JudikaturJustiz1Ob335/99t

1Ob335/99t – OGH Entscheidung

Entscheidung
28. März 2000

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer und Dr. Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mohamed Jamal M*****, vertreten durch Dr. Carl Benkhofer, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Zaher A*****, vertreten durch Dr. Peter Bock, Rechtsanwalt in Wien, wegen 490.000 S sA infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 7. Oktober 1999, GZ 17 R 183/99b 20, womit der Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 25. Juni 1999, GZ 23 Cg 119/97g 17, abgeändert wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem außerordentlichen Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Das Erstgericht verhielt den Beklagten mit Versäumungsurteil vom 29. September 1997 zur Zahlung von 490.000 S sA, auf Grund dessen auf einer näher bezeichneten Liegenschaft des Beklagten ein Zwangspfandrecht begründet wurde. Der durchgehend ortsabwesende Beklagte erlangte am 17. September 1998 Kenntnis vom Versäumungsurteil und erhob Nichtigkeitsberufung. Der Klagevertreter teilte, zur Erstattung der Berufungsbeantwortung aufgefordert, dem Erstgericht mit, dass das Vollmachtsverhältnis zum Kläger im Herbst 1998 einvernehmlich aufgelöst worden sei. Das Berufungsgericht hob mit Beschluss vom 2. Dezember 1998 das Versäumungsurteil als nichtig auf.

Der Klagevertreter beantragte daraufhin unter Hinweis auf das nach Bewilligung der Exekution aufgelöste Vollmachtverhältnis die Bestellung eines Kurators nach § 116 ZPO, erklärte, dass der Kläger unter seiner früheren Adresse nicht mehr erreichbar und eine Kontaktaufnahme mit ihm nicht (mehr) möglich sei, gab aber in der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 25. Mai 1999 an, den Kläger in einem anderen (bezirksgerichtlichen) Verfahren weiterhin zu vertreten. Danach trat Ruhen des Verfahrens ein.

Das Erstgericht wies den Antrag auf Bestellung eines Kurators zurück, weil der Klagevertreter im Hinblick auf die einvernehmliche Auflösung des Vollmachtsverhältnisses weder berechtigt noch verpflichtet sei, weiterhin für den Kläger einzuschreiten. Im Übrigen sei die Bestellung eines Kurators unzulässig, wenn eine Prozesspartei während des Verfahrens "unbekannt wohin" verzogen sei.

Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluss mit der Maßgabe, dass der Antrag abgewiesen werde, und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. In rechtlicher Hinsicht vertrat es zusammengefasst die Auffassung, zufolge § 36 Abs 1 ZPO sei der Klagevertreter noch immer Vertreter des Klägers; dem Kläger könne weiterhin unter seiner letzten Anschrift zugestellt werden.

Der außerordentliche Revisionsrekurs des Klägers, der mangels Aufzählung im § 521a ZPO nicht zweiseitig ist (Kodek in Rechberger2, § 521a ZPO Rz 1 mwN), ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

a) Vorerst ist Folgendes klarzustellen: Hat das Rekursgericht den Beschluss der ersten Instanz mit einer "Maßgabe" bestätigt, so kann darin eine Abänderung des angefochtenen Beschlusses liegen; dient aber die Neufassung des Spruchs nur der Verdeutlichung der erstgerichtlichen Entscheidung, ohne dessen Rechtskraftwirkung zu berühren, so liegt eine echte Bestätigung vor (2 Ob 292/98z; Kodek aaO § 528 ZPO Rz 4 mwN). Grundsätzlich kann von einem bestätigenden Beschluss nur dann gesprochen werden, wenn die vom Gesetz gebotene Erledigungsart in beiden Instanzen übereinstimmt, und zwar in dem Sinn, dass entweder in beiden Instanzen meritorisch oder formal entschieden wurde (3 Ob 2155/96z = RZ 1997/62 ua, zuletzt 2 Ob 114/99z = ÖBA 2000, 77; RIS Justiz RS0044456). Eine solche Bestätigung mit einer "Maßgabe" ist hier nicht gegeben, ist doch das Erstgericht - unzutreffend - davon ausgegangen, dass der Klagevertreter zur weiteren Vertretung des Klägers weder berechtigt noch verpflichtet und deshalb zur Antragstellung nicht berechtigt sei. Dagegen hat die zweite Instanz, wie noch darzustellen sein wird zutreffend erkannt, dass der Klagevertreter zufolge § 36 Abs 1 iVm § 27 Abs 1 ZPO weiterhin (im Außenverhältnis) zur Vertretung des Klägers berechtigt und verpflichtet ist; deshalb fehle ein formeller Zurückweisungsgrund für den vom Klagevertreter erhobenen Antrag. Damit liegt aber in Wahrheit eine Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung durch das Rekursgericht vor.

