JudikaturJustiz27Ds1/17d

27Ds1/17d – OGH Entscheidung

Entscheidung
15. Februar 2018

Kopf

Der Oberste Gerichtshof als Disziplinargericht für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter hat am 15. Februar 2018 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm als weiteren Richter und die Rechtsanwälte Dr. Kretschmer und Dr. Schlager als Anwaltsrichter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Ettel als Schriftführerin in der Disziplinarsache gegen *****, Rechtsanwalt in *****, wegen der Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung und der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes nach § 1 Abs 1 DSt über die Berufung des Disziplinarbeschuldigten gegen das Erkenntnis des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer Wien vom 25. Jänner 2017, AZ D 96/15, D 136/15, nach nichtöffentlicher mündlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Staatsanwalt Dr. Hubmer, des Kammeranwalts Dr. Roehlich und des Verteidigers Dr. Vallender jedoch in Abwesenheit des Disziplinarbeschuldigten zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Dem Disziplinarbeschuldigten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer Wien vom 25. Jänner 2017, AZ D 96/15, D 136/15, wurde ***** der Disziplinarvergehen der Verletzung von Berufspflichten (Punkt 1./ und 2./ des Schuldspruchs) und der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes (Punkt 2./ des Schuldspruchs) nach § 1 Abs 1 DSt schuldig erkannt, weil er

1./ vom 3. Juli 2008 bis 25. Jänner 2017 die Schaffung der den Kaufvertrag zwischen den Wohnungseigentümern der Liegenschaft EZ ***** (als Verkäufer) und Christa F***** (als Käuferin) über Anteile der genannten Liegenschaft betreffenden Voraussetzungen für dessen Verbücherung nicht ordnungsgemäß betrieb, weshalb der bei ihm erlegte Kaufpreis nicht ausbezahlt werden konnte, und ferner seinen Auftraggebern über den Stand der Abwicklung nicht ordnungsgemäß berichtete;

2./ briefliche Ersuchen um Information über den Stand der Abwicklung des zu 1./ genannten Kaufvertrags durch Rechtsanwalt ***** vom 18. September 2014, vom 2. und 22. Jänner 2015 und vom 4. März 2015 sowie durch Rechtsanwalt ***** vom 18. Dezember 2014 trotz Urgenzen des erstgenannten Berufskollegen vom 13. Oktober 2014, 20. November 2014 und vom 1. Dezember 2014 erst an diesem Tag teilweise, im Übrigen jedoch gar nicht beantwortete.

Über den Disziplinarbeschuldigten wurde die Disziplinarstrafe der Geldbuße in der Höhe von 2.500 Euro verhängt. Darüber hinaus wurde er zum Ersatz der Verfahrenskosten verpflichtet.

Rechtliche Beurteilung

Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die — der Sache nach auch Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 4 („Mangelhaftigkeit des Verfahrens“) und Z 9 lit a („unrichtige rechtliche Beurteilung“) StPO iVm § 77 Abs 3 DSt relevierende (vgl RIS Justiz RS0128656 [T1]) — Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld und die Strafe des Disziplinarbeschuldigten, der keine Berechtigung zukommt.

Entgegen der (nur den Schuldspruch 1./ betreffenden) Verfahrensrüge (§ 281 Abs 1 Z 4 StPO iVm § 77 Abs 3 DSt) konnte der in der Disziplinarverhandlung vom 25. Jänner 2017 „zum Beweis, dass dem Disziplinarbeschuldigten nicht alle Unterlagen zur Verfügung gestellt wurden, und [er] auf sämtliche Anfragen zwischen 2003, 2008 und heutigem Tag keine Antworten erhielt“ (vgl im Übrigen ES 5 f zu den vom Disziplinarrat konstatierten — dem Disziplinarbeschuldigten zuvor jeweils nicht mitgeteilten — Änderungen des Grundbuchstandes) gestellte Antrag auf Vernehmung von sechzehn namentlich bezeichneten Zeugen (ON 23 S 13) ohne Verletzung von Verteidigungsrechten abgewiesen werden, weil er — schon mangels Vorbringen, über welche konkreten, entscheidende Tatsachen betreffenden sinnlichen Wahrnehmungen die genannten Zeugen verfügen sollen — nicht erkennen ließ, warum die begehrten Beweisaufnahmen das behauptete Ergebnis erwarten lassen und solcherart auf eine im Erkenntnisverfahren unzulässige Erkundungsbeweisführung gerichtet waren (RIS Justiz RS0118444; Ratz , WK StPO § 281 Rz 330).

Das im Rechtsmittel zur ergänzenden Antragsfundierung erstattete weitere — im Übrigen weitgehend bloß beweiswürdigende — Vorbringen ist prozessual verspätet und damit unbeachtlich (RIS Justiz RS0099618; Ratz , WK-StPO § 281 Rz 325).

Die — vor einer Rechtsrüge zu behandelnde ( Ratz , WK StPO § 476 Rz 9) — Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld vermag mit den Hinweisen auf die Verantwortung des Disziplinarbeschuldigten und jeweils isoliert hervorgehobene Feststellungen des Disziplinarrats zu von ihm durchgeführten Tätigkeiten sowie daraus abgeleiteten, für ihn günstigeren Schlussfolgerungen keine Bedenken an der Lösung der Schuldfrage zu wecken. Den dazu ergänzend neu angebotenen Beweisen steht § 49 2. Satz DSt entgegen (RIS Justiz RS0129770).

