JudikaturJustiz15Os161/14m

15Os161/14m – OGH Entscheidung

Entscheidung
18. Februar 2015

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 18. Februar 2015 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel Kwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Humer als Schriftführerin im Verfahren zur Unterbringung des Simon L***** in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB über dessen Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengericht vom 2. Oktober 2014, GZ 22 Hv 70/14i 25,

und dessen Beschwerde gegen den zugleich gefassten Beschluss auf Erteilung von

Weisungen nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Simon L***** gemäß § 21 Abs 1 StGB in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen, weil er am 9. Juni 2013 in I***** unter dem Einfluss eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustands (§ 11 StGB), der auf einer geistigen oder seelischen Abartigkeit von höherem Grad beruht, nämlich einer drogeninduzierten Psychose,

I./ zwei Polizeibeamte mit Gewalt an einer Amtshandlung, nämlich seiner Anhaltung und Fixierung zur Verhinderung weiterer selbst und fremdverletzender Handlungen, zu hindern versucht hat, indem er um sich und gegen die Polizisten schlug und trat;

II./ durch die zu I./ beschriebene Tat den Polizeibeamten Alexander S***** während der Vollziehung seiner Aufgaben durch einen Fußtritt in dessen Gesicht vorsätzlich am Körper verletzt hat, wodurch dieser eine Rötung unterhalb des rechten Auges und eine kleine Hautabschürfung an der Nase erlitt;

sohin (richtig:) eine Tat begangen hat, die als das Vergehen des Widerstands gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs 1 erster Fall StGB (I./) und das Vergehen der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 2 Z 4 StGB (II./) mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedroht ist.

Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5, 5a und 11 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Betroffenen; sie verfehlt ihr Ziel.

Rechtliche Beurteilung

Entgegen der Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) zu I./ und II./ wurden die Konstatierungen zum auf die Beamteneigenschaft bezogenen (bedingten) Vorsatz des Betroffenen (US 5) nicht offenbar unzureichend begründet, sondern logisch nachvollziehbar und empirisch vertretbar (RIS Justiz RS0118317,

RS0116732) aus der Uniformierung der Polizisten, dem Verhalten des Betroffenen bei seiner Ansprache durch diese und dem psychiatrischen Gutachten abgeleitet (US 7 f). Soweit die Beschwerde auf die Angaben der als Zeugen vernommenen Polizisten verweist die den Entscheidungsgründen zufolge „nichts an der Überzeugung des Schöffengerichts“ ändern (US 7) und die Verfahrensergebnisse eigenen Beweiserwägungen unterzieht, bekämpft sie die tatrichterliche

Beweiswürdigung unzulässig nach Art einer Schuldberufung (vgl Ratz , WK StPO § 281 Rz 450 f).

Die zu I./ vermisste unter dem Aspekt der Z 5 vierter Fall unbedenkliche (RIS Justiz RS0116882, RS0098671) Begründung der Konstatierung zum bedingten Vorsatz, Beamte mit Gewalt an einer Amtshandlung zu hindern (US 5), befindet sich auf US 7, wonach die Feststellungen zur subjektiven Tatseite „aus dem vom Betroffenen gewählten objektiven Vorgehen“ resultieren.

Mit dem Einwand, die als Zeugen vernommenen Polizisten hätten „in Zweifel gezogen bzw. sogar ausdrücklich in Abrede gestellt“, dass der Betroffene sie als Polizeibeamte erkannt habe, gelingt es der Tatsachenrüge (Z 5a) nicht, erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der Feststellungen des auf die Beamteneigenschaft bezogenen Vorsatzes des Betroffenen (US 5) zu wecken (RIS Justiz RS0118780).

Mit der Behauptung (nominell Z 5 zweiter Fall und Z 11), das Erstgericht habe bei der Gefährlichkeitsprognose die Ausführungen der Sachverständigen Dr. K***** übergangen, wonach beim Betroffenen „von einer Krankheitseinsicht sowie einer Therapie Compliance auszugehen“ sei, wird keine Nichtigkeit des Sanktionsausspruchs (§ 260 Abs 1 Z 3 StPO; hier: der Anordnung einer Maßnahme nach § 21 Abs 1 StGB) geltend gemacht. Dieser kann nämlich neben einer Anfechtung mit Berufung nur insoweit mit Nichtigkeitsbeschwerde nach § 281 Abs 1 Z 11 StPO bekämpft werden, als das Schöffengericht seine Anordnungsbefugnis überschritten (Z 11 erster Fall, allenfalls in Verbindung mit Z 2 bis 5a) oder die gesetzlichen Kriterien für die Gefährlichkeitsprognose verkannt hat, indem es zumindest eine der zwingend zu berücksichtigenden Erkenntnisquellen (die Person des Rechtsbrechers, seinen Zustand und die Art der Tat) übergangen oder aus diesen einen unvertretbaren Schluss gezogen hat (Z 11 zweiter Fall). Die dem Ermessensbereich zuzuordnende Gefährlichkeits-prognose ist hingegen ausschließlich mit Berufung bekämpfbar (vgl RIS Justiz RS0118581, RS0113980, RS0090341; Ratz , WK StPO § 281 Rz 715 ff).

Indem die Beschwerde neben den Feststellungen zum Krankheitsbild (US 4) bloß weitere Verfahrensergebnisse im Rahmen der Beurteilung des Zustands des Betroffenen berücksichtigt haben will, wird daher keine rechtsfehlerhafte Gefährlichkeitsprognose aufgezeigt, sondern lediglich ein Berufungsvorbringen erstattet.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits in nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO). Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung und die (implizite) Beschwerde gegen den verfehlt in die Urteilsausfertigung aufgenommenen (US 3; vgl RIS Justiz RS0101841, RS0120887 [T2 und T3]; Danek , WK StPO § 270 Rz 50; Lendl , WK StPO § 260 Rz 39) Beschluss über die Erteilung von Weisungen (§§ 285i, 498 Abs 3 letzter Satz StPO).

Rechtssätze
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