JudikaturJustiz15Os21/16a

15Os21/16a – OGH Entscheidung

Entscheidung
07. September 2016

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 7. September 2016 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel Kwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Beran als Schriftführer in der Medienrechtssache des Antragstellers Thomas S***** gegen die Antragsgegnerin Fa***** GmbH wegen § 7a und § 7b MedienG, AZ 113 Hv 56/15f des Landesgerichts für Strafsachen Wien, über den Antrag der Generalprokuratur auf außerordentliche Wiederaufnahme des Berufungsverfahrens in Bezug auf das Urteil des Oberlandesgerichts Wien vom 10. Februar 2016, AZ 17 Bs 383/15w, sowie über den Antrag der F***** GmbH auf Erneuerung des Verfahrens gemäß § 363a StPO nach öffentlicher mündlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Mag. Holzleithner, des Vertreters des Antragstellers, Dr. Borbas, und der Antragsgegnerin Mag. Keider, zu Recht erkannt:

Spruch

In Stattgebung des Antrags der Generalprokuratur wird im außerordentlichen Weg die Wiederaufnahme des Berufungsverfahrens, soweit damit der vom Antragsteller erhobenen Berufung Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und die Antragsgegnerin wegen Verletzung der Unschuldsvermutung nach § 7b Abs 1 MedienG zur Zahlung einer Entschädigung an den Antragsteller verurteilt wurde, verfügt, das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 10. Februar 2016, AZ 17 Bs 383/15w, insoweit aufgehoben und in der Sache selbst erkannt:

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Dem Antragsteller Thomas S***** fallen auch die Kosten des Berufungsverfahrens zur Last.

Die Fa***** GmbH wird mit ihrem Antrag auf Erneuerung des Verfahrens auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Der Medienrechtssache des Antragstellers Thomas S***** gegen die Antragsgegnerin Fa***** GmbH, AZ 113 Hv 56/15f des Landesgerichts für Strafsachen Wien, lag ein im periodischen Druckwerk „Fa*****“ am 15. Juli 2015 (Ausgabe 29/15) auf den S 9 ff unter der Überschrift „Einen Koffer mit 70.000 außibracht“ veröffentlichter Artikel zugrunde.

Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 15. September 2015 (ON 13), wurden die medienrechtlichen Anträge, die Antragsgegnerin wegen dieser Veröffentlichung zur Zahlung einer Entschädigung (nur) nach §§ 7a Abs 1 und 7b Abs 1 MedienG an den Antragsteller und zur Urteilsveröffentlichung zu verpflichten, abgewiesen.

Der Einzelrichter stellte dazu – soweit im Folgenden von Interesse – nachstehenden Sachverhalt fest:

Der Leser aus dem Kreis der an einer zuspitzenden und kritischen Berichterstattung über politische Vorgänge interessierten und tendenziell linksliberal eingestellten Personen mit überdurchschnittlicher Bildung versteht die Veröffentlichung soweit hier wesentlich so, dass die Staatsanwaltschaft bei einer Hausdurchsuchung geheime Verträge des Bundesgeschäftsführers der F***** gefunden habe. Dieser sei Gesellschafter eines Unternehmens gewesen, das Steuergelder über Regierungsinserate in die Parteikasse der F***** hätte umleiten sollen. Bei der Hausdurchsuchung habe die Justiz spektakuläre Dokumente sichergestellt, die auf eine Korruptionsaffäre in der Führungsetage der F***** hindeuteten. Die beschlagnahmten Akten belegten, dass K***** über einen Treuhänder heimlicher Hälfteeigentümer einer Werbeagentur gewesen sei, die einst Jörg H***** und heute Heinz-Christian St***** betreute. Als K***** die Hälfte der Firma besessen habe, habe sein Mitgeschäftsführer, der Antragsteller, mit der F***** vereinbart, dass er 20 % des Auftragsvolumens von Kärntner Regierungsinseraten an die Partei weiterreichen werde. Damit K***** nicht öffentlich aufscheine, habe der Antragsteller dessen Firmenanteile und Grundstücke als Treuhänder gehalten. Der Antragsteller solle laut einem seiner Mitarbeiter nicht nur für Uwe Sc***** Gelder aus der Staatskasse abgezweigt haben, sondern auch St***** 70.000 € in einem Koffer überbracht haben, was St***** entschieden bestreite.

