JudikaturJustiz15Os27/02

15Os27/02 – OGH Entscheidung

Entscheidung
27. Juni 2002

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 27. Juni 2002 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Markel als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Strieder, Dr. Schmucker, Dr. Zehetner und Dr. Danek als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Lazarus als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Osman B***** wegen des Verbrechens nach § 28 Abs 2 und Abs 4 Z 3 SMG und einer anderen strafbaren Handlung über (1) die vom Generalprokurator erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 28. November 2001, GZ 4a Vr 9309/00 97 (S 421), sowie (2) die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 28. November 2001, GZ 4a Vr 9309/00 98, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Weiss, des Angeklagten Osman B***** und seines Verteidigers zu Recht erkannt:

Spruch

Im Strafverfahren AZ 4a Vr 9309/00 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien verletzt der Beschluss des Schöffengerichtes vom 28. November 2001 auf Ausscheidung des Strafverfahrens gegen den Angeklagten Osman B***** in Bezug auf eine Suchtgiftteilmenge (der laut Anklagevorwurf vom Genannten durch je eine Tat begangenen Suchtgiftdelikte, S 421/II) § 57 StPO.

Dieser Beschluss wird aufgehoben.

Die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft wird verworfen.

Text

Gründe :

Mit Anklageschrift vom 5. Mai 2000 (GZ 4a Vr 9309/00 46 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien) legte die Staatsanwaltschaft Wien Osman B***** das Verbrechen nach § 28 Abs 2 und Abs 4 Z 3 SMG sowie das Vergehen nach § 28 Abs 1 SMG zur Last, weil er am 30. Jänner 2000 eine übergroße Suchtgiftmenge 28 Abs 6 SMG), nämlich insgesamt rund 20 kg Heroin mit noch festzustellenden Wirkstoffgehalt,

(1) in einem von ihm gelenkten Reisebus aus Mazedonien aus , durch Jugoslawien und Ungarn hindurch- und über den Grenzübergang Nickelsdorf nach Österreich eingeführt und sodann

(2) in Wien mit dem Vorsatz besessen hat, dass sie in Verkehr gesetzt werde.

Der Angeklagte B***** verantwortete sich damit, bei Begehung der ihm vorgeworfenen Taten lediglich von einer Menge von 5 kg Heroin Kenntnis gehabt zu haben (vgl S 155/II f, 419/II).

In der Hauptverhandlung vom 28. November 2001 fasste daraufhin das Schöffengericht den Beschluss "auf Ausscheidung des Strafverfahrens hinsichtlich der über das Geständnis hinausgehenden weiteren (dem Angeklagten) zur Last liegenden 15 kg Heroin" (S 421/II). Vom Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft wurde diese Vorgangsweise (zwar inhaltlich berechtigt, aber prozessual bedeutungslos) gerügt.

Sodann erkannte das Schöffengericht mit Urteil vom gleichen Tag den Angeklagten der ihm zur Last gelegten strafbaren Handlungen, aber nur in Bezug auf "insgesamt rund 5 kg Heroin von sehr guter Qualität mit einem Heroingehalt von ca 26 %" schuldig und verhängte über ihn eine Freiheitsstrafe von 4 ½ Jahren (ON 98/II).

In den Gründen führte das Schöffengericht unter anderem aus:

"Dem Angeklagten konnte derzeit allerdings nur ein Vorsatz betreffend 5 kg Heroin nachgewiesen werden; hiezu war er auch geständig. Die Anklage hinsichtlich der weiteren 15 kg Heroin wurde daher ausgeschieden" (US 6).

Dieses Urteil bekämpft die Staatsanwaltschaft nur mit Nichtigkeitsbeschwerde wegen Nichterledigung der Anklage (Z 7 des § 281 Abs 1 StPO).

Anmeldung und Ausführung einer Berufung betreffend die weitere - im Rahmen der Strafzumessung als bedeutsam zu beurteilende - Menge von 15 kg Heroin unterblieb.

Rechtliche Beurteilung

Wie der Generalprokurator in seiner zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde im Ergebnis zutreffend darlegt, steht der bezeichnete Ausscheidungsbeschluss vom 28. November 2001 (S 421/II) mit dem Gesetz nicht im Einklang.

§ 57 StPO erlaubt dem nach § 56 StPO für mehrere zusammentreffende Strafsachen zuständigen Gericht unter bestimmten Voraussetzungen die Verfügung, dass über einzelne "strafbare Handlungen" das Strafverfahren abgesondert zu führen und abzuschließen sei. Abweichend vom Sprachgebrauch der zentralen Bestimmungen des StGB und der §§ 260 Abs 1 Z 1 und 2, 281 Abs 1 Z 9 und 10, 345 Abs 1 Z 11 und 12 StPO meint § 57 StPO mit "strafbare Handlung" nicht die gesetzliche Kategorie, welcher ein dem Beschuldigten (§ 38 Abs 3 StPO) zur Last liegender Lebenssachverhalt zu subsumieren ist, vielmehr den Lebenssachverhalt, mithin das, was § 28 Abs 1 StGB als "Tat" bezeichnet (vgl 13 Os 53/02). Eine getrennte Verfahrensführung hinsichtlich mehrerer in echter Idealkonkurrenz stehender strafbarer Handlungen kommt solcherart nicht in Betracht (Ratz in WK2 Vorbem §§ 28 - 31 Rz 1, 22).

