JudikaturJustiz1Ob651/90

1Ob651/90 – OGH Entscheidung

Entscheidung
12. September 1990

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Hofmann als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schobel, Dr. Schlosser, Dr. Graf und Dr. Schiemer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ingeborg M***, Angestellte, Dornbirn, Pestalozziweg 1, vertreten durch Dr. Clement Achammer, Rechtsanwalt in Feldkirch, wider die beklagten Parteien 1.) S*** D***, Dornbirn, Rathausplatz 2, 2.) Dr. Franz S***, Oberarzt, Krankenhaus der Stadt Dornbirn, Dornbirn, Lustenauerstraße 4, beide vertreten durch Dr. Rolf Philipp, Rechtsanwalt in Feldkirch, wegen 70.500 S s.A. und Feststellung (Gesamtstreitwert 101.500 S), infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 1. Dezember 1989, GZ 4 R 281/89-34, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 10. Mai 1989, GZ 3 Cg 260/88-29, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben, die Rechtssache wird an das Erstgericht zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.

Auf die Kosten des Rechtsmittelverfahrens ist gleich weiteren Verfahrenskosten Bedacht zu nehmen.

Text

Begründung:

Die 1940 geborene Klägerin zog sich als Kind Verbrühungen zweiten und dritten Grades im Bereich des rechten Oberarmes, der rechten Schulter und im rechten oberen, vorderen Brust- und Halsbereich zu, woraus ihr großflächige Narben verblieben. 1985 begab sie sich wegen Veränderungen der Narben in Behandlung eines Hautfacharztes, der eine bösartige Entartung der beiden Herde an der rechten Schulter und am rechten Oberarm diagnostizierte und den Verdacht äußerte, daß bereits mehr als ein Vorstadium vorliege. Da er die Situation für potentiell lebensgefährlich einstufte, hielt er es für besonders dringend, daß sich die Klägerin sofort einer Operation unterziehe und die befallenen Hautgebiete zur Gänze entfernen lasse. Zur operativen Entfernung der malignitätsverdächtigen Narbenbezirke verwies er die Klägerin am 21. Februar 1985 an den damaligen Leiter der Abteilung Chirurgie am Krankenhaus der S*** D***, der sie für 11.März 1985 zur stationären Aufnahme vormerkte. Der als Oberarzt für Chirurgie am Krankenhaus der S*** D***, dessen Träger die erstbeklagte Partei ist, tätige Zweitbeklagte nahm bei der Operation der Klägerin am 12.März 1985 Narbenexcisionen (Ausschneidungen) am rechten Oberarm und an der rechten Schulter vor, deckte die entstandenen Defekte durch drei Hauttransplantate vom rechten Oberschenkel und führte im Halsbereich eine Narbenexcision und eine Z-Plastik durch. Die Klägerin begehrt von den beklagten Parteien Schmerzengeld von S 50.000 sA, eine Verunstaltungsentschädigung von S 20.000 sA und pauschale Unkosten durch die mißlungene Operation von S 500 sA sowie die Feststellung einer Haftung der beklagten Parteien für alle Schäden und nachteiligen Folgen, die sie auf Grund der Operation vom 12. März 1985 im Krankenhaus der S*** D*** erlitten habe, weil ihr durch die teilweise gegen ihren Willen erfolgte, verfehlte und unsachgemäß ausgeführte Operation erhebliche Schmerzen entstanden seien und sie in ihrem besseren Fortkommen als Gymnastiklehrerin gravierend beeinträchtigt sei. Die Operation sei vom Zweitbeklagten unsachgemäß und unter Anwendung einer unrichtigen Operationstechnik und -methode durchgeführt worden, sodaß die Narben nun wesentlich deutlicher hervorträten als vor der Operation.

Bereits im Zeitpunkt der Operation hätte ein Chirurg aus dem Fachgebiet der Allgemeinchirurgie wissen müssen, daß bei solchen Hautdefekten, wie sie bei der Klägerin vorgelegen seien, ein Fachmann der plastischen Chirurgie beizuziehen wäre oder die Klägerin zumindest einem solchen überwiesen werde, um die Form und Art der Operation mit diesem abzuklären. 1985 sei auch für einen Allgemeinchirurgen die Operationsmethode ohne Transplantat Wissensstand gewesen.