[…]

Der Leser versteht die Veröffentlichung insgesamt so, dass der Antragsteller im Verdacht stehe, über Jahre zur Untreue von Verantwortlichen des Landes Kärnten mit einem hohen Schaden beigetragen zu haben, indem er dem Land Kärnten namens der „id*****“ Werbeagentur GmbH nicht gerechtfertigte und/oder überhöhte Rechnungen gestellt habe, die Mitarbeiter des Landes freigegeben hätten. Er versteht die Veröffentlichung daher so, dass der Antragsteller im Verdacht der Untreue nach den §§ 12 dritter Fall, 153 Abs 1 und 2 StGB stehe, wobei sich dieser Verdacht aus den im Artikel genannten Zeugenaussagen und sichergestellten Urkunden ergebe.

Der Leser versteht die Veröffentlichung nicht so, dass der Antragsteller der Beihilfe zur Untreue oder eines sonstigen Deliktes bereits überführt oder erwiesenermaßen schuldig sei.

[…]

In rechtlicher Hinsicht folgerte das Erstgericht – soweit hier von Relevanz –, dass die bloße Schilderung der Verdachtslage nicht den Tatbestand des § 7b Abs 1 MedienG erfülle.

In teilweiser Stattgebung der dagegen vom Antragsteller erhobenen Berufung wegen Nichtigkeit und Schuld (ON 17) hob das Oberlandesgericht Wien mit Urteil vom 10. Februar 2016, AZ 17 Bs 383/15w (ON 23 des Hv Akts), das angefochtene Urteil auf und erkannte in der Sache selbst dahin, dass der Antragsteller Thomas S*****, welcher einer gerichtlich strafbaren Handlung verdächtig, aber nicht rechtskräftig verurteilt war, in dem gegenständlichen Artikel als überführt bzw schuldig hingestellt und solcherart das Recht des Genannten auf Wahrung der Unschuldsvermutung verletzt worden sei; die Antragsgegnerin Fa***** GmbH wurde hiefür nach § 7b Abs 1 MedienG zur Zahlung einer Entschädigung an den Antragsteller verurteilt. Im Übrigen – in Bezug auf die angestrebte Subsumtion der Veröffentlichung auch unter § 7a MedienG – wurde der Berufung nicht Folge gegeben.

Die Berufung wegen Schuld habe Bedenken an der Feststellung, dass der Antragsteller nicht als schuldig oder überführt hingestellt werde, geweckt. Dazu führte das Berufungsgericht wie folgt aus (US 12 f):

[…] Tatsächlich wird nämlich der relevante Gesamteindruck des Artikels nicht so sehr von der gelegentlichen Zitierung des Antragstellers, wonach er die Vorwürfe bestreitet, oder der noch selteneren Verwendung des Konjunktivs geprägt, sondern vielmehr von den im Artikel enthaltenen Kurzzusammenfassungen des dann ausführlicher geschilderten Sachverhalts bzw der Beweiserhebungen. So heißt es: „ Einer, der von den Geschäften der I***** prächtig leben kann, ist Thomas S*****, Spitzname ‚Tommy’. Er ist der Hauptbeschuldigte, der Geschäftsführer und – zumindest offiziell – alleiniger Gesellschafter der I*****, die in den besten Jahren 500.000 Euro Bilanzgewinn auswies. Tommy ist dank der F***** in den vergangenen zehn Jahren reich geworden. Er besitzt eine Jacht in Kroatien und versteckte seine Gewinne. Er wies seinen Steuerberater an, die Bilanzen im Firmenbuch um 1,2 Mio Euro niedriger auszuweisen, wie er gesteht. Niemand sollte sehen, wie viel S***** von der F***** und vom Steuerzahler kassiert.