So ist etwa das nur eine oder mehrere strafbare Handlungen, also rechtliche Unterstellungen, betreffende Einstellungserklären des Staatsanwaltes nach § 34 Abs 2 StPO unbeachtlich, wenn der öffentliche Ankläger nicht zugleich von der Verfolgung einer Tat zurücktritt (13 Os 152/00). Ebensowenig kommt ein Freispruch (bloß) von einer strafbaren Handlung (sog Qualifikationsfreispruch) in Betracht. Vielmehr kann nur von einer oder mehreren Taten freigesprochen werden (Ratz, WK StPO § 281 Rz 522, 525).

Selbst dann also, wenn die von der angefochtenen Verfügung betroffenen 15 kg Heroin für die (jeweilige) Subsumtion der beiden dem Angeklagten zur Last gelegten Taten maßgeblich wären, dürften die solcherart echt ideell konkurrierenden strafbaren Handlungen nicht in getrennten Verfahren abgeurteilt werden.

So wie das Strafverfahrensrecht nur eine Aburteilung einer Straftat kennt und die nach Art 4 Abs 1 des 7. ZPEMRK verfassungsrechtlich zulässige (Markel, WK StPO § 1 Rz 17) - gesonderte Beurteilung mehrerer ideell konkurrierender strafbarer Handlungen in mehreren gerichtlichen Strafverfahren ausscheidet (weshalb Art 4 Abs 1 des 7. ZPEMRK nur im Verhältnis zu verwaltungsbehördlichen Strafverfahren gesondert zu prüfen ist; Ratz, WK StPO § 281 Rz 639), sieht die Strafprozessordnung - von sog Teilrechtskraft (vgl Ratz, WK StPO § 289 Rz 9) und nachträglicher Strafmilderung (§ 31a StGB) abgesehen - nur einen zugleich mit der Subsumtion der Tat vorzunehmenden Strafausspruch 260 Abs 1 Z 3 StPO) vor. Einzelne Strafzumessungsgesichtspunkte (sog Strafbemessungstatsachen) einem gesondert geführten Strafverfahren 57 StPO) vorzubehalten, scheidet demnach gleichermaßen aus. Eben darum aber handelt es sich bei den für die rechtliche Unterstellung der beiden vorliegenden Taten nicht entscheidenden 15 kg Heroin, deren Aufnahme in den Schuldspruch an der rechtlichen Unterstellung der als erwiesen angenommenen Tatsachen, deren der Angeklagte schuldig befunden worden ist 260 Abs 1 Z 2 StPO), nichts geändert hätte.

Weder die Ausscheidung bloß einzelner rechtlicher Kategorien (strafbarer Handlungen iS des § 28 Abs 1 StGB) noch jene von Strafzumessungstatsachen vor Aburteilung einer Tat zeitigt demnach Rechtswirkungen. Während jene an der Anfechtbarkeit der Verurteilung nach § 281 Abs 1 Z 10 StPO nichts ändert, belässt diese dem Staatsanwalt das Recht, die Beachtung der Strafbemessungstatsache - ohne Einschränkung durch das für Nichtigkeitsgründe geltende Neuerungsverbot mit Berufung (§ 283 StPO) einzufordern. Wegen der gar wohl erfolgten Aburteilung der angeklagten Tat scheidet die vorliegend gewählte Anfechtung aus dem Grunde des § 281 Abs 1 Z 7 StPO hingegen aus (Ratz, WK StPO § 281 Rz 523, § 295 Rz 15 ff).

Aufgrund der Wirkungslosigkeit der angefochtenen Verfügung erfolgt deren Beseitigung nur zur Klarstellung (statt vieler: 15 Os 57/02, 14 Os 8/02). Wie erläutert kann der Angeklagte aufgrund des (gesetzesverletzenden) Ausscheidungsbeschlusses wegen der davon umfassten Suchtgiftteilmenge ein zweites Mal nicht rechtens vor Gericht gestellt werden, weswegen eine nachteilige Wirkung nicht eintreten kann. Entgegen der Meinung der Generalprokuratur haben bei dieser Beurteilung allfällige rechtsfehlerhafte Folgeakte außer Betracht zu bleiben.

Die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft hingegen war zu verwerfen, weil - wie vorstehend ausgeführt - die Menge des durch jeweils eine einzige Tat eingeführten und besessenen Suchtgifts dann, wenn keine Qualifikationsgrenze in Frage steht, aus der Sicht der Z 7 und 8 unbeachtlich ist (vgl abermals Ratz, WK StPO § 281 Rz 522).

Rechtssätze
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