JudikaturJustiz15Os34/97

15Os34/97 – OGH Entscheidung

Entscheidung
24. April 1997

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 24.April 1997 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Reisenleitner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag.Strieder, Dr.Rouschal, Dr.Schmucker und Dr.Zehetner als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Brandstätter als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Gerald G***** wegen des Verbrechens des versuchten schweren Raubes als Beteiligter nach §§ 12 zweiter Fall, 15, 142 Abs 1, 143 Satz 1 zweiter Fall StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Geschworenengerichtes beim Landesgericht für Strafsachen Wien vom 20.Jänner 1997, GZ 20 h Vr 11596/96-25, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin der Generalprokuratur, Generalanwältin Dr.Bierlein, des Angeklagten und des Verteidigers Dr.Spreitzhofer, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird Folge gegeben und die Freiheitsstrafe unter Anwendung des § 41 Abs 1 Z 3 StGB auf vier Jahre herabgesetzt.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurde Gerald G***** der Verbrechen des versuchten schweren Raubes als Beteiligter nach §§ 12 zweiter Fall, 15, 142 Abs 1, 143 "erster" (richtig: Satz 1 zweiter) Fall StGB (1) und der Hehlerei nach § 164 "Abs 1" (richtig: Abs 2) und Abs 4 zweiter Satz StGB (2) schuldig erkannt.

Darnach hat er (zusammengefaßt wiedergegeben) in Wien

1. im Juli 1996 die abgesondert verfolgten Jugendlichen Günter H***** und Michael B***** zur Durchführung eines Raubüberfalles - nämlich der von diesen als unmittelbare (Mit )Täter unter Verwendung einer Waffe mit unrechtmäßigem Bereicherungsvorsatz versuchten Wegnahme von Bargeld durch Bedrohung der Verkäuferinnen Aurelia P***** und Amalia Hi***** mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben, indem Günter H***** eine Luftdruckpistole in Richtung der beiden (in einem Nebenraum des Geschäftslokal aufhältigen) Frauen hielt, während Michael B***** äußerte: "Keine Bewegung - Überfall, bleibt's im Kammerl", wobei die Deliktsvollendung nur unterblieb, weil die genannten Jugendlichen "infolge mangelnder Koordination des weiteren Vorgehens von ihrem Plan abließen und davonliefen" - bestimmt, indem er Ratschläge zur Tatausführung erteilte, insbesondere die "Gestaltung des Handlungsablaufes" beschrieb und die Tatwaffe zur Verfügung stellte;

2. am 16.Juli 1996 von den abgesondert verfolgten Jugendlichen Günter H*****, Michael B***** und Rene Be***** am selben Tag durch Einbruch und Einsteigen gestohlene Sachen, nämlich einen Videorecorder und ein Fernsehgerät im Wert von insgesamt 8.980 S, um 500 S gekauft.

Rechtliche Beurteilung

Im zugrundeliegenden Wahrspruch hatten die Geschworenen die (anklagekonforme) Hauptfrage I nach Bestimmung zu dem von den unmittelbaren Tätern Günter H***** und Michael B***** versuchten schweren Raub (Z 1 des Fragenschemas) bejaht, die ferner (anklagekonform gestellte) Hauptfrage II nach Bestimmung dieser beiden (in der Hauptfrage I genannten) Jugendlichen sowie des (gleichfalls abgesondert verfolgten) Jugendlichen Rene Be***** zum Einbruchsdiebstahl (Z 2) verneint und die der Hauptfrage II zugeordnete Eventualfrage nach Hehlerei (Z 3) bejaht. Sonstige Fragen wurden den Geschworenen nicht vorgelegt.

Die ausdrücklich nur gegen den Wahrspruch zur Hauptfrage I und den darauf beruhenden Schuldspruch wegen der Beteiligung am Raubfaktum aus dem Nichtigkeitsgrund der Z 6 des § 345 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten ist nicht im Recht.

