JudikaturJustiz1Ob46/04b

1Ob46/04b – OGH Entscheidung

Entscheidung
12. Oktober 2004

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer, Dr. Zechner und Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Albin L*****, vertreten durch Mag. Johannes Kruckenhauser, Rechtsanwalt in Wörgl, wider die beklagte Partei Dr. Heinz M*****, wegen Wiederaufnahme des Verfahrens 18 C 287/01a des Bezirksgerichts Innsbruck (Streitwert EUR 4.571,29 sA) infolge Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom 11. Dezember 2002, GZ 1 R 489/02x-7, womit infolge Rekurses der klagenden Partei der Beschluss des Bezirksgerichts Innsbruck vom 9. Oktober 2002, GZ 15 C 599/02f-4, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Der Kläger begehrte mit seiner am 29. 5. 2002 beim Erstgericht eingebrachten Klage die Wiederaufnahme des Verfahrens, in dem er mit Versäumungsurteil vom 24. 4. 2001 zur Zahlung von ATS 62.902,29 sA an den Wiederaufnahmebeklagten verurteilt worden war. Dabei stützte er sich ausschließlich auf den Wiederaufnahmsgrund des § 530 Abs 1 Z 4 ZPO und brachte dazu vor, das Kostenverzeichnis sei vom nunmehrigen Wiederaufnahmebeklagten nachträglich angefertigt und vom Richter nach Fällung des Versäumungsurteils der Kostenentscheidung zugrunde gelegt worden. Der Richter habe daher das Delikt des § 302 StGB begangen. Auch die Abänderung einer bereits gefällten Kostenentscheidung und die Nichtberücksichtigung eines allenfalls zunächst ordnungsgemäß gelegten, einen geringeren Betrag ausweisenden Kostenverzeichnisses stelle einen Verstoß gegen die §§ 293 ff, 302, 311 StGB dar. Darüber hinaus habe der Richter - ebenfalls tatbestandsmäßig im Sinn des § 302 StGB - das Versäumungsurteil erlassen, obwohl sich aus dem vom nunmehrigen Wiederaufnahmebeklagten vor der Tagsatzung eingebrachten Schriftsatz die Geltendmachung von ATS 1.506,89 an Zinsen im Rahmen der Hauptsache ergeben habe. Jedenfalls in diesem Umfang hätte der Antrag auf Erlassung eines Versäumungsurteils abgewiesen werden müssen.

Das Erstgericht wies die Wiederaufnahmsklage zurück. Das Strafverfahren gegen den Richter, der das Versäumungsurteil gefällt hatte, sei gemäß § 90 StPO eingestellt worden, sodass der Wiederaufnahmegrund des § 530 Abs 1 Z 4 ZPO nicht verwirklicht sei. Das Gericht zweiter Instanz gab dem dagegen erhobenen Rekurs des Klägers keine Folge und sprach aus, dass der Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Sei ein Strafverfahren durch Freispruch oder Einstellung beendet worden und unterbleibe eine Verurteilung mangels Tatbestands oder mangels an Beweisen, dann sei die Wiederaufnahmsklage im Vorprüfungsverfahren mit Beschluss zurückzuweisen. Im konkreten Fall sei evident, dass die Einstellung des Strafverfahrens nach § 90 StPO mangels Tatbestands oder mangels an Beweisen erfolgt sei. Grundsätzlich sei zwar eine Wiederaufnahmsklage erst nach abschlägiger Erledigung eines Subsidiarantrags als unzulässig zurückzuweisen, doch könne dies nicht bedeuten, dass, sofern ein solcher noch gar nicht eingebracht ist, mit der Entscheidung über die Wiederaufnahmsklage zugewartet werden müsse, bis - wegen Verjährung - ein Antrag nach § 48 Abs 1 Z 1 StPO gar nicht mehr eingebracht werden könnte. Zudem sei die Klage zurückzuweisen, wenn die geltend gemachten Umstände ersichtlich von vornherein keinerlei Einfluss auf die Entscheidung in der Hauptsache haben könnten. Selbst wenn das Vorbringen des Klägers zuträfe und er vom Richter im Versäumungsurteil zum Kostenersatz verpflichtet worden wäre, obwohl es an der Vorlage eines Kostenverzeichnisses gemangelt habe, hätte dies keinerlei Auswirkungen auf die Entscheidung in der Hauptsache gehabt. Die Wiederaufnahme wegen einer Entscheidung im Kostenpunkt sei ausgeschlossen. Das weitere Vorbringen des Klägers, mit dem Kapitalbetrag seien unzulässiger Weise auch Zinsen zugesprochen worden, werde durch den im Hauptverfahren eingebrachten Schriftsatz des hier Wiederaufnahmebeklagten widerlegt, weil danach eine Teilzahlung des Wiederaufnahmeklägers entsprechend § 1416 ABGB zuerst auf die Zinsen und sodann auf das Kapital angerechnet worden sei, sodass der behauptete Zinsenbetrag vom Versäumungsurteil gar nicht mehr habe umfasst sein können.