Nach diesen beiden die Unschuldsvermutung massiv verletzenden Absätzen[,] in [denen] dem Antragsteller deutlich die Begehung eines Verbrechens unterstellt wird, wird im Artikel detailliert, dann wieder teilweise unter Wahrung der Unschuldsvermutung, ausgeführt, worauf sich diese Kurzzusammenfassung gründet.

Auch in dem Einschub „ Die Fa***** Recherche in der Kurzfassung “ wird im Indikativ als feststehend berichtet, dass „ als K***** die Hälfte der Firma besaß, vereinbarte sein Co Geschäftsführer Thomas S***** mit der F*****, dass er 20 % des Auftragsvolumens von Kärntner Regierungsinseraten an die Partei weiterreicht. “ Darüber hinaus werden Zeugenaussagen derart wiedergegeben, dass beim Leser der Eindruck entsteht, dass der Antragsteller jedenfalls schuldig ist. An diesem relevanten Gesamteindruck vermögen die einzelnen, auch im Ersturteil wiedergegebenen Textstellen, die die Unschuldsvermutung wahrend abgefasst sind, nichts entscheidend zu ändern, sodass beim Leser insgesamt der Eindruck entsteht, der Antragsteller sei überführt.

Daran ändert auch nichts, dass auch für den Leser der Eindruck entsteht, das Verfahren sei noch im Laufen, der Antragsteller sei keineswegs bereits verurteilt, empfindet der Leser doch, dass angesichts der dargestellten Umstände und der vom Medium daraus gezogenen Schlüsse er jedenfalls schuldig sei, eine Verurteilung – sofern kein politischer Skandal dazwischen trete – nur noch eine Frage der Zeit (US 12 f).

Rechtliche Beurteilung

Gegen dieses Urteil des Oberlandesgerichts Wien richtet sich der eine Verletzung von Art 10 MRK behauptende Antrag der Fa***** GmbH auf Erneuerung des Verfahrens gemäß § 363a StPO per analogiam (RIS Justiz RS0122228).

Bei Prüfung des Akts ergeben sich – wie die Generalprokuratur in ihrem Antrag auf außerordentliche Wiederaufnahme zutreffend aufzeigt - gegen die Richtigkeit der dem Urteil des Oberlandesgerichts Wien vom 10. Februar 2016 zugrunde liegenden, für die rechtliche Beurteilung maßgebenden Sachverhaltsannahmen – nämlich der Feststellungen, dass der Antragsteller im inkriminierten Artikel nicht bloß als verdächtig hingestellt wurde, sondern beim Leser vielmehr insgesamt der Eindruck entstand, dass der Antragsteller überführt und „jedenfalls schuldig“ sei sowie dass „eine Verurteilung […] nur noch eine Frage der Zeit“ sei (US 12 f) – erhebliche Bedenken (§ 362 Abs 1 Z 2 StPO):

1./ Anspruch auf Entschädigung nach § 7b Abs 1 MedienG hat eine einer gerichtlich strafbaren Handlung verdächtige Person, die in einem Medium als überführt oder schuldig hingestellt oder als Täter dieser strafbaren Handlung und nicht bloß als tatverdächtig bezeichnet wird.

Bei verfassungskonformer Interpretation der Begriffe „überführt oder schuldig hingestellt“ ist die durch Art 10 MRK garantierte Freiheit der Meinungsäußerung zu beachten. Unter diesem Aspekt ist nach den der Rechtsprechung des EGMR zugrundeliegenden Kriterien zur Beurteilung der Zulässigkeit eines Eingriffs in die Meinungsäußerungsfreiheit insbesondere auch zu berücksichtigen, ob der Artikel einen Beitrag zu einer Debatte von allgemeinem Interesse – vorliegend die Aufklärung strafbarer Handlungen mit politischen Implikationen, der Verdacht illegaler Parteienfinanzierung und das Agieren der Strafverfolgungsbehörden in diesem Zusammenhang – leistet (zu den Kriterien grundlegend EGMR 7.2.2012 (GK), 39.954/08, Axel Springer AG/Deutschland , NL 2012, 42).