Den Ausführungen des Beschwerdeführers zuwider war nach dem Tatsachenvorbringen in der Hauptverhandlung die vermißte "Eventualfrage" (richtig: Zusatzfrage gemäß § 313 StPO) nach Rücktritt (§ 16 StGB) vom Raubversuch nicht indiziert.

Soweit der Angeklagte diesen Strafaufhebungsgrund aus dem - behaupteten - Rücktritt der unmittelbaren Täter Günter H***** und Michael B*****, deren abgesondertes Verfahren noch nicht abgeschlossen ist, für sich in Anspruch nimmt, geht sein Vorbringen schon aus rechtlicher Sicht ins Leere:

Nach § 13 StGB ist jeder von mehreren an einer Straftat Mitwirkenden nach seiner persönlichen Schuld verantwortlich, sodaß Rücktritt vom Versuch nur demjenigen Beteiligten zugute kommen kann, bei dem die Voraussetzungen unmittelbar vorliegen (Leukauf/Steininger Komm3 § 13 RN 5, § 16 RN 12; Foregger/Serini StGB5 § 13 Anm II, § 16 Anm IV; Fabrizy in WK § 12 Rz 71). Der Bestimmungstäter muß zur Erlangung der Straffreiheit entweder die Ausführung der von ihm bestimmten Tat verhindern oder freiwillig den Erfolg abwenden (§ 16 Abs 1 StGB) oder - wenn die Ausführung oder der Erfolg ohne sein Zutun unterbleibt - sich in Unkenntnis dessen freiwillig und ernstlich bemühen, die Ausführung zu verhindern oder den Erfolg abzuwenden (§ 16 Abs 2 StGB) [Leukauf/Steininger aaO § 16 RN 11 a; Hager-Massauer in WK §§ 15, 16 Rz 156 ff; Trifterer AT2 Kapitel 15 III 2 b Rz 63].

Selbst unter der Prämisse, daß die abgesondert verfolgten unmittelbaren Täter in Abänderung ihres ursprünglichen Tatplans freiwillig Abstand genommen hätten, den Raub auszuführen, würde dies nicht Straflosigkeit des Beschwerdeführers (in bezug auf dessen - gelungene - Bestimmungshandlungen) bewirken, weil Verfahrensergebnisse derart, daß der Angeklagte die Tatausführung durch die (von ihm zur Tat bestimmten) Haupttäter (im Sinne des zweiten Falles des § 16 Abs 1 StGB) verhindert hätte, der Aktenlage nicht zu entnehmen sind. Die vom Nichtigkeitswerber in diesem Zusammenhang (isoliert) ins Treffen geführte Verantwortungspassage, Günter H***** und Michael B***** - erfolglos - nachgerufen zu haben, "damit (gemeint mit der von ihm ausgefolgten Waffe) keinen Blödsinn zu machen" (424), läßt ein in Richtung des sogenannten "Putativrücktritts" im Sinne des § 16 Abs 2 StGB weisendes Tatsachensubstrat ebenfalls nicht erkennen.

Der Rechtsmittelwerber hat nämlich im Rahmen seiner Verantwortung in der Hauptverhandlung einen auf Bestimmung der unmittelbaren Täter zur Raubtat gerichteten Vorsatz überhaupt in Abrede gestellt (423 f). Dieser Verantwortung steht aber die in der Nichtigkeitsbeschwerde reklamierte Interpretation, die (angeblich) an die Komplizen erfolgte Aufforderung "keinen Blödsinn zu machen", sei Ausdruck der Aufgabe des (bestrittenen) Deliktsvorsatzes, denkgesetzlich entgegen.

