JudikaturJustiz17Os29/14i

17Os29/14i – OGH Entscheidung

Entscheidung
24. November 2014

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 24. November 2014 durch den Präsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Ratz als Vorsitzenden, die Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek und Hon. Prof. Dr. Kirchbacher sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Dr. Oshidari in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Tagwerker als Schriftführerin in der Strafsache gegen Matthias G***** und einen anderen Angeklagten wegen des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Richard K***** gegen das Urteil des Landesgerichts Eisenstadt als Schöffengericht vom 22. Jänner 2014, GZ 12 Hv 43/13x-42, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin der Generalprokuratur, Generalanwältin Dr. Brenner, des Angeklagten Richard K***** und des Verteidigers Dr. Brand, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Richard K***** fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Richard K***** des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB schuldig erkannt (A und B).

Danach hat er vom 9. November 2006 bis 3. Mai 2010 in A***** als mit der Führung des Melderegisters betrauter Vertragsbediensteter der Gemeinde A*****, sohin als Beamter, mit dem Vorsatz, dadurch den Bund an seinem Recht auf Richtigkeit des Melderegisters „und dessen ordnungsgemäße Führung“ zu schädigen, seine Befugnis, im Namen „der für das Meldewesen im übertragenen Wirkungsbereich zuständigen Gemeinde A*****“ als deren Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, wissentlich missbraucht, indem er in den im Urteil einzeln bezeichneten Fällen (A/1 bis 5 und B/1 bis 7) unrichtige Meldedaten betreffend ungarische Staatsangehörige in das Zentrale Melderegister (ZMR) eintrug und Vermerke über Scheinmeldungen ausstellte, obwohl er wusste, „dass die unmündigen ungarischen Staatsangehörigen dort nie Unterkunft nahmen und auch nie beabsichtigten dort Unterkunft zu nehmen, weil dies teilweise auch nicht möglich war“.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus Z 5, 5a, 9 lit a und 10a des § 281 Abs 1 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten schlägt fehl.

Die von der Mängelrüge (Z 5) mehrfach vermisste Begründung der Feststellungen zum Wissen des Angeklagten über die fehlende Absicht der Wohnsitznahme durch die unmündigen ungarischen Staatsangehörigen findet sich auf US 11 ff.

Das (im Übrigen nicht entscheidungs-wesentliche RIS-Justiz RS0088761) Tatmotiv einer Steigerung der Hauptschülerzahlen zwecks Vermeidung der drohenden Schulschließung steht zur konstatierten Scheinanmeldung von drei- bis siebenjährigen Kindern (US 6) schon deshalb nicht in Widerspruch (Z 5 dritter Fall), weil die Tatrichter von der beabsichtigten Erzielung einer sofort wirksamen Maßnahme gar nicht ausgegangen sind.

Welchen erheblichen Umstand der auf die Urteilspunkte A/5 sowie B/6 und 7 bezogene Vorwurf, das Erstgericht sei aktenwidrig (Z 5 letzter Fall) davon ausgegangen, dass Kornel N***** sowie Max und Marcel H***** ohne einen Elternteil angemeldet wurden, betreffen soll, wird nicht klar. Im Übrigen nahm das Erstgericht zu B/6 und 7 ohnedies an, dass die Mutter der dort genannten Unmündigen mitangemeldet worden war (US 16). Zu A/5 stützte es die Scheinanmeldung nicht auf eine fehlende Mitanmeldung der Mutter (US 14).

Da der Beschwerdeführer den angeblich im Urteil unrichtig wiedergegebenen Inhalt der Angaben des Angeklagten Richard K***** und des Zeugen Mag. Ko***** nicht bekannt gibt, hat die insoweit aus Z 5 letzter Fall und Z 5a des § 281 Abs 1 StPO erhobene Kritik auf sich zu beruhen.

Der weiteren Rüge zuwider (nominell Z 5a, der Sache nach Z 5 zweiter Fall) war das Erstgericht nicht verpflichtet, die das Vorliegen einer Meldepflicht (vgl § 2 Abs 2 Z 1 MeldeG 1991; vgl Grosinger/Szirba , Das österreichische Melderecht, 82) gar nicht indizierenden Angaben des Zeugen Lorenz U*****, wonach die zu B/4 und 5 genannten Kinder in seinem Haus ein Zimmer hatten und sich mindestens fünfzigmal dort aufgehalten und übernachtet hätten (ON 41 S 35 f, ON 13 S 293 f), zu erörtern.