Daraus folgt, dass der einem Straffall zugrunde liegende Sachverhalt , auch wenn dieser mehr oder weniger zwangsläufig auf die Schuld des Betroffenen schließen lässt, immer berichtbar bleiben muss. Nur eine den Gerichten vorbehaltene Wertung im Sinn einer Lösung der Tat oder Schuldfrage ist unzulässig (RIS Justiz RS0124327; Berka in Berka/Heindl/Höhne/Noll, MedienG³ § 7b Rz 5 und 17; Rami in WK² MedienG § 7b Rz 8) .

Anspruchsbegründend wird eine Veröffentlichung somit erst dann, wenn sie die Schilderung einer – noch so dringenden – Verdachtslage verlässt und – Ermittlungs und Beweisverfahren so präjudizierend – eine abschließende Bewertung der Beweisfrage in Bezug auf eine konkretisierte, eine gerichtlich strafbare Handlung begründende Tat enthält, die eine andere Lösung der Tatfrage ausschließt und daher einen Schuldspruch nicht nur als wahrscheinlich, sondern als unausweichlich erscheinen lässt, oder über die Ebene der Schilderung des Sachverhalts (des Tatbilds) hinausgehend definitive Feststellungen zur strafrechtlichen Verantwortlichkeit der von der Veröffentlichung betroffenen Person im Sinn einer Bejahung (auch) von Rechtswidrigkeit und Schuld trifft.

Das „als überführt oder schuldig Hinstellen“ setzt einen wertenden Schuldvorwurf voraus, der sich auch aus dem gesamten Kontext und der Tendenz eines Berichts ergeben kann; solcherart ist der umstrittene Bericht einer Gesamtbetrachtung zu unterziehen und danach zu beurteilen, ob ein Bericht in seiner Gesamtheit als Vorverurteilung zu bewerten ist – sohin die Täterschaft deutlich unterstellt wird – oder bloß eine nicht (iSd § 7b Abs 1 MedienG) tatbestandsmäßige Schilderung einer Verdachtslage vorliegt (vgl Berka in Berka/Heindl/Höhne/Noll, MedienG³ § 7b Rz 15 und 17 sowie Rami in WK² MedienG § 7b Rz 7b und 8).

2./ Die Beurteilung des Bedeutungsgehalts eines Textes ist Tatfrage (RIS Justiz RS0092588; Rami in WK² MedienG Präambel Rz 1b); dabei ist ua auch auf den situativen Kontext, in den die fragliche Aussage einzuordnen ist, abzustellen sowie das aktuelle Vor und Begleitwissen jenes Rezipienten, an den sich die Publikation nach ihrer Aufmachung und Schreibweise sowie den behandelten Themen richtet, zu berücksichtigen (RIS Justiz RS0092588 [T27]). Die urteilsmäßige Feststellung des Bedeutungsgehalts eines Textes obliegt dem Gericht in Ausübung des ihm gemäß § 258 Abs 2 StPO zukommenden Beweiswürdigungsermessens.

3./ Eine in Ansehung dieser Tatfrage erheblich bedenkliche Ausübung richterlichen Ermessens ist mit dem Rechtsbehelf der außerordentlichen Wiederaufnahme (§ 362 StPO) zu überprüfen (RIS Justiz RS0108805, RS0119300; Ratz , WK StPO § 362 Rz 15 f). Die im Bereich der Mediengerichtsbarkeit aus einer an der MRK orientierten Interpretation innerstaatlicher Verfahrensbestimmungen abzuleitende Einschränkung des Beweiswürdigungsermessens hat zur Folge, dass eine aus Sicht des Obersten Gerichtshofs nicht sachgerechte Lösung der Tatfrage durch die Tatrichter viel eher als erheblich bedenklich zu qualifizieren ist, sodass die Erheblichkeitsschwelle iSd § 362 Abs 1 StPO bei der Kontrolle medienrechtlicher Entscheidungen in tatsächlicher Hinsicht niedriger anzusetzen ist als in anderen Fällen (RIS Justiz RS0123504).

