JudikaturJustiz2Ob106/15z

2Ob106/15z – OGH Entscheidung

Entscheidung
02. Juli 2015

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Veith und Dr. Musger, die Hofrätin Dr. E. Solé und den Hofrat Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M***** S*****, vertreten durch Mag. Katharina Kurz, Rechtsanwältin in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. Mag. M***** S*****, vertreten durch Dr. Peter Resch, Rechtsanwalt in St. Pölten, und 2. H***** J*****, vertreten durch Dr. Helmut Steiner und andere Rechtsanwälte in Baden, wegen Erfüllung eines Vermächtnisses (Streitwert 1.792,59 EUR), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 19. Februar 2015, GZ 36 R 378/14a 20, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichts Favoriten vom 27. August 2014, GZ 12 C 228/14x 13, in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses des Bezirksgerichts Favoriten vom 23. September 2014, GZ 12 C 228/14x 15, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der zweitbeklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 447,98 EUR bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung (darin 74,66 EUR USt) zu ersetzen.

Der Antrag der erstbeklagten Partei auf Zuspruch der Kosten der Revisionsbeantwortung wird abgewiesen.

Text

Begründung:

Die Erstbeklagte ist zu einem Drittel, die Zweitbeklagte ist zu zwei Dritteln Erbin nach der am 25. Juli 2009 verstorbenen I***** S*****. Zum Nachlass gehörte insbesondere ein Drittelanteil an der Liegenschaft GB ***** EZ 324. Aufgrund der Ergebnisse des Verlassenschaftsverfahrens ist die Erstbeklagte nun zu 1/9 und die Zweitbeklagte zu 2/9 Eigentümerin dieser Liegenschaft.

Der Kläger hatte zu Lebzeiten der Erblasserin handschriftlich eine Liste von ihr gehörenden Vermögensgegenständen erstellt, auf der unter anderem das „K*****haus“ angeführt war. Die Erblasserin schrieb über diese Liste die Worte „Vom Besitz I***** S*****“ und fügte dann bei einzelnen Vermögensgegenständen das Wort „ja“ oder andere Bemerkungen bei (zB „Habe ich nicht mehr“ oder „Muss vorher geweiht werden von gutem Priester“). Bei der Position „K*****haus“ schrieb sie vorne „1/3 Teil“ und danach „mit Vorbehalt im Falle G***** sich vermählt“. Unter die Liste schrieb sie „Gehört nach meinem Tode Dir, M*****“ und setzte Datum und Unterschrift.

Der Kläger begehrte von den Beklagten die Übertragung des Eigentums an den eingangs genannten Liegenschaftsanteilen. Bei der Verfügung der Erblasserin handle es sich um eine formgültige letztwillige Verfügung.

Die Erstbeklagte erklärte, den Anspruch des Klägers nicht zu bestreiten. Sie habe diesen Anspruch schon im Verlassenschaftsverfahren anerkannt, dort habe man ihr gesagt, dass es sich um ein Legat handle, das nach der Einantwortung gerichtlich geltend zu machen sei. Der Kläger beantragte kein Anerkenntnisurteil und erstattete auch sonst kein Vorbringen zu den Behauptungen der Erstbeklagten.

Die Zweitbeklagte bestritt die Formgültigkeit der Verfügung und beantragte auf dieser Grundlage die Abweisung der Klage.

Das Erstgericht wies die Klage ab. Die Formerfordernisse für eine fremdhändige letztwillige Verfügung seien nicht eingehalten, die eigenhändig geschriebenen Teile der Verfügung ergäben für sich allein keinen Sinn. Wegen Vorliegens einer einheitlichen Streitpartei sei die Klage auch gegenüber der Erstbeklagten abzuweisen.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR übersteigt und die ordentliche Revision zulässig sei.

