JudikaturJustiz2Ob14/21d

2Ob14/21d – OGH Entscheidung

Entscheidung
25. März 2021

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Veith als Vorsitzenden und den Hofrat Dr. Musger, die Hofrätin Dr. Solé und die Hofräte Dr. Parzmayr und Mag. Pertmayr als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach der am 9. Juni 2019 verstorbenen J***** H*****, zuletzt *****, über den Revisionsrekurs der Erbin E***** H*****, vertreten durch Gradischnig Gradischnig Rechtsanwälte GmbH in Villach und Dr. Margit Niederleitner, Rechtsanwältin in Villach, gegen den Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt als Rekursgericht vom 4. November 2020, GZ 2 R 182/20x 31, mit welchem der Beschluss des Bezirksgerichts Villach vom 21. August 2020, GZ 11 A 325/19a 25, infolge Rekurses der P***** H*****, vertreten durch Rechtsanwälte Dr. Kleinszig/Dr. Puswald Partnerschaft in St. Veit an der Glan, teilweise aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben , und es wird

(a) der Rekurs gegen die erstgerichtliche Entscheidung zurückgewiesen , soweit er sich gegen deren Punkte 2 (Kenntnisnahme der Nachtragsabhandlung) und 6 (Bestätigung der Rechtskraft und Vollstreckbarkeit) richtet,

(b) im Übrigen, also in Bezug auf Punkt 3 des erstgerichtlichen Beschlusses (Verständigung einer Bank), in der Sache entschieden , dass der Antrag der Erbin, sie zu den in diesem Punkt genannten Konten einer Schweizer Bank „verfügungsberechtigt zu stellen“, abgewiesen wird.

Ein Kostenersatz findet nicht statt.

Text

Begründung:

[1] D er Nachlass der Erblasserin wurde der Revisionsrekurswerberin aufgrund einer unbedingten Erbantrittserklärung rechtskräftig als Alleinerbin eingeantwortet. I n der Vermögenserklärung (§ 170 AußStrG) hatte sie (abgesehen von einer Liegenschaft, Fahrnissen und zwei Forderungen) nur Guthaben auf einem Konto und einem Wertpapierdepot bei einer österreichischen Bank angegeben. Nachträglich teilte eine Schweizer Bank mit, dass die Erblasserin auch an bestimmten Guthaben auf Konten dieser Bank berechtigt gewesen sei. Allerdings war bei diesen Konten auch eine Enkeltochter der Erblasserin als Berechtigte – und zwar mit dem Vermerk „u/o“ – angeführt. Näheres war der Mitteilung nicht zu entnehmen.

[2] Die Erbin nahm die Guthaben nach § 183 Abs 2 AußStrG in ihre Vermögenserklärung auf. Ihr Vertreter erklärte gegenüber der Gerichtskommissärin, dass die Enkeltochter nur „namentlich als 'Mitinhaberin' geführt“ worden sei und die gesamten Guthaben zum Nachlass gehörten. Er beantragte daher, die Erbin insofern „verfügungsberechtigt“ zu stellen. Für den Fall der antragsgemäßen Erledigung verzichtete er auf Rechtsmittel. Die Gerichtskommissärin übermittelte den Akt mit der ergänzten Vermögenserklärung und den Erklärungen des Erbenvertreters an das Gericht.

[3] Soweit für das Revisionsrekursverfahren relevant, beschloss das Erstgericht , dass

a. die gepflogene Nachtragsabhandlung zur Kenntnis genommen werde (Punkt 2),

b. die Schweizer Bank verständigt werde, dass die Erbin nach dem Ergebnis der Nachtragsabhandlung über die Guthaben der Erblasserin auf den konkret genannten Konten bei dieser Bank „alleine verfügungs- und bezugsberechtigt“ sei (Punkt 3),

c. dieser Beschluss rechtskräftig sei und sogleich in Vollzug gesetzt werden könne (Punkt 6).

[4] Eine Begründung enthielt der Beschluss nicht.

[5] Das Erstgericht verfügte die Zustellung des Beschlusses auch an die bisher nicht am Verfahren beteiligte Enkeltochter . Diese machte in ihrem Rekurs geltend, dass die Schweizer Guthaben aufgrund der zugrundeliegenden Vereinbarung mit der Bank nach dem Tod der Erblasserin allein ihr gehörten.

[6] Die Erbin bestritt in der Rekursbeantwortung die Rechtsmittellegitimation der Enkeltochter. Weiters brachte sie vor, dass die im Rekurs genannte Vereinbarung ungültig sei und dass sie die Rekurswerberin auf Zustimmung zur Ausfolgung der Guthaben geklagt habe.

