JudikaturJustiz2Ob158/72

2Ob158/72 – OGH Entscheidung

Entscheidung
18. Januar 1973

Kopf

SZ 46/5

Spruch

Eine Fristsetzung im Sinne des § 279 ZPO setzt - vom Fall des § 283 Abs. 3 ZPO abgesehen - immer einen Antrag des Gegners der beweisführenden Partei voraus

OGH 18. Jänner 1973, 2 Ob 158/72 (OLG Graz 4 R 57/72; LG Klagenfurt 20 Cg 16/72)

Text

Josef H wurde am 28. 8. 1964 beim Schwimmen von einem Motorboot tödlich verletzt.

Die Klägerin als die Witwe des Getöteten begehrte in ihrer am 8. Feber 1967 eingebrachten Klage vom Beklagten als dem Halter und Lenker des Bootes zunächst den Ersatz von Barauslagen von 10.650.91 DM und von entgangenen Einnahmen aus dem Betrieb ihres Mannes in der Höhe von 22.500 DM je samt Anhang, sowie die Feststellung der Haftung des Beklagten für den gesamten in Zukunft entstehenden Schaden.

Der Beklagte bestritt das Klagebegehren dem Grund und der Höhe nach wendete ein 50%iges Mitverschulden des Gatten der Klägerin ein und anerkannte nur einen kleinen Teil der von der Klägerin erhobenen Ansprüche, welcher aber bereits beglichen worden sei.

Das Erstgericht schränkte das Verfahren auf den Grund des Anspruchs ein und erkannte mit Zwischenurteil (richtig: Teil- Zwischenurteil) vom 30. Dezember 1968 zu Recht, daß "Ansprüche der Klägerin gegenüber dem Beklagten dem Gründe nach zur Hälfte zu Recht" bestunden; damit solle - so heißt es in der Begründung des Urteils - keineswegs ausgesprochen werden, daß alle Ansprüche der Klägerin dem Gründe nach zur Hälfte zu Recht bestunden, sondern nur, daß das Verschulden des Beklagten gleich groß sei wie das des Josef H.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Zwischenurteil, wobei es mangels einer Anfechtung der Entscheidung des Erstgerichtes durch den Beklagten davon ausging, daß sämtliche eingeklagten Ansprüche mit einem wenn auch nur geringfügigen Teil dem Gründe nach zu Recht bestunden, so daß insofern der Bestätigung des Zwischenurteils kein Hindernis entgegenstehe.

Im fortgesetzten Verfahren schränkte die Klägerin ihr Begehren auf Ersatz von Barauslagen auf 3092.95 DM und ihr Begehren auf Ersatz entgangener Einnahmen auf 11.250 DM, zusammen also 14.342.95 DM, ein; gleichzeitig dehnte sie aber das Klagebegehren um seit dem 1. März 1967 entgangene Einnahmen in der Höhe von 16.500 DM auf nunmehr insgesamt 30.842.95 DM aus. Sodann änderte die Klägerin mit Rücksicht auf das rechtskräftige Zwischenurteil auch ihr Feststellungsbegehren dahin, daß der Beklagte schuldig sei, ihr die Hälfte der aus dem Unfall vom 28. August 1964 entstehenden Schäden zu ersetzen. Für den Fall der Abweisung des auf Zahlung von DM gerichteten Leistungsbegehrens stellte sie schließlich noch ein Eventualbegehren auf Zahlung von 191.096.03 S samt Anhang.

Der Beklagte wendete im fortgesetzten Verfahren Verjährung ein, weil die Klägerin dem ihr am 5. November 1970 gemäß § 279 ZPO vom Gericht erteilten Auftrag, die zum Beweis ihrer Ansprüche angebotenen Belege binnen vier Wochen vorzulegen, ohne stichhältigen Grund erst am 30. Dezember 1971 nachgekommen sei.