Die beklagten Parteien bestritten das Klagebegehren dem Grunde und der Höhe nach und wendeten im wesentlichen ein, daß ein Behandlungsfehler nicht vorliege, die Klägerin aufgeklärt und der Eingriff mit ihrem Willen durchgeführt worden sei. Die Operation habe dem damaligen Wissenstand der Allgemeinen Chirurgie entsprochen. Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab und traf noch folgende Feststellungen: Ziel der Operation der Klägerin sei die Heilung bzw Beseitigung der krebsverdächtigen Narbenbereiche, der kosmetische Aspekt hingegen lediglich von sekundärer Bedeutung gewesen. Anläßlich der Visite am Vortag des Eingriffes habe der Zweitbeklagte die Klägerin über die Vorgangsweise bei der Operation und auch über die allgemeine Problematik von Hautverpflanzungen aufgeklärt. Während dieser Untersuchung habe die Klägerin den Zweitbeklagten auch auf ihren Thorax- und Halsbereich aufmerksam gemacht und erklärt, daß sie am Hals ein Spannungsgefühl habe und der dortige wulstige Narbenzügel bei Kopfbewegungen störe. Der Zweitbeklagte habe daraufhin dargelegt, daß durch eine sogenannte Z-Plastik eine Funktionsverbesserung herbeigeführt werden könnte, der Klägerin mit dem Finger am Hals den Operationsverlauf vorgezeichnet und dazu eine Skizze angefertigt, aber auch darauf hingewiesen, nicht garantieren zu können, daß die Narbe danach kosmetisch schöner werde. Die Klägerin sei mit der operativen Korrektur der Halsnarbe durch eine Z-Plastik einverstanden gewesen. Die Operation der Narbe im Bereich des Oberarmes und der Schulter sei medizinisch indiziert gewesen. Der Zweitbeklagte habe die Narbenentfernung technisch einwandfrei gelöst, das Transplantat sei auch gut eingewachsen. Die angewandte Operationstechnik habe dem Stand der Allgemeinchirurgie entsprochen; in der plastischen Chirurgie sei hingegen bereits eine Operationsmethode bekannt gewesen, mit der kosmetisch grundsätzlich ein besseres Ergebnis zu erzielen gewesen sei. Das Spezialfach plastische Chirurgie habe sich damals erst in seinen Anfängen befunden, österreichweit habe es 1985 maximal 50 Spezialisten mit Kenntnissen dieser alternativen Operationsmethode gegeben, in Vorarlberg habe es keinen derartigen Spezialisten gegeben. Einen Facharzt für plastische Chirurgie gebe es erst seit 1988. Mit der angewandeten Operationsmethode seien etwa 10 Tage mittelstarker Schmerzen verbunden gewesen, während die alternative Operationstechnik etwa sechs Tage leichter Schmerzen mit sich gebracht hätte. Auch die medizinische Korrektur im Halsbereich sei infolge der Funktionsbehinderung medizinisch indiziert gewesen, die - selbst aus der Sicht der plastischen Chirurgie richtige Operationstechnik - der Z-Plastik sei fachgerecht ausgeführt worden. Für den kosmetischen Erfolg selbst habe auch diese Methode keine Gewähr bieten können. Ohne die Durchführung der Z-Plastik hätte sich die Klägerin fünf Tage mittelstarker und zwei Tage leichter Schmerzen, jeweils komprimiert, erspart.

In rechtlicher Hinsicht erachtete der Erstrichter den Zweitbeklagten am kosmetischen Mißerfolg der Operation als schuldlos. Er habe auch seine Aufklärungspflicht nicht verletzt, wenn man den damaligen Maßstab anlege. Für einen Allgemeinchirurgen habe es seinerzeit noch nicht zum erforderlichen Wissen gehört, daß auch eine andere Operationsmethode, mit der ein kosmetisch besseres Ergebnis erbracht werden könne, zur Verfügung stehe. Das Berufungsgericht bestätigte. Es übernahm die erstgerichtlichen Feststellungen und billigte im wesentlichen die Rechtsauffassung der ersten Instanz. Die Klägerin habe nach ausreichender - entsprechend dem Zweitbeklagten allein zumutbaren Wissenstand eines Allgemeinchirurgen - Aufklärung durch den Zweitbeklagten dem von diesem sachgemäß durchgeführten operativen Eingriff zugestimmt. Eine kosmetische Verbesserung sei nicht Zweck der Operation gewesen.