[7] Das Rekursgericht hob den Beschluss in den genannten Punkten auf und trug dem E rstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Den Revisionsrekurs ließ es zu.

[8] Die österreichischen G erichte seien für die Nachtragsabhandlung international zuständig, weil die Erblasserin ihren letzten gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich gehabt habe ( Art 4 EuErbVO) und kein Antrag auf Ausscheidung der in der Schweiz gelegenen Vermögenswerte gestellt worden sei (Art 12 EuErbVO). Die Enkeltochter sei rekurslegitimiert, weil Punkt 3 des angefochtenen Beschlusses in ihre nach der Aktenlage bestehende Berechtigung an den Schweizer Guthaben eingegriffen habe. Es liege ein Verfahrensmangel vor, weil das Erstgericht die Enkeltochter der Nachtragsabhandlung hätte beiziehen müssen. Im fortgesetzten Verfahren sei nach ergänzenden Ermittlungen neuerlich über den Antrag der Erbin, sie in Bezug auf die Guthaben „verfügungsberechtigt“ zu stellen, zu entscheiden. Das Verfahren könne aber auch bis zur Entscheidung im Prozess zwischen der Erbin und der Enkeltochter unterbrochen werden. Der Revisionsrekurs sei zuzulassen, da höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage fehle, ob ein gemeinsam mit dem Erblasser verfügungsberechtigter Dritter im Verlassenschaftsverfahren bei der Beurteilung der Frage, ob ein Bankkonto oder Depot zum Nachlass gehöre, Parteistellung habe.

[9] In ihrem Revisionsrekurs macht die Erbin geltend, dass der Rekurs der Enkeltochter nach der Entscheidung 1 Ob 613/94 mangels Parteistellung und Rechtsmittellegitimation zurückzuweisen gewesen wäre.

[10] Die Enkeltochter vertritt in der Revisionsrekursbeantwortung die Auffassung, dass der erstgerichtliche Beschluss in ihr Verfügungsrecht an den Guthaben eingegriffen habe, was ihre Parteistellung und Rechtsmittellegitimation begründe.

[11] Der Revisionsrekurs ist zwar nicht aus dem vom Rekursgericht genannten Grund, wohl aber deswegen zulässig , weil das Rekursgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abgewichen ist. Er ist aus diesem Grund auch berechtigt .

Rechtliche Beurteilung

[12] 1. Aufgrund eines nach § 64 Abs 1 AußStrG zugelassenen Rekurses gegen einen Aufhebungsbeschluss kann der Oberste Gerichtshof nach § 70 Abs 2 AußStrG in der Sache entscheiden, wenn sie zur Entscheidung reif ist. Dabei hat er die rechtliche Beurteilung des angefochtenen Beschlusses – wie im Prozess nach § 519 Abs 2 ZPO – in jede Richtung zu überprüfen (RS0043903 [insb T6]). Als Entscheidung in der Sache ist auch das Wahrnehmen der Unzulässigkeit des Rekurses gegen die erstgerichtliche Entscheidung zu verstehen.

[13] 2. In Bezug auf die Punkte 2 und 6 der erstgerichtlichen Entscheidung war der Rekurs unzulässig.

[14] 2.1. Mit Punkt 2 seines Beschlusses nahm das Erstgericht die „gepflogene Nachtragsabhandlung zur Kenntnis.“ Dabei handelte es sich um keine anfechtbare Entscheidung.

[15] (a) Voraussetzung für die Zulässigkeit eines Rekurses ist, dass der angefochtene Ausspruch tatsächlich den Charakter eines Beschlusses hat, dh einer Willenserklärung des Gerichts, mit der es über ein Rechtsschutzbegehren oder über den Fortgang des Verfahrens entscheidet. Trifft das nicht zu, so ist der Ausspruch unanfechtbar, mag das Gericht dafür auch verfehlt die Bezeichnung als Beschluss gewählt haben (1 Ob 2401/96m mwN; RS0106917). Das gilt insbesondere für bloße Verlautbarungen oder Mitteilungen des Gerichts (4 Ob 73/08a mwN; 2 Ob 77/18i).

