JudikaturJustiz1Ob143/02i

1Ob143/02i – OGH Entscheidung

Entscheidung
30. September 2002

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer, Dr. Zechner und Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj Patrick R*****, geboren am ***** infolge Revisionsrekurses des Minderjährigen, vertreten durch Dr. Farhad Paya, Rechtsanwalt in Klagenfurt, gegen den Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt als Rekursgericht vom 14. Februar 2002, GZ 2 R 38/02v 98, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Villach vom 6. Dezember 2001, GZ 10 P 151/96f 95, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird teilweise Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass der vom Vater des Minderjährigen diesem zu leistende monatliche Unterhaltsbeitrag ab 1. 5. 2001 auf 516 EUR (= 7.100 S) monatlich erhöht und sowohl das monatliche Unterhaltserhöhungsmehrbegehren von 21,80 EUR (= 300 S) wie auch das Begehren auf Zahlung eines monatlichen Sonderbedarfs von 116,28 EUR (= 1.600 S) abgewiesen werden.

Text

Begründung:

Der Vater ist außer für den mj Patrick noch für seine vormalige Ehegattin, der er einen monatlichen Unterhalt von 472,37 EUR (= 6.500 S) zu leisten hat, sorgepflichtig. Zuletzt war der Vater zur Zahlung eines monatlichen Unterhaltsbetrags von 6.700 S (= 486,91 EUR) für seinen Sohn verpflichtet.

Der Minderjährige beantragte die Erhöhung der monatlichen Unterhaltsleistung ab 1. 5. 2001 auf 7.400 S (= 537,78 EUR) und die Festsetzung des vom Vater zu deckenden Sonderbedarfs mit monatlich 1.600 S (= 116,28 EUR) zwecks teilweisen Ersatzes der Kosten einer Internatsunterbringung und der Schulgeldzahlung.

Der Vater wendete ein, dass das Kind mit der bisherigen Unterhaltszahlung das Auslangen zu finden habe; zu einer höheren Unterhaltsleistung sei er nicht in der Lage.

Das Erstgericht erhöhte den vom Vater zu leistenden monatlichen Unterhalt auf 7.300 S (= 530,51 EUR) und wies das Mehrbegehren von monatlich 100 S (= 7,27 EUR) unangefochten ab. Des Weiteren sprach es dem Kind einen monatlichen Betrag von 1.600 S (= 116,28 EUR) als Sonderbedarf ab 1. 9. 2001 zu. Unter Berücksichtigung einer "Haushaltsersparung" und der Tatsache, dass ihm ein "Firmen PKW" kostenlos zur Verfügung gestellt werde, sei von einem monatlichen Durchschnittsnettoeinkommen des Vaters von etwa 36.400 S auszugehen. Der Minderjährige sei in einer Sporthandelsschule in Niederösterreich internatsmäßig untergebracht und hiefür sei zehnmal im Jahr ein Betrag von 4.100 S zu zahlen. Darüber hinaus sei ein Schulgeld von 965 EUR (jährlich) zu leisten. Einmal monatlich komme das Kind nach Hause, wo die Mutter die Wäsche versorge. Sämtliche schulfreien Zeiten verbringe der Minderjährige bei der Mutter. Es entstünden zusätzliche Kosten für Sportwochen, Trainingslager udgl. Für Mitgliedschaften bei Judoklub, Tennisklub und Schizunft seien Mitgliedsbeiträge von jährlich etwa 2.000 S zu zahlen und für entsprechende Sportbekleidung würden erhöhte Kosten auflaufen. Insgesamt sei dieser monatliche Mehrbedarf mit etwa S 1.000 anzusetzen. Im Schuljahr 2001/2002 seien Internatskosten und Schulgeld von monatlich 4.523 S zu zahlen.

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, dass der festgelegte monatliche Unterhalt von S 7.300 dem "prozentmäßigen Unterhaltsanspruch" des Minderjährigen entspreche und der Vater zur Leistung dieses Betrags imstande sei. Die durch die Schulausbildung verursachten Kosten einer Internatsunterbringung sowie das Schulgeld seien als Sonderbedarf zu berücksichtigen, und der Vater sei anteilig zur Zahlung dieses Sonderbedarfs zu verpflichten.

Das Rekursgericht änderte diese Entscheidung dahin ab, dass es den Unterhaltserhöhungsantrag und auch den Antrag, den Vater zur Deckung eines Sonderbedarfs von 1.600 S monatlich zu verpflichten, abwies. Es ging von einem monatlichen Durchschnittsnettoeinkommen des Vaters von S 33.000 aus, woraus es die Abweisung des Unterhaltserhöhungsbegehrens folgerte. Sonderbedarf sei nicht zuzusprechen, weil der geldunterhaltspflichtige Vater an der Grenze seiner Leistungsfähigkeit angelangt sei. Der Minderjährige müsse mit dem vom Vater ohnehin geleisteten Unterhaltsbeitrag, der den Regelbedarf übersteige, das Auslangen finden, zumal sich die betreuungspflichtige Mutter während der Internatszeiten jedenfalls den gesamten Verpflegsbedarf erspare.