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) wendet unter Rekurs auf einzelne Absätze der §§ 3, 4a, 7, 8 und 15 MeldeG 1991 ein, dass dem Angeklagten gar kein Recht auf Überprüfung des dem Meldevorgang zugrunde liegenden Sachverhalts zugekommen sei, weshalb die Annahme eines Befugnismissbrauchs verfehlt sei. Dementgegen ist aus dem MeldeG gar wohl eine (positive) Überprüfungspflicht der Meldebehörde abzuleiten, wie an der Pflicht zu amtswegiger Berichtigung des Melderegisters (§ 15 MeldeG 1991; dazu bereits 13 Os 12/11f, EvBl 2011/84, 566) deutlich wird, aber auch aus den vom Beschwerdeführer übergangenen Bestimmungen betreffend die Mitwirkungspflicht des Unterkunftnehmers hinsichtlich der Feststellung seiner Identität (§ 3 Abs 3 MeldeG 1991) und der Nichtausfolgung der Ausfertigung der Meldedaten sowie des Meldezettels an den Meldepflichtigen im Fall nicht verlässlicher Feststellung der Identität des zu Meldenden (§ 4a Abs 3 MeldeG 1991).

Gegen die Annahme eines Schädigungsvorsatzes wendet der Beschwerdeführer an sich zutreffend ein, dass es sich bei dem vom Erstgericht (als Bezugspunkt des erweiterten Vorsatzes) konstatierten Anspruch des Staates auf „ordnungsgemäße Führung des Melderegisters“ (US 11) um ein bloß abstraktes Recht gegenüber dem Beamten auf pflichtgemäße Berufsausübung handelt (vgl RIS-Justiz RS0096270, RS0096604 [T14]). Er berücksichtigt aber nicht, dass das Erstgericht insoweit auch den unter dem Gesichtspunkt des § 302 Abs 1 StGB beachtlichen staatlichen Anspruch auf „Richtigkeit des Melderegisters“ ins Kalkül gezogen hat (vgl 17 Os 30/13k, EvBl 2014/84, 569; 17 Os 10/12t; 13 Os 12/11f, EvBl 2011/84, 566) und stellt solcherart den Schuldspruch nicht in Frage.

Mit dem Einwand fehlender Feststellungen dazu, dass der Angeklagte zum Zeitpunkt der jeweiligen Eintragungen in das Melderegister vom Nichtvorliegen der Meldevoraussetzungen wusste, ist die (nominell auch aus Z 5 erhobene) Beschwerde auf die von ihr übergangenen Urteilsannahmen US 2, 10 f, 12 f, (insbesondere) 14 f und 18 zu verweisen.

Da die Tatrichter gar nicht davon ausgingen, dass Minderjährige immer am Wohnsitz ihrer Erziehungsberechtigten gemeldet sein müssen und nach dem Meldegesetz ein aufrechter Mietvertrag vorausgesetzt ist, erübrigt es sich, auf die diesbezügliche Urteilskritik einzugehen.

Die gesetzmäßige Ausführung einer Diversionsrüge (Z 10a) erfordert eine methodisch korrekte Argumentation auf Basis der Tatsachenfeststellungen unter Beachtung der Notwendigkeit des kumulativen Vorliegens sämtlicher Diversionsvoraussetzungen (RIS-Justiz RS0124801, RS0116823).

Diesen Anfechtungsrahmen verlässt die Beschwerde, indem sie pauschal ohne Bezugnahme auf die diesbezüglichen Urteilsannahmen (US 21) und ohne auf die nach § 198 Abs 1 letzter Halbsatz StPO zu berücksichtigenden präventiven Aspekte einzugehen das Vorliegen der Diversionsvoraussetzungen behauptet.