Das Erstgericht gab dem Feststellungsbegehren der Klägerin statt, wies aber das Zahlungsbegehren ebenso wie das Eventualbegehren der Klägerin wegen Verjährung ab.

Die Entscheidung über das Feststellungsbegehren blieb unangefochten. Infolge Berufung der Klägerin gegen die Abweisung ihres Leistungsbegehrens bestätigte das Berufungsgericht das Urteil des Erstgerichtes insoweit, als das Begehren auf Zahlung von 3092.95 DM samt Anhang (Barauslagenersatz) abgewiesen worden war; im übrigen, nämlich hinsichtlich der Abweisung eines Betrages von 27.750 DM samt Anhang (Ersatz entgangener Einnahmen) sowie des Eventualbegehrens, hob es das angefochtene Urteil auf und verwies die Rechtssache im Umfang der Aufhebung zur Verhandlung und Urteilsfällung an das Prozeßgericht zurück.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Klägerin Folge; das Teilurteil des Berufungsgerichtes und der sich darauf beziehende teil der Kostenentscheidung der zweiten Instanz wurden aufgehoben. Zugleich wurde das Urteil des Erstgerichtes auch insoweit aufgehoben, als es das Begehren auf Zahlung von 3092.95 DM samt Anhang in eventu von 19.176 S samt Anhang abgewiesen hatte. Die Rechtssache wurde in diesem Umfang zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Das Erstgericht hat bei der Tagsatzung vom 5. November 1970 "mit Rücksicht darauf, daß eine eingehende Erorterung des Sachverhaltes wegen der Höhe der Ansprüche notwendig ist, vor allem mit der Erorterung der Belege", der Klägerin "gemäß § 279 ZPO" den Auftrag erteilt, "die in Bezug genommenen Belege binnen 4 Wochen vorzulegen"; im Verhandlungsprotokoll heißt es dann weiter: "Die Streitverhandlung wird erstreckt, der nächste Termin ergeht schriftlich. Danach dem fruchtlosen Verstreichen dieser Frist kein Fortsetzungsantrag gestellt wurde, wurde der Akt am Ende des Jahres 1970 gemäß § 391 Abs. 1 Z. 1 lit. d Geo. in Register abgestrichen und eingelegt. Erst mit Schriftsatz vom 29. Dezember 1971, bei Gericht eingelangt am 30. Dezember 1971, legte der Klagevertreter eine Reihe von Belegen für die in der Klage geltend gemachten Anspruche vor. Er habe sofort nach der Verhandlung vom 5. November 1970 von dem deutschen Rechtsvertreter der Klägerin die Übermittlung der notwendigen Unterlagen verlangt, diese aber erst nach dem Oktober 1971 erhalten. Der Beklagte gab den zuletzt erwähnten Umstand ausdrücklich als richtig zu, wendete aber mit Rücksicht auf die 13 Monate dauernde Untätigkeit der Klägerin Verjährung ein.

Nach Ansicht des Erstgerichtes habe die Klägerin nicht nachweisen können, daß sie aus triftigen, im Verhältnis zwischen ihr und den Beklagten gelegenen Gründen an der nötigen prozessualen Betriebsamkeit gehindert war. Die mehr als 13 Monate dauernde, ungerechtfertigte Nichtbefolgung eines befristeten gerichtlichen Auftrages habe die der Klägerin obliegende Pflicht zur gehörigen Fortsetzung des Verfahrens verletzt. Da auch das rechtskräftige Zwischenurteil über den Grund des Anspruches die Klägerin bei nachfolgender prozessualer Untätigkeit nicht von einer Verjährung ihrer Ansprüche schützen könne, habe das gesamte Leistungsbegehren aus dem Gründe der Verjährung abgewiesen werden müssen.

