JudikaturJustiz1Ob158/16s

1Ob158/16s – OGH Entscheidung

Entscheidung
27. September 2016

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ. Prof. Dr. Bydlinski, Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger und die Hofrätin Dr. Hofer Zeni Rennhofer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ingrid K*****, vertreten durch Mag. Joachim Pfeiler, Rechtsanwalt in Brunn am Gebirge, gegen die beklagte Partei T***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Michael Wukoschitz, Rechtsanwalt in Wien, wegen 15.373,33 EUR sA und Feststellung, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 11. April 2016, GZ 3 R 3/16g 36, mit dem das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 26. November 2015, GZ 64 Cg 33/15b 31, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird aufgehoben. Die Rechtssache wird an das Berufungsgericht zur neuerlichen Entscheidung zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Die Klägerin absolvierte vom 21. 2. 2014 bis 24. 2. 2014 eine bei der Beklagten gebuchte Busreise mit Unterbringung und Frühstück in einem näher genannten Hotel. Am 23. 2. 2014 ging sie um etwa 7:20 Uhr gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten zum Frühstücksbuffet. Sie trug Straßenschuhe, und zwar Stiefeletten mit ca 3 cm hohen Absätzen. Der Frühstücksbereich war ihr bereits vom Vortag bekannt. Der Frühstücksraum war zu dieser Zeit hell beleuchtet. Die hellen Bodenfliesen vor dem Frühstücksbuffet wiesen einen Kontrast zu den dunkelbraunen Möbeln und zumindest eine übliche Rutschfestigkeit auf.

Die Klägerin holte sich zuerst einen Kaffee, ging dann noch einmal zum Frühstücksbuffet, wo sie sich zuerst zwei oder drei Stück Gebäck auf ihren Teller legte und dann entlang des Frühstücksbuffets weiterging, während sie überlegte, was sie sich noch vom Buffet nehmen sollte. Ihre Blicke waren dabei auf das Buffet gerichtet. Auf den Boden vor ihr achtete sie nicht. Ihre Aufmerksamkeit war vom Buffet und den dargebotenen Speisen in Anspruch genommen. Am Buffet wurden unter anderem Cherrytomaten und in kleine Streifen geschnittene Paprika angeboten. Zu dieser Zeit waren mehrere Gäste beim Frühstücksbuffet, ein besonderes Gedränge herrschte aber nicht. Die Klägerin hätte an sich freie Sicht auf den Boden vor ihr gehabt.

Sie stieg, während sie am Buffet entlang ging, auf ein am Boden liegendes Stück grünen Paprika, das sie vorher nicht gesehen hatte, rutschte darauf aus, fiel rücklings auf den Boden und verletzte sich. Am Boden vor dem Frühstücksbuffet – relativ am Rand – lag auch eine Cherrytomate.

Abgesehen vom Paprikastreifen und der Cherrytomate war der Boden beim Frühstücksbuffet sauber. Auch sonst war an diesem Tag nicht zu bemerken, dass Essensreste länger am Boden vor dem Frühstücksbuffet herumgelegen wären. Es waren regelmäßig mehrere Mitarbeiter des Hotels im Frühstücksbereich anwesend, die sich hauptsächlich um das Nachfüllen der Speisen und um das Abräumen des Geschirrs kümmerten. Die gröberen Putzarbeiten sowie das Aufwischen des Bodens wurden im Normalfall außerhalb der Essenszeiten erledigt.

Die Klägerin begehrt jeweils zwei Drittel an Schmerzengeld von 21.000 EUR, der Kosten einer Haushaltshilfe von 1.860 EUR und von 200 EUR Generalunkosten, insgesamt 15.373,33 EUR sA, sowie die Feststellung der Haftung der Beklagten für künftige Unfallfolgen im Ausmaß von zwei Drittel. Der Unfallbereich sei nicht hell erleuchtet und mit ungeeigneten glatten Fliesen ausgestattet gewesen. Die (zum Unfallszeitpunkt etwa fünf bis sechs) Kellner seien des öfteren am Buffet vorbeigegangen und hätten die am Boden liegenden Gemüseteile längst erkennen und entfernen müssen. Gerade bei Selbstbedienungsbuffets fielen erfahrungsgemäß immer wieder Obst und Gemüsestücke auf den Boden und machten diesen rutschiger. Dass zum Unfallszeitpunkt mehrere Gemüsestücke am Boden gelegen seien, spreche dafür, dass dieser bereits seit einiger Zeit von den Kellnern nicht beobachtet worden sei. Eine überprüfende Kontrolle oder Reinigung des Bodens sei überhaupt nicht zu beobachten gewesen. Sie erkenne ein eigenes Verschulden von einem Drittel an.

