JudikaturJustiz14Os52/17d

14Os52/17d – OGH Entscheidung

Entscheidung
05. September 2017

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 5. September 2017 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Dr. Oshidari sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Wukovits, LL.M., als Schriftführerin in der Strafsache gegen Ivan B***** und andere Angeklagte wegen des Vergehens des schweren gewerbsmäßigen Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 2, 148 erster Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Ivan B***** gegen das Urteil des Landesgerichts Korneuburg als Schöffengericht vom 17. November 2016, GZ 602 Hv 11/16z 52, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten Ivan B***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde – soweit für das Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerde relevant – Ivan B***** des Vergehens des schweren gewerbsmäßigen Betrugs nach §§ 146. 147 Abs 2, 148 erster Fall StGB schuldig erkannt.

Danach hat er von 2001 bis 2014 in S ***** und an anderen Orten Österreichs im einverständlichen Zusammenwirken mit dem unter einem rechtskräftig verurteilten Jozsef S ***** mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz und in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung von Betrug über längere Zeit hindurch ein nicht bloß geringfügiges fortlaufendes Einkommen zu verschaffen, Verfügungsberechtigte der BO***** GmbH, nämlich deren (damaligen) Geschäftsführer Robert R***** und Mitarbeiter der Buchhaltungs- und Kassaabteilung, durch die Vorgabe, zur Aufrechterhaltung und zum Ausbau der Geschäftsbeziehung zur H***** KFT sei die Bezahlung einer Provision von 10 % des Umsatzes an den zuständigen Einkäufer dieses Unternehmens, Jozsef S ***** , erforderlich, während dieser nur eine solche in Höhe von 7 % begehrt hatte und die restlichen 3 % tatplangemäß tatsächlich an Ivan B***** flossen, sowie durch die Vorlage von Provisionsabrechnungen und Quittungen, auf denen Jozsef S***** jeweils wahrheitswidrig den Erhalt der gesamten Summe bestätigte, zur Gewährung und Auszahlung von – im Ausmaß von 3 % des durch die Geschäftsbeziehung mit der H***** KFT in den Jahren 2001 bis 2014 erzielten Umsatzes (von gesamt 2.424.378 Euro) – überhöhten Provisionen in Höhe von 72.731 Euro verleitet, wodurch die BO***** GmbH in diesem Umfang am Vermögen geschädigt wurde, wobei die einzelnen ungerechtfertigt ausgezahlten (quartalsweise abgerechneten) Provisionen den Betrag von 5.000 Euro jeweils nicht überstiegen.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen aus § 281 Abs 1 Z 2, 4, 5 und 10a StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Ivan B***** kommt keine Berechtigung zu.

Die Verfahrensrüge (Z 2 und 4) bezieht sich auf angeblich in der Hauptverhandlung am 26. September und 17. November 2016 gestellte „Anträge“, „den Vorhalt der Transkription vom 11. März 2015 als nichtigkeitsrelevante Umgehung zu unterlassen“ und „sämtliche vom Privatbeteiligtenvertreter angefertigten Protokolle als Beweismittel nicht zuzulassen“, weil „diese Protokolle angefertigt wurden, ohne dass der Angeklagte über seine Rechte im Strafverfahren, insbesonders das Recht, sich nicht selbst belasten zu müssen, aufgeklärt wurde, wodurch es zu einer nichtigkeitsrelevanten Umgehung von Rechten des Beschuldigten gekommen sei“.

Sie scheitert schon daran, dass sie weder die nach ihrem Standpunkt zu Unrecht verlesenen und vorgehaltenen Aktenbestandteile noch – wie bei hier vorliegendem umfangreichen Aktenmaterial geboten (RIS-Justiz RS

0124172) – die Fundstelle von Widerspruch, Antrag und Abweisung konkret bezeichnet.

Im Übrigen wurden die von der Rüge angesprochenen „Beweismittel“ auch nach ihrem Vorbringen „von einer Privatperson angefertigt“ und stellen demgemäß keine Protokolle oder anderen amtlichen Schriftstücke über eine

Erkundigung oder Beweisaufnahme im Ermittlungsverfahren dar, womit deren Verlesung keine Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 2 StPO begründet.