Der dagegen erhobene "außerordentliche" Revisionsrekurs wurde direkt dem Obersten Gerichtshof vorgelegt; mit Entscheidung des erkennenden Senats 1 Ob 13/03y wurden die Akten dem Erstgericht zur Durchführung des Verfahrens gemäß § 508 ZPO zurückgestellt. Aufgrund eines Abänderungsantrags des Klägers erkannte das Rekursgericht mit Beschluss vom 4. Februar 2002 den ordentlichen Revisionsrekurs für zulässig und verwies zur Begründung im Wesentlichen auf den Abänderungsantrag des Klägers. Es werde "aufgrund der dort dargelegten Argumente" der Zulässigkeitsausspruch im Sinn einer Zulässigerklärung des ordentlichen Revisionsrekurses abgeändert.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen den bestätigenden Beschluss des Gerichts zweiter Instanz erhobene Revisionsrekurs ist zwar gemäß § 528 Abs 2 Z 2 ZPO nicht absolut unanfechtbar, er ist jedoch mangels Vorliegens einer Rechtsfrage von der im § 528 Abs 1 ZPO genannten Qualität unzulässig. Der Oberste Gerichtshof sprach schon in zahlreichen Fällen aus, dass sich die nach dem Gesetz erforderliche Prüfung der Stichhaltigkeit eines Abänderungsantrags gemäß § 508 Abs 1 ZPO nicht in einer Scheinbegründung erschöpfen dürfe und sich das Gericht zweiter Instanz bei seiner Prüfung mit den Antragsargumenten wenngleich kurz, so doch sachlich auseinanderzusetzen habe, darf es doch einem solchen Antrag nur dann stattgeben, wenn es ihn für "stichhaltig" hält (8 Ob 225/98s; 7 Ob 178/99y; 1 Ob 120/01f; 1 Ob 185/03t ua). Es kann daher für die Abänderung eines Ausspruchs über die Unzulässigkeit der ordentlichen Revision nicht genügen, lediglich die Ansicht des Revisionswerbers über das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage ins Treffen zu führen, ohne diese Ansicht vorher auch nur ansatzweise im Zuge einer Auseinandersetzung mit den Antragsargumenten auf deren Begründetheit zu prüfen. Allerdings ist der Oberste Gerichtshof gemäß § 526 Abs 2 ZPO bei der Prüfung der Zulässigkeit des Revisionsrekurses an die Beurteilung des Gerichts zweiter Instanz über das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage nicht gebunden. In der Sache selbst ist vorerst darauf zu verweisen, dass das im Rahmen des allein geltend gemachten Wiederaufnahmegrunds des § 530 Abs 1 Z 4 ZPO erstattete Vorbringen, der Verhandlungsrichter des Vorverfahrens habe sich des Amtsmissbrauchs schuldig gemacht, lediglich Schadenersatzansprüche gegen die Republik Österreich begründen könnte, weil gemäß § 1 Abs 1 AHG die Schadenersatzhaftung des Organs ausgeschlossen und gegen dieses gemäß § 9 Abs 5 AHG der Rechtsweg unzulässig ist (RIS-Justiz RS0103737). Dieser Umstand schließt allerdings die Zulässigkeit eines Anschlusses des Geschädigten als Privatbeteiligter zur Mitwirkung an der Erforschung des Sachverhalts nicht aus (JBl 1978, 313; EvBl 1982/186). Dem Kläger kann daher die grundsätzliche Berechtigung, nach Einstellung des Strafverfahrens gegen den Richter gemäß § 90 StPO einen sogenannten Subsidiarantrag gemäß § 48 Abs 1 Z 1 ZPO zu stellen, nicht abgesprochen werden.

