl 1989/55; in diesem Sinne auch Kletecka, Ersatz- und Nacherbschaft [1999], 103). Sofern nicht ein anderer Wille des Erblassers anzunehmen ist (was im Beweisverfahren nicht hervorkam), geht nämlich das Recht des fideikommissarischen Erben (Legatars) auch dann auf dessen Erben über (§ 537 ABGB), wenn er den Eintritt des Substitutionsfalles nicht erlebt hat, mit anderen Worten: Bereits die Anwartschaft des Nacherben ist vererblich, sofern nur nicht ein anderer Wille des Erblassers (auch durch Auslegung) festgestellt wird (Eccher, aaO; SZ 18/197; SZ 31/47), weil es sich bei den Regeln über die Transmission grundsätzlich um ius dispositivum handelt, die somit einer (unter Umständen auch durch Auslegung zu ermittelnden) letztwilligen Anordnung des Erblassers weichen müssten (Kralik, aaO 59) - was auch vom Revisionswerber nicht in Zweifel gezogen wird. Im Gegenteil: Ausgehend von den Feststellungen der Vorinstanzen war es der erklärte und feste Wille des Erblassers P*****, diese Wohnung gerade seinen Nachkommen aus der ersten Ehe, also (zunächst) seiner Tochter Marianne und sodann in zweiter (fortgesetzter) Linie deren Sohn, also seinem Enkel, dessen Nachkommen wiederum die Zweit- und Drittkläger sind, zukommen zu lassen. Bei der Ausgestaltung eines Substitutionsfalles ist aber der Erblasser (unstrittig) völlig frei (Kletecka, aaO 99).

Da das Berufungsgericht diese von der Judikatur herausgearbeiteten Rechtsgrundsätze allesamt beachtet hat, stand eine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO nicht zur Lösung an. An den gegenteiligen Ausspruch des Berufungsgerichtes ist der Oberste Gerichtshof nicht gebunden (§ 508a Abs 1 ZPO).

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf §§ 41, 50 ZPO. Die klagenden Parteien haben auf die Unzulässigkeit der Revision des Beklagten aus dem Grunde des § 502 Abs 1 ZPO hingewiesen.

Rechtssätze
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