JudikaturJustiz15Os127/17s

15Os127/17s – OGH Entscheidung

Entscheidung
22. November 2017

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 22. November 2017 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel Kwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann in Gegenwart des Rechtshörers Biley als Schriftführer in der Strafsache gegen Konstantinos P***** und eine weitere Angeklagte wegen des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Konstantinos P***** und Alexandra M***** sowie über die Berufung des Privatbeteiligten Emmanouil C***** gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Geschworenengericht vom 12. Juli 2017, GZ 29 Hv 57/17h 176, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Den Angeklagten P***** und M***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurden Konstantinos P***** (zu A./) und Alexandra M***** (zu B./) jeweils des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB, letztere als Beteiligte nach § 12 dritter Fall StGB, schuldig erkannt.

Danach haben

A./ Konstantinos P***** am 6. November 2016 in S***** Antonios C***** durch zehn aus kurzer Distanz abgegebene Schüsse in den Rücken und die rechte Seite des Kopfes getötet;

B./ Alexandra M***** zu unbestimmten Zeitpunkten zwischen Sommer 2016 und 6. November 2016 in M***** und andernorts dadurch „den Tatentschluss des Konstantinos P*****, den Antonios C***** zu töten maßgeblich gefördert“ und dadurch zu der zu A./ genannten Tat des P***** beigetragen, dass sie sich bei diesem erkundigte, wie man ihren Ehemann C***** ohne Spuren verschwinden lassen könne, dessen Plan, ihren Ehemann zu erschießen, mehrfach zustimmte, ihn fragte, wie man es am besten tun sollte, ihn aufforderte, es zu tun, ihm die Ratschläge erteilte, aufzupassen und das Opferhandy sowie die Tatwaffe nach der Tatausführung verschwinden zu lassen, sich gemeinsam mit P***** für eine Pistole als Tatwaffe entschied, sich bereit erklärte, Watte als Schalldämpfer für die Tatwaffe zu besorgen, ihm eine gemeinsame Beziehung, Familiengründung und Zukunft nach der Tatvollendung in Aussicht stellte, mit ihm vereinbarte, die Geldtasche des Opfers vor der Tatausführung mit in die Unterkunft zu nehmen, um eine Identifizierung der allenfalls aufzufindenden Leiche zu erschweren, und dies auch tatsächlich tat, und dass sie mit ihm vereinbarte, er werde sie über die erfolgte Tatausführung per SMS benachrichtigen.

Die Geschworenen haben die diesen Schuldsprüchen zugrunde liegenden (anklagekonformen) Hauptfragen 1 und 2 bejaht.

Dagegen richten sich die Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten, die P***** auf § 345 Abs 1 Z 13 und M***** auf § 345 Abs 1 Z 3, 6, 8, 10a, 11 und 13 StPO stützt; ihnen kommt keine Berechtigung zu.

Rechtliche Beurteilung

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten P*****:

Wie die Sanktionsrüge (nominell Z 13 dritter Fall) selbst einräumt, wurden die Umstände, dass der Angeklagte „ein umfassendes und reumütiges Geständnis abgelegt hat“ und „durch seine Aussage wesentlich zur Wahrheitsfindung in Bezug auf den Tatbeitrag der Alexandra M***** beigetragen hat“ (US 6 f) ohnehin mildernd gewertet (§ 34 Abs 1 Z 17 StGB). Indem das Geschworenengericht bei seiner Ermessensentscheidung berücksichtigt hat, dass der Angeklagte das Geständnis abgelegt hat, nachdem die Tatwaffe in seiner Unterkunft gefunden worden war, Telefonate zwischen ihm und der Angeklagten M***** aufgezeichnet worden waren, „seine Internet-Recherchen bekannt waren“ und auch „bekannt war, wann er gemeinsam mit dem Opfer nach Österreich und alleine wieder zurück nach Deutschland gefahren ist“ (US 6 f), hat es – der Beschwerde zuwider – weder gegen d as Verbot des Zwangs zur Selbstbelastung (

„nemo-tenetur“) verstoßen, noch eine allfällig leugnende Verantwortung des Angeklagten zu Beginn des Ermittlungsverfahrens

als eine für die Strafbemessung entscheidende Tatsache beurteilt, sondern (bloß) dem angezogenen Milderungsgrund nicht das vom Beschwerdeführer gewünschte Gewicht eingeräumt. Diese Kritik stellt vielmehr – ebenso wie die Hinweise, dass das Geständnis bereits im Ermittlungsverfahren und nicht erst in der Hauptverhandlung abgelegt wurde und die Aussage des Angeklagten „die einzige Grundlage für die Wahrheitsfindung“ bezüglich des Tatbeitrags der Angeklagten M***** gewesen sei – bloß ein Berufungsvorbringen dar (RIS Justiz RS0099920).