[16] (b) Ob ein anfechtbarer Beschluss oder eine bloße Mitteilung vorliegt, ist durch Auslegung des strittigen Ausspruchs zu ermitteln. Von Bedeutung ist dabei nicht nur dessen Bezeichnung, sondern auch die Rechtsgrundlage. Erfordert sie – bei richtigem Verständnis – keinen Beschluss, so ist im Zweifel nicht anzunehmen, dass das Gericht einen solchen Beschluss fassen wollte (4 Ob 73/08a; 2 Ob 77/18i).

[17] (c) Im vorliegenden Fall nahm das Erstgericht die Nachtragsabhandlung „zur Kenntnis“. Dabei handelt es sich schon nach dem Wortlaut nur um eine Mitteilung an den Gerichtskommissär und die Beteiligten des Verfahrens; eine Entscheidung über ein Rechtsschutzbegehren oder den Fortgang des Verfahrens war damit nicht verbunden. Eine Rechtsgrundlage für einen dennoch zu fassenden Beschluss ist nicht erkennbar. Soweit sich der Rekurs der Enkeltochter gegen diesen Punkt richtete, war er daher mangels Vorliegens eines tauglichen Anfechtungsgegenstands unzulässig.

[18] 2.2. Mit Punkt 6 seines Beschlusses stellte das Erstgericht fest, dass seine Entscheidung rechtskräftig sei und sofort in Vollzug gesetzt werden könne. Dieser Beschluss kann nicht mit Rekurs angefochten werden.

[19] Bei diesem Punkt handelte es sich in der Sache um eine Bestätigung der Rechtskraft und Vollstreckbarkeit iSv § 7 EO, die wegen des vorweg erfolgten Rechtsmittelverzichts der Erbin ausnahmsweise in den Spruch der Entscheidung aufgenommen wurde. Eine solche Bestätigung ist zwar auch selbst ein Beschluss (RS0001583). Er kann allerdings nur mit einem Antrag auf Aufhebung nach § 7 Abs 3 EO bekämpft werden; ein Rekurs ist ausgeschlossen (RS0001582 [Vollstreckbarkeitsbestätigung]; RS0124932 [analoge Anwendung auf Rechtskraftbestätigung]).

[20] 2.3. Soweit der Rekurs der Enkeltochter die Punkte 2 und 6 des erstgerichtlichen Beschlusses betraf, war er daher jedenfalls – also unabhängig von der Frage der Rechtsmittellegitimation – unzulässig. Er war daher in diesem Umfang zurückzuweisen.

[21] 3. Soweit sich der Rekurs gegen Punkt 3 der erstgerichtlichen Entscheidung richtete, war er zwar zulässig. Allerdings hat das Rekursgericht die Sache unrichtig beurteilt.

[22] 3.1. Der Rekurs der Enkeltochter gegen Punkt 3 des erstgerichtlichen Beschlusses war zulässig:

[23] (a) Der Revisionsrekurs zeigt an sich zutreffend auf, dass Dritte, etwa Vertragspartner des Erblassers, Gläubiger oder Legatare, im Verlassenschaftsverfahren in der Regel nicht Partei und daher auch nicht rechtsmittellegitimiert sind (RS0006249 [insb T13]). Auch die Aufnahme von Sachen in ein Inventar oder Vermögensbekenntnis berührt – mangels Wirkung außerhalb des Verlassenschaftsverfahrens (RS0037098; RS0007790; RS0007879) – noch nicht die Rechtssphäre von Personen, die Rechte an diesen Sachen behaupten (1 Ob 613/94; RS0006264).

[24] (b) Anderes gilt aber dann, wenn Dritte durch eine Entscheidung in ihren Rechten verletzt werden (RS0006248; RS0006590). Das ist – abgesehen von der Verletzung von Rechten, die sich etwa aus den §§ 811, 812 und 815 ABGB oder aus § 165 AußStrG ergeben – auch dann der Fall, wenn eine Verfügung des Verlassenschaftsgerichts unmittelbar in Rechte Dritter an einer Sache eingreift (1 Ob 260/50 SZ 23/246; 1 Ob 200/62 SZ 35/94). Das trifft insbesondere zu, wenn das Gericht einer Bank mitteilt, dass der Erbe über Sparbücher verfügungsberechtigt sei, die sich tatsächlich in den Händen eines Dritten befinden (1 Ob 613/94).

[25] (c) Umso mehr muss das gelten, wenn das Gericht in einem Beschluss feststellt, dass die Verfügung über Bankguthaben, die nach der Aktenlage dem Erblasser und einem Dritten zustand, nun allein dem Erben zustehe. Denn aufgrund eines solchen Beschlusses besteht die Gefahr, dass die Bank entgegen der vor der Einantwortung bestehenden Sach- und Rechtslage dem Dritten Verfügungen über die Guthaben verwehrt oder dem Erben eine Verfügung ohne die allenfalls erforderliche Zustimmung des Dritten ermöglicht. An der Rechtsmittellegitimation der Enkeltochter besteht daher kein Zweifel.

