JudikaturJustiz2Ob174/19f

2Ob174/19f – OGH Entscheidung

Entscheidung
17. Dezember 2019

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Veith als Vorsitzenden, den Hofrat Dr. Musger, die Hofrätin Dr. Solé und die Hofräte Dr. Nowotny und Mag. Pertmayr als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach dem am ***** 2017 verstorbenen J***** K*****, wegen Nachlassabsonderung, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Sohnes P***** K*****, vertreten durch Stingl und Dieter Rechtsanwälte OG in Graz, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Rekursgericht vom 5. Juli 2019, GZ 4 R 53/19x 58, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Der nach dem im Jahr 2017 verstorbenen Erblasser pflichtteilsberechtigte Antragsteller (Sohn des Erblassers) beantragte die Nachlassabsonderung gemäß § 812 ABGB und brachte dazu in erster Instanz lediglich vor, die Verlassenschaft (gemeint offenbar: die Alleinerbin) verfüge über kein nennenswertes Vermögen. Die Erbin könnte zum Nachlass gehörige Gegenstände veräußern, verpfänden oder darüber anderweitig verfügen.

Die Vorinstanzen wiesen den Antrag ohne Durchführung eines Verbesserungsverfahrens oder amtswegiger Ermittlungen ab. Sie führten im Wesentlichen aus, die zur Begründung des Antrags vorgebrachten Behauptungen seien unsubstanziiert und unschlüssig und zeigten keine konkreten Umstände auf, die die geltend gemachte Besorgnis objektiv begründet erscheinen ließen. Das Rekursgericht ließ den ordentlichen Revisionsrekurs nicht zu.

Rechtliche Beurteilung

Der Antragsteller zeigt in seinem außerordentlichen Revisionsrekurs keine erhebliche Rechtsfrage auf:

1. Eine solche Rechtsfrage wird nicht bloß dadurch begründet, dass Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Rechtslage im Zusammenhang mit den Voraussetzungen für die Bewilligung der Nachlassabsonderung gemäß § 812 ABGB in dessen – hier gemäß § 1503 Abs 7 Z 8 ABGB anzuwendenden – Fassung des ErbRÄG 2015 noch fehlt:

1.1. Nach dem Wortlaut des § 812 ABGB vor dem ErbRÄG 2015 ( „Besorgt ein Erbschaftsgläubiger ...“ ) war für die Nachlassabsonderung die subjektive Besorgnis des Verlassenschaftsgläubigers ausreichend, seine Befriedigung könnte durch Maßnahmen des Erben geschmälert werden (RS0013068; RS0013069). § 812 Abs 1 ABGB idF des ErbRÄG 2015 lautet: „Wenn die Forderung des Gläubigers … gefährdet wäre, ...“ . Demnach ist nunmehr die objektive Gefährdung der Forderung des Gläubigers maßgebliches Kriterium (ErläutRV 688 BlgNR 25. GP 38), die bloß subjektive Besorgnis des Gläubigers reicht nicht mehr aus ( Welser , Erbrechtskommentar § 812 ABGB Rz 5 und 20; Barth/Pesendorfer , Erbrechtsreform 2015, Anm 1 zu § 812 ABGB; Nemeth in Schwimann/Kodek , ABGB 5 § 812 Rz 5: „Erschwernis für den Gläubiger“; derselbe in Schwimann/Neumayr , ABGB TaKomm 4 § 812 Rz 4: „Verschärfung gegenüber der alten Rechtslage“). Dies ergibt sich bereits aus dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes und bedarf hier keiner näheren Erläuterung.

1.2. Ob im jeweils zu beurteilenden Fall konkrete Umstände behauptet wurden, die eine objektive Gefährdung der Forderung des Gläubigers begründen können, richtet sich – wie in den Fällen der „subjektiven Besorgnis“ – nach den Umständen des Einzelfalls. Ihrer Beurteilung kommt daher keine darüber hinausgehende Bedeutung zu (vgl 2 Ob 141/19b mwN; RS0013068 [T17]; jeweils zu § 812 ABGB aF).