Die Beklagte wendete ein, die Ausstattung des Frühstücksraums im Hotel, insbesondere die Verfliesung und Beleuchtung, entspreche den baurechtlichen Vorschriften. Der Unfall sei nicht durch auf dem Boden liegende Speisereste verursacht worden. Der Bereich um das Buffet sei von den Hotelmitarbeitern regelmäßig gereinigt worden. Im Bereich eines Selbstbedienungsbuffets könne es naturgemäß gelegentlich dazu kommen, dass Speisen auf den Boden fallen. Mit einer gewissen Rutschgefahr müsse daher dort von vornherein gerechnet werden, sodass der Hotelgast gehalten sei, entsprechend achtsam zu sein und „vor die Füße zu schauen“. Ein Ausrutschen in diesem Bereich falle in das private Unfalls und Verletzungsrisiko. Eine lückenlose Aufsicht sei bei Selbstbedienungsbuffets nicht üblich und auch nicht erforderlich. Weder der Hotelbetreiber noch der Reiseveranstalter seien zu ständiger Beobachtung und/oder Säuberung des Bodens in einem solchen Bereich verpflichtet. Dies würde schließlich den Buffetbetrieb stören und zu Reklamationen der Gäste führen. Die Klägerin treffe das Alleinverschulden an ihrem Unfall.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es traf ergänzend die Feststellungen, dass das Paprikastück kurz vor dem Unfall zu Boden gefallen sei; selbst wenn die Mitarbeiter den Boden durchgehend kontrolliert hätten, wäre es unsicher, ob sie den Paprikastreifen vor dem Sturz der Klägerin entfernen hätten können, weil dieser knapp davor zu Boden gefallen sei. Rechtlich führte es aus, die beklagte Reiseveranstalterin treffe aus dem Reiseveranstaltungsvertrag auch eine Schutz- und Sorgfaltspflicht für die körperliche Sicherheit der Reisenden. Gemäß § 1313a ABGB habe sie für ein allfälliges Verschulden eines Hotels als ihrem Erfüllungsgehilfen einzustehen. Die Verkehrssicherungs-pflicht des Hotels finde ihre Grenze in der Zumutbarkeit. Sie entfalle, wenn sich jeder selbst schützen könne, weil die Gefahr leicht (ohne genauere Betrachtung) erkennbar sei. Dies sei „im Normalfall“ beim Herumliegen von Paprikastücken auf hellem Fliesenboden anzunehmen. Für Selbstbedienungsbuffets in Hotels habe ähnliches zu gelten wie beim Ausrutschen auf Gemüsestücken in Selbstbedienungsläden. Es sei jedenfalls damit zu rechnen, dass Essensstücke auf den Boden fallen könnten. Damit sei zumindest eine gewisse Aufmerksamkeit auf den Boden vor einem zu richten. Den Mitarbeitern des Hotels sei keine Fahrlässigkeit vorzuwerfen, weil das Paprikastück erst kurz vor dem Sturz der Klägerin zu Boden gefallen sei. Eine durchgehende Überprüfung und Reinigung des Bodens vor dem Frühstücksbuffet, die die sofortige Entfernung von jeglichen Essensresten vom Boden gewährleiste, wäre eine Überspannung der Sorgfaltspflichten eines Hotelbetreibers. „Vor die Füße zu schauen“ sei von jedem Fußgänger zu verlangen. Die Klägerin treffe daher das Alleinverschulden am Unfall. Eine mangelhafte Beleuchtung oder besonders rutschige Fliesen stünden nicht fest.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil. Es behandelte die Beweisrüge der Klägerin zu den vom Erstgericht ergänzend getroffenen Feststellungen nicht, sondern legte seiner rechtlichen Beurteilung deren begehrte Ersatzfeststellungen zugrunde. Danach könne nicht festgestellt werden, wann genau das Paprikastück auf den Boden gefallen sei. Es sei aber bereits auf dem Boden gelegen, als ein Mitarbeiter des Hotels (ein Kellner) am Buffet vorbeiging, um dieses zu kontrollieren, wobei der Kellner das bereits auf dem Boden liegende Paprikastück übersehen und aus diesem Grund nicht entfernt habe. Hätte der Kellner das am Boden liegende Paprikastück wahrgenommen und dieses beiseite geschoben oder aufgehoben, wäre es nicht zum Sturz der Klägerin gekommen. In der rechtlichen Beurteilung führte das Berufungsgericht aus, selbst wenn feststünde, dass das Paprikastück bereits auf dem Boden gelegen sei, als ein Kellner am Buffet vorbeigegangen sei, um dieses zu kontrollieren, er dieses übersehen und es aus diesem Grund nicht entfernt habe, fehlten bei der gleichzeitig begehrten Negativfeststellung zum Zeitpunkt des Herunterfallens des Paprikastücks und ausgehend von der die Klägerin treffenden Beweislast für das Bestehen einer Sorgfaltspflicht und deren Verletzung sowie die Kausalität der Sorgfaltsverletzung für den Schaden hinreichende Anhaltspunkte für die Annahme, dass das Gemüsestück schon so lange auf dem Boden gelegen habe, dass ein Übersehen durch das Personal des Hotels diesem und damit über die Erfüllungsgehilfenhaftung der Beklagten als Verstoß gegen Verkehrssicherungspflichten angelastet werden könnte. Selbst unter Zugrundelegung des von der Klägerin gewünschten Sachverhalts wäre eine Verletzung von Verkehrssicherungspflichten durch die Erfüllungsgehilfin der Beklagten zu verneinen.