[26] 3.2. In der Sache ist der Antrag der Erbin, sie in Bezug auf die Konten „verfügungsberechtigt zu stellen“, abzuweisen.

[27] (a) Werden nach der Einantwortung Vermögenswerte bekannt, so hat der Gerichtskommissär nach § 183 Abs 2 AußStrG das Inventar zu ergänzen bzw die Erben zur Ergänzung ihrer Vermögenserklärung aufzufordern. Einer Ergänzung des Einantwortungsbeschlusses bedarf es nach dieser Bestimmung „in der Regel nicht, doch ist § 178 Abs 2 AußStrG anzuwenden.“ Daraus folgt, dass in einem gegebenenfalls erforderlichen Beschluss Beschränkungen aufgrund einer Nacherbschaft (Z 1) und Grundbuchskörper, bei denen die Grundbuchsordnung herzustellen ist (Z 2), anzuführen sind. Die Feststellung einer „Verfügungsberechtigung“ über Konten ist in dieser Bestimmung nicht genannt.

[28] (b) Dennoch wäre eine solche Feststellung geboten, wenn Konten aufgrund eines – allenfalls ergänzten – Erbteilungsübereinkommens bestimmten Miterben zugeordnet würden (§ 178 Abs 1 Z 3 AußStrG: Hinweis auf ein Erbteilungsübereinkommen als zwingender Inhalt des Einantwortungsbeschlusses). Weiters käme in analoger Anwendung von § 182 Abs 3 AußStrG mit Zustimmung aller Erben die Einräumung einer Verfügungsberechtigung an Dritte in Betracht (etwa aufgrund eines Legates oder zur Tilgung einer anderen Forderung; 2 Ob 7/19x iFamZ 2019, 201 [zust Schweda ] mwN).

[29] (c) Abgesehen von diesen Fällen genügt aber nach § 179 AußStrG die Rechtskraft des Einantwortungsbeschlusses zur Überwindung allfälliger Sperren. Eine ausdrückliche Anordnung ist daher (insbesondere) im Fall von Alleinerben nicht erforderlich; ein darauf gerichteter verfahrensrechtlicher Anspruch besteht nicht (2 Ob 7/19x = RS0132523).

[30] (d) Aus dem Umstand, dass es sich um Guthaben bei einer Schweizer Bank handelt, lässt sich nichts Gegenteiliges ableiten.

[31] Mit § 179 AußStrG wird (ausdrücklich) eine Wirkung des Einantwortungsbeschlusses angeordnet, die sich in der Sache schon aus der durch diesen Beschluss begründeten Gesamtrechtsnachfolge ergibt (2 Ob 7/19x; Sailer in Gitschthaler/Höllwerth , AußStrG 2 § 179 Rz 1). Diese Entscheidungswirkung ist als Teil der Rechtskraftwirkung nach Art 1 des Vertrags zwischen der Republik Österreich und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über die Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen (BGBl 1962/125), der für erbrechtliche Entscheidungen wegen der Ausnahme in Art 1 Abs 1 lit a LGVÜ weiterhin anwendbar ist, auch in der Schweiz anzuerkennen.

[32] Eine allfällige Sperre würde daher grundsätzlich auch in der Schweiz schon durch diesen Beschluss überwunden. Welche Auswirkungen die Einantwortung im konkreten Fall für die Berechtigung gegenüber der Bank hat – nach dem Vorbringen der Enkeltochter soll sich aus einer Vereinbarung mit der Bank ergeben, dass bei Tod eines Mitberechtigten der andere die alleinige Verfügungsberechtigung erlangt –, ist hier nicht zu entscheiden.

[33] 4. Aus diesen Gründen hat der Revisionsrekurs Erfolg. Der angefochtene Beschluss ist aufzuheben. Der Rekurs der Enkeltochter gegen die Punkte 2 und 6 der erstgerichtlichen Entscheidung ist zurückzuweisen, und zu Punkt 3 der erstgerichtlichen Entscheidung ist der Antrag der Erbin, sie zu den Schweizer Konten „verfügungsberechtigt“ zu stellen, abzuweisen.

[34] 5. Ein Kostenersatz findet nach § 185 AußStrG nicht statt.

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