Bleibt mit Blick auf § 290 Abs 1 StPO anzumerken, dass § 198 Abs 3 StPO ausdrücklich eine gesonderte Abwägung der Tatfolgen anordnet. Dass „die Tat keine oder eine bloß geringfügige oder sonst unbedeutende Schädigung an Rechten herbeigeführt hat“, umschreibt das hier demnach ausnahmsweise (vgl Schroll , WK-StPO § 198 Rz 14; Ebner in WK 2 StGB § 32 Rz 4) nicht in die Prüfung der Schuldschwere einzubeziehende Erfolgsunrecht, dessen geringes Ausmaß kumulativ neben den sonstigen Diversionsvoraussetzungen vorliegen muss. Fehleintragungen in öffentliche Register (hier: das Zentralmelderegister) sind, von Ausnahmefällen abgesehen (vgl 17 Os 30/13k, EvBl 2014/84, 569 betreffend die bloß einmalige Rückdatierung einer Wohnsitzmeldung), gegenüber reinen Abfragen einerseits von größerem Handlungsunwert gekennzeichnet und führen andererseits zur Veränderung des Datensatzes, der für unterschiedlichste Zwecke allgemein zugänglich ist. Sie erschüttern solcherart das Vertrauen sämtlicher Nutzer in die Richtigkeit des Registers. Schon allein deshalb bleibt in der Regel kein Raum für die Annahme bloß geringfügiger oder sonst unbedeutender Schädigung an Rechten (zur Berücksichtigung sonstiger Tatfolgen vgl auch 17 Os 34/14z). Anders als bei bloßen Datenabfragen kommt demnach Diversion bei Fehleintragungen nur dann in Betracht, wenn aufgrund außergewöhnlicher Umstände ein Vorliegen sämtlicher Ausschlusskriterien (ausnahmsweise) zu verneinen ist (zur Konstellation einer bloß einmaligen Registerabfrage vgl hingegen AB 2457 BlgNR 24. GP 3).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Erstgericht verhängte über Richard K***** in Anwendung des § 43a Abs 2 StGB eine gemäß § 43 Abs 1 StGB für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehene Freiheitsstrafe von vier Monaten sowie eine Geldstrafe von 240 Tagessätzen zu je 25 Euro.

Bei der Strafbemessung wertete es den längeren Tatzeitraum und die „Mehrfachdelinquenz“ als erschwerend, den bisher ordentlichen Lebenswandel im Sinn des § 34 Abs 1 Z 2 StGB sowie das Tatsachengeständnis des Angeklagten als mildernd (US 20).

Das Aussageverhalten des Angeklagten führt zu keiner herabgesetzten Strafzumessungsschuld. Der vom Berufungswerber reklamierte wesentliche Beitrag zur Wahrheitsfindung (§ 34 Abs 1 Z 17 zweiter Fall StGB) kommt angesichts der vom Erstgericht verworfenen (US 11) Einlassung des Angeklagten, zu keinem Zeitpunkt einen Verdacht in Richtung vorliegender Scheinmeldungen gehabt zu haben, nicht in Betracht. Zudem hat der vom Erstgericht angenommene Milderungsgrund des Tatsachengeständnisses des Angeklagten zu entfallen (RIS-Justiz RS0091585).

An dessen Stelle tritt der vom Berufungswerber zutreffend geltend gemachte Umstand, dass der Angeklagte auf „Weisung“ des Bürgermeisters handelte (§ 34 Abs 1 Z 4 und 11 StGB; vgl 17 Os 25/13z, EvBl 2014/77, 517; Ebner in WK 2 StGB § 34 Rz 13).

Den Milderungsgrund ordentlichen Verhaltens vor der Tat im Sinn des § 34 Abs 1 Z 2 StGB hat das Erstgericht ohnedies berücksichtigt (US 20).

Wohlverhalten durch längere Zeit (§ 34 Abs 1 Z 18 StGB) ist anzunehmen, wenn der Zeitraum etwa der fünfjährigen Frist für die Rückfallsverjährung (§ 39 Abs 2 StGB) entspricht (RIS-Justiz RS0108563). Davon ist angesichts dessen, dass die letzte Tathandlung am 3. Mai 2010 erfolgte, nicht auszugehen.

Der Milderungsgrund unverhältnismäßig langer Verfahrensdauer (§ 34 Abs 2 StGB) liegt nicht vor. Der Angeklagte erfuhr im November 2012 vom vorliegenden Strafverfahren (ON 15 S 7). Mit der vorliegenden Entscheidung wurde diese Strafsache nach knapp zwei Jahren ohne längere Phasen behördlicher oder gerichtlicher Inaktivität abgeschlossen (vgl zum Ganzen RIS-Justiz RS0124901).

Aufgrund dieser Erwägungen sah sich der Oberste Gerichtshof nicht zu einer Herabsetzung der vom Erstgericht ausgesprochenen Strafe veranlasst.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Rechtssätze
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