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentliche Revision der Klägerin ist zulässig und berechtigt.

Die Klägerin beschränkt die Ausführungen in ihrem Rechtsmittel auf die behauptete Verletzung der ärztlichen Aufklärungspflicht durch den Zweitbeklagten. Auf der gegebenen Feststellungsgrundlage haben die Vorinstanzen zu Recht einen Kunstfehler, also einen Verstoß gegen die anerkannten Grundsätze der medizinischen Wissenschaft, des Zweitbeklagten bei der Operation verneint. Der gegen ihn erhobene Vorwurf einer Verletzung der ärztlichen Aufklärungspflicht ist in Ansehung der Z-Plastik am Hals, die selbst aus der Sicht der plastischen Chirurgie technisch richtig erfolgte, nicht, in Ansehung der Narbenexcisionen am rechten Oberarm und an der rechten Schulter hingegen mangels Aufklärung der Klägerin über bereits bestehende alternative Operationsmethoden der plastischen Chirurgie berechtigt.

Es entspricht ständiger Rechtsprechung, daß der Arzt die Pflicht hat, als Teil der Heilbehandlung (VersR 1990, 510; JBl 1982, 491 = RZ 1982/20; RZ 1973/167; vgl auch Mertens in Münchener Kommentar, § 823 BGB Rz 421) den Patienten vorher über Art und Schwere sowie über die möglichen Gefahren und schädlichen Folgen der Behandlung oder ihrer Unterlassung zu unterrichten (JBl 1990, 459; VersR 1990, 510; SZ 59/18 = EvBl 1987/31; JBl 1982, 491, jeweils mwN ua; Koziol, österr. Haftpflichtrecht2 II 120). In welchem Umfang der Arzt im jeweils gegebenen Einzelfall den Patienten aufklären muß, damit dieser die Tragweite seiner Erklärung, in die Operation einzuwilligen, jedenfalls in den Grundzügen überschauen kann, also weiß, worin er einwilligt (VersR 1990, 510; ZVR 1987/74; JBl 1982, 491 ua; BGH in VersR 1985, 478; Steiner, Die ärztliche Aufklärungspflicht nach österr. Recht in JBl 1982, 169 ff, 171; Zipf, Die Bedeutung und Behandlung der Einwilligung im Strafrecht in ÖJZ 1977, 379 ff, 385; Giesen, Wandlungen des Arzthaftungsrechtes2,

55) stellt entgegen älterer Judikatur eine Rechtsfrage dar (SZ 55/114 = JBl 1983, 373 = EvBl 1983/5 mwN ua; Harrer in Schwimann, § 1300 ABGB Rz 38). Für den Umfang der ärztlichen Aufklärung gibt es keine generellen, verbindlichen Normen, sie hat sich immer an den Umständen des Einzelfalles zu orientieren. Gewisse Richtlinien sind dabei neben dem Grad der Verständigung des Patienten und seiner seelischen Verfassung die Art der Erkrankung und der vorgesehenen Behandlung, mögliche Risken und Komplikationen, aber auch mögliche alternative Behandlungsmethoden (BGH in VersR 1985, 478; Kux-Emberger-Neudorfer-Chlan-Mahn, Ärztegesetz3, 102; Kern-Laufs, Die ärztliche Aufklärungspflicht 64; Schiemann in Ermann-Westermann, Handkommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch8, § 823 BGB Rz 138 mwN), das heißt die Unterrichtung des Patienten, daß auch noch andere, weniger gefährliche oder besseren Erfolg versprechende Behandlungsmethoden bestehen (VersR 1990, 510 mwN). Zwar darf der in einem Spital tätige Chirurg davon ausgehen, daß der Patient, dessen Operation ihm für den nächsten Tag übertragen wurde, kein theoretisches Interesse daran hat, ob die medizinische Wissenschaft bald über bessere Methoden verfügen werde, die auch schon in wenigen Spezialkliniken erprobt und angewendet wurden und deren Entwicklung noch nicht abgeschlossen ist (BGH in NJW 1988, 763; VersR 1984, 470 = NJW 1984, 1810; Mertens aaO, Rz 430; Zeuner in Soergel, BGB11, § 823 Rz 206; Schiemann aaO, Rz 139). Der Arzt muß auch nicht stets von sich aus alle theoretisch in Betracht kommenden Behandlungs- oder Operationsmöglichkeiten mit dem Patienten erörtern, er muß aber den Patienten, um ihm eine selbstbestimmte Entscheidung zu ermöglichen, über mehrere zur Wahl stehende diagnostische oder therapeutische adäquate Verfahren informieren und das Für und Wider mit ihm abwägen, wenn jeweils unterschiedliche Risken für den Patienten entstehen können und der Patient eine echte Wahlmöglichkeit hat (BGH in VersR 1986, 342;