Enthalte eine letztwillige Verfügung, die nicht die Formerfordernisse eines fremdhändigen Testaments erfülle, eigen- und fremdhändige Teile, so könnten die fremdhändigen Teile zwar zur Auslegung herangezogen werden, der eigenhändige Teil müsse aber jedenfalls für sich allein einen Sinn ergeben. Das treffe hier nicht zu. Zwar habe die Erstbeklagte das Begehren nicht bestritten. Sie bilde aber mit der Zweitbeklagten eine einheitliche Streitpartei, weil der Kläger bei Gültigkeit des Vermächtnisses gegen beide Beklagten durchdringen müsse, bei Ungültigkeit gegen keinen von beiden. Auch im Erbrechtsstreit seien mehrere Miterben, die sich auf denselben Berufungsgrund stützten, eine einheitliche Streitpartei. Das Anerkenntnis der Erstbeklagten sei daher unwirksam. Die Revision sei zulässig, weil Rechtsprechung zur Frage fehle, ob mehrere Erben, die von einem Legatar in Anspruch genommen würden, eine einheitliche Streitpartei bildeten.

In seiner Revision vertritt der Kläger die Auffassung, dass den eigenhändigen Teilen der Verfügung die wirksame Anordnung eines Legats zu entnehmen sei. Eine einheitliche Streitpartei liege nicht vor, weil die Miteigentumsanteile an der Liegenschaft ein verschiedenes Schicksal haben könnten.

Beide Beklagten erstatteten Revisionsbeantwortungen . Die Erstbeklagte erklärt, der Revision nichts entgegenzuhalten, die Zweitbeklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen oder ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist unzulässig.

1. Die Auffassung des Berufungsgerichts, dass kein formgültiges Vermächtnis vorliege, ist durch ständige Rechtsprechung gedeckt.

1.1. Die Errichtung letztwilliger Verfügungen ist an zwingende Formvorschriften gebunden. Diese sollen einerseits dem Testator die Bedeutung seiner Erklärung bewusst machen, sodass er sie mit Überlegung trifft, anderseits Streitigkeiten nach seinem Tod verhindern. Den Formvorschriften kommt demnach sowohl Warn- als auch Beweisfunktion zu. Wurde die Form nicht gewahrt, so ist die Anordnung des Erblassers selbst bei klarem und eindeutig erweisbarem Willen ungültig (RIS-Justiz RS0012514; 1 Ob 18/74, SZ 47/18; 5 Ob 185/12k, SZ 2012/123). Dies gilt insbesondere dann, wenn in einer formgültigen Verfügung auf ein anderes Schriftstück Bezug genommen wird: In diesem Schriftstück enthaltene Anordnungen sind nach § 582 ABGB nur wirksam, wenn dieses selbst die Formerfordernisse erfüllt, sonst können sie nur zur Auslegung der gültigen Verfügung herangezogen werden (RIS-Justiz RS0012465). Die Auslegung muss allerdings in der letztwilligen Verfügung irgendeinen, wenn auch noch so geringen, Anhaltspunkt finden („Andeutungstheorie“, RIS-Justiz RS0012372; zuletzt etwa 8 Ob 69/14a).

1.2. Damit stellt sich im vorliegenden Fall die Frage, ob die eigenhändigen Teile des vom Kläger vorgelegten Schriftstücks für sich genommen einen Sinn ergeben. Denn nur dann läge eine formgültige letztwillige Verfügung vor, die allenfalls durch Bezugnahme auf den übrigen Urkundeninhalt ausgelegt werden könnte. Die dies verneinende Auffassung des Berufungsgerichts ist jedenfalls vertretbar: Die einleitenden Worte „Vom Besitz I***** S*****“ bilden zwar mit dem Schlusssatz „gehört nach meinem Tod dir, M*****“ eine Klammer. Daraus lässt sich aber wenn überhaupt nur entnehmen, dass die Erblasserin dem Kläger aus ihrem Vermögen ein Legat zuwenden wollte. Auf welche Gegenstände sich diese Verfügung bezieht, ist im handschriftlichen Teil der Anordnung in keiner Weise angedeutet. Ohne (wenn auch nur angedeutete) Benennung der vermachten Sache liegt kein gültiges Kodizill vor. Der Sachverhalt ist daher nicht anders zu behandeln, als wenn die Erblasserin eigenhändig verfügt hätte, dass dem Kläger die in einer angeschlossenen, nicht von ihr geschriebenen Liste genannten Sachen zufallen sollten. Der Wirksamkeit einer solche Anordnung wäre die klare Regel des § 582 ABGB entgegengestanden.