Das Berufungsgericht ging erkennbar davon aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands insgesamt 5.000 EUR, nicht jedoch 30.000 EUR übersteigt, und erklärte nachträglich die ordentliche Revision gemäß § 508 Abs 3 ZPO für zulässig, weil die Frage, ob die Grundsätze der Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs zu Stürzen aufgrund herabgefallener Obst oder Gemüsestücke in einem Selbstbedienungsladen auch auf den Sturz eines Gastes am Frühstücksbuffet eines Hotels anzuwenden seien, in der höchstgerichtlichen Judikatur noch nicht beantwortet sei.

Rechtliche Beurteilung

Die von der Beklagten beantwortete Revision der Klägerin ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig und im Sinn der Aufhebung des Urteils des Berufungsgerichts auch berechtigt.

1. Die Vorinstanzen sind zutreffend davon ausgegangen, dass die Beklagte der verschuldensabhängigen vertraglichen Haftung nach österreichischem Recht (vgl Art 4 Abs 1 lit b Rom I VO) als Reiseveranstalter unterliegt. Sie hat der Klägerin soweit zu haften, als der Reiseveranstaltungsvertrag als Nebenpflicht auch eine Schutz- und Sorgfaltspflicht für deren körperliche Sicherheit umfasst. Dabei hat die Beklagte gemäß § 1313a ABGB für ein allfälliges Verschulden des örtlichen Hotelanbieters als ihres Erfüllungsgehilfen wie für ihr eigenes einzustehen (7 Ob 236/07t mwN; vgl RIS Justiz RS0115779).

2.1. Jeden Inhaber eines Geschäfts – und damit auch einen Gastwirt/Hotelier – trifft gegenüber einer Person, die das Geschäft als Kunde betritt, die (vor )vertragliche Pflicht, für die Sicherheit des Geschäftslokals zu sorgen (RIS Justiz RS0016407; zum Gastwirt: 7 Ob 242/13h). Der Inhaber des Geschäfts hat die seiner Verfügung unterliegenden Anlagen, die er den Kunden zur Benützung einräumt, in verkehrssicherem und gefahrlosem Zustand zu halten. Er muss alle erkennbaren Gefahrenquellen, die sich aus dem Geschäftsbetrieb ergeben, ausschalten (RIS Justiz RS0023597). Für die Verletzung dieser Schutzpflicht hat der Geschäftsinhaber nach Vertragsgrundsätzen einzustehen (RIS Justiz RS0016407).