VersR 1984, 470; VersR 1982, 771; Steiner aaO; Ehlers aaO, 85 ff);

eine solche Verpflichtung besteht gerade bei einem Unterschied im Risiko, den Folgen, vor allem aber in der Erfolgssicherheit und der Schmerzbelastung (Speiser, Einflüsse auf die Rechtsposition des Patienten in ÖJZ 1988, 744 ff, 748 mit Hinweis auf BGH in NJW 1986, 780). Gleiches hat zu gelten, wenn bei einer alternativen Operationsmethode ein besseres Ergebnis des Eingriffs im kosmetischen Bereich in einem für den Patienten erkennbar nicht unwichtigen Teilbereich erwartet werden kann. Ist eine Spezialbehandlung angezeigt, die in der betreffenden Klinik nicht durchgeführt werden kann, ist eine Weiterverweisung des Patienten oder jedenfalls der Hinweis im Aufklärungsgespräch auf solche Kliniken erforderlich (BGH in NJW 1988, 763). Bei der gegebenen Sachlage, den Besonderheiten des Krankheitsbildes und dem Maßstab der üblichen Sorgfalt eines ordentlichen pflichtgetreuen Durchschnittsarztes in der konkreten Situation mußte der Zweitbeklagte im vorliegenden Fall der Operation der Klägerin sicher keinen Spezialisten der plastischen Chirurgie beiziehen, wie die Klägerin vermeint, sie aber wohl allgemein über die in anderen Spitälern gegebenen Möglichkeiten der plastischen Chirurgie aufklären oder aber, falls er dazu als Allgemeinchirurg nicht oder nicht ausreichend in der Lage war, zumindest dahin, daß außerhalb Vorarlbergs bereits alternative Operationsmethoden geübt würden und der Klägerin so die Möglichkeit eröffnen, zwischen einer sofortigen Operation nach der herkömmlichen Methode der Allgemeinchirurgie mit Transplantation und einer alternativen, sicher nicht am nächsten Tag und im Krankenhaus D*** möglichen Operationsmethode nach dem neuesten Stand, die allenfalls kosmetisch bessere Ergebnisse für die Klägerin versprechen konnten, zu wählen bzw ihr die Möglichkeit zu eröffnen, mit einem mit der plastischen Chirurgie vertrauten Fachmann das Problem der Beseitigung ihrer Narben noch vor der Operation zu besprechen. Der Zweitbeklagte durfte nicht darauf warten, daß die Klägerin als medizinischer Laie von sich aus weitere Fragen stellen werde, hat doch die Klägerin ohnedies von sich aus über die Narben im Halsbereich gesprochen und dabei auch kosmetische Aspekte berührt. Nach den erstgerichtlichen Feststellungen war zwar der kosmetische Aspekt der Operation wenn auch von sekundärer, so doch nicht ohne Bedeutung. Gerade in einem Fall, in dem es um die Beseitigung oder Besserung nachteiliger Hautdefekte einer damals 45-jährigen Frau geht, sind besonders hohe Anforderungen an die ärztliche Aufklärung zu stellen (vgl. BGH in VersR 1985, 552;