2. Auf die Frage, ob die Beklagten eine einheitliche Streitpartei bilden, kommt es nicht an.

2.1. Zwar ist diese Frage richtigerweise zu verneinen: Eine einheitliche Streitpartei liegt nicht vor, wenn trotz Gemeinsamkeit des rechtserzeugenden Sachverhalts keine rechtliche Notwendigkeit zu einer in jedem Falle einheitlichen Entscheidung gegeben ist, abweichende Entscheidungen also nicht zu unlösbaren Verwicklungen führen (5 Ob 47/73, SZ 46/35, 1 Ob 3/79, SZ 52/35; RIS Justiz RS0035473 [T1]; zuletzt etwa 4 Ob 196/11v). Das trifft hier nicht zu. Denn der Kläger macht obligatorische Ansprüche auf Übertragung zweier Liegenschaftsanteile geltend. Diese Liegenschaftsanteile können ein verschiedenes Schicksal haben. Weder ist daher eine einheitliche Entscheidung aus rechtlichen Gründen erforderlich, noch drohen bei unterschiedlichen Entscheidungen „unlösbare“ Verwicklungen.

2.2. Damit ist dem Kläger aber nicht geholfen. Denn der von ihm vorgebrachte Sachverhalt (dh die teilweise von der Erblasserin stammende Urkunde) bietet, wie bereits ausgeführt, keine Grundlage für eine stattgebende Entscheidung. Die Erklärung der Erstbeklagten, den Anspruch nicht zu bestreiten, könnte zwar als prozessuales Anerkenntnis verstanden werden. Das Fällen eines Anerkenntnisurteils hat der - im Berufungs- und Revisionsverfahren anwaltlich vertretene Kläger aber nicht beantragt. Das stünde zwar der Qualifikation der Prozesserklärung der Erstbeklagten als (auch) materiell rechtlich wirkendes Anerkenntnis nicht entgegen (4 Ob 368/85, 9 ObA 157/05m). Auf diese Anspruchsgrundlage hat sich der Kläger aber in erster Instanz nicht gestützt. Die mangelnde Erörterung dieser Rechtsfrage hat er in der Berufung nicht gerügt. Damit ist es dem Obersten Gerichtshof auch bei Verneinung einer einheitlichen Streitpartei verwehrt, eine stattgebende Entscheidung die nur auf ein (konstitutives) Anerkenntnis der Erstbeklagten gestützt werden könnte zu fällen. Die vom Berufungsgericht an sich zutreffend als erheblich bezeichnete Rechtsfrage ist für die Entscheidung daher nicht präjudiziell. Dies führt auch in Ansehung der Erstbeklagten zur Unzulässigkeit der Revison ( Zechner in Fasching/Konecny 2 § 502 Rz 60 und § 519 Rz 106, jeweils mwN; RIS-Justiz RS0088931).

3. Aus diesen Gründen ist die Revision des Klägers zurückzuweisen. Da die Zweitbeklagte in der Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen hat, ist der Kläger ihr gegenüber zum Kostenersatz verpflichtet. Hingegen war die Revisionsbeantwortung der Erstbeklagten mangels Bestreitung des Revisionsvorbringens nicht zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung erforderlich. Ihr Kostenersatzbegehren ist daher abzuweisen.

Rechtssätze
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