JudikaturJustiz2Ob15/11m

2Ob15/11m – OGH Entscheidung

Entscheidung
29. November 2011

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Baumann als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Veith, Dr. E. Solé, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Walter M*****, vertreten durch Mag. Dr. Andreas Mauhart, Rechtsanwalt in Linz, gegen die beklagten Parteien 1. Patrick K*****, 2. L*****gesellschaft m.b.H., *****, und 3. O***** AG, *****, sämtliche vertreten durch Mag. Dietrich Seeber, Rechtsanwalt in Linz, wegen 2.241,67 EUR sA und Feststellung (Streitinteresse 2.666,67 EUR), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 11. November 2010, GZ 4 R 168/10v 30, womit das Urteil des Landesgerichts Linz vom 10. August 2010, GZ 2 Cg 63/10b 25, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Akten werden dem Erstgericht zurückgestellt.

Text

Begründung:

Gegenstand des Rechtsstreits ist das nach einem Verkehrsunfall gestellte Klagebegehren, die beklagten Parteien (Lenker, Halter und Haftpflichtversicherer) zur Zahlung von 2.241,67 EUR sA zu verpflichten und festzustellen, dass sie dem Kläger zur ungeteilten Hand für alle künftigen Schäden aus dem Unfall im Umfang von zwei Drittel zu haften hätten. Die Vorinstanzen gingen bei ihren Entscheidungen von gleichteiligem Verschulden des Klägers und des Erstbeklagten aus.

Rechtliche Beurteilung

Nach Vorlage der Akten an den Obersten Gerichtshof zur Entscheidung über die Revision des Klägers wurde mit Beschluss des Bezirksgerichts Pregarten vom 11. 11. 2011, AZ 1 S 15/11s, das Schuldenregulierungsverfahren über das Vermögen des Erstbeklagten eröffnet, dem die Eigenverwaltung belassen wurde. Die dadurch eingetretene Rechtslage ist wie folgt zu beurteilen:

1. Gemäß § 7 Abs 1 IO werden durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens alle anhängigen Rechtsstreitigkeiten, in denen der Schuldner Kläger oder Beklagter ist, mit Ausnahme einer hier nicht vorliegenden Streitigkeit iSd § 6 Abs 3 IO unterbrochen. Auf Streitgenossen des Schuldners wirkt die Unterbrechung nur dann, wenn sie mit dem Schuldner eine einheitliche Streitpartei bilden. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens und ihre Wirkungen sind auch im Rechtsmittelverfahren von Amts wegen zu berücksichtigen (2 Ob 165/10v mwN).

2. Das Schuldenregulierungsverfahren ist ein Insolvenzverfahren, weshalb gemäß § 181 IO die Regelung des § 7 IO uneingeschränkt gilt (3 Ob 171/08f; 9 Ob 60/10d; RIS Justiz RS0103501; Schubert in Konecny/Schubert , Insolvenzgesetze, § 7 KO Rz 29). Davon zu trennen ist die Frage, ob der bei Eigenverwaltung grundsätzlich prozessführungsbefugte Schuldner nach Aufnahme des unterbrochenen Verfahrens zur Wirksamkeit prozessualer Maßnahmen der Zustimmung des Insolvenzgerichts nach § 187 Abs 1 Z 3 IO bedarf (3 Ob 171/08f; RIS Justiz RS0111634; Mohr , Privatkonkurs² [2007] 37 f). Es ist daher davon auszugehen, dass die Eröffnung des Schuldenregulierungsverfahrens auch bei Eigenverwaltung des Schuldners gemäß § 7 IO anhängige Prozesse ex lege unterbricht (3 Ob 171/08f mwN). Dies gilt insbesondere für Passivprozesse des Schuldners, wenn der Prozessgegenstand eine anmeldepflichtige Forderung betrifft (10 Ob 41/08t), aber auch für Absonderungsansprüche (vgl Mohr aaO 38).

Im vorliegenden Fall werden vom Kläger anmeldepflichtige Forderungen geltend gemacht (zur Anmeldepflicht bei einem schadenersatzrechtlichen Feststellungsbegehren vgl 2 Ob 287/08g; 9 ObA 22/10s; RIS Justiz RS0124734), hinsichtlich derer, auch soweit sie einen Absonderungsanspruch mitumfassen (vgl SZ 51/10; 2 Ob 84/81; 6 Ob 1/03w; Schubert aaO § 6 KO Rz 29), die Eröffnung des Schuldenregulierungsverfahrens über das Vermögen des Erstbeklagten diesem gegenüber die Unterbrechung des Verfahrens ex lege zur Folge hat.