Unter dem Aspekt der Z 4 wären selbst im Sinn des Beschwerdevorbringens gestellte Anträge nicht zielführend gewesen, weil sie nicht erkennen ließen, aus welchem Grund die kritisierte Verlesung oder der Vorhalt von Aktenteilen (ohne Nichtigkeit aus § 281 Abs 1

Z 2 oder Z 3 StPO zu begründen) unter dem Aspekt der Sicherung eines fairen Verfahrens (Art 6 MRK) unzulässig gewesen sein sollten ( Ratz , WK StPO § 281 Rz 57, 336 ff; vgl RIS Justiz RS0119110).

Das zu deren

Fundierung nachgetragene Beschwerdevorbringen unterliegt dem

Neuerungsverbot und ist daher unbeachtlich (RIS-Justiz RS0099618).

Bleibt daher nur der Vollständigkeit halber anzumerken, dass sich die Bestimmungen der §§ 5 Abs 3, 152 Abs 1, 166 Abs 1 Z 2 und 164 Abs 1 StPO, auf die sich der Beschwerdeführer mit seinem Vorwurf, die Privatbeteiligte, zu der er zum Zeitpunkt der Anfertigung des Protokolls in einem Abhängigkeitsverhältnis gestanden sei, habe ihn „mit unlauteren Motiven zur Ablegung eines unrichtigen Geständnisses veranlasst“, ausdrücklich nur an Strafverfolgungsorgane richten. Eigenmächtig agierende Privatpersonen (auch Privatbeteiligtenvertreter, Verteidiger oder Dolmetscher) die Straftaten ohne amtlichen Auftrag erforschen, zählen nicht zum Adressatenkreis. Den Wert eines Geständnisses abzuschätzen, das eine aus eigenem Antrieb handelnde Privatperson – wenn auch allenfalls durch fragwürdige Methoden – erwirkt hat, bleibt vielmehr alleine dem Gericht überlassen (vgl dazu auch Wiederin , WK StPO § 5 Rz 32; Kirchbacher , WK StPO § 151 Rz 3, § 152 Rz 1, § 164 Rz 4; Michel-Kwapinski , WK StPO § 166 Rz 10, 14, 27; vgl auch US 10). Dass die Vertreter der Privatbeteiligten, der BO***** GmbH, im Auftrag oder mit Einverständnis einer Verfolgungsbehörde agiert hätten, behauptet die Rüge gar nicht.

Ihre These, „die [Un ]Verwertbarkeit des unzulässigen Beweismittels“ bestehe „ungeachtet des Umstands, dass dieses von einer Privatperson angefertigt wurde, da andernfalls die Bestimmungen der StPO einfach umgangen werden könnten, indem Ermittlungen nicht mehr von der Polizei, sondern von Privatpersonen durchgeführt werden“, ist schlicht unverständlich (vgl §§ 2 Abs 1, 3 Abs 1 StPO).

Damit geht auch der – auf der verfehlten Prämisse einer „verbotenen Beweiserhebung“ aufbauende – Einwand offenbar unzureichender Begründung (Z 5 vierter Fall) – nicht näher bezeichneter (vgl aber RIS-Justiz RS0130729) – „Feststellungen“, weil im Urteil der nach dem Beschwerdestandpunkt rechtswidrig verlesene „von der Privatbeteiligten angefertigte Aktenvermerk über das Gespräch vom 11. März 2015“ verwertet wurde, ins Leere.

Mit Blick auf den gegen den Beschwerdeführer erhobenen – oben detailliert dargestellten – Vorwurf, betrifft die Sachverhaltsannahme der Tatrichter, wonach die (täuschungsbedingt getroffene) Provisionsvereinbarung nicht schriftlich festgehalten wurde (US 5), weder eine

für die Schuld- oder die Subsumtionsfrage entscheidende Tatsache, noch handelt es sich dabei um einen Umstand, in dem das Erstgericht erkennbar eine

notwendige Bedingung für die Feststellung einer solchen erblickte (US 9 ff). Sie ist daher nicht Gegenstand der Mängelrüge (RIS Justiz RS0106268, RS0116737 ; Ratz , WK StPO § 281 Rz 410).

Zu welchen konkreten entscheidungswesentlichen Konstatierungen die in weiterer Folge hervorgehobenen – im Übrigen durchwegs unerhebliche Umstände betreffenden – Passagen aus den Aussagen mehrerer Zeugen in erörterungsbedürftigem Widerspruch stehen sollten, sagt die Beschwerde abermals nicht, womit sich der in diesem Zusammenhang erhobene Einwand von Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) einer inhaltlichen Erwiderung entzieht (vgl erneut RIS-Justiz RS0130729).