Der Revisionsrekurs des Minderjährigen ist zulässig, aber nur teilweise berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Es ist nicht nachvollziehbar, weshalb das Rekursgericht zu einer monatlichen Unterhaltsbemessungsgrundlage von S 33.000 gelangte, ist es doch gar nicht umstritten, dass der Vater nach dem gleichfalls unbestrittenermaßen gerechtfertigten Abzug der von ihm bezogenen Diäten über ein monatliches Durchschnittsnettoeinkommen (einschließlich der anteilsmäßigen Sonderzahlungen) von etwa 31.000 S verfügt. Die kostenlose Überlassung eines "Firmen PKW", der auch privat genutzt werden kann, schlägt in dem vom Dienstgeber angerechneten Sachbezug von 4.639 S zu Buche. Diesen Sachbezug hat das Erstgericht richtigerweise berücksichtigt, wenngleich es der Höhe nach nur einen Betrag von 4.400 S in Anschlag brachte. Das der Unterhaltsbemessungsgrundlage zu Grunde zu legende Einkommen besteht nämlich aus allen tatsächlich in Geld oder geldwerten Leistungen erzielten Einkünften, über die der Unterhaltspflichtige frei verfügen kann (EFSlg 86.391; 1 Ob 4/97p), und es kann nicht zweifelhaft sein, dass die Verwendung eines vom Dienstgeber überlassenen PKWs für private Zwecke als Sachbezug zu werten ist (vgl ÖA 1999, 188; EFSlg 86.203). Warum dieser Sachbezug mit einem geringeren Betrag als dem vom Dienstgeber verrechneten berücksichtigt werden sollte, lässt sich nicht nachvollziehen. Es geht nicht an, in jedem einzelnen Fall weitwendige Ermittlungen anzustellen, um den Umfang der tatsächlichen privaten Nutzung eines solchen PKWs abzuklären, vielmehr ist grundsätzlich und so auch hier davon auszugehen, dass der vom Dienstgeber bisher unbeanstandet verrechnete Wert des Sachbezugs den Gegebenheiten entspricht und einen reellen Einkommensbestandteil bildet. Damit erhöht sich aber das zu berücksichtigende Durchschnittsnettoeinkommen des Vaters von monatlich 31.000 S auf etwa S 35.600. Da dem Vater lediglich relativ geringe Taggelder für seine auswärtige Verpflegung gewährt werden, nämlich etwa 100 S täglich, kann keine Rede davon sein, dass ihm durch diesen Bezug eine nennenswerte Haushaltsersparnis zugute käme: Die Hinzurechnung eines Betrags aus diesem Titel ist daher nicht berechtigt. Als Unterhaltsbemessungsgrundlage ist somit ein Betrag von etwa S 35.600 monatlich zu Grunde zu legen.

Von dieser Bemessungsgrundlage ausgehend gebührt dem Kind ein monatlicher Unterhalt von 7.100 S (= 515,98 EUR, gerundet 516 EUR), der der Leistungsfähigkeit des Vaters angepasst ist und mit dem das Kind angemessen an den überdurchschnittlichen Lebensverhältnissen seines Vaters teil hat.

Dem Begehren des Minderjährigen, ihm zur Deckung des behaupteten Sonderbedarfs einen weiteren monatlichen Unterhalt von 1.600 S (= 116,28 EUR) zuzuerkennen, ist dagegen ein Erfolg zu verwehren. Die Überschreitung der Unterhaltsbeträge, die nach den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen zu gewähren sind, ist nur zur Bedeckung existenznotwendigen Sonderbedarfs oder gegenüber in irgendeiner Weise besonders förderungswürdigen Kindern zulässig (EFSlg 92.628). Nach den Feststellungen besucht der Minderjährige eine Sporthandelsschule in Niederösterreich, während sich sein Wohnsitz und der seiner Mutter in Kärnten befinden. Dass der Besuch dieser Sporthandelsschule "existenznotwendig" wäre, wird nicht einmal behauptet. Es mag sein, dass dem Minderjährigen angesichts dessen besonderer Sportlichkeit der Besuch einer solchen Schule insofern zugute kommt, als dadurch seine sportlichen Anlagen und seine konkreten Interessen gefördert werden. Als Sonderbedarf wären aus diesem Titel auflaufende Kosten aber nur dann zu berücksichtigen, wenn sie außergewöhnlich und dringlich wären; die Anerkennung von Sonderbedarf ist stets strengen Anforderungen zu unterwerfen. Bestehen gleichwertige Alternativen, die einen Sonderbedarf erübrigen, dann genießt immer die den Unterhaltspflichtigen weniger belastende Alternative den Vorzug. Die gesonderte Abgeltung von Sonderbedarf hat stets Ausnahmecharakter (1 Ob 350/98x). Namentlich dann, wenn der Geldunterhaltspflichtige zur Zahlung von Unterhaltsbeträgen, die den Regelbedarf deutlich übersteigen, verhalten ist, darf er in aller Regel nicht noch weiter belastet werden, sondern sind die für die besonderen Aktivitäten des Unterhaltsberechtigten erforderlichen Aufwendungen grundsätzlich aus den den Regelbedarf ohnehin beträchtlich übersteigenden laufenden Unterhaltsleistungen zu bestreiten (Purtscheller/Salzmann, Unterhaltsbemessung, Rz 12 mwN; Schwimann, Unterhaltsrecht2, 34 f mwN). Dies trifft im vorliegenden Fall umso mehr zu, als die Mutter durch die schulbedingte Abwesenheit des Kindes von ihrer Betreuungs und Verpflegungstätigkeit ganz massiv entlastet wird und daher Geld für "Sonderausgaben" zur Verfügung steht, das bei einer "normalen" Betreuung nicht vorhanden wäre (vgl EFSlg 89.449). Demnach ist das Begehren des Kindes auf Deckung des behaupteten Sonderbedarfs abzuweisen.

In teilweiser Stattgebung des Revisionsrekurses sind die Entscheidungen der Vorinstanzen dementsprechend spruchgemäß abzuändern.

Rechtssätze
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