JudikaturJustiz15Os178/09d

15Os178/09d – OGH Entscheidung

Entscheidung
08. Januar 2010

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 8. Jänner 2010 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schmucker als Vorsitzende sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Danek und Mag. Lendl als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Metzler als Schriftführerin im Verfahren zur Auslieferung des Dragan T***** zur Strafvollstreckung an die Republik Serbien, AZ 353 HR 92/09k des Landesgerichts für Strafsachen Wien, über die Grundrechtsbeschwerde des Dragan T***** gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien vom 27. Oktober 2009, AZ 22 Bs 290/09x, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Text

Gründe:

Mit Beschluss des Einzelrichters des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 19. Juni 2009, GZ 353 HR 92/09k-30, wurde die Auslieferung des serbischen Staatsangehörigen Dragan T***** zur Strafvollstreckung der über ihn mit Urteil des Bezirksgerichts in Kraljevo vom 5. September 2006 (K 61/06) wegen nach österreichischem Recht als Vergehen der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs 1 SMG beurteilten strafbaren Verhaltens (Übernahme von 427,3 Gramm Marihuana zwecks Übergabe an eine andere Person) verhängten Freiheitsstrafe von sechs Monaten an die Republik Serbien für zulässig erklärt.

Mit dem angefochtenen Beschluss gab das Oberlandesgericht Wien als Beschwerdegericht der dagegen erhobenen Beschwerde des Betroffenen nicht Folge (ON 42).

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen vom Betroffenen erhobene Grundrechtsbeschwerde ist unzulässig (§ 1 Abs 1 GRBG; vgl RIS-Justiz RS0116089). Denn eine analoge Anwendung des Grundrechtsbeschwerdegesetzes (vgl RIS-Justiz RS0117728) kommt seit der gesetzlichen Neuregelung des Auslieferungsverfahrens durch BGBl I 2004/15 infolge der damit eingeführten Anfechtbarkeit von Beschlüssen über die Zulässigkeit der Auslieferung nicht mehr in Betracht (RIS-Justiz RS0117728 [T10] samt Folgeentscheidungen).

In Ansehung der behaupteten Verletzung in den Grundrechten nach Art 2 sowie Art 3 MRK sind der Beschwerdeschrift substrathafte Anhaltspunkte für ein Vorgehen nach § 363a StPO per analogiam nicht zu entnehmen: Eine Hinderung der Zulässigkeit der Auslieferung durch ein anhängiges Asylverfahren wird gesetzesfremd behauptet (vgl § 33 Abs 3 ARHG; vgl RIS-Justiz RS0123232; 14 Os 67/08x). Der Beschwerdeeinwand, die Zulässigerklärung der Auslieferung stelle die durch Art 39 der Richtlinie 2005/85/EG des Rates vom 1. Dezember 2005 über Mindestnormen für Verfahren in den Mitgliedsstaaten zur Zuerkennung und Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft garantierte Gewährleistung eines wirksamen Rechtsbehelfs gegen eine (wie vorliegend) erstinstanzlich abweisliche Asylentscheidung in Frage, verkennt, dass die in Rede stehende Richtlinie die Zulässigkeit der Auslieferung eines Asylwerbers gar nicht berührt (vgl Art 39 Abs 3 lit a leg cit). So erklärt auch Art 7 Abs 2 der Richtlinie Ausnahmen von im Abs 1 leg cit statuierten Grundsatz der Berechtigung von Asylwerbern zum Verbleib im Mitgliedsstaat während der Prüfung des Antrags für den Fall einer Auslieferung ausdrücklich für zulässig. Die Anregung der Beschwerde, eine Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs (Art 234 EGV) zur Klärung, „inwieweit beim gegenständlichen Sachverhalt Art 39 der Richtlinie 2005/85/EG verletzt wurde", einzuholen, entbehrt solcherart jeglicher Grundlage. Die Behauptung schließlich, das Beschwerdegericht habe eine im Asylverfahren vorgebrachte Bedrohungslage des Beschwerdeführers durch Kosovo-Albaner in Serbien im Zusammenhang mit einem mit jenen Bedrohungen verbundenen Mordversuch am Bruder des Beschwerdeführers unberücksichtigt gelassen, orientiert sich nicht am Inhalt der Beschwerdeentscheidung (BS 5 unten f).

Die unzulässige Grundrechtsbeschwerde war daher zurückzuweisen.

Rechtssätze
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  • RS0117728OGH Rechtssatz

    23. November 2010·3 Entscheidungen

    1.) Ein - sogleich mit Verkündung rechtskräftiger - Beschluss des Oberlandesgerichtes, mit dem die Auslieferung nicht für unzulässig erklärt wurde, kann in analoger Anwendung des Grundrechtsbeschwerdegesetzes mit dem außerordentlichen Rechtsmittel einer an den Obersten Gerichtshof gerichteten Grundrechtsbeschwerde angefochten werden. 2.) In der Beschwerde ist daher anzugeben und zu begründen, worin der Beschwerdeführer die Verletzung eines bestimmt zu bezeichnenden, als Auslieferungshindernis in Betracht kommenden Grundrechtes des Betroffenen - vgl § 19 Z 1 (Art 3 und Art 6 MRK), § 20 ARHG (Art 1 6.ZPMRK) und § 22 ARHG (Art 8 MRK) - erblickt. Die angefochtene Entscheidung ist genau zu bezeichnen. Die Beschwerde muss von einem Verteidiger unterschrieben sein (vgl § 3 GRBG). 3.) Die Beschwerde ist binnen vierzehn Tagen ab Zustellung der (im Fall mündlicher Verkündung der Entscheidung als Grundlage des weiteren Auslieferungsverfahrens gebotenen, vgl § 33 Abs 6 ARHG) schriftlichen Beschlussausfertigung an den Betroffenen (falls er durch einen Verteidiger vertreten ist, an diesen - § 79 Abs 2 StPO) beim Gerichtshof zweiter Instanz einzubringen, der die zur Entscheidung über die Beschwerde erforderlichen Akten unverzüglich dem Obersten Gerichtshof vorzulegen hat. Die Frist ist auch gewahrt, wenn die Beschwerde rechtzeitig beim Obersten Gerichtshof eingebracht wird (vgl § 4 GRBG). Die Beschwerde hat keine aufschiebende Wirkung (vgl § 5 GRBG). 4.) Über die Beschwerde entscheidet der Oberste Gerichtshof nach Anhörung des Generalprokurators in nichtöffentlicher Sitzung durch Erkenntnis. Insoweit lässt sich auch § 6 GRBG analog anwenden. Zur Entscheidung ist jedoch gemäß § 6 OGHG ein Senat aus fünf Mitgliedern berufen, weil kein von § 7 Abs 1 Z 8 OGHG angesprochenes "Erkenntnis nach dem Grundrechtsbeschwerdegesetz, BGBl Nr 35/1993" vorliegt. 5.) Im Grundrechtsbeschwerdeverfahren sind subsidiär die für den Obersten Gerichtshof und die für das gerichtliche Strafverfahren geltenden Vorschriften sinngemäß anzuwenden (vgl § 10 GRBG).