Mit Spekulationen zu den Motiven der Privatbeteiligten für die Unterlassung einer Strafanzeige und für die Geltendmachung ihrer Ansprüche im Strafverfahren sowie der These, es sei im Hinblick auf die generelle „Ungesetzlichkeit der Provisionszahlungen“ (§ 309 StGB) an den Zweitangeklagten „nicht ausgeschlossen, dass sie einerseits auch mit einer höheren Provisionszahlung und mit einem Rückfluss an den Erstangeklagten (den Beschwerdeführer) einverstanden war, und sie sich dem Strafverfahren nunmehr lediglich deshalb angeschlossen hat, um den Verdacht von sich selbst abzulenken“, wird ein nominell angesprochener Begründungsmangel im Sinn der Z 5 zweiter Fall nicht geltend gemacht, sondern bloß unzulässig die Beweiswürdigung des Erstgerichts nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung bekämpft.

Die gesetzmäßige Ausführung einer

Diversionsrüge (Z 10a) erfordert eine methodisch korrekte Argumentation auf Basis der Tatsachenfeststellungen unter Beachtung der Notwendigkeit des kumulativen Vorliegens sämtlicher Diversionsvoraussetzungen (RIS-Justiz RS0124801, RS0116823). Diese Kriterien verfehlt die Beschwerde, indem sie bloß auf die hinreichende Klärung des Sachverhalts sowie das Vorliegen der Voraussetzung des § 198 Abs 2 Z 1 StPO verweist und substratlos behauptet, die Schuld des Angeklagten sei nicht als schwer anzusehen und seine Bestrafung weder aus spezial- noch aus generalpräventiven Gründen geboten, dabei aber die Feststellungen zum 14 Jahre umfassenden Tatzeitraum und zur – mehr als das 14-fache der relevanten Wertqualifikation des § 147 Abs 2 StGB betragenden – Höhe des Schadens (US 2 f, 6, 12) übergeht (vgl RIS-Justiz RS0116021). Weshalb die mangelnde (von entsprechendem Unrechtsbewusstsein getragene) Verantwortungsübernahme durch den Beschwerdeführer (vgl US 8 f) keine diversionshindernden spezialpräventiven Bedenken begründen sollte (RIS-Justiz RS0116299 [T2 und T3], RS0126734), wird zudem nicht erklärt.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO). Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Rechtssätze
9
  • RS0119110OGH Rechtssatz

    14. Dezember 2023·3 Entscheidungen

    § 149h Abs 2 StPO stellt auf Ergebnisse der Überwachung ab, also auf eine solche nach dem VI. Abschnitt des XII. Hauptstücks der StPO und damit grundsätzlich auf einen inländischen Grundrechtseingriff iSd § 149d StPO, dessen prozessuale Voraussetzungen gewahrt worden sein müssen, um einen Zufallsfund im Strafverfahren verwerten zu können. Ziel dieser strengen Reglementierung ist es, eine Gefährdung oder gar Umgehung des (gegenüber inländischen Behörden garantierten) Grundrechtsschutzes im sensiblen Bereich der Privatsphäre zu verhindern, um dem Wesen und dem rechtsstaatlichen Wert einer Verfahrensordnung gerecht zu werden. Da sich inländische Verfahrensgesetze nicht auf (ohne Veranlassung durch ein österreichisches Gericht entfaltete) Tätigkeiten ausländischer Behörden beziehen und sich die StPO daher nur an österreichische - und nicht auch an ausländische - Strafverfolgungsorgane als Normadressaten wendet, vermag eine innerstaatlich als akustische Überwachung zu beurteilende Vorgangsweise ausländischer Organe jedenfalls keine Nichtigkeit iSd § 149h Abs 2 Z 1 und 2 StPO zu begründen. Dessen ungeachtet steht es einem Angeklagten offen, der Verwendung ausländischer Beweisergebnisse im inländischen Strafverfahren durch eine auf die Sicherung eines fairen Verfahrens iSd Art 6 MRK abzielende (auch im Rechtsmittelverfahren gemäß § 281 Abs 1 Z 4 StPO durchsetzbare) Antragstellung entgegenzutreten.