VersR 1972, 153 ua; Schwab-Kramer-Krieglstein, Rechtliche Grundlagen der ärztlichen Aufklärungspflicht, 50 f; Laufs, Arztrecht4, 81). Ein dem Arzt anzulastendes Fehlverhalten liegt dann vor, wenn er nicht nach Maßgabe der ärztlichen Wissenschaft und Erfahrung vorgegangen ist oder die übliche Sorgfalt eines ordentlichen, pflichtgetreuen Durchschnittsarztes in der konkreten Situation vernachlässigte (JBl 1987, 104, 670 ua; Reischauer in Rummel, Rz 25 zu § 1299 ABGB). Die Diagnose und Therapie muß entsprechend den Grundsätzen der medizinischen Wissenschaft und den Regeln der ärztlichen Kunst erfolgen. Der Arzt muß sich laufend über die Weiterentwicklung der ärztlichen Wissenschaft unterrichten (Giesen, Wandlungen des Arzthaftungsrechts2, 34 ff; Mertens aaO, Rz 379, 381; Schiemann aaO, Rz 132 mwN). Dieser Maßstab gilt auch bei der hier maßgeblichen Beurteilung, ob der Arzt in der Lage ist, seiner Aufklärungspflicht nachzukommen. Abzustellen ist bei der Frage der Haftung auf den jeweiligen zumutbaren Erkenntnisstand der Ärzte (BGH in VersR 1985, 478). Im vorliegenden Fall hat der Zweitbeklagte kein Vorbringen erstattet, es wäre ihm nicht möglich gewesen, im Zeitpunkt der Operation der Klägerin über alternative Operationsmöglichkeiten der plastischen Chirurgie ohne Transplantation informiert gewesen zu sein.

Vorliegend wurde die Klägerin über die Möglichkeiten der plastischen Chirurgie zur Entfernung ihrer Narben nicht aufgeklärt. Für den Fall der Verletzung der Aufklärungspflicht trifft den Arzt bzw den Träger des Krankenhauses die Beweislast dafür, daß der Patient auch bei ausreichender Aufklärung die Zustimmung zur Operation erteilt hätte (JBl 1990, 459; SZ 59/18; SZ 57/207 = JBl 1985, 548 = EvBl 1985/85 = RdW 1985, 272; Harrer aaO, § 1300 ABGB Rz 32, 38). Diesen Beweis haben die beklagten Parteien nicht erbracht. Für die Annahme, daß die Klägerin an einer solchen Aufklärung nicht interessiert gewesen sei, liegen keine Anhaltspunkte vor.

Die Pflicht des Arztes zur Aufklärung ist umso umfassender, je weniger der Eingriff dringlich erscheint. Ist der Eingriff zwar medizinisch empfohlen, aber nicht eilig, so ist grudsätzlich eine umfassende Aufklärung notwendig (JBl 1990, 459; SZ 55/114; VersR 1972, 153; Steiner aaO, 173; Giesen, Wandlungen des Arzthafungsrechts2, 65; Ehlers, Die ärztliche Aufklärung von medizinischen Eingriffen 80; Schwab-Kramer-Krieglstein, Rechtliche Grundlagen der ärztlichen Aufklärungspflicht, 51). Die Vorinstanzen haben die Schuldlosigkeit des Zweitbeklagten ungeachtet der unterlassenen Aufklärung der Klägerin über die Möglichkeiten der plastischen Chirurgie im Hinblick auf die Dringlichkeit des Eingriffes zur sofortigen Beseitigung der krebsverdächtigen Narbenwucherungen und damit im Hinblick auf das Wohl der Klägerin verneint. Dem vermag der Oberste Gerichtshof deshalb nicht beizutreten, weil zwar der von der Klägerin konsultierte Hautfacharzt die Situation für sie als potentiell lebensgefährlich einstufte, der Leiter der Abteilung Chirurgie am Krankenhaus der erstbeklagten Partei aber für die rasche Durchführung der Operation keine vitale Indikation als gegeben ansah. Eine wesentliche Einschränkung der Aufklärungspflicht kann daher hier nicht anerkannt werden (BGH in VersR 1981, 532 ua).

