JudikaturJustiz1Ob67/99f

1Ob67/99f – OGH Entscheidung

Entscheidung
27. April 1999

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer und Dr. Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Milovan O*****, und 2. Rumena O*****, vertreten durch Dr. Gerhard Zanier, Rechtsanwalt in Kitzbühel, wider die beklagten Parteien 1. Walter G*****, und 2. Dusanka G*****, vertreten durch Dr. Horst Brunner und Dr. Emilio Stock, Rechtsanwälte in Kitzbühel, wegen Unterfertigung einer Aufsandungsurkunde und Einverleibung (Streitwert S 100.000, ) infolge Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 7. Jänner 1999, GZ 4 R 532/98h 18, womit infolge Berufung der klagenden Parteien das Urteil des Bezirksgerichts Kitzbühel vom 5. August 1998, GZ 5 C 1334/97x 10, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der zweitklagenden Partei die mit S 6.695,04 (darin S 1.115,84 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu bezahlen.

Die Revisionsbeantwortung der erstklagenden Partei wird zurückgewiesen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Kläger sind die Eltern der Zweitbeklagten, der Erstbeklagte deren Ehemann. Die Kläger trugen finanziell und durch Arbeitsleistungen zur Errichtung eines Hauses bei, das auf einer den Beklagten je zur Hälfte gehörigen Liegenschaft in Tirol errichtet ist. In der Mansarde dieses Hauses ist eine abgeschlossene Wohnung untergebracht, die aus mehreren Räumen, einem Balkon, dem dazugehörigen Kellerabteil und einem Garagenabstellplatz besteht. Zwischen den Streitteilen wurde im Zuge der Errichtung des Hauses vereinbart, daß den Klägern diese Mansardenwohnung samt Mitbenützung des Treppenhauses und des Gartens zur Verfügung gestellt werden sollte. Die Kläger drängten auf die Absicherung des Wohnrechts; auch die Beklagten wollten den Klägern ein gesichertes Gebrauchsrecht an dieser Wohnung einräumen. Der Unterschied zwischen einem dinglichen und einem obligatorischen Recht war den Streitteilen bei Abschluß des "Dienstbarkeitsvertrags" vom 16. 10. 1989 nicht bekannt. Dem Vertragsverfasser, einem Notarsubstituten, war klar, daß aufgrund der Bestimmungen des Tiroler Grundverkehrsgesetzes eine Verbücherung des Wohnrechts der Kläger in Ermangelung deren österreichischer Staatsbürgerschaft zum damaligen Zeitpunkt nicht möglich war. Er setzte diesen Umstand den Streitteilen auseinander und diese kamen deshalb überein, eine Verbücherung des Wohnrechts nicht vorzunehmen. Mit Vertrag vom 16. 10. 1989 wurde den Klägern von den Beklagten das Gebrauchsrecht an der Mansardenwohnung im zuvor dargestellten Umfang eingeräumt. Die Vermietung bzw die Ziehung eines Fruchtgenusses aus einer allfälligen Weitergabe der Wohnung an Dritte wurde vertraglich ausgeschlossen. Die Kläger verpflichteten sich, die Betriebskosten, die Grundsteuer und die laufenden Abgaben anteilig zu tragen, die Wohnung instandzuhalten und für technische Gebrechen selbst aufzukommen. Die Beklagten übernahmen die Bezahlung der Prämien für die Versicherung des Hauses mit Ausnahme der den Klägern obliegenden Versicherung deren Wohnungsinventars. Ausdrücklich wurde im Punkt 4 des Vertrags festgehalten, daß aufgrund der Bestimmungen des Tiroler Grundverkehrsgesetzes eine grundbücherliche Sicherstellung des Gebrauchsrechts der Wohnung nicht erfolgen könne. Die Beklagten verpflichteten sich aber den Klägern gegenüber, eine obligatorische "Überbringung" dieses Dienstbarkeitsrechts der Wohnung auf allfällige Rechtsnachfolger vorzunehmen. Im Punkt 5 ist festgehalten, daß der Vertrag nach dem Gesetz zu seiner vollen Rechtswirksamkeit keiner Behördengenehmigung bedürfe. Der Vertrag wurde von den Parteien ohne Beifügung ihres Geburtsdatums und ohne Beglaubigung unterfertigt.