Die gegen Schuldspruch 1./ gerichtete Rechtsrüge (§ 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO iVm § 77 Abs 3 DSt) orientiert sich nicht an den dazu getroffenen Sachverhaltsannahmen des Disziplinarrats (ES 5 bis 7) und leitet überdies nicht methodengerecht aus dem Gesetz ab, weshalb die über einen (nach den zu AZ 6 Bkd 2/09 gegenständlichen Verzögerungen weiteren) Zeitraum von über acht Jahren ohne erkennbare besondere Erschwernis unterbliebene Errichtung von verbücherungsfähigen Nachtragsurkunden (ES 10) keine schuldhafte Vernachlässigung der aus § 9 Abs 1 RAO resultierenden Diligenzpflicht wäre (RIS Justiz RS0055801, vgl auch RS0055614, RS0055774, RS0055775). Indem der Disziplinarbeschuldigte unter Hinweis auf einzelne von ihm gesetzte Tätigkeiten für sich günstigere Annahmen begehrt, verfehlt er die gesetzmäßige Darstellung des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes.

Das gegen Schuldspruch 2./ gerichtete Vorbringen (§ 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO iVm § 77 Abs 3 DSt) übergeht ebenfalls die dazu getroffenen Konstatierungen des Disziplinarrats (ES 7 f) und beschränkt sich darauf, unter der Behauptung der besonderen „Komplexität des Sachverhaltes“ wiederum für den Berufungswerber günstigere Schlussfolgerungen zu reklamieren. Die „Erledigung der gegenständlichen grundbücherlichen Durchführung“ ist unter dem Aspekt der Verletzung der kollegialen Antwortpflicht (§ 18 RL BA 1977) ohne rechtliche Relevanz (RIS Justiz RS0123541, vgl auch RS0055211, RS0055794, RS0056097, RS0104975).

Bleibt anzumerken, dass dem Disziplinarbeschuldigten ersichtlich nur sorgfaltswidrige (ES 10 f) Verstöße gegen die Bestimmungen der § 19 Abs 1 RAO und § 18 RL BA 1977 zum Vorwurf gemacht wurden, wobei der anzuwendende Sorgfaltsmaßstab eine Rechtsfrage betrifft (RIS Justiz RS0089407; Ratz , WK StPO § 281 Rz 572), der objektive Sorgfaltsverstoß grundsätzlich die subjektive Sorgfaltswidrigkeit indiziert (RIS Justiz RS0088909; Burgstaller/Schütz in WK 2 StGB § 6 Rz 90) und konkrete Anhaltspunkte dafür, dass der Disziplinarbeschuldigte den objektiven Sorgfaltsanforderungen nicht hätte nachkommen können, aus seiner Verantwortung gerade nicht abzuleiten sind (ON 23 S 2 ff).

Unter dem Aspekt der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Anwaltsstandes (§ 281 Abs 1 Z 10 StPO iVm § 77 Abs 3 DSt) hat das (zu Schuldspruch 1./) gesetzte Fehlverhalten schon mit Blick auf die Anzahl der involvierten Eigentümer (ES 6 und 10 [iVm ON 23 S 5 ff]) auch hinreichende Publizitätswirkung (RIS Justiz RS0054876, RS0055086, RS0055093; Feil/Wennig , Anwaltsrecht 8 § 1 DSt, 859) entfaltet.

Auch der Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe kommt keine Berechtigung zu. Nach § 16 Abs 6 DSt ist bei der Verhängung der Strafe auf die Größe des Verschuldens und die daraus entstandenen Nachteile, vor allem für die Recht suchende Bevölkerung, bei Bemessung der Geldbuße auch auf die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Disziplinarbeschuldigten Bedacht zu nehmen. Außerdem sind bei der Strafbemessung die maßgebenden Grundsätze der §§ 32 ff StGB anzuwenden ( Lehner in Engelhart et al , RAO 9 § 16 Rz 17 mwN). Nach § 32 StGB wiederum sind – ausgehend von der Schuld des Täters – sowohl die allgemeinen als auch die besonderen Erschwerungs und Milderungsgründe gegeneinander abzuwägen und ist überdies auf spezial- und generalpräventive Gründe Bedacht zu nehmen.

Unter Berücksichtigung des erschwerend wirkenden langen Tatzeitraums zu Schuldspruch 1./ und des Zusammentreffens mehrerer Disziplinarvergehen sowie der Milderungsgründe des Tatsachengeständnisses zu Schuldspruch 2./ und der disziplinarrechtlichen Unbescholtenheit erweist sich die vom Disziplinarrat verhängte Geldbuße als dem Unrecht der Taten und der Schuld entsprechend und keiner weiteren Reduktion zugänglich.

Der Berufung war somit insgesamt keine Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 54 Abs 5 DSt iVm § 36 Abs 2 DSt.

Rechtssätze
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