Ebenfalls der Erledigung der Berufung gegen den Ausspruch über die Strafe vorbehalten bleiben die Überlegungen, die Verhängung der Höchststrafe über einen reumütig geständigen Angeklagten wirke sich unter dem Aspekt der Generalprävention „bedenklich auf die Strafrechtspflege aus“, das Geschworenengericht habe „nicht ausreichend berücksichtigt“, dass der Angeklagte die Tat „über das ausdrückliche Drängen und Verlangen“ der Angeklagten M***** ausgeführt habe, und er sei im Vergleich zu „ähnlich gelagerten Fällen der jüngeren Vergangenheit (…) wesentlich härter bestraft“ worden.

Da nur subsumtionsrelevante Umstände „schon die Strafdrohung bestimmen“ (vgl § 32 Abs 2 erster Satz StGB), die „heimtückische Begehungsweise“ in Form des Anlockens eines Freundes zum Tatort unter einem Vorwand (US 7) und „schwerwiegende Folgen der Tat“ durch den der sechsjährigen Tochter des Opfers verursachten Entzug ihres Vaters (US 8), keine Tatbestandsmerkmale des § 75 StGB sind, verstößt die Heranziehung dieser Umstände bei der Bemessung der Strafe nicht gegen das Doppelverwertungsverbot (Z 13 zweiter Fall; RIS Justiz RS0130193 ).

Weshalb das Erstgericht bei der Strafzumessung (vgl § 32 Abs 3 StGB) seine Erwägungen, dass die Tat „äußerst reiflich überlegt und sehr sorgfältig vorbereitet“ war und „über mehrere Wochen geplant“ wurde (US 7), nicht in gesonderten Unterpunkten anführen hätte dürfen, bleibt unklar. Mit der Vermutung, das Geschworenengericht habe sich „zu einer mehrfachen Verwertung dieser Argumente hinreißen“ lassen, wird ein Nichtigkeitsgrund nicht zur Darstellung gebracht.

Durch das Vorbringen, die heranzuziehenden Milderungsgründe seien mit der Verhängung der Höchststrafe nicht in Einklang zu bringen, wird der Sache nach die Angemessenheit der Strafe angesprochen, die nicht Gegenstand der Nichtigkeitsbeschwerde, sondern der Berufung ist (RIS-Justiz RS0099920 [T5]).

Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten M*****:

Mit der Behauptung (nominell Z 3, der Sache nach Z 4), die Angeklagte sei entgegen dem Protokoll der Hauptverhandlung (ON 175 S 31; zur [rechtskräftigen] Abweisung des Antrags auf Protokollberichtigung vgl ON 204) vor Beginn der Vernehmung nicht über ihre Rechte belehrt worden, wodurch „Grundsätze des ordnungsgemäßen Verfahrens missachtet“ worden seien, wird keine Nichtigkeit aufgezeigt (zu § 271 StPO s RIS Justiz RS0098665; Danek , WK StPO § 271 Rz 4 f).

Weshalb die nach dem Verbrechen des Mordes nach §§ 12 dritter Fall, 75 StGB gestellte Hauptfrage 2 durch die Formulierung, ob die Angeklagte durch die im Einzelnen aufgezählten Handlungen „den Tatentschluss des Konstantinos P*****, den Antonios C***** zu töten maßgeblich gefördert und dadurch zur Tat des Konstantinos P*****, nämlich die Tötung des Antonios C***** am 6. November 2016 in S***** (…) durch zehn Schüsse aus kurzer Distanz (…) beigetragen“ habe, nicht alle gesetzlichen Merkmale der strafbaren Handlung enthalten soll, macht die

Fragenrüge (Z 6) mit der bloßen Behauptung, es müsse „eine maßgebliche Förderung der Tat, nicht nur eine Förderung des Tatentschlusses vorliegen“, nicht klar. Sie übergeht zudem die ständige Rechtsprechung, wonach Beteiligter nach § 12 dritter Fall StGB ist, wer (sonst) zur Ausführung einer strafbaren Handlung eines anderen beiträgt, indem er dessen Tatbildverwirklichung ermöglicht, erleichtert, absichert oder fördert, wobei der Tatbeitrag durch physische oder psychische (intellektuelle) Unterstützung, somit durch Tat oder Rat – worunter etwa ein Bestärken im

Tatentschluss fällt –geleistet werden kann

(RIS Justiz

RS0090508).