Mangels einer ausreichenden Aufklärung der Klägerin auch über die alternativen Möglichkeiten der plastischen Chirurgie durch den Zweitbeklagten konnte diese iS ständiger Rechtsprechung (JBl 1990, 459; SZ 59/18, SZ 57/207, SZ 55/114 ua) keine wirksame Einwilligung zur Vornahme der Operation geben. Der mit nachteiligen Folgen verbundene Eingriff war daher als eigenmächtige Heilbehandlung iS des § 110 Abs 1 StGB rechtswidrig. Der Zweitbeklagte haftet wegen Verletzung dieser Schutznorm (§ 1311 ABGB) für die aus dem Eingriff hervorgegangene Schädigung (VersR 1990, 510; SZ 59/18 jeweils mwN). Die erstbeklagte Partei hat der Klägerin für diese Schädigung auf Grund des zwischen ihnen geschlossenen Behandlungsvertrages ebenfalls einzustehen (JBl 1990, 459).

Im fortzusetzenden Verfahren wird der Verjährungseinwand der beklagten Parteien ebenso zu prüfen sein wie die Anspruchsgrundlage der Verunstaltungsentschädigung sowie die Höhe der gesamten Klagsforderung. Dabei wird zu berücksichtigen sein, daß der Klägerin für die vorgenommene Z-Plastik im Halsbereich keine Ansprüche zustehen, weil es zur vorgenommenen Operationsmethode keine Alternativen gab.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.

Rechtssätze
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  • RS0026473OGH Rechtssatz

    18. Oktober 2022·3 Entscheidungen

    Ein ärztlicher Eingriff in die körperliche Unversehrtheit des Patienten ist nur insoweit vertragsmäßig und nicht rechtswidrig, als die Einwilligung des Patienten reicht. Der Arzt muss sich vor jedem Eingriff der klaren, auf zutreffenden Vorstellungen über die Art und Folgen des Eingriffs beruhenden Einwilligung des Patienten versichern. Eine wirksame Einwilligung des Patienten setzt voraus, dass dieser das Wesen, die Bedeutung und die Tragweite des ärztlichen Eingriffs in seinen Grundzügen erkannt hat. Dabei ist nicht der innere Wille, sondern der erklärte Wille des Patienten maßgebend. Maß und Umfang der ärztlichen Aufklärungspflicht gegenüber dem Patienten wird mitbestimmt von dem Grad der Gefährlichkeit des Eingriffs in die körperliche Integrität. Der Arzt hat die Verpflichtung, die Entschließungsfreiheit des Patienten über einen Eingriff grundsätzlich zu achten. Soweit die mit der Einholung der Einwilligung verbundene Aufklärung - auch über mögliche schädliche Folgen der Therapie - die Stimmung oder sogar das Allgemeinbefinden herabdrückt, handelt es sich um unvermeidbare Nachteile, die in Kauf genommen werden müssen. Die Aufklärungspflicht des Arztes über mögliche schädliche Folgen der Therapie gehört gerade mit zum ärztlichen Beruf, der die Persönlichkeit und die körperliche Integrität nicht außer acht lassen darf. Diese Grundsätze gelten auch bei psychisch Kranken. Die Aufklärungspflicht, die den Ärzten hinsichtlich der Therapie obliegt, ist keine rein ärztliche, der Weisungspflicht entzogene Angelegenheit. Dem Vorstand eines Krankenhauses obliegt daher insoweit eine Leitung und Aufsichtspflicht, für deren Verletzung der Unternehmer einzustehen hat. Eine ohne angemessene ärztliche Aufklärung und ohne Einwilligung vorgenommene Elektroschockbehandlung ist nach den in der Literatur erkennbaren Angaben, vor allem im Hinblick auf die unterschiedliche Beurteilung ihrer Folgen nicht als harmloser Eingriff anzusehen, sondern widerrechtlich. BGH vom 10.07.1954, VI ZR 45/54; Veröff: NJW 1956,1106; hiezu Neidhardt, Behandlungsrecht des Arztes und ärztliche Aufklärungspflicht in der Sicht des Arztes und des Juristen. NJW 1956,1097