Die Kläger begehrten, die Beklagten schuldig zu erkennen, eine ihr Wohnungsrecht betreffende Aufsandungsurkunde beglaubigt und verbücherungsfähig zu unterfertigen und in die Einverleibung der immerwährenden unentgeltlichen lebenslänglichen Dienstbarkeit des Gebrauchsrechts der Wohnung laut Dienstbarkeitsvertrag vom 16. 10. 1989 zugunsten der Zweitklägerin ob der den Beklagten je zur Hälfte gehörigen Liegenschaft einzuwilligen. Zwischen den Streitteilen sei aufgrund der erheblichen Kapitalinvestitionen der Kläger im Betrag von mehr als S 700.000 und in Anbetracht deren Arbeitsleistungen beim Bau des Hauses ausdrücklich vereinbart worden, das Gebrauchsrecht an der Wohnung zu verbüchern, sobald dies rechtlich möglich sei. Der Zweitklägerin sei mit Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 20. 1. 1997 die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen worden, weshalb der Dienstbarkeitsvertrag nun verbüchert werden könne. Die Beklagten hätten zwar versucht, die "Nichtigkeit" dieses Dienstbarkeitsvertrags aus Gründen von Bestimmungen des Tiroler Grundverkehrsgesetzes zu erwirken, das sei ihnen aber nicht gelungen. Es liege eine rechtskräftige grundverkehrsbehördliche Negativbestätigung für die begehrte Grundbuchseintragung zugunsten der Zweitklägerin vor, sodaß die Dienstbarkeit nunmehr einverleibt werden könne.

Die Beklagten wendeten ein, es sei lediglich ein obligatorisches Wohnungsgebrauchsrecht vereinbart worden und eine Verbücherung nie geplant gewesen. Im übrigen legten die Kläger ein Verhalten an den Tag, das die Beklagten zur Vertragsauflösung berechtige, und deshalb werde der Rücktritt vom Vertrag erklärt.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren zur Gänze ab. Es sei lediglich ein obligatorisches Wohnrecht vereinbart worden. Es sei zwar das Bestreben der Streitteile gewesen, das Wohnrecht abzusichern, doch hätten sie sich letztlich damit abgefunden, daß eine Eintragung im Grundbuch unterbleiben müsse, weil die Verbücherung wegen der jugoslawischen Staatsangehörigkeit der Kläger nicht möglich gewesen sei. Der Vertrag enthalte keinen Hinweis auf eine allfällige künftige Verbücherung.

Das Berufungsgericht erkannte dementgegen die Beklagten für schuldig, in die Einverleibung der Dienstbarkeit des Gebrauchsrechts der Wohnung auf der den Beklagten je zur Hälfte gehörigen Liegenschaft zugunsten der Zweitklägerin einzuwilligen und wies das Mehrbegehren auf Unterfertigung einer Aufsandungsurkunde und auf Einverleibung der immerwährenden, unentgeltlichen und lebenslänglichen Dienstbarkeit des Gebrauchsrechts der Wohnung ab; die Abweisung des Klagebegehrens des Erstklägers bestätigte das Gericht zweiter Instanz. Es sprach aus, daß der Entscheidungsgegenstand insgesamt zwar S 52.000, nicht aber S 260.000 übersteige und daß die Revision zulässig sei. Den Klägern sei von den Beklagten ein gegen jedermann wirkendes Recht an der Wohnung also ein dingliches Recht eingeräumt worden, was sich aus dem Vertragsinhalt, der Parteienabsicht und der Entstehungsgeschichte des Vertrags ergebe. Aus der Einräumung einer Dienstbarkeit folge auch ohne besondere Vereinbarung die Pflicht der Besteller zur Einwilligung in deren Einverleibung. Dies müsse auch dann gelten, wenn die Einverleibung zwar zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses aus rechtlichen Gründen nicht möglich gewesen, in der Folge aber möglich geworden sei. Der Dienstbarkeitsvertrag habe der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung bedurft. Bis zu deren Erteilung sei er schwebend unwirksam gewesen. Mit der nunmehr unbestrittenermaßen für die Zweitklägerin erteilten Negativbestätigung habe er volle Rechtswirksamkeit erlangt, weshalb die Beklagten verpflichtet seien, ihre Zustimmung zur Einverleibung zu erteilen. Sie könnten aber nicht zur Unterfertigung der Aufsandungsurkunde verhalten werden, weil diese nicht mit dem Inhalt des Dienstbarkeitsvertrags übereinstimme. Eine "immerwährende, unentgeltliche und lebenslängliche" Dienstbarkeit des Gebrauchsrechts ergebe sich aus dem Vertrag nicht. Im übrigen sei das Begehren auf Unterfertigung mit dem auf die Einwilligung in die Einverleibung identisch, weil diese Einwilligung die Unterfertigung einer Aufsandungsurkunde ersetze.