Die Kritik der Beschwerdeführerin, die in die Hauptfrage aufgenommenen Erkundigungen beim Angeklagten P*****, wie man ihren Ehemann „am besten“ erschießen und ohne Spuren verschwinden lassen könne, stünden im Widerspruch zu der ebenfalls enthaltenen Annahme, sie habe dem Angeklagten Ratschläge erteilt, betrifft mit Blick auf die weiteren in die Hauptfrage aufgenommenen Beitragshandlungen keine entscheidenden Tatsachen.

Durch die unsubstantiierte Behauptung, es würden „Fragen fehlen, ob die festgestellten Beiträge kausal für die Tat des Erstangeklagten waren, ob das Verhalten der Zweitangeklagten vorsätzlich war und ob die Zweitangeklagte die geförderte Straftat der Art und in groben Umrissen nach in ihre Vorstellung aufgenommen hatte“, wird Nichtigkeit nach Z 6 nicht prozessordnungskonform zur Darstellung gebracht (vgl im Übrigen RIS-Justiz

RS0113270, RS0099909 [T5]).

Gegenstand der Instruktionsrüge (Z 8) ist der auf die Darlegung der gesetzlichen Merkmale der strafbaren Handlungen, auf welche die Fragen an die Geschworenen gerichtet sind, die Auslegung der in diesen vorkommenden Ausdrücke des Gesetzes, das Verhältnis der Fragen zueinander und die Folgen der Bejahung oder Verneinung jeder Frage bezogene – und als Ganzes zu betrachtende – Inhalt der von §§ 321, 323 Abs 1 und 327 Abs 1 StPO genannten Belehrungen (RIS Justiz RS0125434). An diesen Kriterien nimmt die Beschwerde nicht Maß, indem sie unter Vernachlässigung des Inhalts der Rechtsbelehrung (vgl deren S 7 f) behauptet, diese hätte „viel ausführlicher auf die Strafbarkeit eines psychischen Tatbeitrags“ eingehen müssen, und das Erfordernis der „strengen Prüfung der Kausalität“ für die Annahme eines psychischen Tatbeitrags hätte den Geschworenen „vermittelt werden müssen“.

Warum der in der Hauptfrage 2 verwendete Begriff „maßgeblich“ im Zusammenhang mit der Förderung des Tatentschlusses in der Rechtsbelehrung erläutert werden hätte müssen, obwohl letztere nur eine Darlegung der in den Fragen vorkommenden Gesetzesausdrücke verlangt (§ 321 Abs 2 StPO), erklärt die Rüge nicht.

Mit dem bloßen Verweis auf einen für den zweiten Rechtsgang gegebenen Hinweis in einer vereinzelt gebliebenen Entscheidung (12 Os 140/05p), ohne sich mit der ständigen Rechtsprechung auseinanderzusetzen, wonach ein zu einem Vorhaben bereits Entschlossener zu diesem (im Sinne einer Vertiefung des Handlungsentschlusses) bestärkt werden kann (vgl RIS-Justiz

RS0089893; Fabrizy in WK 2 StGB § 12 Rz 54, 88 f, 92), wird die Behauptung, intellektuelle Beitragstäterschaft komme nicht mehr in Betracht, wenn der unmittelbare Täter den Entschluss zu der in seiner Vorstellung individualisierten Tat bereits gefasst hat und daher einer Bestärkung nicht mehr bedarf, nicht methodengerecht aus dem Gesetz abgeleitet und demgemäß eine Unrichtigkeit der Rechtsbelehrung (vgl RIS Justiz RS0118115, RS0100859 [T3]) nicht prozessordnungskonform zur Darstellung gebracht (vgl RIS Justiz RS0116962 [T3]).