Darüber hinaus ist das Kriterium der Ernstlichkeit des Bemühens um Verhinderung der Tatausführung im Sinne des § 16 Abs 2 StGB nur dann erfüllt, wenn der Täter alle verfügbaren Kräfte aufgeboten und unter Einsatz sämtlicher ihm erreichbarer Mittel die Verhinderung der Ausführung betrieben hat, wozu unter Umständen auch die (anonyme) Verständigung der Sicherheitsbehörde gehört (Hager-Massauer aaO Rz 159; Trifterer aaO Rz 65; Kienapfel AT6 Z 24 RN 25 b). Ernsthafte Anstrengungen durch Ausschöpfung aller zu Gebote stehenden Verhinderungsmöglichkeiten hat der Angeklagte indes gar nicht behauptet. Denn hiezu hätte es fallspezifisch geeigneter Maßnahmen zur Erwirkung der Rückstellung der den unmittelbaren Tätern überlassenen Luftdruckpistole, aber auch zur Verschaffung subjektiver Gewißheit über die Wirkung der behaupteten Äußerung auf die zur Tat Entschlossenen - einschließlich der Fortsetzung zielführender Bestrebungen, sie vom Raubplan abzubringen - bedurft (EvBl 1981/201).

Selbst unter punktueller Betrachtung der angeführten Verantwortungspassage könnte dem Beschwerdeführer somit "ernstliches Bemühen" im Sinne des § 16 Abs 2 StGB nicht zugute kommen, sodaß Straffreiheit durch Rücktritt jedenfalls ausscheidet.

Die reklamierte zusätzliche Fragestellung ist daher zu Recht unterblieben.

Die unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde war somit zu verwerfen.

Das Geschworenengericht verhängte über Gerald G***** nach dem ersten Strafsatz des § 143 StGB unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB eine Freiheitsstrafe von fünf Jahren.

Gegen diesen Strafausspruch richtet sich die Berufung des Angeklagten, mit der er unter Anwendung des § 41 StGB eine Herabsetzung der Freiheitsstrafe unter das gesetzliche Mindestmaß anstrebt.

Ihr kommt Berechtigung zu.

Die Strafzumessungsgründe des Erstgerichtes bedürfen zunächst insoweit einer Korrektur, als es den Erschwerungsgrund des § 33 Z 3 StGB übersehen hat, dem gegenständlich besonderes Gewicht deswegen zukommt, weil der Angeklagte zwei Jugendliche zu einer besonders schweren Tat bestimmt hat.

Dem gegenüber wurde, wie die Berufung zutreffend aufzeigt, zu Unrecht eine einschlägige Vorstrafe als erschwerend gewertet. Die Vorstrafe - eine Geldstrafe - wurde am 9.Jänner 1992 (ersichtlich durch Zahlung) vollzogen (S 61), die fünfjährige Tilgungsfrist des § 3 Abs 1 Z 1 TilgG war somit vor dem Urteil erster Instanz abgelaufen, womit gemäß § 1 Abs 1 TilgG die Tilgung der Verurteilung eingetreten war.

Ist eine Verurteilung getilgt, so gilt der Verurteilte fortan als gerichtlich unbescholten, soweit dem nicht eine andere noch ungetilgte Verurteilung entgegensteht (§ 1 Abs 4 TilgG).

Tritt die Tilgung zwar nach Begehung einer neuerlichen Straftat, aber vor deren rechtskräftiger Aburteilung ein, so ist die wiedergewonnene Unbescholtenheit des Täters zufolge des eben erwähnten Gesetzesbefehls in jeder Lage des Verfahrens über die neue Tat zu beachten. Eine Tilgung vor Urteilsfällung in erster Instanz ist demgemäß vom erkennenden Gericht zu berücksichtigen, eine solche während des (Neuerungen offenstehenden) Berufungsverfahrens vom Rechtsmittelgericht. Aus der getilgten Verurteilung dürfen keine dem Täter nachteiligen rechtlichen Konsequenzen mehr abgeleitet werden.