Bei der nur in abstracto vorzunehmenden Prüfung der Zulässigkeitsvoraussetzungen im Vorprüfungsverfahren nach § 538 ZPO ist zu beurteilen, ob sich aus dem Klagevorbringen selbst ergibt, dass die vorgebrachten Tatsachen oder die aus den neuen Beweismitteln abzuleitenden Tatsachen, wenn man sie als richtig unterstellt, zu einer Änderung der früheren Entscheidung führen könnten (RIS-Justiz RS0044631). Auch die Behauptung einer strafbaren Handlung kann daher nur dann einen Wiederaufnahmegrund bilden, wenn diese für die Entscheidung überhaupt kausal war (RZ 1992/63; 9 Ob 125/02a). Diese stets nach den Umständen des Einzelfalls vorzunehmende Beurteilung der Kausalität im angefochtenen Beschluss erfolgte ohne grobe Überschreitung des Ermessensspielraums, sodass eine Korrektur der Entscheidung durch den Obersten Gerichtshof nicht erforderlich ist. Auch der Revisionsrekurswerber vermag nämlich nicht darzulegen, inwieweit die von ihm behauptete unzulässige Annahme eines verspäteten Kostenverzeichnisses, somit eine Handlung nach Fällung der durch Wiederaufnahme zu beseitigenden Entscheidung, die Befangenheit oder gar Ausgeschlossenheit des Richters im Zeitpunkt der Erlassung des Versäumungsurteils begründen könnte. Auf die Frage, ob im zugesprochenen Kapital auch Zinsen enthalten waren, kommt der Revisionsrekurswerber in dritter Instanz nicht mehr zurück, sodass es ausreicht, auf die zutreffende Begründung des Rekursgerichts zu verweisen.

Das Rekursgericht hat auch § 539 Abs 2 ZPO nicht unrichtig ausgelegt. Nach dieser Gesetzesstelle ist die Tagsatzung zur mündlichen Verhandlung über die Wiederaufnahmsklage erst nach rechtskräftigem Abschluss des strafgerichtlichen Verfahrens, und zwar nur dann anzuberaumen, wenn dieses Verfahren entweder zu einer rechtskräftigen Verurteilung wegen der zur Begründung der Wiederaufnahmsklage geltend gemachten strafbaren Handlung geführt hat oder wenn das strafgerichtliche Verfahren aus anderen Gründen als wegen mangelnden Tatbestands oder wegen Mangels an Beweisen zu einer Verurteilung nicht geführt hat. Anderenfalls ist die Klage nach Bekanntgabe der Ergebnisse des strafgerichtlichen Verfahrens als unzulässig zurückzuweisen. Der Oberste Gerichtshof hat bereits mehrfach ausgesprochen, dass aus dem klaren Wortlaut des § 539 Abs 2 erster Satz ZPO unter anderem folge, dass bei einer Zurücklegung der Anzeige wegen mangelnden Tatbestands gemäß § 90 Abs 1 StPO die Wiederaufnahmsklage ohne vorgängige mündliche Verhandlung als unzulässig zurückzuweisen sei (RIS-Justiz RS0044634). Es wurde auch bereits judiziert, dass nach Einstellung eines Strafverfahrens mangels Tatbestands oder mangels an Beweisen ein auf eine Straftat gestützter Wiederaufnahmegrund solange nicht geltend gemacht werden könne, als nicht die Wiederaufnahme des Strafverfahrens erwirkt ist (RIS-Justiz RS0044528). Diesen Rechtssätzen stehen die beiden Entscheidungen SZ 26/226 und RZ 1992/63, nach denen die Voraussetzung für die Zurückweisung der Wiederaufnahmsklage erst durch die abschlägige Erledigung des Subsidiarantrags erfüllt sei, nicht entgegen, weil beiden Entscheidungen zugrunde lag, dass tatsächlich ein solcher Antrag gestellt worden war. Nur dann kann es dem Sinn des Gesetzes entsprechen, die Unterbrechung des Wiederaufnahmeverfahrens bis zur endgültigen Klärung des Ergebnisses des Strafverfahrens aufrechtzuerhalten. Keinesfalls kann aus den beiden genannten Entscheidungen abgeleitet werden, es müsse in jedem Falle, in dem die theoretische Möglichkeit des Subsidiarantrags gegeben sei, über die gesamte Zeit der strafrechtlichen Verjährung mit der Entscheidung über eine Wiederaufnahmsklage zugewartet werden, weil der Kläger möglicherweise von seinen Rechten gemäß § 48 Abs 1 Z 1 StPO Gebrauch machen werde.

Im hier zu beurteilenden Fall hat der Rechtsmittelwerber auch noch in seinem Revisionsrekurs lediglich vorgebracht, er beabsichtige einen Subsidiarantrag zu stellen, benötige für dessen Vorbereitung jedoch noch Zeit. Damit hat es dabei zu bleiben, dass das Strafverfahren gemäß § 90 StPO eingestellt und somit der Wiederaufnahmegrund des § 530 Abs 1 Z 4 ZPO nicht gegeben ist.

Der Revisionsrekurs ist zurückzuweisen.

Rechtssätze
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