2.2. Ebenso wie die deliktische ist auch die vertragliche Verkehrssicherungspflicht aber nicht zu überspannen (RIS Justiz RS0023487). Sie soll keine vom Verschulden unabhängige Haftung des zur Sicherung Verpflichteten zur Folge haben (vgl RIS Justiz RS0023950). Es kann daher nicht die Beseitigung aller nur möglichen Gefahrenquellen gefordert werden. Jede Verkehrssicherungspflicht findet ihre Grenze in der Zumutbarkeit möglicher Maßnahmen der Gefahrenabwehr (RIS Justiz RS0023397 [T11]). Umfang und Intensität von Verkehrssicherungspflichten richten sich vor allem danach, in welchem Maß die Verkehrsteilnehmer selbst vorhandene Gefahren erkennen und ihnen begegnen können (RIS Justiz RS0023726). Eine Verkehrssicherungspflicht entfällt sogar ganz, wenn sich jeder selbst schützen kann, weil die Gefahr leicht (das heißt ohne genaue Betrachtung) erkennbar ist (RIS Justiz RS0114360).

2.3. Das Bestehen einer Sorgfaltspflicht und deren Verletzung (hier durch Unterlassung) sowie die Kausalität der Sorgfaltsverletzung für den Schaden hat grundsätzlich der Geschädigte zu behaupten und zu beweisen (10 Ob 53/15i mwN).

3.1. In der Entscheidung 2 Ob 541/81 wurde die Haftung eines Geschäftsinhabers aus dem Grund der Überspannung von Verkehrssicherungspflichten verneint, als in einem Lebensmittelgeschäft, in dem die Kunden das Obst selbst entnahmen, eine einzige Weinbeere auf dem Boden lag (auf der die Klägerin ausrutschte und zu Sturz kam) und nicht festgestellt werden konnte, wann die Weinbeere dahin gelangte. Ein Verschulden des beklagten Geschäftsinhabers oder einer seiner Betriebsgehilfen sei deshalb nicht anzunehmen, weil eine permanente Kontrolle des Bodens in Selbstbedienungsläden auf zu Boden gefallenes Obst oder Gemüse nicht gefordert werden könne. In dieselbe Richtung gehen die Entscheidungen 7 Ob 558/87 und 3 Ob 519/95, die jeweils Unfälle in einem Selbstbedienungsladen durch ein auf dem Boden liegendes Salatblatt betreffen. Es sei unvermeidbar, dass in Selbstbedienungsläden, in denen Kunden selbst mit Obst und Gemüse hantieren, immer wieder Früchte oder Gemüsestücke zu Boden fallen. Für den Geschäftsinhaber wäre es ein unzumutbarer Mehraufwand, wenn er an mehreren Stellen des Geschäfts Personal so aufstellen müsste, dass der gesamte Boden des Geschäfts ständig auf herabfallende Obst und Gemüsestücke kontrolliert werden kann. Man werde von jemandem, der in einem Selbstbedienungsladen einkaufe, ein Minimum an Aufmerksamkeit verlangen dürfen. Ähnlich wie in der Entscheidung 2 Ob 541/81 wurde in der Entscheidung 7 Ob 558/87 darauf hingewiesen, dass sich aus dem dort festgestellten Sachverhalt keine Anhaltspunkte dafür ableiten ließen, dass das Obst oder Gemüsestück schon so lange auf dem Boden gelegen habe, dass sein Übersehen durch das Personal der Beklagten dieser als Verstoß gegen ihre Verkehrssicherungspflichten angelastet werden könne.

3.2. Zutreffend ging bereits das Erstgericht davon aus, dass für Selbstbedienungsbuffets in Hotels Ähnliches zu gelten hat wie für Selbstbedienungsläden. Die zu Punkt 3.1. dargelegten Grundsätze sind auch auf den Betreiber eines Frühstücksbuffets anzuwenden, von dem Gäste selbständig Speisen (darunter auch Obst und Gemüse) entnehmen. Die Gefahrenquellen in den genannten Entscheidungen infolge des Zubodenfallens von Obst und Gemüsestücken waren wie offenbar auch im vorliegenden Fall jeweils auf das Verhalten von Kunden (beim Hantieren mit Obst und Gemüse) zurückzuführen und für die Kunden jeweils leicht erkennbar.