Dies entspricht der nahezu einhelligen Judikatur des Obersten Gerichtshofes (Mayerhofer/Rieder, StPO3 E 20 zu § 295, Nebenstrafrecht3 E 3 und 8 zu § 1 TilgG; EvBl 1978/201; weiters 9 Os 19/76, 11 Os 90/76, 12 Os 164/76, 9 Os 66/79, 13 Os 119/82, 13 Os 2/83, 13 Os 137/83, 11 Os 99/84, 12 Os 143/84, 11 Os 88/86, 12 Os 170/86, 10 Os 172/86, 11 Os 167/87, 10 Os 48/87, 14 Os 81/87, 12 Os 121/89, 13 Os 120/92, 11 Os 121/93, alle [insoweit] nv, und jüngst 15 Os 204,205/96, 15 Os 97/96 und 11 Os 168/96; zu den gleichlautenden tilgungsrechtlichen Vorgängerbestimmungen bereits SSt 7/100 und 27/27).

Die abweichenden Entscheidungen 12 Os 201/71 (Leitsatz in Mayerhofer/Rieder, StGB4 § 33 E 20) und - darauf Bezug nehmend - 12 Os 124/94 (= EvBl 1995/63) beruhen auf der Argumentation, daß die Tilgung nicht zurückwirke. Von einer Rückwirkung der Tilgung kann jedoch im gegebenen Zusammenhang nicht gesprochen werden. Denn die zitierte Bestimmung, wonach der Verurteilte fortan als gerichtlich unbescholten gilt, bedeutet, daß im Zeitpunkt der Tilgung ein Umstand wegfällt, der (erst) bei einer nachfolgenden Verurteilung als erschwerend (§ 33 Z 2 StGB) oder rückfallsbegründend (§ 39 StGB, § 41 FinStrG) ausschlagen könnte. Der Rehabilitierte ist demnach - zufolge des erklärten Willens des Gesetzgebers - vom Eintritt der Tilgung an so zu behandeln, als wäre er immer unbescholten gewesen. Mit der Tilgung ändert sich somit der Maßstab für die künftige Beurteilung des Täters (in diesem Sinn schon Kadecka, Das Gesetz vom 21.März 1918, Nr 108 RGBl, über die Tilgung der Verurteilung, 153 ff; Pallin,

Die Strafzumessung in rechtlicher Sicht Rz 42).

Demnach durfte die schon im Zeitpunkt der erstgerichtlichen Urteilsfindung getilgte Vorstrafe bei der Strafbemessung keine Berücksichtigung finden. Es kommt dem Angeklagten nunmehr der ordentliche Lebenswandel als mildernd zugute.

Entgegen der Berufung stellt die Tatwiederholung durch Verhehlung von zwei Gegenständen (in zwei gesonderten Geschehensphasen) ungeachtet des Zusammenrechnungsprinzipes des § 29 StGB den besonderen Erschwerungsgrund des § 33 Z 1 StGB dar (Mayerhofer/Rieder StGB4 § 33 E 5 a).

Berücksichtigt man, daß es sich bei der vom Angeklagten übergebenen Waffe um eine mindergefährliche Luftdruckpistole handelte, die zudem nicht sofort schußtauglich war, und die unmittelbaren Täter auf Grund ihrer Einstellung zu den rechtlich geschützten Werten relativ leicht zur Ausführung eines Raubüberfalles zu bestimmen waren, die versuchte Tat von den ins Auge gefaßten Raubopfern nicht einmal bemerkt wurde und die jugendlichen Täter dann eine weitere Tatausführung unterließen, liegt der Unrechtsgehalt der Tat wesentlich unter jenem typischer bewaffneter Raubüberfälle.

Da bei Anwendung des § 41 StGB auch der Unrechtsgehalt der Tat und alle nach den Grundsätzen für die Strafbemessung gemäß § 32 Abs 2 und 3 StGB bedeutsamen Momente zu berücksichtigen sind (Mayerhofer/Rieder aaO § 41 E 3 a und 3 b), liegen, zumal auch spezialpräventive Gesichtspunkte nicht dagegen sprechen, die Voraussetzungen für die Anwendung des § 41 Abs 1 Z 3 StGB vor. Eine Freiheitsstrafe von vier Jahren ist tatschuld- und unrechtsangemessen.

Die Kostenentscheidung beruht auf der bezogenen Gesetzesstelle.

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