Das Berufungsgericht billigte diese Rechtsansicht hinsichtlich des als Ersatz für Barauslagen angesprochenen Betrages von 3092.95 DM und kam daher insoweit zu einer Bestätigung des abweisenden Urteils des Erstgerichtes; hinsichtlich des restlichen Leistungsbegehrens von 27.750 DM war es dagegen der Meinung, daß Verjährung nicht eingetreten sei, weshalb es dem Erstgericht in diesem Umfang eine neue Verhandlung und Entscheidung auftrug. Da der Aufhebungsbeschluß des Berufungsgerichtes - ungeachtet des in ihm enthaltenen Rechtskraftvorbehaltes - nicht angefochten wurde, bildet den Gegenstand des Revisionsverfahrens nur die Abweisung des Teilbegehrens von 3092.95 DM.

Hier ist zunächst dem Berufungsgericht darin beizupflichten, daß das rechtskräftige Zwischenurteil über den Grund des Anspruches der nachträglichen Einwendung der Verjährung wegen nicht gehöriger Fortsetzung des Verfahrens über die Höhe des Anspruches grundsätzlich nicht entgegensteht. Richtig ist zwar, daß die Einrede der Verjährung den Grund des Anspruches berührt, daher schon im Zwischenurteil erledigt werden muß und im Verfahren über die Höhe des Anspruchs nicht nachgetragen werden kann. Die Präklusionswirkung des Zwischenurteiles kann sich aber denknotwendig nur auf solche den ,Anspruchsgrund betreffende Tatsachen und Einwendungen erstrecken, die vor dem Schluß der Verhandlung über den Grund des Anspruches eingetreten waren und nach den Verfahrensgesetzen in diesem Verfahrensabschnitt geltend gemacht werden konnten. Trotz Rechtskraft des Zwischenurteils über den Grund des Anspruchs kann daher im Verfahren über die Anspruchshöhe eingewendet werden, daß nachträglich rechtsbegrundende Tatsachen weggefallen oder rechtsvernichtende Tatsachen eingetreten sind. Letzteres ist aber insbesondere auch dann der Fall, wenn der Berechtigte im Verfahren über die Höhe des Anspruchs die Klage - insbesondere durch Nichtbefolgung eines gerichtlichen Auftrages - nicht gehörig fortsetzt und erst dadurch die Verjährung als nicht unterbrochen gilt (so bereits EvBl. 1972/201).

Richtig hat das Berufungsgericht auch ausgeführt, daß bei längerem Stillstand des Verfahrens wegen Nichtbefolgung eines dem Kläger vom Gericht erteilten befristeten Auftrages, ohne daß hiefür triftige Gründe nachgewiesen werden, die Klage auch darin nicht als gehörig fortgesetzt anzusehen ist, wenn sie schon vor dem Ablauf der Verjährungsfrist eingebracht wurde; die Unterbrechungswirkung der Klage wird nämlich dann beseitigt, wenn der Kläger eine ungewöhnliche Untätigkeit bekundet und auf diese Weise zum Ausdruck bringt, daß ihm an der Erreichung des Prozeßziels nichts gelegen ist. Dabei muß aber untersucht werden, ob der Kläger mit Rücksicht auf die ihm vom Gericht erteilten Aufträge überhaupt verpflichtet war, Prozeßhandlungen vorzunehmen, um einen Verfahrensstillstand wirksam zu begegnen; das von sich aus säumige Prozeßgericht braucht er nämlich nicht zu betreiben (SZ 37/134; EvBl. 1967/266; 2 Ob 101/71;, 8 Ob 24/72). Konnte oder mußte der Kläger also eine Tätigkeit des Gerichtes erwarten, dann läßt seine Untätigkeit nicht ohne weiteres den Schluß zu, es sei ihm an der Erreichung des Prozeßziels nichts gelegen (1 Ob 116/72).