b) In einem Verfahren mit absoluter Anwaltspflicht (§ 27 Abs 1 ZPO) wie hier bedarf die durch Widerruf oder Kündigung - oder wie hier einvernehmlich - herbeigeführte Aufhebung der Vollmacht zu ihrer Wirksamkeit gegenüber dem Gericht und dem Prozessgegner ("Außenwirkung") gemäß § 36 Abs 1 ZPO der Anzeige, dass ein anderer Rechtsanwalt bestellt wurde. Ohne eine solche Anzeige ist die Mitteilung über die Auflösung des Vollmachtsverhältnisses im Außenverhältnis wirkungslos (EvBl 1962/38 ua; Fasching II 289 und Lehrbuch2 Rz 430; Fucik in Rechberger2, § 36 ZPO Rz 2). Das Gericht hat daher einen Prozessbevollmächtigten, der nach materiellrechtlichen Kriterien (Innenverhältnis) nicht mehr vertretungsbefugt ist, bis zum Einlangen einer Mitteilung nach § 36 Abs 1 ZPO, die aber im Falle absoluter Anwaltspflicht - wie hier - auch die Anzeige der Bestellung eines anderen Rechtsanwalts enthalten muss, weiterhin als solchen zu behandeln. Solange eine Neubestellung des Vertreters nicht angezeigt wurde, ändert sich an der Vertretungsbefugnis des ausgewiesenen Vertreters somit nichts; es sind auch alle Zustellungen gemäß § 93 Abs 1 ZPO an den bisherigen Vertreter einer Partei vorzunehmen (RZ 1978/26; 6 Ob 643/84 = EFSlg 49.299 uva, zuletzt 2 Ob 305/99p; RIS Justiz RS0035736; Fasching II 289). Die Unterschiede der materiellrechtlichen Wirkungen des Widerrufs, der Kündigung oder der einvernehmlichen Auflösung des Vollmachtsverhältnisses einerseits und deren verfahrensrechtlichen Folgen gemäß § 36 Abs 1 ZPO andererseits können daher für das Gericht niemals Anlass sein, einen Vollmachtsmangel gemäß § 37 Abs 1 ZPO von Amts wegen wahrzunehmen (1 Ob 4/99s = EvBl 1999/140 = ecolex 2000, 37; RIS Justiz RS0111661; Fasching II 291).

Nur um dem Schutzzweck der Norm des § 464 Abs 3 (in gleicher Weise des § 505 Abs 2) ZPO gerecht zu werden, wird der Anzeige der Bestellung eines anderen Rechtsanwalts gemäß § 36 Abs 1 ZPO die Bestellung eines Rechtsanwalts zur Verfahrenshilfe gleichgehalten (6 Ob 547/88; 1 Ob 2394/96g = EvBl 1997/122 mwN). Dies gilt aber nicht für einen Antrag auf Bestellung eines Zustellkurators, weil hier eine dem Schutzzweck des § 464 Abs 3 ZPO vergleichbare Norm fehlt. In einem Verfahren mit absoluter Anwaltspflicht (§ 27 Abs 1 ZPO) kann daher die nach § 36 Abs 1 ZPO erforderliche Anzeige der Bestellung eines neuen Rechtsanwalts nicht durch einen Antrag auf Bestellung eines Kurators nach § 116 ZPO für die im Innenverhältnis zum Rechtsanwalt von diesem nicht mehr vertretene Prozesspartei ersetzt werden.

Die Vorschriften der ZPO über die Erfordernisse eines wirksamen Widerrufs der Prozessvollmacht gelten zwar nur für den Widerruf nach Einleitung des Verfahrens (EvBl 1956/346; 2 Ob 682/86 ua; RIS Justiz RS0019836). Diese Voraussetzung ist hier erfüllt: Das Verfahren war noch nicht beendet. Der bisherige Rechtsvertreter der Klägers ist demnach gegenüber dem Gericht und dem Prozessgegner auch weiterhin bis zur Benennung eines neuen Anwalts allein vertretungsbefugt (Fasching II 291), weshalb, wie die zweite Instanz zutreffend erkannte, die Voraussetzungen für die Bestellung eines Kurators nach § 116 ZPO fehlen.

c) Die vom Rechtsmittelwerber als erheblich erachtete Rechtsfrage, ob sich die Bestimmungen des § 36 Abs 1 ZPO und des § 8 ZustG (früher § 111 ZPO) nur auf laufende, nicht jedoch auf rechtskräftig abgeschlossene Verfahren beziehen, weil nach rechtskräftigem Abschluss eines solchen Verfahrens kein Anlass bestünde, die Bestellung eines anderen Rechtsvertreters mitzuteilen, ist hier unerheblich, weil das Versäumungsurteil mangels wirksamer Zustellung an den ortsabwesenden Beklagten nicht rechtskräftig und über Nichtigkeitsberufung des Beklagten vom Berufungsgericht auch als nichtig aufgehoben wurde.

Dem Rechtsmittel kann demnach kein Erfolg beschieden sein.

d) Zu dem von der Erstrichterin festgestellten Eintritt des Ruhens des Verfahrens kann hier nicht Stellung genommen werden, weil dieser Schritt nicht Gegenstand der zweitinstanzlichen Entscheidung war. Dem Revisionsrekursgericht ist es deshalb verwehrt, dem Erstgericht die Fortsetzung des Verfahrens aufzutragen.

Die Kostenentscheidung fußt auf den §§ 40 und 50 ZPO.

Rechtssätze
8