3. Nach ständiger Rechtsprechung bilden Halter, Lenker und Versicherer nur insoweit eine einheitliche Streitpartei, als der gegen sie vorgebrachte Haftungsgrund identisch ist und es zur Verwirklichung der in § 28 KHVG vorgesehenen Erstreckungswirkung eines das Schadenersatzbegehren rechtskräftig aberkennenden Urteils erforderlich ist (2 Ob 268/06k mwN; RIS-Justiz RS0035547 [T10]; auch RS0035489). Ein Lenker, der das Fahrzeug mit Willen des Halters verwendet, ist als Mitversicherter (§ 2 Abs 2 KHVG) grundsätzlich von der in § 28 KHVG geregelten Rechtskrafterstreckung erfasst. Aus der zitierten Bestimmung wird abgeleitet, dass ein auf denselben Sachverhalt gegründeter Schadenersatzanspruch gegenüber dem Versicherten und dem Versicherer einheitlich beurteilt werden soll. In einem gegen den (die) Versicherten und den Versicherer gemeinsam geführten Rechtsstreit ist daher darauf Bedacht zu nehmen, dass über den eingeklagten Anspruch grundsätzlich einheitlich entschieden wird (vgl 2 Ob 268/06k; 2 Ob 119/09b mwN; RIS Justiz RS0110240).

Aus diesen Erwägungen hat der Oberste Gerichtshof schon zu § 63 Abs 3 KFG 1967, jener Bestimmung, die später wörtlich in § 24 KHVG 1987 und § 28 KHVG 1994 übernommen wurde, die Ansicht vertreten, dass im Falle der Eröffnung des Konkursverfahrens (nun: Insolvenzverfahrens) über das Vermögen einer der mehreren beklagten Parteien die Voraussetzungen einer einheitlichen Streitpartei gegeben sind und die Unterbrechung daher auch gegenüber dem (den) mitbeklagten Streitgenossen eintritt (SZ 51/10; RIS Justiz RS0064099; Schubert aaO § 7 KO Rz 8). Daran ist entgegen Konecny (Feststellungsprozess über die Haftung für künftige Schäden und Beklagtenkonkurs, ZIK 2009/182, 110 [112]; ihm beipflichtend Nunner Krautgasser , „Feststellungsansprüche“, zukünftige Leistungsansprüche und Insolvenzverfahren, Zak 2009/626, 387 [389]), der diese Rechtsfolge als „störend“ bezeichnet aus den dargelegten Gründen festzuhalten.

4. Für den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass das Verfahren seit der Eröffnung des Schuldenregulierungsverfahrens über das Vermögen des Erstbeklagten hinsichtlich aller drei beklagter Parteien unterbrochen ist.

Wird ein Insolvenzverfahren nach Erhebung einer Revision und nach Vorlage der Akten an den Obersten Gerichtshof eröffnet, ist während der ex lege eingetretenen Unterbrechung über das Rechtsmittel nicht zu entscheiden. Die Akten sind vielmehr vorerst unerledigt dem Erstgericht zurückzustellen (RIS Justiz RS0036752).

Rechtssätze
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  • RS0110240OGH Rechtssatz

    26. Mai 2020·3 Entscheidungen

    Dem § 24 KHVG 1987 (§ 28 KHVG 1994) ist der Grundgedanke zu entnehmen, dass ein auf denselben Sachverhalt gegründeter Schadenersatzanspruch gegenüber dem Versicherten und dem Versicherer einheitlich beurteilt werden soll, soweit und solange dies möglich ist. Von dieser Bestimmung ausgehend ist also ganz allgemein die Forderung nach einer einheitlichen Entscheidung für den Kfz-Haftpflichtbereich zu erheben, soweit nicht besondere Umstände - etwa, wenn die Entscheidung gegen eine der beklagten Parteien infolge Unterlassung eines Rechtsmittels oder eines Rechtsbehelfes rechtskräftig wurde, oder weil wegen verschiedener Haftungsvoraussetzungen (Verschuldenshaftung und Gefährdungshaftung) derselbe Sachverhalt zu unterschiedlichen Ergebnissen führen kann - abweichende Entscheidungen rechtfertigen. In einem gegen den Versicherten und den Versicherer gemeinsam geführten Rechtsstreit ist darauf Bedacht zu nehmen, dass über den eingeklagten Anspruch grundsätzlich einheitlich entschieden wird. Selbst dann, wenn (zunächst) nur der Versicherte geklagt wird, muss - schon im Hinblick auf die bloße Möglichkeit der Abweisung einer späteren Klage gegen den Versicherer - der Gefahr von Entscheidungsdivergenzen begegnet werden. Dies bedeutet, dass für den Bereich der Kfz-Haftpflichtversicherung eine Bindung an die strafgerichtliche Verurteilung des versicherten Lenkers im allgemeinen unabhängig davon nicht besteht, wen der Geschädigte klageweise in Anspruch nimmt und wann dies geschieht. Nur wenn auszuschließen ist, dass es noch zu einem das Klagebegehren abweisenden Urteil zugunsten des Versicherers kommen kann, wäre dem versicherten Lenker der Einwand, er habe die Tat, derentwegen er strafgerichtlich verurteilt wurde, nicht begangen, verwehrt. Diese Auffassung steht mit der Entscheidung des verstärkten Senates SZ 68/195 nicht im Widerspruch, weil bei der damaligen Fallgestaltung (Fußballfoul) die sich aus § 24 KHVG 1987 ergebenden Besonderheiten nicht zu berücksichtigen waren.