JudikaturJustiz1Ob86/00d

1Ob86/00d – OGH Entscheidung

Entscheidung
28. April 2000

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer und Dr. Zechner als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj Verena D*****, geboren am *****, infolge Revisionsrekurses der Minderjährigen, vertreten durch die Mutter Michaela D*****, diese vertreten durch Waltl Partner, Rechtsanwälte in Zell am See, gegen den Beschluss des Landesgerichts Salzburg als Rekursgericht vom 1. März 2000, GZ 55 R 20/00p 37, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Werfen vom 7. Februar 2000, GZ 1 P 1092/95s 34, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Der uneheliche Vater hat derzeit für die Minderjährige einen monatlichen Unterhalt von S 3.000 zu leisten. Das Kind beantragte, den Vater zur Bestreitung der Kosten für die vom 25. bis 30. 6. 2000 stattfindende Sportwoche von S 3.000, - als Sonderbedarf zu verpflichten.

Der Vater wendete ein, die Auferlegung dieser Kosten überstiege seine Leistungsfähigkeit.

Das Erstgericht wies den Antrag ab. Die Kosten einer Schulsportwoche beträfen eine Vielzahl von Kindern und seien deshalb kein Sonderbedarf; sie seien vielmehr aus dem "laufenden Unterhalt" zu decken.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Es vertrat wie das Erstgericht die Ansicht, die Kosten für eine Schulsportwoche stellten keinen Sonderbedarf dar, selbst wenn die Unterhaltsleistungen des zahlungspflichtigen Elternteils den sogenannten Regelbedarf nicht erreichten. Es handle sich um keinen existenznotwendigen Bedarf; im Übrigen sei die Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners ausgeschöpft.

Der Revisionsrekurs der Minderjährigen ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Sonderbedarf ist bei der Unterhaltsbemessung zu berücksichtigen, wenn er in der Person des Kindes begründet ist und durch die Momente der Außergewöhnlichkeit und Dringlichkeit bestimmt wird, also nicht weitgehend regelmäßig bei der Mehrzahl der unterhaltsberechtigten Kinder anfällt (3 Ob 277/98a; ÖA 1999, 117 uva). Ob ein durch die besonderen Lebensverhältnisse des Kindes begründeter Sonderbedarf, dessen Deckung dem Unterhaltspflichtigen zumutbar ist, vorliegt, muss stets nach den Umständen des Einzelfalls beurteilt werden (1 Ob 177/98f). Der Oberste Gerichtshof hat bereits mehrfach ausgesprochen, dass Schulschikurse bzw damit vergleichbare Schulsportwochen nicht von den Momenten der Außergewöhnlichkeit und Individualität geprägt sind; die Kosten dafür fielen für die Mehrzahl der unterhaltspflichtigen Kinder an und seien demnach bei der Bemessung des laufenden Unterhalts zu berücksichtigen (3 Ob 277/98a; ÖA 1999, 124; ÖA 1997, 66). Demgegenüber wurde jedoch in anderen (älteren) Entscheidungen die Meinung vertreten, dass die Kosten einer Schullandwoche bzw "Klassenfahrt" vom Unterhaltspflichtigen angesichts der unter dem Regelbedarf liegenden laufenden Unterhaltszahlungen grundsätzlich zu tragen seien (2 Ob 2022/96h = ÖA 1998, 15; EFSlg 76.981). Allen diesen Entscheidungen liegt jedoch die Auffassung zugrunde, ein Sonderbedarf sei vom Unterhaltspflichtigen nur dann zu bestreiten, wenn seine Deckung den Rahmen der Leistungsfähigkeit des Pflichtigen nicht sprenge; diesem muss stets ein zur Deckung der seinen Lebensverhältnissen angemessenen Bedürfnisse entsprechender Betrag verbleiben. Eine Überschreitung der als Anhaltspunkt für die Unterhaltsbemessung entwickelten Prozentkomponente ist nur bei existenznotwendigem Sonderbedarf oder bei sonst besonders förderungswürdigen Kindern zulässig (ÖA 1999, 261; ÖA 1998, 27; SZ 68/38).

Der erkennende Senat schließt sich der jüngeren und auch überwiegenden Rechtsprechung an, nach der Kosten von Schulschikursen bzw Schulsportwochen grundsätzlich nicht als Sonderbedarf zu beurteilen sind, weil ihnen das Moment der Außergewöhnlichkeit fehlt. Lediglich besondere Umstände (beispielsweise mehrere Schulveranstaltungen im Laufe eines Jahres, die ein Mehrfaches der hier begehrten Kosten ausmachten) könnten solche in der Regel ganz allgemein im Zuge der Schulausbildung von Kindern anfallende Kosten als Sonderbedarf qualifizieren. Bewegen sie sich aber in "moderater Höhe" (vgl ÖA 1997, 91), so sind solche Kosten aus dem laufenden Unterhalt zu decken, selbst wenn vom Unterhaltspflichtigen ein nur unter dem "Regelbedarf" liegender Unterhaltsbeitrag geleistet wird. Die Tatsache, dass der Vater einen geringeren als dem "Regelbedarf" entsprechenden Unterhalt leistet, ist in seiner mangelnden Leistungsfähigkeit begründet; auch der Anspruch auf Deckung des Sonderbedarfs durch den Unterhaltspflichtigen hat sich daran zu orientieren (4 Ob 517/96 = ÖA 1998, 15). Da es im Einzelfall ein wesentliches Kriterium ist, dass die Deckung des konkreten Sonderbedarfs unter objektiven Gesichtspunkten auch in einer intakten Familie und unter Bedachtnahme auf die konkrete Einkommens und Vermögenslage der gesamten Familie in Betracht gezogen werden würde (vgl etwa ÖA 1999, 124), muss sich der Unterhaltsberechtigte, ermangelt der Unterhaltspflichtige der dazu erforderlichen Leistungsfähigkeit, insofern Einschränkungen unterwerfen, als jene Aufwendungen, die nicht existenznotwendig sind und zu welchen deshalb wohl auch die Kosten für die Teilnahme an Schulsportwochen zählen, unterbleiben müssen, wenn sie mit den laufenden Unterhaltsaufwendungen nicht bestritten werden können.

Dem Revisionsrekurs ist ein Erfolg zu versagen.

Rechtssätze
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