4.1. Das Berufungsgericht legte seiner Entscheidung die von der Klägerin in der Berufung begehrten Ersatzfeststellungen zugrunde. Entgegen dessen Rechtsansicht könnte aber auf dieser Tatsachengrundlage ein Verstoß gegen die Verkehrssicherungspflicht nicht verneint werden. Sollte nämlich feststehen, dass das Paprikastück bereits auf dem Boden lag, als ein Kellner am Buffet vorbeiging, um dieses zu kontrollieren, und er es übersah und daher nicht entfernte, käme es nicht darauf an, ob das Gemüsestück schon länger auf dem Boden gelegen wäre. Hat nämlich ein Kellner ein gut erkennbares Paprikastück nicht entfernt, von dem er annehmen konnte, dass es auf einem die übliche Rutschfestigkeit aufweisenden Fliesenboden zu einer Gefahr für die Gäste des Frühstücksbuffets werden könnte, obwohl ihm dies zumutbar war, ist die Dauer, für die das Gemüse bereits am Boden lag, nicht maßgeblich. Vielmehr wäre der Mitarbeiter des Hotels verpflichtet gewesen, das Paprikastück aufzuheben und damit eine Gefahrensituation zu beseitigen. Diese mögliche und zumutbare Maßnahme der Gefahrenabwehr hätte der Kellner pflichtwidrig unterlassen, wenn er den erkennbaren grünen Paprikastreifen auf dem Fliesenboden nicht beseitigte. Damit läge aber ein Verstoß gegen die Verkehrssicherungspflicht durch das Personal des Hotels vor, der über die Erfüllungsgehilfenhaftung der beklagten Reiseveranstalterin anzulasten wäre.

4.2. Sollte das Berufungsgericht nach inhaltlicher Behandlung der Beweisrüge und Beweiswiederholung zu den von der Klägerin gewünschten Feststellungen gelangen, wäre aber zu berücksichtigen, dass jeder Fußgänger beim Gehen „vor die Füße schauen“ und der einzuschlagenden Wegstrecke Aufmerksamkeit zuwenden muss (RIS Justiz RS0027447; RS0023787 [T3]). Dagegen hätte die Klägerin verstoßen, weil sie den Bodenverhältnissen vor ihrem Sturz keine Beachtung geschenkt hätte, obwohl sie – ebenso wie der Kellner – den grünen Paprikastreifen am Fliesenboden sehen hätte können. Beim Frühstücksbuffet herrschte kein besonderes Gedränge und sie hatte freie Sicht auf den Boden vor ihr. Dass mit einem am (hellen) Fliesenboden liegenden Stück grünen Paprika Rutschgefahr verbunden sein kann und deshalb erhöhte Aufmerksamkeit geboten gewesen wäre, ist offenkundig. In diesem Fall wäre gemäß § 1304 ABGB von einem gleichteiligen Verschulden der Klägerin und der Beklagten auszugehen.

4.3. Sollte das Berufungsgericht nach Erledigung der Beweisrüge der Beklagten die vom Erstgericht getroffenen Feststellungen übernehmen, ist dessen Beurteilung, dass den Mitarbeitern des Hotels nicht zum Vorwurf gemacht werden könne, dass sie das Paprikastück nicht rechtzeitig entfernten, weil dieses erst kurz vor dem Sturz der Klägerin zu Boden gefallen sei, nicht zu beanstanden. Eine durchgehende Überprüfung und Reinigung des Bodens vor dem Frühstücksbuffet, die die sofortige Entfernung von jeglichen Essensresten vom Boden gewährleistet, wäre eine Überspannung der Sorgfaltspflichten eines Hotelbetreibers. Ausgehend von den erstinstanzlich getroffenen Feststellungen wäre unter Zugrundelegung des Sorgfaltsmaßstabs des § 347 UGB (dazu Kerschner in Jabornegg/Artmann , UGB 2 § 347 Rz 5; Kramer/Rauter in Straube/Ratka/Rauter , UGB I 4 § 347 Rz 7 ff; Told in U. Torggler , UGB 2 [2016] § 347 Rz 4 und 6) von keinem Verstoß gegen die Verkehrssicherungspflicht auszugehen.

5. Ob das Klagebegehren teilweise berechtigt ist oder nicht, hängt daher davon ab, ob das Berufungsgericht die bekämpften erstgerichtlichen Feststellungen übernimmt oder nach Beweiswiederholung die von der Klägerin begehrten Ersatzfeststellungen trifft.

Aufgrund seiner vom Obersten Gerichtshof nicht geteilten Rechtsansicht setzte sich das Berufungsgericht mit der Beweisrüge der Klägerin in der Berufung nicht auseinander, sodass sich die Ergänzung des Berufungsverfahrens als erforderlich erweist. Der Revision der Klägerin ist daher Folge zu geben und die Rechtssache insofern zur neuerlichen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.

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