4./ Bei Anlegung dieses Prüfungsmaßstabs erweisen sich die in Rede stehenden – zwar (noch) ausreichend begründeten, somit nicht willkürlichen – Annahmen des Berufungsgerichts als erheblich bedenklich iSd § 362 Abs 1 StPO:

Zunächst ist – in Übereinstimmung mit der Beweiswürdigung des Erstgerichts – hervorzuheben, dass in dem umfangreichen Artikel an einer Vielzahl von Stellen davon die Rede ist, dass es sich – insbesondere auch in Ansehung der gegen den Antragsteller Thomas S***** erhobenen Vorwürfe – um laufende Ermittlungen handle, die derzeit noch keinesfalls als abgeschlossen gelten könnten. Im inkriminierten Bericht werden weiters die Quellen der Verdachtslage, sohin die Beweismittel im einzelnen offengelegt; zudem wird über den Verdacht überwiegend im Konjunktiv berichtet sowie mehrfach erwähnt, dass die Verdächtigen bzw Beschuldigten – so insbesondere auch der Antragsteller – die Vorwürfe in Abrede stellen.

Die (Haupt )Argumentation des Berufungsgerichts, dass „der relevante Gesamteindruck des Artikels [...] von den im Artikel enthaltenen Kurzzusammenfassungen des dann ausführlicher geschilderten Sachverhalts bzw der Beweiserhebungen“ geprägt werde, wird vom Obersten Gerichtshof nicht geteilt. Denn im gesamten Bericht findet sich nur eine „Kurzzusammenfassung“ (nämlich auf „Fa*****“-S 10: „Die Fa*****-Recherche in der Kurzfassung“), deren Inhalt – entgegen der missverständlichen Formulierung auf US 12 – gerade nicht aus den vom Berufungsgericht zitierten, aus dem Fließtext entnommenen Absätzen („Einer, der von den Geschäften der I***** prächtig leben kann, ...“ sowie „Tommy ist dank der F***** in den vergangenen zehn Jahren reich geworden. ...“) besteht. Zu beachten sind aber auch die diesen Ausführungen unmittelbar vorangehenden, auf eine Verdachtslage hinweisenden Passagen („Die Staatsanwaltschaft hegt nach der Razzia den Verdacht, es könnte ...“ und „Das Spiel soll laut den Akten des laufenden Ermittlungsverfahrens so funktioniert haben: […]“); der – an einer zuspitzenden, kritischen, gehaltvollen und umfänglichen Berichterstattung über politische Vorgänge mit möglicherweise krimineller Implikation interessierte und mit überdurchschnittlicher Bildung ausgestattete – Rezipient, an den sich die Publikation nach den Konstatierungen richtet (US 2; S 3 des Ersturteils), erschließt daraus, dass im Folgenden nur eine (wenn auch dichte) Verdachtslage geschildert wird. Dieser Leser geht zudem einem verknappten, zugespitzten oder aufklärungsbedürftigen Text in einer „Kurzzusammenfassung“ oder Überschrift entweder durch Lesen des Artikels nach oder aber verbleibt bewusst im Unklaren über den Sinn und Wahrheitsgehalt, was dann aber auf seine Unterlassung zurückzuführen ist, den gesamten Text zu lesen (12 Os 36/07x).

Die weitere Darlegung des Berufungsgerichts, in dem mit „Die Fa*****-Recherche in der Kurzfassung“ betitelten „Einschub“ werde im Indikativ berichtet, der Antragsteller habe mit der F***** vereinbart, dass „er 20 % des Auftragsvolumens von Kärntner Regierungsinseraten an die Partei weiterreicht“, trifft (zwar) zu. Andererseits wird unter dem weiteren – unmittelbar daneben befindlichen – in gleicher Aufmachung hervorgehobenen (und sogar umrandeten) Einschub „Die Verträge und Zeugenaussagen“ ausgeführt, der Fa***** berichte über den Ermittlungsstand, erhebe aber keinerlei strafrechtliche Vorwürfe, da es sich um ein laufendes Verfahren handle. Die Staatsanwaltschaft sei einigen schweren Vorwürfen bisher noch nicht nachgegangen, das Justizministerium habe sich mit Weisungen in die Ermittlungen eingemischt. Der Fa***** sehe daher ein eminentes öffentliches Interesse daran, der Öffentlichkeit die Ermittlungsakten zugänglich zu machen. Auch daraus erhellt, dass der schon angesprochene Leser des „Fa*****“ den (Gesamt )Artikel dahin versteht, dass (noch aufklärungsbedürftige) Verdachtslagen (auch gegen den Antragsteller) vorliegen, an deren Bekanntwerden ein eminentes öffentliches Interesse besteht, die entsprechenden Ermittlungsverfahren aber noch laufen.