1.3. Nach der zu § 812 ABGB aF ergangenen Rechtsprechung rechtfertigt die Vermögenslosigkeit des Erben allein – ohne das Vorhandensein von Verbindlichkeiten des Erben gegenüber Gläubigern – keine Nachlassabsonderung (RS0013049 [T1]). Weiters ist nach ständiger Rechtsprechung zu § 812 ABGB aF die (hier vom Antragsteller bloß abstrakt behauptete) Möglichkeit, die Erbin könnte Verfügungen über den Nachlass treffen, in jedem Fall gegeben und kann daher für sich allein noch nicht die Absonderung der Verlassenschaft von dem Vermögen der Erben rechtfertigen (RS0013072).

Es ist kein Grund erkennbar, dies nach der Rechtslage des ErbRÄG 2015 anders zu beurteilen.

1.4. Die Beurteilung des Rekursgerichts, die Behauptungen des Antragstellers reichten für eine Nachlassabsonderung nicht aus, ist somit nicht korrekturbedürftig, weshalb insoweit keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG vorliegt.

2. Entgegen der Meinung des Rechtsmittelwerbers existiert eine einheitliche höchstgerichtliche Rechtsprechung zum Erfordernis eines Verbesserungsauftrags und zur Geltung des Untersuchungsgrundsatzes im Verfahren über einen Antrag auf Nachlassabsonderung:

2.1. Dazu ist hinreichend geklärt, dass bei Unschlüssigkeit des Antragsvorbringens vor der Abweisung des Antrags ein Verbesserungsverfahren durchzuführen ist (1 Ob 692/85; 2 Ob 144/15p [ErwGr 2.5]; vgl auch RS0005751), woraus sich auch das Verbot einer Überraschungsentscheidung ergibt (vgl RS0080096).

2.2. Weiters entspricht es ständiger Rechtsprechung, dass d as Verfahren zur Bewilligung der Nachlassabsonderung als reines Antragsverfahren ausgestaltet und somit dem Dispositionsgrundsatz unterworfen ist (SZ 25/215; zuletzt unter dem Regime des AußStrG 2005: 2 Ob 144/15p [ErwGr 2.2]; 2 Ob 112/17k; RS0013078). Der Untersuchungsgrundsatz gilt daher nur eingeschränkt und jedenfalls dann nicht, wenn das Antragsvorbringen trotz Verbesserungsauftrags unschlüssig geblieben ist (dazu ausführlich 2 Ob 144/15p).

3. Verfahrensmängel:

3.1. Der Antragsteller hat bereits im Rekurs als Mangelhaftigkeit gerügt, er sei durch die erstgerichtliche Beurteilung, sein Vorbringen sei unschlüssig, überrascht worden, dies hätte mit ihm erörtert werden müssen.

Das Rekursgericht hat die Behandlung dieser Mängelrüge mit der Begründung unterlassen, ein nicht konkretisiertes Vorbringen löse kein Verbesserungsverfahren und auch keine amtswegigen Erhebungen aus. Diese Rechtsansicht ist nach dem oben Gesagten betreffend das Verbesserungsverfahren unzutreffend.

3.2. In seiner Verfahrensrüge des Rekurses hätte der Rechtsmittelwerber jedoch darzulegen gehabt, welches Vorbringen er im Falle eines Verbesserungsauftrags erstattet hätte, um seinen Sachantrag schlüssig zu stellen (vgl RS0037095 [T5, T9, T12]). Derartiges Vorbringen hat der Rechtsmittelwerber nicht erstattet und deshalb die Relevanz des gerügten Verfahrensmangels nicht aufgezeigt. Aus diesem Grund erweist sich die Entscheidung des Rekursgerichts als richtig.

3.3. Das Antragsvorbringen bleibt somit – wie unter Punkt 1. ausgeführt – unschlüssig. Bei nicht verbesserter Unschlüssigkeit ist das Begehren aber ohne weitere Ermittlungen abzuweisen (2 Ob 144/15p), weshalb die angefochtene Entscheidung keiner Korrektur durch den Obersten Gerichtshof bedarf.

Rechtssätze
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