Eine Prüfung des vorliegenden Falles in dieser Richtung zeigt aber, daß der der Klägerin vom Erstgericht am 5. November 1970 "gemäß § 279 ZPO" erteilte Auftrag, binnen 4 Wochen die von ihr bezogenen Belege vorzulegen, in doppelter Hinsicht gegen das Gesetz verstoßen hat: einerseits deshalb, weil hier keine der in § 279 Abs. 1 ZPO für eine solche Maßnahme angeführten Voraussetzungen (Hindernis von ungewisser Dauer; zweifelhafte Ausführbarkeit der Beweisaufnahme Beweisaufnahme im Ausland) gegeben war, andererseits vor allem auch deshalb, weil eine Fristsetzung im Sinne des § 279 ZPO, wie auch das Berufungsgericht richtig erkannt hat, nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes - von dem hier nicht in Betracht kommenden Fall des § 283 Abs. 3 ZPO abgesehen - immer einen Antrag des Gegners der beweisführenden Partei voraussetzt (Fasching III, 305 f. zu § 279 ZPO Anm. 5), nicht aber, wie im vorliegenden Fall, von Amts wegen angeordnet werden darf. Entgegen der Meinung des Berufungsgerichtes konnte dieser gesetzwidrige Beschluß des Erstgerichtes vom 5. November 1970 keinen solchen Verfahrensstillstand herbeiführen, der die Klägerin verpflichtet hätte, von sich aus tätig zu werden und durch eine geeignete Prozeßhandlung - etwa einen Antrag auf Fristverlängerung oder auf Fortsetzung des Verfahrens (vgl. EvBl. 1963/6) - den Prozeß wieder in Gang zu bringen. Die Klägerin durfte vielmehr ungeachtet der - gesetzwidrigen - Anordnung des Gerichtes erwarten, daß sich das Gericht der prozessualen Lage entsprechend verhalten und das Verfahren pflichtgemäß fortsetzen werde; sie war, wie schon erwähnt, keinesfalls verhalten, das säumige Prozeßgericht zu betreiben (SZ 41/85 = EvBl. 1969/39 = JBl. 1968, 626; 2 Ob 101/71; 1 Ob 116/72; 8 Ob 10/72). Daß das Erstgericht der durch seinen Auftrag vom 5. November 1970 entstandenen besonderen Verfahrenslage nicht gerecht wurde, hat die Klägerin nicht zu vertreten (RZ 1968.74).

Der Kläger darf freilich auch im Fall der Gesetzwidrigkeit des ihm vom Gericht im Sinne der §§ 279, 332, 365 ZPO erteilten Auftrages nur so lange damit rechnen, daß das Gericht von sich aus für den Fortgang des Rechtsstreites sorgen werde, als dieses nicht selbst unmißverständlich zum Ausdruck gebracht hat, daß es nicht so vorzugehen, das Verfahren vielmehr nur auf Antrag einer Partei fortzusetzen beabsichtige (7 Ob 130/70; 1 Ob 116/72). Davon kann aber hier gleichfalls nicht gesprochen werden, bringt doch der Beschluß vom 5. November 1970 die Absicht des Gerichtes, das Verfahren nur auf Parteiantrag weiterzuführen, keinesfalls klar und unzweideutig zum Ausdruck; die bloße Bezugnahme auf § 279 ZPO konnte der Klägerin einen solchen Eindruck umso weniger vermitteln, als gleich im Anschluß an die Fristsetzung die übliche Wendung folgt, der "nächste Termin ergehe schriftlich".

Diese Überlegungen führen zu dem Ergebnis, daß der Klägerin auch hinsichtlich ihres Anspruchs auf Zahlung von 3092.95 DM keine Verletzung ihrer Pflicht zur gehörigen Fortsetzung des Verfahrens vorgeworfen werden kann, Verjährung daher auch in diesem Umfang nicht eingetreten ist. Das führt zur Aufhebung des Teilurteils des Berufungsgerichtes und des davon betroffenen Teiles des Ersturteils. Das Erstgericht wird das Verfahren auch über den Anspruch auf Zahlung von 3092.95 DM samt Anhang fortzusetzen und sodann neuerlich zu entscheiden haben.

Rechtssätze
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