Die Revision der Beklagten ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Dem Gericht zweiter Instanz ist darin beizupflichten, daß die konkreten Umstände des hier zu beurteilenden Falls die Annahme rechtfertigen, den Klägern sei nicht bloß ein obligatorisches, sondern ein gegen jedermann wirkendes dingliches Wohnungsrecht eingeräumt worden (vgl JBl 1996, 106 und 7 Ob 183/98g). Welcher Art das Wohnungsrecht im Einzelfall ist, ist eine Frage der Auslegung des Erwerbstitels (WoBl 1998/205); das Berufungsgericht hat bei der Auslegung des Dienstbarkeitsvertrags die allein maßgebliche Parteienabsicht (JBl 1996, 106) erforscht und den Vertrag logisch einwandfrei und unbedenklich ausgelegt (vgl ÖBA 1997, 826). Eine auch am Zweck der Rechtseinräumung orientierte Auslegung (vgl 4 Ob 190/97p; EFSlg 78.360; JBl 1991, 642) führt mangels gegenteiliger Anhaltspunkte zum Ergebnis, daß den Klägern ein durch das Vorliegen der erforderlichen Voraussetzungen bedingtes dingliches Recht eingeräumt werden sollte.

Aus der Einräumung einer Dienstbarkeit folgt im Zweifel die Verpflichtung des Servitutsbestellers zur Einwilligung in die Einverleibung dieses Rechtes, und zwar auch ohne besondere Vereinbarung (4 Ob 190/97p; JBl 1996, 106; RZ 1992/82; EFSlg 78.360; JBl 1991, 642; MietSlg 35.045; Petrasch in Rummel ABGB2 Rz 1 zu § 481); es ist dann Sache des Verpflichteten, zu behaupten und zu beweisen, daß die Absicht auf die Begründung eines bloß obligatorischen Rechtes für den Berechtigten gerichtet gewesen sei (4 Ob 190/97p; RZ 1992/82, EFSlg 78.360; MietSlg 35.045). Ein solcher Beweis ist den Beklagten nicht gelungen. Selbst wenn man den Standpunkt verträte, ist im Vertrag wie hier festgehalten, daß angesichts der geltenden grundverkehrsrechtlichen Bestimmungen eine Verbücherung nicht erfolgen könne, so habe der Berechtigte den Beweis anzutreten, daß damit dennoch die Bestellung eines dinglichen Rechts jedenfalls für den Fall des Wegfalls des rechtlichen Hindernisses beabsichtigt gewesen sei, so hätte die Zweitklägerin diesen Beweis nach den vorinstanzlichen Feststellungen erbracht.

Die Revisionswerber vertreten ferner die Ansicht, der Erwerb des dinglichen Wohnungsgebrauchsrechts durch die Kläger sei von vornherein nichtig und auch nicht sanierbar gewesen. Dieser Ansicht kann nicht gefolgt werden:

Die Genehmigung eines Vertrags durch die Grundverkehrsbehörde (hier: aufgrund des Tiroler Grundverkehrsgesetzes) ist nach ständiger Rechtsprechung eine Suspensivbedingung für die Wirksamkeit des Vertrags. Der aufschiebend bedingt geschlossene Vertrag erlangt erst durch den Bedingungseintritt seine Wirksamkeit (1 Ob 291/97v; Markl/Oberhofer, Die grundverkehrsbehördliche Genehmigung aus zivilrechtlicher Sicht, in WoBl 1992, 169 ff). Der durch die aufschiebende Bedingung einer grundverkehrsbehördlichen Genehmigung hervorgerufene Schwebezustand dauert so lange, bis die Grundverkehrsbehörde die Genehmigung erteilt oder versagt oder festgestellt hat, daß das Geschäft keiner Genehmigung bedarf (EvBl 1994/66; JBl 1976, 43). Wollen allerdings Vertragsparteien die grundverkehrsbehördliche Genehmigung ihrer genehmigungspflichtigen Verträge gar nicht beantragen, weil sie davon ausgehen, daß die Genehmigung versagt würde, so sind solche Verträge nicht in Schwebe, sondern von Anfang an nichtig (MietSlg 48.067; JBl 1992, 594; SZ 64/56; MietSlg 43.031). Im vorliegenden Fall war aber von Anfang an kein Umgehungsgeschäft gewollt, sondern es wurde eine Vereinbarung dahin getroffen, daß den Klägern das (dingliche) Wohnungsgebrauchsrecht eingeräumt und nach Vorliegen aller Voraussetzungen Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft durch die Dienstbarkeitsberechtigten einverleibt werden sollte. Der Dienstbarkeitsvertrag war somit tatsächlich so lange in Schwebe, bis die Grundverkehrsbehörde eine Entscheidung über die Genehmigung des Vertrags getroffen hatte (vgl SZ 62/42). Im vorliegenden Fall wurde der Zweitklägerin nach deren Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft unbestrittenermaßen seitens der Grundverkehrsbehörde die Negativbestätigung, daß die Einräumung der Dienstbarkeit keiner Genehmigung bedürfe, erteilt, wodurch der Schwebezustand sein Ende fand und der Vertrag nun die volle Rechtswirksamkeit erlangt hat.