Die Überlegung des Berufungsgerichts, dass auch „Zeugenaussagen derart wiedergegeben (werden), dass beim Leser der Eindruck entsteht, dass der Antragsteller jedenfalls schuldig ist“ (US 13), überzeugt nicht. Im Zuge der auszugsweisen – „journalistisch aufbereiteten“ – Wiedergabe der Aussage des Zeugen M***** wird darauf hingewiesen, dass der Antragsteller (und auch sein Anwalt) die Vorwürfe bestreiten und die Polizei „weiter gräbt“. Das Gleiche gilt in Ansehung der Wiedergabe der Angaben des Zeugen A*****, welche überdies mit der der Klarstellung des „Fa*****“ endet, „dass er sich mit dieser Aussage in keiner Weise identifiziert“, sie aber von öffentlichem Interesse sei und Aufklärung durch die Justiz verdiene.

Zwar ist es zutreffend, dass eine bloß floskelhafte Distanzierung im Rahmen oder am Schluss eines Artikels („Es gilt die Unschuldsvermutung.“) nicht ausreicht, um eine Haftung nach § 7b Abs 1 MedienG zu vermeiden (vgl Berka in Berka/Heindl/Höhne/Noll, MedienG³ § 7b Rz 15; Rami in WK² MedienG § 7b Rz 7b). Das darf aber nicht dahin interpretiert werden, dass – im Umkehrschluss – selbst mehrfache Verweise auf die laufenden Ermittlungen, die bestreitenden Stellungnahmen der betroffenen Personen und die Unschuldsvermutung „rechtlich irrelevant“, dh ganz ohne Bedeutung wären.

Bei gebotener Betrachtung der inkriminierten Veröffentlichung in ihrer Gesamtheit – so des gesamten (Fließ )Textes einschließlich der „Kurzfassung“ der „Fa***** Recherche“, des gesonderten (ebenso hervorgehobenen) Hinweises auf die dem „Fa*****“ vorliegenden „Verträge und Zeugenaussagen“, die Einschübe zum Antragsteller Thomas S***** und zu den Zeugen sowie der mehrfachen Hinweise darauf, dass es sich um laufende, noch nicht abgeschlossene Ermittlungen handelt – ist der vom Berufungsgericht festgestellte Bedeutungsgehalt, wonach der Antragsteller im inkriminierten Artikel nicht bloß als verdächtig hingestellt wurde, sondern beim Leser vielmehr insgesamt „der Eindruck“ entstand, dass der Antragsteller „überführt“ und „jedenfalls schuldig“ sei sowie „eine Verurteilung […] nur noch eine Frage der Zeit“ sei, als erheblich bedenklich iSd § 362 Abs 1 StPO einzuordnen.

Da nach der Aktenlage nicht zu erwarten ist, dass vom Berufungsgericht nach (teilweiser) Wiederholung des Berufungsverfahrens solche Tatsachenfeststellungen zum Bedeutungsgehalt des Artikels getroffen werden können, die dem Anspruchstatbestand des § 7b Abs 1 MedienG zu subsumieren wären, war gemäß § 362 Abs 2 StPO sogleich zu Gunsten der Antragsgegnerin in der Sache selbst dahin zu entscheiden (vgl Fabrizy , StPO 12 § 362 Rz 2 sowie Ratz , WK StPO § 362 Rz 9), dass der solcherart wieder (teilweise) offenen Berufung (wegen Schuld) des Antragstellers Thomas S***** nicht Folge gegeben wird.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO iVm § 8a Abs 1 MedienG.

Die Antragsgegnerin war mit ihrem Antrag auf Erneuerung des Verfahrens auf diese Entscheidung zu verweisen.

Rechtssätze
5