Die an der Passage der Rechtsbelehrung, wonach der Beitrags- oder Bestimmungstäter die Tat nicht in allen Einzelheiten in seinen Vorsatz aufgenommen haben muss, sondern es genüge, „wenn dies in Ansehung der wesentlichen Deliktsmerkmale geschehen ist“ (vgl dazu im Übrigen RIS Justiz RS0089768, RS0089860), geübte Kritik, der Vorsatz des Beitragstäters müsse sich auf sämtliche Tatbestandsmerkmale der ausreichend individualisierten Tat beziehen, weshalb die Rechtsbelehrung missverständlich und unrichtig sei, übergeht die Belehrung über die Voraussetzungen der Strafbarkeit und den Vorsatz (Belehrung S 2), durch die hinreichend dargetan wird, dass der Vorsatz das gesamte gesetzliche Tatbild umfasst.

Der Nichtigkeitsgrund nach Z 10a greift seinem Wesen nach erst dann, wenn die Beschwerde aktenkundige Beweisergebnisse aufzuzeigen vermag, die nach allgemein menschlicher Erfahrung gravierende Bedenken gegen die Richtigkeit der im Wahrspruch der Geschworenen festgestellten entscheidenden Tatsachen aufkommen lassen, somit eine Fehlentscheidung bei der Beweiswürdigung qualifiziert nahelegen. Eine über die Prüfung erheblicher Bedenken hinausgehende Auseinandersetzung mit der Überzeugungskraft von Beweisergebnissen – wie sie die Schuldberufung im Einzelrichterverfahren einräumt – wird dadurch nicht eröffnet (RIS Justiz RS0119583).

Mit der Behauptung eigener Zweifel an der Richtigkeit der Aussage des Angeklagten P***** aufgrund seines Aussageverhaltens und seiner möglichen Motive, die Angeklagte M***** zu belasten, weckt die Beschwerde ebenso wenig erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der im Wahrspruch der Geschworenen zur Hauptfrage 2 festgestellten entscheidenden Tatsachen wie mit der Wiedergabe von Passagen der Verantwortung beider Angeklagter und daraus gezogenen beweiswürdigenden Schlüssen (vgl RIS Justiz RS0118780).

Die Geltendmachung materieller Nichtigkeit im

geschworenengerichtlichen Verfahren verlangt den Vergleich der im Wahrspruch der

Geschworenen (§§ 330 bis 333 StPO) festgestellten Tatsachen mit der im Schuldspruch (§§ 260 Abs 1 Z 2, 270 Abs 2 Z 4 StPO iVm § 342 StPO) vorgenommenen Subsumtion (RIS-Justiz RS0101148, RS0101403). Diese Kriterien vernachlässigt die

Rechtsrüge (Z 11 lit a), indem sie unter Hinweis auf eine vereinzelte Entscheidung (12 Os 140/05p) und ohne Auseinandersetzung mit der ständigen Rechtsprechung (RIS Justiz

RS0089893; Fabrizy in WK 2 StGB § 12 Rz 54, 88 f, 92) (bloß) einzelne Beitragshandlungen kritisiert und behauptet, es würden Feststellungen fehlen, „ob sich der Plan schon auf eine konkrete individualisierte Tat bezog, den die Zweitangeklagte kannte und auf den sich ihr Vorsatz bezog“.

Nichtigkeit im Sinn des § 345 Abs 1 Z 13 zweiter Fall StPO bewirkt nur die unzutreffende Heranziehung eines für die Strafzumessungsschuld irrelevanten Umstands, nicht jedoch dessen

verfehlte Einordnung unter einen (besonderen)

Erschwerungs- oder Milderungsgrund, wenn es nicht offenbar unrichtig ist, den in Rede stehenden Umstand nach den allgemeinen Grundsätzen für die Strafbemessung (§ 32 Abs 2 und 3 StGB) als

erschwerend oder mildernd zu berücksichtigen

(RIS-Justiz RS0100061 [T3]; Ratz , WK-StPO § 281 Rz 700, 704). Der Sanktionsrüge (Z 13 zweiter Fall) zuwider stellt daher die erschwerende Wertung des Umstands, dass die Angeklagte M***** den Angeklagten P***** „zur Tat verführt“ hat, keine Nichtigkeit dar, weil es nicht offenbar unrichtig ist, die Schaffung eines besonderen Anreizes zur Tat – hier durch in Aussicht Stellung einer gemeinsamen Beziehung, Familiengründung und Zukunft nach Tatvollendung – bei der Strafbemessung aggravierend zu berücksichtigen.

Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 285d Abs 1, 344 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§§ 285i, 344 StPO).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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