Auf die Frage, ob die Beklagten während des Schwebezustands bis zur Entscheidung der Grundverkehrsbehörde wider Treu und Glauben entgegen ihrer Vertragspflicht versucht hätten, den schwebend wirksamen Vertrag zu beseitigen (vgl EvBl 1994/66; SZ 61/59; SZ 56/194; Markl/Oberhofer aaO 179), muß, da der Dienstbarkeitsvertrag letztlich ohnehin seine volle Wirksamkeit erlangte, nicht weiter eingegangen werden.

Allerdings haben die Beklagten vorgebracht, ihnen sei nicht zumutbar, den Dienstbarkeitsvertrag aufrecht zu erhalten, weil infolge verschiedener Verhaltensweisen der Kläger wichtige Gründe zur Auflösung des Dauerschuldverhältnisses vorlägen, sodaß sie die vorzeitige Auflösung des Vertrags erklärten (siehe insbesondere ON 3). Dem ist zu entgegnen: Gewiß kann ein Dauerrechtsverhältnis wie die hier zu beurteilende Dienstbarkeit aus wichtigem Grund vorzeitig aufgelöst werden (vgl MietSlg 48.029; JBl 1992, 187; MietSlg 34.262 uva). In dem Umstand, daß sich das Berufungsgericht mit der vorzeitigen Auflösung des Dienstbarkeitsvertrags nicht befaßt hat, ist aber weder eine Nichtigkeit noch eine Mangelhaftigkeit des berufungsgerichtlichen Verfahrens zu erkennen. Die Revisionswerber übersehen nämlich, daß sie gemäß § 473a ZPO aufgefordert wurden, Mängel von Tatsachenfeststellungen oder der Beweiswürdigung des Erstgerichts oder des Verfahrens erster Instanz durch Überreichung eines beim Berufungsgericht einzubringenden vorbereitenden Schriftsatzes zu rügen. Eine Rüge dahin, daß zu ihrem Vorbringen, die Kläger hätten wichtige Gründe für eine vorzeitige Auflösung des Vertrags gesetzt, weder Beweise aufgenommen, noch Feststellungen getroffen worden seien, haben die Beklagten weder in der Berufungsbeantwortung noch in ihrem vorbereitenden Schriftsatz "gemäß § 473a ZPO" (ON 17) erstattet. Das Erstgericht hat aus rechtlichen Überlegungen auf das Vorbringen der Beklagten zur Vertragsauflösung nicht Bedacht genommen; die Kläger sind in ihrer Berufung auf diese Umstände gleichfalls nicht eingegangen. Die Beklagten wären aber gemäß § 473a Abs 1 ZPO verpflichtet gewesen, die Nichtberücksichtigung ihres Vorbringens spätetestens im vorbereitenden Schriftsatz gemäß § 473a ZPO zu rügen (siehe 898 BlgNR 20. GP, 43; Puschner, Die Geltendmachung von Verfahrensmängeln im Licht der Erweiterten Wertgrenzen Novelle 1997, in ÖJZ 1998, 411 [413]).

Es bestand somit für das Berufungsgericht keinerlei Veranlassung, sich mit der Frage der von den Beklagten behaupteten Auflösung des Dienstbarkeitsvertrags auseinanderzusetzen.

Der Revision der Beklagten ist daher ein Erfolg zu versagen.

Der Erstkläger, dessen Klagebegehren bereits rechtskräftig abgewiesen wurde, ist nicht mehr Gegner der Beklagten im Revisionsverfahren. Seine Revisionsbeantwortung ist demnach zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

Rechtssätze
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